OGH vom 11.02.2002, 7Ob315/01a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Neumayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Putz & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Christian F*****, vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in Wien als Verfahrenshelfer, wegen S 500.000,-- (= EUR 36.336,42) sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 16 R 36/01h-15, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 5 Cg 67/00k-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 1.754,31 = S 24.139,80 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten EUR 292,38 = S 4.023,30 an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei ist ein Unternehmen der B***** (B*****), deren Privatkunde der Beklagte seit 1984 war. Im Februar 1998 gründete dieser die F***** GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er von Anfang an war. Mangels Eigenkapitals bemühte er sich einige Monate nach der Gründung der Gesellschaft um einen Unternehmenskredit, der ihm zunächst vom Jungunternehmercenter der B***** wegen fehlender Sicherheiten verwehrt wurde. Der für Kreditvergaben zuständige Leiter einer Filiale der B*****, dem der Beklagte schon seit Jahren als problemloser Privatkunde bekannt war, war hingegen bereit, der Gesellschaft einen Kredit von S 500.000,-- einzuräumen, wenn sich der Beklagte als Schuldner persönlich zur ungeteilten Hand neben seinem Unternehmen verpflichte, eine zu Gunsten der B***** vinkulierte Ablebens- und Unfallsversicherung abschließe und für sich und sein Unternehmen je einen Blankowechsel ausstelle. Nach einer Besprechung mit dem Filialleiter, bei der der Inhalt des Kreditvertrages und die Sicherheiten nochmals erörtert wurden, wurde der Kreditvertrag am vom Beklagten zweimal, einmal als Geschäftsführer der F***** GmbH, einmal im eigenen Namen, unterfertigt.
Am wurde über das Vermögen der Gesellschaft des Beklagten der Konkurs eröffnet. Daraufhin kündigte die klagende Partei die Kontoverbindung mit sofortiger Wirkung auf und stellte den Kredit, der mit S 519.576,32 aushaftete, fällig, wobei ab vereinbarungsgemäß 16,15 % Verzugszinsen in Rechnung gestellt wurden. Der Beklagte wurde davon mit Schreiben vom verständigt, wobei nicht feststellbar ist, ob auf Grund der identen Firmen- und Wohnadresse das an ihn persönlich gerichtete Schreiben versehentlich an den Masseverwalter umgeleitet wurde und ihm erst von diesem mit anderer Privatpost ausgehändigt wurde.
Die klagende Partei begehrt vom Beklagten S 500.000,-- (sA) als Kreditrückzahlung. Der Beklagte hafte laut Kreditvertrag mit der F***** GmbH zur ungeteilten Hand, sei mindestens sechs Wochen mit seiner Leistung in Verzug und unter Androhung des Terminsverlustes und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt worden.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Er habe den Kreditvertrag ausschließlich als Geschäftsführer der F***** GmbH unterfertigt, die ja deshalb gegründet worden sei, um seine persönliche Haftung zu vermeiden. Die Ablehnung einer persönlichen Haftung sei der klagenden Partei bekannt gewesen. Die gegenteilige Formulierung im Vertragstext beruhe auf einem Irrtum. Das Klagebegehren sei jedenfalls nicht berechtigt, weil die Klägerin ihre Verpflichtungen gemäß § 25b und § 25c KSchG nicht eingehalten habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Den Beklagten treffe eine Rückzahlungsverpflichtung in Höhe der eingeklagten Summe aus dem Kreditvertrag; 16,5 % Zinsen seit Fälligstellung des Kredites am habe der Beklagte aus dem Titel des Schadenersatzes (Konventionalstrafe § 1336 ABGB) zu zahlen. Für den vom Beklagten behaupteten Irrtum hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben. Das KSchG sei nicht anzuwenden. Zwar sei der Geschäftsführer einer GmbH, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GmbH übernehme, mangels eines eigenen Unternehmens grundsätzlich als Verbraucher anzusehen; ein Gesellschafter, der 100 % der Gesellschaftsanteile halte und noch zusätzlich Geschäftsführer sei, sei allerdings wirtschaftlich betrachtet "unumschränkter Herrscher in der Gesellschaft". Allein der Umstand, dass er für seine Teilnahme am Wirtschaftsleben eine besondere Organisationsform gewählt habe, sei keine sachliche Rechtfertigung dafür, nur die GmbH als Unternehmer anzusehen, ihn selbst aber, wenn er an Geschäften der GmbH unmittelbar teilnehme, als schützenswerten Verbraucher. Die §§ 25b bis d KSchG hätten daher außer Betracht zu bleiben.
Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und bestätigte daher dessen Entscheidung, wobei es aussprach, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, "da Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu lösen waren". Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung den Antrag gestellt, das Rechtsmittel des Beklagten entweder zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Wie der Beklagte in seiner Zulassungsrüge zutreffend geltend macht, konnte sich das Berufungsgericht zur Frage der Anwendbarkeit des Konsumentenschutzgesetzes nur auf die Entscheidung einer Vorinstanz stützen; oberstgerichtliche Judikatur zu der über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Rechtsfrage der Verbrauchereigenschaft eines geschäftsführenden Alleingesellschafters als Kreditnehmer in einem Fall wie dem vorliegenden fehlt. Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes ist die Revision daher zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt:
Der Begriff des Verbrauchers wird im Konsumentenschutzgesetz nicht durch eine positive Beschreibung definiert, sondern durch eine negative Umschreibung festgelegt: Verbraucher ist gemäß § 1 Abs 1 Z 2 KSchG der Nichtunternehmer (SZ 54/58) bzw jemand, der das Geschäft außerhalb des Betriebes seines Unternehmens tätigt (RZ 1981/63). Wiederholt hat nun der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass ein Geschäftsführer, der eine persönliche Bürgschaft für Schulden der GmbH übernimmt, mangels eines eigenen Unternehmens als Verbraucher anzusehen ist (6 Ob 607/91, EvBl 1992, 233/51 = RdW 1992, 75 = ÖBA 1992, 578 = ecolex 1992, 89; RIS-Justiz RS0065238, zuletzt 6 Ob 35/00s und 6 Ob 1/00s). Der (sich auf die im WR 1994/688 veröffentlichte Entscheidung des Handelsgerichtes Wien 1 R 389/94 stützenden) Ansicht der Vorinstanzen, dass die Verbrauchereigenschaft des Geschäftsführers aber nicht angenommen werden könne, wenn er - wie hier - Alleingesellschafter der GmbH ist, ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zuzustimmen: Erfolgt doch die Haftungsübernahme als (Mit-)Kreditnehmer in einem solchen Fall letztlich im Interesse des Alleingesellschafters, der damit nicht nur als Geschäftsführer der GmbH, sondern in Wahrheit selbst unternehmerisch tätig wird. Es ist nicht einzusehen, warum jemand, der die Organisationsform einer "Ein-Mann-GmbH" gewählt hat - weil er dadurch, wie der Beklagte selbst betont (AS 69) - dann grundsätzlich nicht persönlich zu haften habe, wenn er hinsichtlich eines Unternehmenskredites neben der GmbH als Kreditnehmer auftritt, als Verbraucher anzusehen sein soll.
In Deutschland wird - bei bedingt vergleichbarer Rechtslage - vom BGH in stRsp der Gesellschafter/Geschäftsführer einer GmbH, der an einem für eine gewerbliche Tätigkeit der GmbH bestimmten Kreditvertrag neben der GmbH als Kreditnehmer beteiligt ist, als Verbraucher iSd § 1 I VerbrKrG betrachtet (BGHZ 133, 71 [77f] = NJW 1996, 2156; BGHZ 133, 220 [223] = NJW 1996, 2865; NJW 1997, 1443; NJW 2000, 3133). Dabei komme es, wie der BGH in der Entscheidung vom , NJW 1997, 1443 ausgesprochen hat, "im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit" nicht darauf an, ob der Mithaftende Mehrheits- oder gar Alleingesellschafter der GmbH ist.
Dem vermag sich der erkennende Senat, zumindest was den Alleingesellschafter betrifft, nicht anzuschließen. Einem Kreditgeber, der sich über die gesellschaftlichen Beteiligungsverhältnisse zum maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses aus dem Firmenbuch jederzeit informieren kann, ist eine Bedachtnahme darauf, ob der beteiligte Kreditnehmer oder Bürge "gewöhnlicher Geschäftsführer" oder als geschäftsführender Alleingesellschafter "unumschränkter Herrscher über die Gesellschaft" ist, ebenso zuzumuten, wie für den betreffenden Alleingesellschafter einsichtig sein müsste, dass er als "Mitkreditnehmer" eines Unternehmenskredites nicht als Verbraucher behandelt werden kann. Die betreffende, hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft vorzunehmende, sachlich gebotene Differenzierung aus dem Grunde der Rechtssicherheit oder Rechtsklarheit zu unterlassen, erscheint dem erkennenden Senat daher nicht notwendig.
Der Beklagte bringt in der Revision nichts Stichhältiges für seinen Standpunkt vor. Sein Argument, das Eingehen einer Bürgschaft sei kein Teilnehmen an Geschäften der GmbH, da hier lediglich eine Sicherheit vereinbart und dem Bürgen die Kreditsumme nicht zugezählt werde, muss schon deshalb ins Leere gehen, weil er sich im vorliegenden Fall ja als Kreditnehmer an dem für eine unternehmerische Tätigkeit der GmbH bestimmten Kreditvertrag beteiligt hat.
Da die gegenständliche Kreditaufnahme unternehmerischen Zwecken diente, kann sie - aus der maßgeblichen Sicht des funktionellen
Verhältnisses zwischen den Streitteilen (vgl SZ 53/10 = EvBl 1981,
17/5 = ImmZ 1981, 268) - auch für den beklagten Alleingesellschafter
als Kreditnehmer kein Verbrauchergeschäft darstellen. Auf die Ausführungen der Revision, wonach die klagende Partei gegen § 25c KSchG verstoßen habe und die Gegenausführungen der Revisionsbeantwortung, wonach diesen Bestimmungen ohnehin Genüge getan wurde, ist daher nicht mehr einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.