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Richtlinie des BMF vom 11.03.2025, 2025-0.159.492
1. Teil: Multinationale Konzernstrukturen
1.2. Methodik der Verrechnungspreisermittlung
1.2.1. Die OECD-Verrechnungspreismethoden

1.2.1.4. Geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode

38Bei Anwendung der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode ("transactional net margin method", TNMM) werden die Nettomargen untersucht, die ein Unternehmen aus konzerninternen Geschäften erzielt und in Vergleich zu den Nettomargen bei Fremdgeschäften gesetzt. Die Nettomarge ergibt sich aus der Relation des Nettogewinns (Rz 39) zu einer angemessenen Vergleichsgröße (zB Umsatz, Kosten, Vermögen), wobei je nach Art des Geschäftsvorfalls unterschiedliche Renditekennziffern ("profit level indicator", PLI) verwendet werden. Die TNMM wird häufig - aufgrund fehlenden Datenmaterials - als Ersatzmethode für die Kostenaufschlags- oder die Wiederverkaufspreismethode angewendet, da sie ähnlich wie diese Methoden funktioniert (Z 2.64 OECD-VPL). Ist die Nettomarge bei den konzerninternen Geschäften nicht fremdüblich, bedarf es einer entsprechenden Korrektur der betroffenen Verrechnungspreise. Die Methode darf nur geschäftsvorfallbezogen angewendet werden, wobei aber Produktgruppenbildungen zulässig sind (Rz 52).

39Bei der Ermittlung der Nettomarge wird als Ergebnisgröße (Nettogewinn) regelmäßig das EBIT ("earnings before interest and taxes") des jeweiligen Geschäftsbereichs verwendet, dh. vom Umsatz werden sämtliche Kosten abgezogen, allerdings unter Ausschluss von Zinsen und Steuern. Zinsen sind aber dann mitzuberücksichtigen, wenn sie Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen, zB wenn ein großes Handelshaus einen Ertrag aus langen Zahlungszielen bei seinen Lieferanten und kurzen Zahlungszielen seiner Kunden lukriert.

40Ein Nettogewinnvergleich unter Abstellen auf das EBITDA ("earnings before interest, tax, depreciation and amortisation") ist nur bei Unternehmen zulässig, bei denen der Umfang der im wirtschaftlichen Eigentum stehenden Anlagenausstattung keine wesentliche Auswirkung auf die unternehmerische Ertragskraft entfaltet; andernfalls darf der Abschreibungsaufwand aus der verglichenen Kostenmasse nicht ausgeschieden werden. Auch der Aufwand für Pensionsleistungen und Mitarbeiterbeteiligungsmodelle (Stock Options) ist im verglichenen Kostenvolumen zu belassen, wenn die Höhe des Lohnaufwands einen wesentlichen Einfluss auf die Ertragskraft des Unternehmens nimmt. Drittvergleichsdaten, die keine entsprechenden Kostenelemente aufweisen, sind diesfalls für den Reingewinnvergleich nicht ausreichend verlässlich. Auch Unterschiede bei Währungsgewinnen und -verlusten können die Verlässlichkeit von Drittvergleichsdaten gefährden.

41Der Nettogewinn kann zB zum Umsatz oder zu den Kosten in ein prozentuales Verhältnis gesetzt werden (Z 2.96 ff OECD-VPL). Wird der Verrechnungspreis für Anschaffungen von einem verbundenen Unternehmen zum Wiederverkauf an unabhängige Kunden gesucht, wird eine Nettomarge vom Umsatz maßgebend sein (Umsatzrendite). Wird demgegenüber der Verrechnungspreis zu einem verbundenen Kunden gesucht, wird mit einer kostenorientierten Nettomarge zu arbeiten sein (Kostenaufschlag). In Fällen, in denen das Vermögen einen besseren Indikator für die durch das Unternehmen erzielte Wertschöpfung darstellt, zB bei gewissen vermögensintensiven Tätigkeiten, können Vermögensrenditen eine geeignete Bezugsgröße sein. Kann ausreichend dokumentiert werden, dass nach den besonderen Gegebenheiten in dem betreffenden Wirtschaftssektor eine Nettomarge im Verhältnis zu anderen Bezugsgrößen (zB zu der Mitarbeiterzahl) eine verlässlichere Aussagekraft zukommt, kann auch ein Fremdvergleich auf dieser Grundlage angestellt werden.

