19.1.2.2 Typische Erscheinungsformen der Mitunternehmerschaft
5809Das Vorliegen der für eine Mitunternehmerschaft erforderlichen Voraussetzungen ist bei jeder Personengesellschaft zu prüfen, doch besteht bei den im § 23 Z 2 EStG 1988 beispielhaft aufgezählten Gesellschaften schon auf Grund ihrer unternehmensrechtlichen Ausgestaltung eine (widerlegliche) Vermutung dafür ().
19.1.2.2.1 Offene Gesellschaft (OG), offene Handelsgesellschaft (OHG)
5810Die Gesellschafter einer OG (OHG) (§§ 105 ff UGB) haften gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft unbeschränkt. Sie sind idR Mitunternehmer (; ). Siehe auch Rz 430m.
19.1.2.2.2 Die Kommanditgesellschaft
5811Der Kommanditist ist idR Mitunternehmer, wenn die Beteiligung in einer Form erfolgt, die zumindest den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des UGB über die KG entspricht (Leistung einer Einlage, Stimm-, Widerspruchs-, Kontrollrecht, Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie bei Ausscheiden bzw. Liquidation an den stillen Reserven und Firmenwert).
Die Komplementär-GmbH ist als Mitunternehmer anzusehen, auch wenn sie reiner Arbeitsgesellschafter ohne Vermögenseinlage und ohne Teilnahme am Vermögen ist. Die Übernahme der Geschäftsführung und das Risiko der unbeschränkten Haftung reichen für die Annahme der Mitunternehmerstellung aus (, 86/14/0122).
Randzahlen 5812 bis 5814: derzeit frei
19.1.2.2.3 Die atypisch stille Gesellschaft
5815Die (typische oder echte bzw. atypische oder unechte) stille Gesellschaft tritt nach außen nicht in Erscheinung, sondern entwickelt Rechtsverbindlichkeit bloß im Innenverhältnis. Bei einer stillen Gesellschaft beteiligt sich der Gesellschafter an einem Unternehmen, das ein anderer betreibt, mit einer Vermögenseinlage. Im Unterschied zum echten stillen Gesellschafter ist der atypisch Stille nicht nur am Erfolg, sondern auch an den stillen Reserven und dem Firmenwert des Geschäftsherrn beteiligt. IdR stellen mehrere atypisch stille Gesellschaften mit demselben Geschäftsherrn nur eine Mitunternehmerschaft dar.
5816Das Vorliegen der Mitunternehmerstellung für atypisch Stille wird bejaht, wenn
der Gesellschafter trotz fehlender Unternehmerinitiative ausreichendes Unternehmerrisiko eingegangen ist. Dies ist dann der Fall, wenn er bei Auflösung der Gesellschaft oder Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt ist (Ausnahme: Ausscheiden zur Unzeit, ; );
keine Pauschalabfindung für den Fall der Abschichtung vereinbart wurde; eine Abschichtung zwischen 90 und 150% der Kapitaleinlage gilt nicht als Pauschalabfindung ().
5817Keine Mitunternehmerstellung liegt vor, wenn
eine bloße Gewinnbeteiligung ohne Teilnahme an den Vermögenswertsteigerungen vereinbart wurde;
ein befristetes Gesellschaftsverhältnis mit Buchwertabschichtung bei Fristablauf, aber Vermögensmehrwertteilnahme bei Beendigung vor Fristablauf vereinbart wurde.
5818Bei der GmbH & Still beteiligt sich eine Person am Unternehmen einer GmbH mit einer Vermögenseinlage und ist dafür am laufenden Erfolg und an den während des Bestehens des Gesellschaftsverhältnisses geschaffenen Vermögenswertsteigerungen des Geschäftsherrn beteiligt.
