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VwGH vom 26.11.1998, 98/16/0199

VwGH vom 26.11.1998, 98/16/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der B in P/D, vertreten durch Dr. Peter Zumtobel und Dr. Harald Kronberger, Rechtsanwälte in Salzburg, Giselakai 51, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz (Berufungssenat II) vom , Zl. RV-081.97/1-6/97, betreffend Verzollungsumgehung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Erkenntnis des Hauptzollamtes Salzburg als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom nach durchgeführter mündlicher Verhandlung teilweise Folge und änderte dieses Erkenntnis wie folgt ab:

"(Die Beschwerdeführerin) ist schuldig, anläßlich ihrer Einreise nach Österreich am 26. oder die von ihr mitgeführten eingangsabgabepflichtigen Edelmetallgegenstände und zwar 1 Damenarmbanduhr (18 Karat Weißgold), 1 Armband (Flechtmuster, 18 Karat Weißgold), 1 Damenring mit einer Opaltriplette und Brillanten, 2 Ohrclips mit je 1 Japanperle umgeben mit Brillanten (Weißgold, 18 Karat), 1 Brosche besetzt mit zahlreichen Brillanten (geflochtene Fasson, Weißgold, 18 Karat), 1 Damenring mit größeren und zahlreichen kleineren Brillanten besetzt (Weißgold) und 1 Damenring mit Saphir und zahlreichen Brillanten (Weißgold, 18 Karat) im Gesamt(zoll)schätzwert von S 91.500,--, worauf Eingangsabgaben in Höhe von S 23.850,-- (Zoll S 4.625,--, EUSt S 19.225,--) entfallen, fahrlässig unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen zu haben.

Sie hat dadurch das Finanzvergehen der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG begangen. Gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG wird über sie eine Geldstrafe in Höhe von S 10.000,-- verhängt; gemäß § 20 FinStrG wird die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit 5 Tagen festgesetzt."

In den Entscheidungsgründen heißt es, die damals 63jährige Beschwerdeführerin sei deutsche Staatsbürgerin und wohne in Deutschland. Ende November 1994 sei sie nach Salzburg gefahren und habe dabei einen Teil ihres Schmuckes in der Absicht, diesen in Österreich verkaufen zu lassen, mitgenommen. Eine langjährige Freundin in Salzburg habe sich angeboten, die Veräußerung der Schmuckstücke in Salzburg zu übernehmen. Anläßlich der Einreise nach Österreich am 26. oder über das Zollamt Walserberg-Autobahn habe sie den mitgebrachten Schmuck nicht erklärt. Bei der Ankunft in Salzburg habe sie die Schmuckstücke ihrer Bekannten überreicht, welche darüber eine Bestätigung ausgestellt habe. Dieser Schmuck sei dann im Februar 1995 ins Dorotheum verbracht worden, um ihn versteigern zu lassen. Die belangte Behörde habe sich einen persönlichen Eindruck von der Beschwerdeführerin verschaffen können. Hieraus und aus den vorliegenden Aussagen der Beschwerdeführerin hätten sich Bedenken am vorsätzlichen Handeln der Beschwerdeführerin ergeben. Es sei im Zweifel zugunsten der Beschwerdeführerin von einem fahrlässigen Handeln auszugehen, zumal es ihr leicht möglich gewesen wäre, in Erfahrung zu bringen, daß Österreich erst mit Mitglied der Europäischen Gemeinschaften geworden sei. Da kein vorsätzliches, sondern lediglich fahrlässiges Verhalten der Beschwerdeführerin vorliege, habe sie nicht den Tatbestand des Finanzvergehens des Schmuggels, sondern jenen des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung nach § 36 Abs. 1 FinStrG verwirklicht. In diesem Umfang sei der Berufung Folge zu geben gewesen. Bei der nach § 36 Abs. 3 FinStrG vorzunehmenden Strafzumessung sei als mildernd die bisherige finanzstrafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin sowie die Schadensgutmachung als erschwerend hingegen kein Umstand zu werten gewesen, sodaß der erkennende Senat eine Geldstrafe in der Höhe von S 10.000,-- als durchaus tat- und schuldangemessen erachtet habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das widerrechtliche Verbringen der eingangsabgabenpflichtigen Tatgegenstände aus Deutschland nach Österreich im November 1994 über das Zollamt Walserberg-Autobahn ohne Stellung und Verzollung steht außer Streit. Bestritten wird das Vorliegen eines fahrlässigen Verhaltens der Beschwerdeführerin.

