VwGH vom 27.09.2012, 2012/16/0082
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Zollamtes Graz gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. ZRV/0210-Z3K/07, betreffend Alkoholsteuer, (mitbeteiligte Partei: K in K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Bescheid vom setzte das Zollamt Graz dem Mitbeteiligten gegenüber Alkoholsteuer in näher angeführter Höhe fest.
Dagegen berief der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom .
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Zollamt die Berufung als unbegründet ab. Die Berufungsvorentscheidung wurde dem Mitbeteiligten durch Hinterlegung beim Postamt mit Beginn der Abholfrist am zugestellt.
Am langte bei einem Organwalter des Zollamtes
Graz ein E-Mail mit dem Text ein:
"Sehr geehrter Herr M...!
Ich erhebe gegen die beiden Bescheide einen Einspruch. Eine
nähere Begründung übermittle ich Ihnen Anfang nächste Woche.
Mit freundlichen Grüßen
(Mitbeteiligter)"
Am langte beim genannten Organwalter des Zollamtes ein an ihn gerichtetes E-Mail mit dem Text ein:
"Sehr geehrter Herr M...!
Anbei meine Einsprüche gegen 2 Bescheide.
Mit freundlichen Grüßen
(Mitbeteiligter)"
Dem zuletzt genannten E-Mail war als Anlage ein sogenanntes PDF-Dokument mit einem Text angeschlossen, der eine näher ausgeführte Administrativbeschwerde gegen die erwähnte Berufungsvorentscheidung samt einer Unterschrift in einer Bilddarstellung wiedergab.
Am richtete der erwähnte Organwalter des Zollamtes ein E-Mail an den Mitbeteiligten, worin er ihm mitteilte, dass dessen "Berufung per E-Mail" keine Eingabe im Sinne des § 85 BAO darstelle. Damit die Berufung (gemeint Beschwerde) überhaupt bearbeitet werden könne, sei diese entweder schriftlich beim Zollamt oder beim unabhängigen Finanzsenat einzubringen.
Das Zollamt legte die diesbezüglichen Verwaltungsakten samt einem Ausdruck der E-Mails und der in der zweitgenannten E-Mail angeführten Anlage (PDF-Dokument) der belangten Behörde vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde aus:
"Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der Spruch der angefochtenen Entscheidung wird wie folgt geändert:
Der Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zl. ... wird aufgehoben."
Bei einem Anbringen, das mittels Telekopierer (Telefax) eingebracht werde, handle es sich um eine originalgetreue Abbildung der Urschrift (Faksimile), oder anders ausgedrückt, um eine Fernkopie. Ohne Erwägungen über die dahinter stehende Technik anzustellen, stehe fest, dass es sich bei einem Faxdokument um eine Bilddatei handle und diese Datei vom Absender an den Empfänger analog oder digital übertragen werde. Eine per E-Mail erstattete Eingabe entspreche hingegen nicht dem Schriftlichkeitsgebot. Im Beschwerdefall sei jedoch die Frage zu beurteilen, ob die Übermittlung einer schreibgeschützten Datei als Anhang zu einem E-Mail eine zulässige Eingabe darstelle. Fest stehe, dass bei einem Telefax das Originaldokument in eine Bilddatei umgewandelt werde und diese Datei an den Empfänger übermittelt werde. Bei einem sogenannten, nunmehr bei den Abgabenbehörden zum Einsatz kommenden eFax werde die übermittelte Bilddatei bei der Abgabenbehörde nicht ausgedruckt, sondern als PDF-Dokument abgespeichert oder bereits vom Versender der Nachricht das zu übermittelnde Dokument in eine PDF-Datei umgewandelt und diese an die Abgabenbehörde übermittelt. Werde ein Originaldokument eingescannt und dieses als Anlage zu einem E-Mail verschickt, dann geschehe nichts anderes. Auch im Beschwerdefall sei das Dokument (eine unterschriebene Beschwerdeschrift) in eine PDF-Datei umgewandelt und diese an das Zollamt übermittelt worden. So wie bei einem eFax sei bei der für die Einbringung der Beschwerde zuständigen Behörde eine PDF-Datei zum Ausdruck bereitgestanden. Der Abgabenbehörde sei wie bei einem Telefax eine Fernkopie des Originals übermittelt worden. Der einzige Unterschied habe darin bestanden, dass bei der Übermittlung mittels Telefax eine Sendebestätigung generiert worden wäre. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Eingabe erfolgt sei, sei eine Sendebestätigung nicht von entscheidender Bedeutung. Zusammenfassend sei festzuhalten, dass die Abgabenbehörde im Beschwerdefall - so wie bei einer Übermittlung mittels Telefax - eine authentische Abschrift des Originaldokumentes erhalten habe. Daher vertrete die belangte Behörde die Ansicht, dass in analoger Anwendung der einschlägigen Bestimmungen betreffend die Einreichung von Eingaben unter Berücksichtigung der technischen Entwicklung auf diesem Gebiet (z.B.eFax) von einer zulässigen Einbringung der Administrativbeschwerde auszugehen gewesen sei. Die Administrativbeschwerde als solche sei nicht per E-Mail erstattet worden, sondern es sei - wie bei einem Telefax - eine schreibgeschützte Kopie der Originalbeschwerdeschrift im Wege automationsunterstützter Datenverarbeitung (Anhang zu einem E-Mail) übermittelt worden.
