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BAG § 8b., BGBl. I Nr. 18/2020, gültig ab 22.03.2020

§ 8b.

(1) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann am Beginn oder im Laufe des Lehrverhältnisses im Lehrvertrag eine gegenüber der für den Lehrberuf festgesetzten Dauer der Lehrzeit (§ 7 Abs. 1 lit. b) längere Lehrzeit vereinbart werden. Die sich auf Grund der Lehrberufsliste ergebende Lehrzeit kann um höchstens ein Jahr, in Ausnahmefällen um bis zu zwei Jahre, verlängert werden, sofern dies für die Erreichung der Lehrabschlussprüfung notwendig ist.

(2) Zur Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben kann in einem Ausbildungsvertrag die Festlegung einer Teilqualifikation durch Einschränkung auf bestimmte Teile des Berufsbildes eines Lehrberufes, allenfalls unter Ergänzung von Fertigkeiten und Kenntnissen aus Berufsbildern weiterer Lehrberufe, vereinbart werden. In der Vereinbarung sind jedenfalls die zu vermittelnden Fertigkeiten und Kenntnisse und die Dauer der Ausbildung festzulegen. Die Dauer dieser Ausbildung kann zwischen einem und drei Jahren betragen. Ein Ausbildungsvertrag über eine Teilqualifizierung hat Fertigkeiten und Kenntnisse zu umfassen, die im Wirtschaftsleben verwertbar sind.

(3) Die Ausbildung gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 soll vorrangig in Lehrbetrieben durchgeführt werden.

(4) Für die Ausbildung gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 kommen Personen in Betracht, die das Arbeitsmarktservice nicht in ein Lehrverhältnis als Lehrling gemäß § 1 vermitteln konnte und auf die eine der folgenden Voraussetzungen zutrifft:

1. Personen, die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischen Förderbedarf hatten und zumindest teilweise nach dem Lehrplan einer Sonderschule unterrichtet wurden, oder

2. Personen ohne Abschluss der Hauptschule oder der Neuen Mittelschule bzw. mit negativem Abschluss einer dieser Schulen, oder

3. Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes bzw. des jeweiligen Landesbehindertengesetzes, oder

4. Personen, von denen aufgrund des Ergebnisses einer vom Arbeitsmarktservice oder Sozialministeriumsservice beauftragten Beratungs-, Betreuungs- oder Orientierungsmaßnahme angenommen werden muss, dass für sie aus ausschließlich in der Person gelegenen Gründen, die durch eine fachliche Beurteilung nach einem in den entsprechenden Richtlinien des Arbeitsmarktservices oder des Sozialministeriumservices zu konkretisierenden Vier-Augen-Prinzip festgestellt wurden, der Abschluss eines Lehrvertrages gemäß § 1 nicht möglich ist.

(5) Die Lehrlingsstelle darf einen Lehrvertrag gemäß Abs. 1 oder einen Ausbildungsvertrag gemäß Abs. 2 nur eintragen, wenn auf die betreffende Person eine der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 Z 1 bis 4 zutrifft und wenn das Arbeitsmarktservice diese Person nicht in ein Lehrverhältnis als Lehrling gemäß § 1 vermitteln konnte. Bei einem Wechsel in eine andere Ausbildungsform gemäß Abs. 11 ist kein Vermittlungsversuch durch das Arbeitsmarktservice erforderlich.

(6) Das Ausbildungsverhältnis gemäß Abs. 1 oder Abs. 2 ist durch die Berufsausbildungsassistenz zu begleiten und zu unterstützen. Die Berufsausbildungsassistenz hat im Zuge ihrer Unterstützungstätigkeit sozialpädagogische, psychologische und didaktische Probleme von Personen, die ihnen im Rahmen der Ausbildung anvertraut sind, mit Vertretern von Lehrbetrieben, besonderen selbständigen Ausbildungseinrichtungen und Berufsschulen zu erörtern, um zur Lösung dieser Probleme beizutragen. Die Berufsausbildungsassistenz hat zu Beginn der Ausbildung gemeinsam mit den dafür in Frage kommenden Personen bzw. den Erziehungsberechtigten und den Lehrberechtigten bzw. Ausbildungsverantwortlichen oder den Ausbildungseinrichtungen und unter Einbeziehung der Schulbehörde erster Instanz und des Schulerhalters die Ziele der Ausbildung festzulegen und bei der Abschlussprüfung gemäß Abs. 10 mitzuwirken. Sie hat zusammen mit einem Experten des betreffenden Berufsbereiches die Abschlussprüfung zum Abschluss der Ausbildung gemäß Abs. 2 durchzuführen. Die Berufsausbildungsassistenz hat bei einem Ausbildungswechsel das Einvernehmen mit den genannten, an der Ausbildung Beteiligten herzustellen und diesbezüglich besondere Beratungen durchzuführen.

