OGH vom 24.10.2013, 6Ob110/13i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Innsbruck zu FN ***** eingetragenen B*****gesellschaft m.b.H. Co. ***** KG mit dem Sitz in E***** über den Revisionsrekurs der Gesellschaft und der Geschäftsführerin Dipl. Bibl. U***** H*****, beide vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Heitzmann GmbH in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 35/13s, 3 R 36/13p, 3 R 37/13k 21, mit dem die Beschlüsse des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 62 Fr 4162/12p 10 und 11, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben . Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert , dass die Beschlüsse des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben werden.
Text
Begründung:
Die Vorinstanzen verhängten über die zu FN ***** eingetragene B*****gesellschaft m.b.H. Co. ***** KG und über die Geschäftsführerin der Komplementärgesellschaft gemäß § 283 UGB Zwangsstrafen in Höhe von jeweils 700 EUR, weil sie ihren Verpflichtungen nach §§ 277 ff UGB hinsichtlich des Geschäftsjahrs 2011 nicht fristgerecht nachgekommen seien. Die Vorinstanzen stützten sich auf die Entscheidung 6 Ob 203/11p und nahmen eine unternehmerische Tätigkeit der (Kommandit )Gesellschaft an.
Das Rekursgericht ließ im Hinblick auf die gegen diese Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geäußerte Kritik im Schrifttum den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Die Gesellschaft und die Geschäftsführerin erhoben einen ordentlichen Revisionsrekurs, den sie mit einem Schriftsatz ergänzten in dem sie die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich § 221 Abs 5 UGB durch den Verfassungsgerichtshof anregten.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:
I. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass den Parteien eines Gerichtsverfahrens kein Recht auf Antragstellung hinsichtlich einer Befassung des Verfassungsgerichtshofs zusteht; die Parteien können eine solche Antragstellung nur anregen (RIS-Justiz RS0056514, RS0058452, RS0053805). Eine derartige Anregung zu einer Gesetzesprüfung bedarf keiner besonderen beschlussmäßigen Zurückweisung (jüngst 10 ObS 63/13g). Damit stellt sich beim ergänzenden Schriftsatz der Revisionsrekurswerberinnen nicht die Frage einer (allfälligen) Verletzung des Grundsatzes der Einmaligkeit des Rechtsmittels.
Nach Auffassung der Revisionsrekurswerberinnen verstößt § 221 Abs 5 UGB hinsichtlich der unternehmerischen Tätigkeit gegen Art 6, 7 EMRK und gegen das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B VG. Nach Art 1 Abs 1 Unterabsatz 2 der Publizitätsrichtlinie (78/660/EWG; in der Folge nur „Richtlinie“ bezeichnet) in der geltenden Fassung unterliegen ihr (auch hinsichtlich der Offenlegung; vgl deren Abschnitt 10) auch die offene (Handels )Gesellschaft und die Kommanditgesellschaft, sofern alle ihre unbeschränkt haftenden Gesellschafter Gesellschaften im Sinne von Unterabsatz 1 (dort werden für Österreich die AG und die GmbH genannt) oder Gesellschaften sind, welche nicht dem Recht eines Mitgliedstaats unterliegen, deren Rechtsform jedoch den Rechtsformen im Sinne der Richtlinie 68/151/EWG vergleichbar ist. Die Richtlinie findet gemäß ihrem Art 1 Abs 1 Unterabsatz 3 auch auf die Gesellschaftsformen im Sinne von Unterabsatz 2 Anwendung, sofern alle deren unbeschränkt haftenden Gesellschafter eine Rechtsform im Sinne von Unterabsatz 2 (OG, KG) oder 1 (AG, GmbH) haben. Nach dem Wortlaut der Richtlinie besteht somit die Offenlegungspflicht einer GmbH Co KG entgegen dem Wortlaut von § 189 Abs 1 Z 1 und § 221 Abs 5 UGB unabhängig davon, ob sie unternehmerisch tätig ist. Auf diesen (möglichen) Widerspruch der genannten Normen zur Richtlinie hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 6 Ob 236/12t (ecolex 2013/332) hingewiesen (ebenso Ch. Nowotny in Straube , UGB³ [2011] § 221 Rz 12).
II. Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.
1. Gemäß § 189 Abs 1 Z 1 UGB ist das Dritte Buch des Unternehmensgesetzbuches grundsätzlich auch auf unternehmerisch tätige Personengesellschaften anzuwenden, bei denen kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. Ist bei einer unternehmerisch tätigen eingetragenen Personengesellschaft kein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person, so unterliegt gemäß § 221 Abs 5 UGB die Personengesellschaft hinsichtlich der in den §§ 222 bis 243 und §§ 268 bis 283 UGB geregelten Tatbestände den der Rechtsform ihres unbeschränkt haftenden Gesellschafters entsprechenden Rechtsvorschriften; ist dieser keine Kapitalgesellschaft, so gelten die Vorschriften für Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Nach § 1 Abs 1 UGB ist ein Unternehmer, wer ein Unternehmen betreibt. Ein Unternehmen ist gemäß § 1 Abs 2 UGB jede auf Dauer angelegte Organisation selbständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.
