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VwGH vom 28.01.1997, 96/14/0152

VwGH vom 28.01.1997, 96/14/0152

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

96/14/0153

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerden der D in L, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich 1. vom , Zl. 210/3-8/Se-1996, betreffend Jahresausgleich 1984, und 2. vom , Zl. 210/4-8/Se-1996, betreffend Jahresausgleich 1983, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war ua Dienstnehmerin eines Unterstützungsvereines in Linz, der u.a. gastgewerbliche Aktivitäten entfaltet. Mit der als "Selbstanzeige" bezeichneten Eingabe vom gab sie dem Finanzamt bekannt, daß ihr im Rahmen dieser nichtselbständigen Tätigkeit Bezüge (aus Schwarzeinnahmen des Vereines) zugekommen seien, die nicht versteuert worden seien. Im Zuge einer in der Folge durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung schätzte das Finanzamt für die Jahre 1983 bis 1986 den Gewinn des Vereins. Es erließ an die Beschwerdeführerin Bescheide gemäß § 41 Abs. 1 EStG 1972 betreffend Einkommensteuer 1983 bis 1986 und rechnete ihr einen Teil der Schwarzerlöse des Vereins als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu.

Der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Einkommensteuerbescheide gab die belangte Behörde mit Bescheid vom , Zl. 6/73/4-Bk/Km-1994, keine Folge. Der Verwaltungsgerichtshof hob diesen Bescheid mit Erkenntnis vom , 95/14/0058, auf welches zur weiteren Sachverhaltsdarstellung verwiesen wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die Einkünfte, die die Beschwerdeführerin vom Unterstützungsverein bezogen habe, seien lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mangels anderer als lohnsteuerpflichtiger Einkünfte lägen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG 1972 für die Durchführung einer Veranlagung nicht vor.

In der Folge erließ des Finanzamt jeweils für die Jahre 1983 und 1984 Jahresausgleichsbescheide. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Jahresausgleiches von Amts wegen seien erfüllt, weil die Beschwerdeführerin in beiden Jahren auch von einem zweiten Dienstgeber lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen habe.

Die Beschwerdeführerin berief gegen diese Bescheide und wendete ein, die Bescheide würden sowohl gegen die Verjährungsbestimmungen der BAO als auch gegen die einkommensteuerlichen Vorschriften betreffend den Lohnsteuerabzug und die Haftung des Dienstgebers verstoßen.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung betreffend das Jahr 1984, mit dem zweitangefochtenen Bescheid jene betreffend das Jahr 1983 als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wird in den beiden Bescheiden jeweils ausgeführt:

Unterliefen beim Steuerabzug vom Arbeitslohn während des Jahres Fehler, so bewirke der Jahresausgleich deren uneingeschränkte Korrektur. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin würden daher die erstinstanzlichen Jahresausgleichsbescheide nicht gegen das EStG verstoßen. Die Verjährung beginne mit Ablauf des Jahres, in welchem der Abgabenanspruch entstanden sei. Innerhalb der bei hinterzogenen Abgaben zur Anwendung kommenden zehnjährigen Verjährungsfrist seien am die erstinstanzlichen Einkommensteuerbescheide für 1983 und 1984 ergangen; die betreffende Berufungsentscheidung sei am zugestellt worden. In Anbetracht dieser Maßnahmen zur Unterbrechung der Verjährung sei die Verjährungsfrist bei Erlassung der beiden Jahresausgleichsbescheide am noch nicht abgelaufen gewesen. Wie die belangte Behörde in der aus einem anderen Grund mittlerweile aufgehobenen Berufungsentscheidung vom ausgeführt habe, hätten die Beschwerdeführerin und ihr Arbeitgeber die von ihr u.a. in den Jahren 1983 und 1984 bezogenen Schwarzgelder bis Mitte 1989 dem Finanzamt gegenüber nicht erklärt; auch in der Selbstanzeige sei nur eine unvollständige Erklärung erfolgt. Auf Grund der Natur von Schwarzgeldern müsse davon ausgegangen werden, daß die Beschwerdeführerin und ihr Arbeitgeber keine Versteuerung hätten vornehmen wollen. Die belangte Behörde gehe daher von einer Abgabenhinterziehung aus. Dies werde auch durch die Ergänzung vom zu der am erfolgten Anzeige des Finanzamtes Linz bei der Staatsanwaltschaft betreffend die Hinterziehung von Lohnsteuer (für die Jahre 1983 bis 1986) durch die Beschwerdeführerin und den Obmann des Unterstützungsvereins dokumentiert. Es komme daher die zehnjährige Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zur Anwendung. Hinsichtlich des Jahres 1984 sei zudem schon innerhalb von fünf Jahren ab Entstehung des Abgabenanspruches eine Unterbrechungshandlung gesetzt worden. In der beim Finanzamt Linz am mit dem bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin aufgenommenen und von ihm unterfertigten Niederschrift finde sich nämlich der Satz, daß das Finanzamt um eine detaillierte Aufstellung der bezogenen Gelder ersuche. Die Bescheiderlassung liege für beide Streitjahre auch innerhalb der absoluten Verjährung von 15 Jahren. Der Verwaltungsgerichtshof habe in dem zum konkreten Fall ergangenen Erkenntnis 95/14/0058 zum Ausdruck gebracht, daß hinsichtlich der Schwarzgeldzahlungen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 EStG 1972 für eine Veranlagung nicht vorlägen. Das Finanzamt sei dem durch Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 1983 und 1984 im Wege von entsprechenden Berufungsvorentscheidungen nachgekommen.