Dagegen richtet sich die gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG erhobene Beschwerde des Zollamtes.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG normiert, dass das Zollrecht auch in allen nicht vom Zollkodex erfassten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- und Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit im ZollR-DG oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, gelten. Nach § 2 Abs. 2 ZollR-DG gilt das Zollrecht sinngemäß für den Warenverkehr zwischen Teilen des Zollgebietes der Union, in denen die Richtlinie 2006/112/EG des Rates keine Anwendung findet, und anderen Teilen des Zollgebietes der Union, in denen die vorgenannten Vorschriften anwendbar sind, wenn dieser Warenverkehr für steuerliche Zwecke wie eine Einfuhr oder Ausfuhr zu behandeln ist.
Gemäß § 85f des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (ZollR-DG) haben die Zollbehörden u.a. die §§ 85a bis 85e ZollR-DG auch dann anzuwenden, wenn sie nicht im Rahmen des Geltungsbereiches des § 2 Abs. 1 und 2 tätig werden.
In dem die Alkoholsteuer betreffenden Beschwerdefall ist nach § 85f ZollR-DG daher §§ 85a bis 85e anzuwenden.
Gemäß § 85c Abs. 1 ZollR-DG ist gegen Berufungsvorentscheidungen als Rechtsbehelf die Beschwerde an den unabhängigen Finanzsenat zulässig.
Diese Administrativbeschwerde ist nach § 85c Abs. 2 ZollR-DG bei einer der Außenstellen des unabhängigen Finanzsenates einzubringen; im Falle der Beschwerde gegen eine Berufungsvorentscheidung kann sie auch bei der Berufungsbehörde der ersten Stufe, die diese Entscheidung erlassen hat, eingebracht werden. Eine Beschwerde gegen eine Berufungsvorentscheidung ist innerhalb der Berufungsfrist einzubringen, diese beträgt einen Monat ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Berufungsvorentscheidung.
Gemäß § 85c Abs. 8 ZollR-DG gelten für die Einbringung der Beschwerde, das Verfahren des unabhängigen Finanzsenates sowie dessen Entscheidungen, und für die Aussetzung der Vollziehung die diesbezüglichen Regelungen der BAO, soweit die im ZollR-DG enthaltenen Regelungen nicht entgegenstehen, sinngemäß.
Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des dritten Abschnittes der BAO schriftlich einzureichen (Eingaben).
Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde gemäß § 85 Abs. 2 BAO nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.
Gemäß § 86a Abs. 1 BAO können Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden. Die für schriftliche Anbringen geltenden Bestimmungen sind auch in diesen Fällen mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel darstellt.
Mit § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 wird für Anbringen im Sinne des § 86a Abs. 1 erster Satz BAO, die in Abgaben-, Monopol- oder Finanzstrafangelegenheiten an das Bundesministerium für Finanzen, an den unabhängigen Finanzsenat, an eine Finanzlandesdirektion, an ein Finanzamt oder an ein Zollamt gerichtet werden, die Einreichung unter Verwendung eines Telekopierers (Telefaxgerätes) zugelassen.