5819Ist der Stille gleichzeitig Gesellschafter der GmbH, ist die steuerliche Anerkennung einer Mitunternehmerschaft an strenge Voraussetzungen geknüpft. Ein mitunternehmerisches Gesellschaftsverhältnis ist dann nicht anzuerkennen, wenn
die gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen nicht den Anforderungen entsprechen, die an Verträge unter nahen Angehörigen gestellt werden. Dies sind insbesondere ausreichendes und nicht erst nachträgliches Bekanntmachen nach außen (zumindest der Abgabenbehörde gegenüber), ein eindeutiger, klarer, keinen Zweifel lassender Inhalt und Fremdvergleichbarkeit;
sich der Alleingesellschafter der GmbH deshalb als atypisch Stiller beteiligt, um die Verluste der GmbH zu lukrieren ();
das vom stillen Gesellschafter zugeführte Kapital in wirtschaftlicher Betrachtungsweise Eigenkapital der GmbH ersetzt, welches für die Erfüllung ihres Unternehmenszweckes unbedingt erforderlich ist. Ob Eigenkapitalersatz vorliegt, ist auch daran zu messen, wie das Verhältnis zwischen Eigenkapital und Mittelbedarf ist, ob eine wesentlich unter dem Branchendurchschnitt liegende Eigenkapitalausstattung gegeben ist und Fremdfinanzierung von außen noch erlangbar wäre ();
der Gesellschafter einer GmbH dieser in Form der atypisch stillen Beteiligung Mittel zuführt zum Zweck der Verlustübernahme und Sanierung der GmbH ();
eine atypisch stille Gesellschaft nur auf Verlustzuweisungen ausgerichtet ist (Liebhaberei).
5820Für den Fall einer Nichtanerkennung der Mitunternehmerschaft ist die Vermögenseinlage des GmbH-Gesellschafters als steuerneutrale Einlage zu behandeln.
19.1.2.2.4 Die Gesellschaft nach bürgerlichem Recht (GesBR)
5821Eine GesBR ist eine Gesellschaft, die nicht ins Firmenbuch eingetragen wird und deren Gründung an keinen bestimmten Formalakt gebunden ist. Sie wird im allgemeinen nur anerkannt, wenn sie nach außen ausreichend in Erscheinung tritt. Die Gesellschafter sind dann als Mitunternehmer anzusehen, wenn sie Unternehmerinitiative entfalten und Unternehmerrisiko eingehen. Handelt es sich um eine reine Innengesellschaft, dann ist der nach außen nicht in Erscheinung tretende Gesellschafter idR nur dann Mitunternehmer, wenn er am Betriebserfolg und am Betriebsvermögen beteiligt ist (). Eine bloße Umsatzbeteiligung reicht zur Begründung einer Mitunternehmerschaft nicht aus.
5822Ein Anwendungsfall der GesBR ist die Arbeitsgemeinschaft. Sie ist Mitunternehmerschaft nach den allgemeinen Voraussetzungen. Wird die ARGE nur zur Erfüllung eines einzigen Werkvertrages gegründet, gelten die Betriebsstätten der ARGE als anteilige Betriebstätten der ARGE-Partner.
Für Wirtschaftsjahre, die nach dem beginnen, gelten die Betriebsstätten der ARGE nur dann als anteilige Betriebstätten der ARGE-Partner, wenn die ARGE zur Erfüllung nur eines einzigen Werkvertrages gegründet wird und der mit dem Auftraggeber bei Auftragsvergabe nach dem vereinbarte Auftragswert 700.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) nicht übersteigt ( § 2 Abs. 4 letzter Satz EStG 1988, § 188 Abs. 4 lit. d BAO). Maßgebend ist dabei der bei der Vertragsvergabe vereinbarte Auftragswert (keine periodische Betrachtung). Übersteigt der zur Erfüllung eines einzigen Werkvertrages vereinbarte Auftragswert diesen Betrag, hat nach den allgemeinen Grundsätzen des § 188 Abs. 1 BAO ein Feststellungsverfahren zu erfolgen. Dabei hat das Feststellungsverfahren keinen Einfluss auf zwischenbetriebliche Leistungsverrechnungen zwischen den ARGE-Partnern. Leistungen des Gesellschafters mit eigenem Gewerbebetrieb, die zu fremdüblichen Bedingungen an die Gesellschaft, an der er beteiligt ist, erbracht werden, sind wie Leistungen zwischen fremden Unternehmen anzuerkennen. Wirtschaftsgüter, die ein Gesellschafter der ARGE überlässt, stellen kein Sonderbetriebsvermögen der ARGE dar, da die Überlassung nicht auf Dauer erfolgt.
19.1.2.2.5 Die Erbengemeinschaft
5823Führen die Erben eines Einzelunternehmers dessen Betrieb fort, dann werden sie grundsätzlich zu Mitunternehmern (). Es liegt eine GesBR vor, die Mitunternehmerstellung der einzelnen Erben ist nach den allgemeinen Regeln zu beurteilen. Zur Erbauseinandersetzung siehe Rz 134a ff.