(7) Die Lehrlingsstelle darf einen Lehrvertrag gemäß Abs. 1 oder einen Ausbildungsvertrag gemäß Abs. 2 nur eintragen, wenn eine verbindliche Erklärung des Arbeitsmarktservice, des Sozialministeriumservice oder einer Gebietskörperschaft bzw. einer Einrichtung einer Gebietskörperschaft über die Durchführung der Berufsausbildungsassistenz vorliegt. Diese können eine bewährte Einrichtung auf dem Gebiet der sozialpädagogischen Betreuung und Begleitung mit der Durchführung der Berufsausbildungsassistenz betrauen.

(8) Die Festlegung der Ausbildungsinhalte, des Ausbildungszieles und der Zeitdauer im Rahmen der Ausbildung hat durch die Vertragsparteien gemeinsam mit der Berufsausbildungsassistenz unter Einbeziehung der Schulbehörde erster Instanz und des Schulerhalters zu erfolgen. Dabei sind auch pädagogische Begleitmaßnahmen bzw. die Form der Einbindung in den Berufsschulunterricht unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse der die Berufsausbildung anstrebenden Person festzulegen.

(9) Vor Beginn einer Berufsausbildung kann vom Arbeitsmarktservice der Besuch einer beruflichen Orientierungsmaßnahme empfohlen werden. Die berufliche Orientierungsmaßnahme gründet weder auf einem Ausbildungsvertrag noch auf einem Lehrvertrag.

(10) Die Feststellung der in einer Ausbildung gemäß Abs. 2 erworbenen Qualifikationen erfolgt durch eine Abschlussprüfung am Ende der Ausbildungszeit, frühestens zwölf Wochen vor dem regulären Ende der Ausbildung. Die Abschlussprüfung findet im Lehrbetrieb oder in einer sonst geeigneten Einrichtung statt und ist durch einen von der Lehrlingsstelle im Einvernehmen mit dem Landes-Berufsausbildungsbeirat zu nominierenden Experten des betreffenden Berufsbereiches und ein Mitglied der Berufsausbildungsassistenz durchzuführen. Dabei ist anhand der vereinbarten Ausbildungsinhalte und Ausbildungsziele festzustellen, welcher Ausbildungsstand erreicht und welche Fertigkeiten und Kenntnisse erworben wurden. Die Lehrlingsstelle hat im Einvernehmen mit dem Landes-Berufsausbildungsbeirat den Ablauf der Abschlussprüfungen und die Gestaltung der jeweiligen Abschlusszeugnisse entsprechend den Erfordernissen des jeweiligen Berufsbereiches festzulegen. Im Abschlusszeugnis sind die festgestellten Fertigkeiten und Kenntnisse zu dokumentieren. Die für die Lehrabschlussprüfung geltenden Bestimmungen betreffend Prüfungstaxe und Prüferentschädigung sind anzuwenden.

(11) Bei einer Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß § 1, bei einer Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß Abs. 1 oder bei einer Ausbildung gemäß Abs. 2 ist ein Wechsel in eine jeweils andere dieser Ausbildungen im Zusammenhang mit einer Vereinbarung zwischen dem Lehrberechtigten und dem Lehrling und im Einvernehmen mit der Berufsausbildungsassistenz sowie unter Einbeziehung der Schulbehörde erster Instanz möglich. Der Wechsel der Ausbildung hat durch den Abschluss eines neuen Lehrvertrages bzw. eines neuen Ausbildungsvertrages zu erfolgen. Der Wechsel von einer Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß § 1 zu einer Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß Abs. 1 und umgekehrt kann auch durch Änderung des Lehrvertrages erfolgen. Bei einem Wechsel der Ausbildung sind im Einvernehmen mit der Berufsausbildungsassistenz die in der Folge noch erforderlichen Ausbildungsinhalte und die noch erforderliche Ausbildungsdauer festzulegen. Die Probezeit beginnt bei einem Wechsel der Ausbildung im selben Ausbildungsbetrieb bzw. derselben Ausbildungseinrichtung nicht von neuem zu laufen. Bei einem Wechsel von einer Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß § 1 in eine Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß Abs. 1 oder in eine Ausbildung gemäß Abs. 2 wird das Zutreffen der Voraussetzung gemäß Abs. 4 Z 4 durch die Berufsausbildungsassistenz mit der Maßgabe, dass die von der betreffenden Person begonnene Lehre in der regulären Form voraussichtlich nicht erfolgreich abgeschlossen werden kann, bestätigt.

