Kommentar EU-Verträge
6. Aufl. 2013
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I. Hintergrund
Artikel 4
Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung
Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
I. Hintergrund
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Das in Art. 4 niedergelegte Folterverbot entspringt einem unionsweiten Konsens. In keinem MS sind Folter oder andere unmenschliche Behandlungen erlaubt (Borowsky in Meyer/Bernsdorff Art. 4, Rn. 1). Im Konvent bestand somit von Anfang an Einigkeit über die Aufnahme des Folterverbotes.
Der Wortlaut der Regelung ist identisch mit Art. 3 EMRK. Durch die Anwendung der Transferklausel des Art. 52 Abs. 3 S. 1 wird auch eine inhaltliche Identität von Art. 4 mit Art. 3 EMRK erreicht. Daher muss für die Auslegung die Rechtsprechung des EGMR herangezogen werden.
Auf Unionsebene hat das Folterverbot bisher keine besondere Praxisrelevanz erlangt. Der EuGH musste sich auch vor der Entstehung der Charta nicht mit dem Thema Folter befassen. Dies ist wohl maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die EU über keine Kompetenzen in Bereichen verfügt, die einen engen Bezug zu dieser Problematik aufweisen. In einer Entscheidung zur RL 2004/83/EG aus dem Jahr 2009 hat der EuGH festgestellt, dass das Folterverbot zu de...