42Wird der Verrechnungspreis auf Basis einer kostenorientierten Nettomarge ermittelt, dürfen nur jene Kosten in die Kostenbasis zur Ermittlung des Gewinnaufschlags einbezogen werden, die in Zusammenhang mit dem konkreten Geschäftsvorfall stehen. In der Regel wird nur betrieblicher Aufwand zu berücksichtigen sein, während Steuern, Zinsaufwand und außerordentlicher Aufwand aus der Kostenbasis auszuscheiden sein werden. Auf durchlaufende Posten muss kein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden (Verrechnung "at cost"), wenn fremde Dritte in vergleichbaren Situationen genauso kalkulieren und auf einen Gewinnaufschlag auf solche Kostenbestandteile verzichten würden (Z 2.99 OECD-VPL). Im Rahmen eines konkreten Fremdvergleichs (zB bei der Durchführung einer Datenbankstudie) müssen diesfalls auch die Vergleichswerte entsprechend um die durchlaufenden Posten korrigiert werden (Z 2.100 OECD-VPL). In der Regel wird die Kostenbasis für den Gewinnaufschlag nur jene Kosten umfassen, die in den originären Wertschöpfungsprozess des Leistungserbringers eingehen und bei denen es sich nicht bloß um Kosten für an den Leistungsempfänger vermittelte Leistungen handelt. Maßgeblich für die Qualifikation ist der wirtschaftliche Gehalt der Leistungsbeziehung, wobei die vertraglichen Vereinbarungen Anhaltspunkte zur sachgerechten Abgrenzung bieten können (Haftung, Gewährleistung, gewerbliche Schutzrechte, Zahlungsrisiken etc.). Lediglich an den Leistungsempfänger weitergereichte Kosten sind hingegen nicht einzubeziehen und ohne Gewinnaufschlag zu verrechnen. Ein allfälliger mit dieser Leistungsvermittlung verbundener administrativer Aufwand ist in Form einer Handlingfee weiterzuverrechnen.

Beispiel 1:

Die inländische Tochtergesellschaft eines ausländischen Konzerns ist als Auftragsfertiger tätig. Das für die Produktion erforderliche Material wird von einer zentralen Einkaufsgesellschaft erworben und unter Anleitung des ausländischen Prinzipals verarbeitet. Die Analyse der vom Auftragsfertiger ausgeübten Funktionen und übernommenen Risiken ergibt, dass eine kostenorientierte TNMM die passende Methode darstellt (sinngemäß Z 7.40 OECD-VPL). Im Zuge der Funktions- und Risikoanalyse muss ua. auch ermittelt werden, ob die Materialbeschaffung Teil der wertschöpfenden Tätigkeit des Auftragsfertigers ist oder ob diesbezüglich bloß eine Vermittlerfunktion ausgeübt wird. Abhängig davon wären die Materialkosten in die Kostenbasis einzubeziehen oder nicht. Denn bei einer bloßen Vermittlerfunktion könnte es durchaus fremdüblich sein, den Aufschlag auf die Kosten der Vermittlungsleistung und nicht auf jene der vermittelten Leistung vorzunehmen (Z 7.34 OECD-VPL).