Gemäß § 8 Abs. 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, daß er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, daß er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Maßgebend ist zunächst, welches Maß an Sorgfalt den Umständen nach zur Vermeidung tatbildmäßigen Unrechts objektiv geboten ist. Hier handelt es sich um jene Sorgfalt, wie sie ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener, besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Täters aufwenden würde, um die Gefahr einer Rechtsgutbeeinträchtigung zu erkennen und hintanzuhalten. Es hängt daher stets von den Umständen des Einzelfalles ab, welches Maß von Sorgfalt ein rechtstreuer, gewissenhafter und besonnener Mensch darauf verwendet hätte, etwaige Risken des Verhaltens zu erkennen und hintanzuhalten. Zu welcher Sorgfalt die Situation verpflichtet, ist von den persönlichen Fähigkeiten und Eigenschaften des einzelnen Menschen unabhängig (Fellner, Finanzstrafgesetz, Rz 24 zu § 8).

Die Beschwerdeführerin behauptet, sie habe im Juni 1994 vom zustimmenden EU-Volksabstimmungsergebnis in Österreich erfahren und ihr sei klar gewesen, daß damit Österreich ein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft geworden sei. Die Beschwerdeführerin nennt dabei aber nicht einmal die Informationsquelle. Wenn nun die Beschwerdeführerin einige Monate nach dieser Information Waren nach Österreich verbringen wollte, dann war es bei dieser nur allgemeinen Kenntnis über die rechtliche Beziehung Österreichs zur EU objektiv geboten, noch in Deutschland über den Zeitpunkt des österreichischen Beitritts zur Europäischen Union und insbesondere zu den allfälligen Änderungen der Zollbestimmungen nähere Erkundigungen einzuholen, spätestens aber bei der Einreise über das Zollamt Walserberg-Autobahn, bei dem im November 1994 Zollbeamte die Grenz- und Zollkontrolle vorgenommen haben.

Ob einem Fahrlässigkeitstäter die Einhaltung der objektiv gebotenen Sorgfalt, zu deren Anwendung er nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist, auch zuzumuten ist, bestimmt sich danach, ob von einer mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Person von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der speziellen Tatsituation realistischerweise erwartet werden kann, sich objektiv sorgfaltsgemäß zu verhalten (vgl. , EvBl 1982/64).

Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen hat sich die belangte Behörde durch den persönlichen Eindruck der Beschwerdeführerin anläßlich der mündlichen Verhandlung überzeugt und dies im angefochtenen Bescheid auch festgehalten. Das Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin sei eine ca. 60jährige Arzthelferin, die sich nur sporadisch und kurz in Österreich aufgehalten habe, vermag diese Feststellung nicht zu entkräften. Zwar ist es denkunmöglich, einem Rechtsunterworfenen, der aufgrund einer vertretbaren Rechtsansicht gehandelt hat, Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Im Beschwerdefall kann aber von einer vertretbaren Rechtsansicht keine Rede sein. Aus der Kenntnis des Ergebnisses einer Volksabstimmung im Nachbarland, kann allein nicht vertretbar abgeleitet werden, daß mit diesem Zeitpunkt auch die Zollbestimmungen im Nachbarstaat unanwendbar geworden wären. Wenn die Beschwerdeführerin weiters vorbringt, sie habe gedacht, daß bereits ab (Anm.: EWR-Beitrittsdatum Österreichs) alles geändert sei und es zwischen Österreich und Deutschland keine Formalitäten mehr gebe und Österreich mit dem positiven Ausgang der Volksabstimmung im Juni 1994 vollständig in der EU wäre, dann unterlag sie einem Irrtum.

Dem Täter wird gemäß § 9 FinStrG weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.

Entschuldbar ist ein Irrtum, wenn der Täter ohne jedes Verschulden, als auch ohne Verletzung einer Sorgfaltspflicht, in einer Handlungsweise weder ein Finanzvergehen noch ein darin liegendes Unrecht erkennen konnte (vgl. ).