Gegen die im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheide wenden sich die Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zusammengefaßt und hat über sie erwogen:

Gemäß § 72 Abs. 3 EStG 1972 hat das Wohnsitzfinanzamt einen Jahresausgleich von Amts wegen durchzuführen, wenn im Kalenderjahr steuerpflichtige Einkünfte zumindest zeitweise gleichzeitig von zwei oder mehreren Arbeitgebern (§ 47) bezogen worden sind, deren Summe 120.000 S übersteigt.

§ 72 Abs. 4 EStG 1972 lautet:

"Ein Jahresausgleich gemäß Abs. 3 hat zu unterbleiben, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 41 zur Einkommensteuer veranlagt werden."

In den Beschwerden wird vorgebracht, die belangte Behörde habe es nach Zustellung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom unterlassen, neuerlich über die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 bis 1986 zu entscheiden, weshalb die Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes vom noch immer dem Rechtsbestand angehörten. Materiell stellten daher die Jahresausgleichsbescheide vom Wiederaufnahmebescheide dar. Die Zuständigkeit zur Wiederaufnahme der Verfahren wäre aber nicht dem Finanzamt, sondern dem Berufungssenat der Finanzlandesdirektion zugekommen.

Die Verfahren betreffend amtswegigen Jahresausgleich nach §§ 72 f EStG 1972 einerseits und Einkommensteuerveranlagung nach § 41 leg. cit. andererseits sind getrennte Verfahren. Ihr Verhältnis zueinander regelt § 72 Abs. 4 EStG 1972. Der Wortlaut dieser Bestimmung stellt darauf ab, ob die Einkünfte gemäß § 41 EStG 1972 zur Einkommensteuer "veranlagt werden".

§ 41 EStG 1972 normiert in Abs. 1 eine Pflichtveranlagung und in Abs. 2 eine nur auf Antrag des Steuerpflichtigen durchzuführende Veranlagung. Wie sich aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt, ist der Regelung des § 72 Abs. 4 EStG die Bedeutung beizumessen, daß die Erlassung eines Bescheides betreffend Durchführung des amtswegigen Jahresausgleiches nicht zulässig ist, wenn die Voraussetzung für die Durchführung einer Veranlagung nach § 41 EStG 1972 gegeben sind. Dieser Umstand ist bei Erlassung des Jahresausgleichsbescheides zu prüfen. Sollte allerdings ein wirksamer Bescheid betreffend die Einkommensteuerveranlagung nach § 41 EStG 1972 vorliegen, so muß, solange dieser Bescheid dem Rechtsbestand angehört, auf Grund der normativen Wirkung des Veranlagungsbescheides vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 EStG 1972 ausgegangen werden.

Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen für die Veranlagung nach § 41 EStG 1972 nicht erfüllt; dies ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , mit welchem die Berufungsentscheidung betreffend Einkommensteuer aufgehoben worden ist. In den nunmehr angefochtenen Bescheiden führt die belangte Behörde aus, der Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1983 und 1984 habe das FINANZAMT - nach Ergehen des die Berufungsentscheidung der belangten Behörde aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom - mit BERUFUNGSVORENTSCHEIDUNG durch Aufhebung der Einkommensteuerbescheide stattgegeben und zugleich die Jahresausgleichsbescheide erlassen. In den Beschwerden wird vorgebracht, die BELANGTE BEHÖRDE habe nach Ergehen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes nicht neuerlich über die Berufung betreffend Einkommensteuer entschieden; es wird aber in den Beschwerden nicht bestritten, daß - wie dies die angefochtenen Bescheide ausdrücklich anführen - das Finanzamt (stattgebende) Berufungsvorentscheidungen erlassen hat. Solcherart ist ein Verstoß gegen § 72 Abs. 4 EStG 1972 nicht erkennbar. Die Erlassung eines Jahresausgleichsbescheides stellt auch nicht die Wiederaufnahme des Einkommensteuerveranlagungsverfahrens dar. Die Erlassung erstinstanzlicher Jahresausgleichsbescheide fällt stets in die Zuständigkeit eines Finanzamtes.