Mit der Verordnung BGBl. II Nr. 97/2006 (FinanzOnline-Verordnung 2006 - FOnV 2006) wird die automationsunterstützte Datenübertragung in Bezug auf Anbringen (§ 86a BAO), soweit nicht eigene Vorschriften bestehen, geregelt. Nach § 1 Abs. 2 der FOnV 2006 ist die automationsunterstützte Datenübertragung für die Funktionen zulässig, die dem jeweiligen Teilnehmer in Finanz-Online zur Verfügung stehen. Gemäß § 5 FOnV 2006 sind andere als die in den Funktionen gemäß § 1 Abs. 2 dem jeweiligen Teilnehmer zur Verfügung gestellten Anbringen, ungeachtet einer allfälligen tatsächlichen Übermittlung in FinanzOnline, unbeachtlich.
Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund § 86a BAO ergangenen beiden erwähnten Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung zugängliche Eingabe handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0126, VwSlg 8.102/F, das zur insoweit vergleichbaren Steiermärkischen Landesabgabenordnung ergangene hg. Erkenntnis vom , 2009/16/0031 und den hg. Beschluss vom , 2011/16/0143).
Ein mit einem E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen (Eingabe) abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtmittel (im Beschwerdefall Administrativbeschwerde) abhängt.
Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einem solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt.
Im Beschwerdefall vermeint die belangte Behörde, es liege ein Unterschied zu der durch die dargestellte Rechtslage beschriebenen Konstellation deshalb vor, weil die Eingabe nicht per E-Mail eingebracht worden sei. Die Administrativbeschwerde sei als PDF-Dokument - einem Telefax vergleichbar - der Behörde zugeleitet worden. Dabei übersieht die belangte Behörde, dass die zitierten Bestimmungen nicht darauf abstellen, in welcher Form letztlich bei der belangten Behörde ein ein Schriftstück darstellendes Papier vorliegt, sondern dass der Weg der Einreichung einer Eingabe gesetzlich vorgegeben ist. Eine andere Einbringung als eine schriftliche Eingabe, die etwa persönlich oder durch einen Postdienst bei der Behörde abgegeben wird, ist abgesehen von den hier unstrittig nicht gegebenen Fällen der FOnV 2006 mit der Verordnung BGBl. Nr. 494/1991 nur für im Wege eines Telefaxgerätes (unter Verwendung eines Telekopierers) eingebrachte Anbringen zugelassen.
Damit ist aber die in Rede stehende Übermittlung eines Textes einer Administrativbeschwerde in Form eines einer E-Mail angehängten PDF-Dokumentes vom Gesetz nicht vorgesehen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass in dem vom Organwalter des Zollamtes ausgedruckten Anhang zur E-Mail ein Papier mit dem Aussehen vorliegt, welches durchaus auch einem ausgedruckten Telefax oder einem als Telefax eingelangten und lediglich behördenintern als "eFax" mit E-Mail an den Sachbearbeiter weitergeleiteten Ausdruck gleich ist, das sich unter Umständen auch nicht von einer vom Einbringer selbst hergestellten Kopie (Ablichtung), die er dann selbst durch persönliche Übergabe eingereicht hat, unterscheidet.
Da es sich somit nicht um das Erscheinungsbild des letztlich vorliegenden Schriftstückes, sondern um den Weg der Einreichung handelt, die der Gesetzgeber vorschreibt, und da durch die Änderung der BAO (Einfügen eines § 86b BAO mit dem AbgVRefG BGBl. I Nr. 20/2009 für Landes- und Gemeindeabgaben) durchaus eine Regelung für E-Mails getroffen wurde, diese jedoch nicht auf das in Rede stehende Rechtsmittel nach dem ZollR-DG ausgeweitet wurde, kann von einer planwidrigen Lücke, die durch Analogie geschlossen werden müsste, nicht gesprochen werden.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund durfte die belangte Behörde nicht davon ausgehen, dass der Mitbeteiligte wirksam eine Administrativbeschwerde eingebracht hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am