19.1.2.2.6 Die mitunternehmerische Unterbeteiligung
5824Bei einer Unterbeteiligung beteiligt sich eine natürliche oder juristische Person am Mitunternehmeranteil eines Personengesellschafters (Hauptgesellschafters). Hat der Unterbeteiligte nicht nur Anteil am Gewinn/Verlust des Hauptgesellschafters, sondern auch an den stillen Reserven und dem Firmenwert, dann ist er Mitunternehmer und erzielt betriebliche Einkünfte, wenn die Hauptgesellschaft betriebliche Einkünfte erzielt. Ist der Unterbeteiligte nur am Gewinn des Hauptgesellschafters beteiligt, dann ist er nicht Mitunternehmer, sondern bloß Gläubiger des Hauptgesellschafters. Die ihm in diesem Fall zustehenden Einkünfte aus Kapitalvermögen sind nicht in der Einkünftefeststellung, sondern erst in der Einkommensteuerveranlagung des Hauptgesellschafters zu berücksichtigen ().
5825Der mitunternehmerisch Unterbeteiligte erzielt ausschließlich betriebliche Einkünfte. Zwischen der Hauptgesellschaft und dem mitunternehmerisch Unterbeteiligten ist zB ein allenfalls zivilrechtlich beachtliches Dienstverhältnis nicht möglich.
5826Ist die Unterbeteiligung den Gesellschaftern der Hauptgesellschaft bekannt, besteht die Mitunternehmerschaft des Unterbeteiligten bereits im Verhältnis zur Hauptgesellschaft. Sie ist dann bereits bei der Gewinnfeststellung der Hauptgesellschaft zu berücksichtigen (). Ist die Unterbeteiligung den Gesellschaftern der Hauptgesellschaft nicht bekannt, besteht die Mitunternehmerschaft nur im Verhältnis zum Hauptgesellschafter und muss in einem zweiten Feststellungsverfahren, in welchem der Gewinnanteil des Hauptgesellschafters aus der Hauptgesellschaft verteilt wird, berücksichtigt werden.
5827Erbringt ein mitunternehmerisch Unterbeteiligter gegenüber der Hauptgesellschaft Leistungen (Dienstleistungen, Hingabe von Darlehen, Überlassung von Wirtschaftsgütern), dann sind die Leistungsvergütungen als Gewinnanteile gemäß § 23 Z 2 EStG 1988 zu behandeln. Ist die Unterbeteiligung den Gesellschaftern der Hauptgesellschaft nicht bekannt, sind die Leistungsvergütungen im zweiten Feststellungsverfahren dem Gewinnanteil des Unterbeteiligten zuzurechnen.
19.1.2.2.7 Fruchtgenuss
5828Ein Fruchtgenussberechtigter an einem Gesellschaftsanteil ist nur dann Mitunternehmer, wenn er die dem Fruchtgenussbesteller zustehenden Einflussmöglichkeiten an der Geschäftsführung ausüben kann und am Betriebserfolg, den stillen Reserven und dem Firmenwert beteiligt ist. Beteiligung nur am Gewinn des Fruchtgenussbestellers reicht nicht aus zur Begründung der Mitunternehmerstellung des Fruchtnießers. Ohne Einflussmöglichkeit des Fruchtnießers verbleibt der Gewinnanteil beim Fruchtgenussbesteller; gleiches gilt, wenn der Fruchtnießer daneben bereits Mitunternehmer der Gesellschaft ist.
19.1.2.2.8 Treuhandverhältnisse
5829Wird die Beteiligung an einer Personengesellschaft treuhändisch gehalten, dann ist für die Beurteilung der Mitunternehmerstellung des Treugebers bzw. ggf. des Treuhänders die rechtliche Gestaltung des Treuhandvertrages ausschlaggebend. Mitunternehmer ist idR der Treugeber (vgl. ). Hingegen ist der Treuhänder Mitunternehmer, wenn ihm gegenüber der Treugeber bloß eine Geldforderung und keinen Anspruch auf Herausgabe des Treuhandvermögens hat und der Treuhänder persönliches Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfaltet (vgl. ; ).
5830Ist bei einer aus zwei Personen bestehenden Gesellschaft ein Gesellschafter bloß Treuhänder des anderen, dann handelt es sich um ein Einzelunternehmen.
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 23 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | § 105 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 § 188 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 430m § 188 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 134a ff |
Schlagworte: | Einkommensteuer - Treuhandschaft. |
Stammfassung: | 06 0104/9-IV/6/00 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
LAAAA-76448