Ein entschuldbarer Irrtum oder allenfalls auch nur eine entschuldbare Fehlleistung liegt im Beschwerdefall jedoch nicht vor. Bei der Einreise nach Österreich über das Zollamt Walserberg-Autobahn im Jahre 1994 hat das Grenzzollamt für jeden Reisenden erkennbar - auch wenn im konkreten Fall allenfalls eine Paß- und Zollkontrolle nicht stattgefunden haben könnte - seine Funktion als Grenz- und Zollstelle wahrgenommen und jedem Reisenden mußte bekannt sein, daß auch noch im Jahre 1994 - ungeachtet des Umstandes, daß in anderen Rechtsbereichen durch den EWR-Beitritt Österreichs Änderungen eingetreten sein könnten - Grenz- und Zollformalitäten bestanden haben, die jedenfalls zu stichprobenweisen Kontrollen geführt haben. Bei dieser Kontrollsituation anläßlich der Einreise über ein Straßenzollamt kann sich ein Reisender auf die im Beschwerdefall geltend gemachte entschuldbare Fehlleistung nicht mit Erfolg berufen.

Die Formulierung des angefochtenen Bescheides:

"Der Berufungssenat konnte sich einen persönlichen Eindruck von der (Beschwerdeführerin) verschaffen. Hieraus und aus den vorliegenden Aussagen der (Beschwerdeführerin) ergeben sich tatsächlich Bedenken am angenommenen vorsätzlichen Handeln der (Beschwerdeführerin). Es wird im Zweifel zugunsten der (Beschwerdeführerin) von einem fahrlässigen Handeln ausgegangen, zumal es ihr leicht möglich gewesen wäre, in Erfahrung zu bringen, daß Österreich erst mit Mitglied der Europäischen Gemeinschaften geworden ist."

ist für die Feststellung des Vorliegens eines fahrlässigen Verhaltens eine äußerst knappe Begründung. Andererseits hat die Beschwerde keine Umstände aufgezeigt, wonach die Beschwerdeführerin nach ihren geistigen und körperlichen Verhältnissen nicht zur Einhaltung der gebotenen Sorgfalt befähigt und diese ihr auch nicht zuzumuten gewesen wäre.

Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie ein fahrlässiges Verhalten der Beschwerdeführerin festgestellt hat.

Gemäß § 25 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde von der Einleitung oder von der weiteren Durchführung eines Finanzstrafverfahrens und von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Täters geringfügig ist und Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Sie hat jedoch dem Täter mit Bescheid eine Verwarnung zu erteilen, wenn dies geboten ist, um ihn von weiteren Finanzvergehen abzuhalten.

Bei einem Verkürzungsbetrag von ca. S 23.000,-- kann keine Rede davon sein, daß die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/16/0046, bei einem Verkürzungsbetrag von S 26.000,--). Demnach bestand auch keine Möglichkeit, das Verfahren im Wege einer Verwarnung zu erledigen.

Gegen die Strafbemessung wurde vorgebracht, es sei unberücksichtigt geblieben, daß die Tat schon vor mehr als vier Jahren begangen worden sei und sich die Beschwerdeführerin seither wohl verhalten habe, ferner sei nicht auf die verhältnismäßig lange (Berufungs-)Verfahrensdauer, sowie schließlich auf die bereits in der Berufung vorgebrachten persönlichen und finanziellen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, insbesondere ihre Betreuungspflicht für ihre pflegebedürftige Tochter Bedacht genommen worden.

Die Begründung der Entscheidung über das Strafausmaß hat gemäß § 23 Abs. 2 und Abs. 3 FinStrG auch die Abwägung der Erschwerungs- und Milderungsgründe sowie die Feststellungen über die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu enthalten (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 3273/78).

Ein Wohlverhalten während der Anhängigkeit des Strafverfahrens kann nicht als mildernd berücksichtigt werden (vgl. Zl. 12 OS 104/95).

Erst ein Wohlverhalten während eines der Rückfallsverjährungsfrist des § 39 Abs. 2 StGB entsprechenden Zeitraumes kann den Milderungsgrund nach § 34 Z. 18 StGB begründen (vgl. Zl. 15 OS 11/97).

Von einer langen Berufungsverfahrensdauer kann im Beschwerdefall keine Rede sein. Die Strafverfügung erging im Mai 1996, das Erkenntnis der ersten Instanz im September 1996 und der angefochtene Bescheid ca. eineinhalb Jahre später im April 1998.

Der belangten Behörde ist daher bei der Strafbemessung eine Rechtswidrigkeit nicht anzulasten, weil die in der Beschwerde geltend gemachten Milderungsgründe mit Recht bei der Strafbemessung unberücksichtigt blieben.

Inwieweit die bereits in der Berufung vorgebrachte die finanziellen und persönlichen Verhältnisse beeinträchtigende Betreuungspflicht der pflegebedürftigen Tochter bei der Strafbemessung nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden hätte, wurde in der Beschwerde nicht konkret dargestellt.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am