Der Gesetzgeber des Handelsrechts-Änderungsgesetzes (BGBl I 2005/120) hat mit diesem Unternehmerbegriff bewusst auf die gleichlautende Legaldefinition des Unternehmens in § 1 Abs 2 KSchG zurückgegriffen. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus: „Diese Begriffsbestimmung knüpft unverkennbar an die in über zwanzigjähriger Rechtsanwendung bewährte Definition des Unternehmers in § 1 KSchG an und unternimmt damit den Versuch, den Anwendungsbereich des Handelsrechts in stimmiger Weise wie denjenigen des Verbraucherrechts zu beschreiben.“ (ErläutRV 1058 BlgNR 22. GP 6).
Es kann somit zur Beurteilung der Unternehmereigenschaft im Unternehmensgesetzbuch grundsätzlich die einschlägige Rechtsprechung zum KSchG herangezogen werden (6 Ob 203/11p JAP 2011/2012, 229 [ Rauter ] = [ Schenk/Linder ] = ecolex 2012/168 [ Wilhelm ] = AnwBl 2013, 7 [ Saurer ] = wobl 2013/10 [ Schauer , 1]).
2. Der erkennende Senat hat zwar in den bereits erwähnten Entscheidungen 6 Ob 203/11p (zu einer GmbH Co KG) und 6 Ob 236/12t (zu einer Verein Co KG) die jeweilige unternehmerische Tätigkeit der beiden Personengesellschaften bejaht. Dies bedeutet aber wie der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 112/13h (zu einer GmbH Co KG) klargestellt hat nicht, dass die bloße Verwendung der Rechtsform der Personengesellschaft im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Tätigkeit allein die Rechnungslegungspflicht begründet.
3. In dem der Entscheidung 6 Ob 112/13h zugrunde liegenden Fall war die Komplementärgesellschaft einige Monate vor der Kommanditgesellschaft gegründet worden, wobei diese Gründung nicht deshalb erfolgt war, um die Tätigkeit der Kommanditgesellschaft auszuüben; die Geschäftszweige der beiden Gesellschaften deckten sich nicht. Die Kommanditgesellschaft vermietete eine Liegenschaft; die Entfaltung weiterer Tätigkeiten oder deren planende Vorbereitung konnten nicht festgestellt werden. Der erkennende Senat verneinte bei diesen Sachverhaltsgrundlagen eine Offenlegungsverpflichtung der Kommanditgesellschaft nach § 18 UGB und verwies vor allem darauf, dass die bloße Verwaltung und Nutzung des Gesellschaftsvermögens grundsätzlich nicht als unternehmerische Tätigkeit anzusehen ist.
4. Im hier zu beurteilenden Fall ist das Rekursgericht auf Tatsachenebene davon ausgegangen, dass die (Kommandit )Gesellschaft grundbücherliche Eigentümerin einer einzigen Liegenschaft ist, die sie treuhändig hält (verdeckte Treuhand). In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Auffassung, unternehmerische Tätigkeit sei bei bloßer Vermögensverwaltung nur dann nicht gegeben, wenn eigenes Vermögen verwaltet werde; die treuhändige Verwaltung wirtschaftlich fremden Vermögens erfordere jedoch eine auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit und sei daher selbst dann unternehmerisch, wenn sie nicht auf Gewinn ausgerichtet sei. Diese Überlegung lässt sich allerdings jedenfalls im hier zu beurteilenden Fall nicht mit der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 112/13h in Einklang bringen; das bloße Auftreten im Rechtsverkehr ist nämlich nicht entscheidend, steht dieses doch allen Personengesellschaften offen, ohne dass dies nach dem klaren Wortlaut des § 189 UGB zwingend und stets zur Rechnungslegungspflicht führt.
Die Vorinstanzen haben das in den Einsprüchen sowie Rekursen der Gesellschaft und der Geschäftsführerin enthaltene Vorbringen nicht widerlegt, wonach die Liegenschaft weder vermietet noch verpachtet ist und auch sonst nicht genutzt wird, ein Erwerb weiterer Liegenschaften nie beabsichtigt war, die Gesellschaft seit vielen Jahren keinerlei Einnahmen erzielt, weder über Geschäftsräumlichkeiten noch über Personal noch über Geschäftseinrichtungen verfügt und auch nicht verpflichtet ist, beim Finanzamt Bilanzen einzureichen oder Körperschaftssteuer zu bezahlen. Selbst wenn daher die Rechtsvorgängerinnen der Kapitalgesellschaft und der Kommanditgesellschaft Anfang der Siebzigerjahre des 20. Jahrhunderts zeitnah gegründet wurden und die Liegenschaft damals erworben wurde, kann im bloßen Halten dieser Liegenschaft durch die (Kommandit )Gesellschaft eine unternehmerische Tätigkeit nicht erkannt werden. Die von den Vorinstanzen vertretene Auffassung würde vielmehr zu dem vom erkennenden Senat nicht gebilligten Ergebnis führen, dass praktisch jede GmbH Co KG rechnungslegungspflichtig wäre (vgl neuerlich 6 Ob 112/13h).
5. Mangels unternehmerischer Tätigkeit der (Kommandit )Gesellschaft waren damit die Zwangsstrafbeschlüsse des Erstgerichts betreffend die Gesellschaft und die Geschäftsführerin ersatzlos zu beseitigen.