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Richtlinie des BMF vom 20.01.2011, BMF-010222/0186-VI/7/2010
12 Außergewöhnliche Belastungen (§§ 34 und 35 EStG 1988)
12.3 Voraussetzungen (§ 34 Abs. 1 EStG 1988)

12.3.5 Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 3 EStG 1988)

828Eine Belastung erwächst zwangsläufig, wenn sich der Steuerpflichtige ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Eine Belastung erwächst nicht zwangsläufig, wenn sie

  • vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt worden ist (vgl. beispielsweise , betr. Schadenersatz nach grob verschuldetem Verkehrsunfall im Rahmen einer Dienstfahrt),

  • sonst unmittelbare Folge eines Verhaltens ist, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat (vgl. beispielsweise , betr. Darlehensrückzahlung nach vertraglicher Überwälzung der Rückzahlungsverpflichtung; , betr. Aufwendungen im Rahmen einer einvernehmlichen Scheidung; ; , betr. Kosten durch das Führen eines Zivilprozesses, betr. Forderungsausfall, betr. Kosten der Terrassenbepflanzung ) oder

  • sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellt (vgl. beispielsweise , betr. Bürgschaftsübernahme zur Erhaltung von Arbeitsplätzen; , bzw. , betr. die Abwendung einer Insolvenzgefahr durch den Ehepartner).

829Die Belastung muss nicht nur dem Grunde nach, sondern auch der Höhe nach vom Begriff der Zwangsläufigkeit umfasst sein. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. ; ; vgl. auch die ständige Verwaltungspraxis bei Begräbniskosten, siehe dazu Rz 890). Die Zwangsläufigkeit eines Aufwandes ist stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen. Eine wirtschaftliche oder typisierende Betrachtungsweise ist ausgeschlossen (vgl. ; ).

830Unter tatsächlichen Gründen sind Ereignisse zu verstehen, die unmittelbar den Steuerpflichtigen selbst betreffen (zB eigene Krankheitskosten; vgl. ; ; ; siehe auch Rz 902).

831Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann aus dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zu anderen Personen erwachsen. Erwächst eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht, so muss bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen (zB Krankheitskosten unterhaltsberechtigter Personen, ). Dementsprechend sind beispielsweise Zahlungen auf Grund einer freiwillig oder im Rahmen des Unternehmerwagnisses übernommenen Bürgschaftsverpflichtung nicht zwangsläufig (siehe dazu ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Rz 893 ff, sowie ; ).

Ebenso sind Belastungen, die aus dem Antritt einer Erbschaft oder beispielsweise aus der Erfüllung von Übergabe- oder Schenkungsverträgen erwachsen, nicht zwangsläufig (vgl. dazu , 0097, betr. Zahlungen zur Abfindung von Pflichtteilsansprüchen; , betr. Zahlungen für Nachlassverbindlichkeiten; , betr. Obsorge der Eltern bzw. Kosten einer doppelten Haushaltsführung auf Grund eines Übergabevertrages). Auch aus der ehelichen Beistandspflicht nach § 90 ABGB kann eine rechtliche Verpflichtung zur Abstattung von Verbindlichkeiten, die aus der ehemaligen selbständigen Tätigkeit des Ehepartners resultieren, nicht abgeleitet werden (, betr. Abwendung einer Insolvenzgefahr).

Freiwilligkeit der Übernahme einer Rechtspflicht ist im Übrigen aber nicht deswegen anzunehmen, weil diese Rechtspflicht ihre Ursache im Familienrecht hat, sofern sich das freiwillige Verhalten lediglich auf das Entstehen der familienrechtlichen Verhältnisse bezieht (zB Eheschließung, Adoption; siehe auch Rz 865 ff).

832Ebenso wie die Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen kann eine solche aus sittlichen Gründen nur aus dem Verhältnis zu anderen Personen erwachsen. Eine sittliche Verpflichtung kommt in erster Linie gegenüber nahen Angehörigen (§ 25 BAO, weiters der Lebensgefährte, vgl. dazu ) in Betracht, soweit nicht ohnehin hinsichtlich dieses Personenkreises eine rechtliche Verpflichtung besteht. Eine allgemeine sittliche Pflicht, Dritten beizustehen, besteht nicht ().

Eine sittliche Verpflichtung liegt nur dann vor, wenn die Übernahme der Aufwendungen nach dem Urteil billig und gerecht denkender Personen (objektiv) durch die Sittenordnung geboten erscheint. Es reicht nicht aus, dass sich der Steuerpflichtige zur Tätigung der Aufwendungen sittlich verpflichtet fühlt. Ebenso ist nicht ausreichend, dass das Handeln menschlich verständlich, wünschens- oder lobenswert erscheinen mag (vgl. dazu , betr. Prozesskosten der Eltern; , betr. Übernahme einer Bürgschaft, siehe auch Rz 893 f; , betr. Kosten des Haftprüfungsverfahrens für den 50 Jahre alten, im Erwerb nicht durch Krankheit oder Invalidität behinderten Bruder; , betr. Aufwendungen zur Abwendung des Konkurses des Ehepartners) oder eine ungünstige Nachrede in der Öffentlichkeit vermieden werden soll (, betr. Tilgung einer Schuld der Ehegattin zur Heilung ihrer psychosomatischen Erkrankung; , betr. Nachlassverbindlichkeiten). Es kommt darauf an, ob der Steuerpflichtige objektiv glauben darf, eine existenzbedrohende Notlage eines Angehörigen abwenden zu können.

Es besteht grundsätzlich keine sittliche Verpflichtung zur Tragung von Aufwendungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen wesentlich übersteigen (vgl. beispielsweise , betr. Bürgschaftsübernahme). Es besteht keine sittliche Verpflichtung für objektiv aussichtslose Hilfsmaßnahmen ().


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise:










LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 890



LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 902

LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 893




LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 865




LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 894



Schlagworte:
Lohnsteuer
Stammfassung:
07 2501/4-IV/7/01

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
KAAAA-76457