Hinsichtlich der Verjährung wird in den Beschwerden vorgebracht, die Selbstanzeige vom ziehe im Ausmaß der einbekannten Bezüge strafbefreiende Wirkung nach sich; zumindest hinsichtlich dieser Beträge komme die zehnjährige Verjährungsfrist nicht zum Tragen. Überdies könne die für hinterzogene Abgaben vorgesehene Verjährungsfrist nur dort greifen, wo ein rechtskräftiges Erkenntnis der zuständigen Verfolgungsbehörde vorliege, zumal ansonsten die verfassungsrechtlich garantierte Unschuldsvermutung verletzt werde.

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Frist der Bemessungsverjährung bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre. Diese Frist gilt unabhängig davon, ob der Abgabenschuldner selbst die Abgaben hinterzogen hat; es kommt nur darauf an, daß sie überhaupt hinterzogen worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 94/16/0275). Daß es sich im gegenständlichen Fall um hinterzogene Abgaben handelt, wird in den Beschwerden nicht bestritten.

Die zehnjährige Verjährungsfrist gilt auch, wenn eine Bestrafung wegen einer Selbstanzeige nach § 29 FinStrG nicht zulässig wäre (vgl. die bei Ritz, BAO-Kommentar, § 207 Tz 16 zitierte hg. Judikatur).

Die Abgabenbehörde ist im Abgabenverfahren nicht daran gehindert, ohne finanzstrafbehördliche Entscheidung festzustellen, daß Abgaben iSd § 207 Abs. 2 BAO hinterzogen worden sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 91/13/0064). Ob eine Hinterziehung vorliegt, ist im Abgabenverfahren als Vorfrage zu BEURTEILEN (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 89/14/0149).

Die Beschwerdeführerin verweist darauf, daß der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 1 BAO für Zwecke des Jahresausgleiches einen Lohnzettel auszustellen habe. Die Abgabenbehörde hätte zur Durchführung des Jahresausgleiches derartige Lohnzettel einholen müsse.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die Durchführung eines Jahresausgleiches nach § 72 Abs. 3 EStG 1972 nicht vom Vorliegen von Lohnzetteln abhängt. Das Gesetz normiert auch nicht, daß das Finanzamt im Jahresausgleichsverfahren an den Inhalt allenfalls vorliegender Lohnzettel gebunden wäre.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, die Finanzbehörden hätten ihren Dienstgeber (Unterstützungsverein) so behandeln müssen, als hätte er der gesetzlichen Verpflichtung entsprechend Lohnsteuer einbehalten; nach einer Festsetzung der Lohnsteuer ("gegebenenfalls im Wege einer Betriebsprüfung") wäre lediglich noch die Abfuhr nach § 79 EStG sicherzustellen gewesen. Die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinandergesetzt, ob einbehaltene, aber nicht abgeführte Lohnsteuer bei der Bescheiderlassung in Anrechnung zu bringen sei.

Mit diesem Beschwerdevorbringen wird nicht behauptet, daß der Unterstützungsverein bei Überlassung von Beträgen aus Schwarzeinnahmen an die Beschwerdeführerin Lohnsteuer einbehalten hätte. Soweit das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen ist, daß das Finanzamt dem Unterstützungsverein die - nicht einbehaltene - Lohnsteuer bescheidmäßig vorschreiben hätte müssen, damit sie im Jahresausgleich der Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 3 EStG 1972 angerechnet werden könnte, übersieht die Beschwerdeführerin, daß sie Schuldnerin der Steuer ist und das Gesetz in § 82 Abs. 2 Z. 2 EStG 1972 ihre Inanspruchnahme für diese Steuer vorsieht. Der Jahresausgleich bewirkt, wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt wird, eine Korrektur von beim Lohnsteuerabzug unterlaufenen Fehlern (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz 8 zu §§ 72, 73 EStG 1972).

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, sie sei im Berufungsverfahren nicht gehört worden, zeigt sie nicht auf, welcher Umstand sie an der Einbringung von Eingaben im Berufungsverfahren gehindert habe und welches Vorbringen dadurch nicht erstattet worden sei.

Die Beschwerdeführerin rügt schließlich, die Begründung der angefochtenen Bescheide zeige nicht auf, wie die Hinzurechnungsbeträge (1983: 232.333 S 1984: 875.862 S) ermittelt worden seien. Sie übersieht dabei, daß die Bescheide auf die im Einkommensteuerverfahren ergangene Berufungsentscheidung Zl. 6/73/4-BK/Km-1994 verweist, die mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom nur deshalb aufgehoben worden ist, weil die Voraussetzungen für die Vornahme einer Einkommensteuerveranlagung nicht gegeben waren. Aus dieser Berufungsentscheidung ergeben sich die Hinzurechnungsbeträge und deren Ermittlung. Daß der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom die in dieser Berufungsentscheidung enthaltene Schätzung als dem Gesetz entsprechend angesehen hat, sei in diesem Zusammenhang erwähnt. Im übrigen ergibt sich aus den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wird, daß die Beschwerdeführerin in ihren Berufungen gegen die erstinstanzlichen Jahresausgleichsbescheide keine Einwendungen gegen die Höhe der Bemessungsgrundlagen (und der Abgaben) erhoben hat.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerden erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, waren die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.