(12) Wurde im Rahmen einer Ausbildung gemäß Abs. 2 sowohl das Ausbildungsziel des Abs. 10 im Sinne einer erfolgreichen Ablegung der Abschlussprüfung als auch das berufsfachliche Bildungsziel der ersten Schulstufe der Berufsschule erreicht, so ist bei einer anschließenden Ausbildung in einem Lehrberuf gemäß § 1 oder in einem Lehrberuf gemäß Abs. 1 zumindest das erste Lehrjahr auf die Dauer der Lehrzeit des betreffenden Lehrberufes anzurechnen, sofern nicht eine Vereinbarung zwischen dem Lehrberechtigten und dem Lehrling über eine weitergehende Anrechnung vorliegt.

(13) Personen, die eine Berufsausbildung gemäß § 8b oder § 8c absolvieren, gelten als Lehrlinge im Sinne des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl. Nr. 376/1967, im Sinne des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, im Sinne des Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetzes (IESG), BGBl. Nr. 324/1977 und im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Dies gilt weiters für Personen, die sich in einer diesen Ausbildungen vorgelagerten Berufsorientierungsmaßnahme befinden, bis zum Ausmaß von sechs Monaten einer solchen Berufsorientierungsmaßnahme. Personen, die im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß Abs. 1 ausgebildet werden, sind hinsichtlich der Berufsschulpflicht Lehrlingen gleichgestellt. Für Personen, die im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß Abs. 2 ausgebildet werden, besteht nach Maßgabe der Festlegungen gemäß Abs. 8 die Pflicht bzw. das Recht zum Besuch der Berufsschule. Personen, die in einer Ausbildungseinrichtung gemäß § 8c ausgebildet werden, haben Anspruch auf eine Ausbildungsbeihilfe, die die Beitragsgrundlage für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge bildet. Auf Personen, die in einer Ausbildungseinrichtung gemäß § 8c ausgebildet werden, sind weiters die Bestimmungen der §§ 2a, 2b, 3, 4, 4a, 5 Abs. 1 und 3, 6, 7, 8, 8a, 9 und 14 des Mutterschutzgesetzes 1979 (MSchG), BGBl. Nr. 221/1979, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 138/2013, anzuwenden; § 14 des Mutterschutzgesetzes 1979 gilt mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Entgelts die Ausbildungsbeihilfe tritt.

(14) Der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft kann für Teilqualifikationen gemäß Abs. 2 in Richtlinien standardisierte Ausbildungsprogramme festlegen, um die Transparenz der erworbenen Abschlüsse zu erhöhen und die Eingliederung der Absolventen und Absolventinnen in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Das Ausbildungsprogramm kann eine Dauer der Ausbildung von einem bis zu drei Jahren vorsehen. Die Richtlinien haben nach Lehrjahren gegliedert die wesentlichen Fertigkeiten und Kenntnisse, die während der Ausbildung zu vermitteln sind, anzuführen. Vor Erlassung von Richtlinien hat der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft den Entwurf dem Bundes-Berufsausbildungsbeirat zu übermitteln und ihm eine mindestens zweimonatige Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Unternehmen, die Personen in einer standardisierten Teilqualifikation ausbilden wollen, müssen über einen Bescheid gemäß § 3a, allenfalls in Verbindung mit § 2a (Ausbildungsverbund), verfügen.

(15) Im Übrigen gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß.

Datenquelle: RIS — https://www.ris.bka.gv.at - Gesamte Rechtsvorschrift (RIS)

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