Beispiel 2:

Die inländische Tochtergesellschaft eines amerikanischen Pharmakonzerns ist als Auftragsforscherin für die ausländische Konzernmuttergesellschaft tätig. In Österreich wird ein konzerninternes Kompetenzzentrum betrieben, in dem präklinische Forschung und Entwicklung für ein bestimmtes Indikationsgebiet durchgeführt wird. Für klinische Studien in diesem Bereich sowie für alle klinischen Studien im Zusammenhang mit den bei anderen ausländischen Konzerngesellschaften erforschten Indikationsgebieten ist die österreichische Gesellschaft für alle Staaten der Europäischen Union als Sponsor bei der EMA (European Medicines Agency) registriert. Die Auftragsforschung wird auf Basis der TNMM mit einem fremdüblichen Aufschlag auf die eigenen Forschungs- und Entwicklungskosten vergütet. Der Aufwand für von Prüfärzten und Studienzentren im Rahmen von klinischen Studien erbrachte Leistungen wird ohne Gewinnaufschlag weiterfakturiert, weil es sich nach Auffassung des Konzerns um durchlaufende Posten handelt.

Eine Funktions- und Risikoanalyse ergibt allerdings, dass in dem in Österreich bearbeiteten Indikationsgebiet die österreichische Gesellschaft die Gesamtverantwortung als Sponsor trägt und alle mit der Sponsoreneigenschaft verbundenen Risiken kontrolliert sowie auch die wissenschaftliche Gesamtverantwortung für die Studien und die Auswertung der Ergebnisse aus den klinischen Studien trägt, weil das präklinische Know-how am inländischen Standort angesiedelt ist.

Auf Grund des Funktions- und Risikoprofils der inländischen Tochtergesellschaft sind daher nicht nur die eigenen Forschungs- und Entwicklungskosten, sondern auch der Aufwand für klinische Studien im in Österreich bearbeiteten Indikationsgebiet mit einem Gewinnaufschlag zu versehen. Da die klinischen Studien integrierender Bestandteil der an die amerikanische Muttergesellschaft zu erbringenden Gesamtleistung sind und die inländische Tochtergesellschaft überdies auch als Sponsor für die Gesamtleistung haftet, würde auch zwischen fremden Dritten der Aufwand für klinische Studien mit einem Gewinnaufschlag verrechnet werden.

43Werden bei einem Vertriebsunternehmen sowohl die Einkäufe bei einem verbundenen Unternehmen als auch die Verkäufe an ein verbundenes Unternehmen getätigt, kann die Berry Ratio als Vergleichsindikator dienen. Als Berry Ratio wird das Verhältnis des Bruttogewinns zu den operativen Kosten (Verwaltungs- und Vertriebskosten sowie sonstige Kosten, jedoch ohne Wareneinsatz und Herstellungskosten) bezeichnet. Dies allerdings unter der Voraussetzung, dass in den verglichenen Kosten nicht ebenfalls erhebliche Aufwendungen an verbundene Unternehmen enthalten sind.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
VPDG, Verrechnungspreisdokumentationsgesetz, BGBl. I Nr. 77/2016
VPDG-DV, Verrechnungspreisdokumentationsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 419/2016
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 5 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 7 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 9 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Verweise:
VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 39
VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 52
Schlagworte:
Doppelbesteuerung - Verrechnungspreise - Fremdvergleichsgrundsatz - Arm's Length Principle - Transfer Pricing - Einkünfteabgrenzung - Preisvergleichsmethode - Wiederverkaufspreismethode - Kostenaufschlagsmethode - Nettomargenmethode - Gewinnaufteilungsmethode - Konzernumlagen - konzernintern - Kostenverteilungsverträge - Cash Pooling - Konzernstrukturänderungen - multinationale Konzernstrukturen - multinationale Betriebstättenstrukturen - Vertreterbetriebstätte - Funktionsanalyse - Risikoanalyse - AOA light - Authorized OECD Approach - Dokumentation - Verrechnungspreisdokumentation - Advance Pricing Agreement - APA - MAP - Verständigungsverfahren - Primärberichtigung - Sekundärberichtigung - Verrechnungspreisberichtigung - immaterielle Werte - Finanztransaktionen - Datenbankstudie - Betriebsstättengewinnzurechnung - Wirtschaftsgüterzuordnung - wesentliche Mitarbeiterfunktionen - Dotationskapital - Vergleichbarkeitsanalyse - Vergleichbarkeitsfaktoren - Methodenwahl
Stammfassung:
2021-0.586.616

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
PAAAA-76464

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