Richtlinie des BMF vom 05.11.2021, 2021-0.768.485
2. Persönliche Steuerbefreiungen ( §§ 5 bis 6b KStG 1988)

2.14 Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften ( § 5 Z 14 in Verbindung mit § 6b KStG 1988)

2.14.1 Allgemeines

291Mit dem Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetz 2017 (MiFiG-Gesetz 2017), BGBl. I Nr. 106/2017, wurde ein neues Regime für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften geschaffen, das sich im Grundsatz am ausgelaufenen Regime für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften orientiert. Dieses wurde ursprünglich mit dem StRefG 1993, BGBl. Nr. 818/1993, in § 6b KStG 1988 eingeführt und in weiterer Folge durch § 6b KStG 1988 idF MiFiGG 2007, BGBl. I Nr. 100/2007, abgelöst. Die Ausgestaltung der neuen Regelungen für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften orientiert sich an den aktuellen beihilfenrechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission zu Risikokapitalbeihilfen (die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung 2014 - AGVO 2014, ergänzt um die Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikofinanzierungen, ABl. Nr. C 19 vom 22.01.2014 S. 4, Leitlinien 2014). Das Regime für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften unterliegt als Risikokapitalbeihilfe der EU-beihilferechtlichen Mitteilungspflicht an die Europäische Kommission (Notifizierungspflicht). Mit dem StRefG 2020 erfolgten punktuelle Anpassungen in § 6b KStG 1988, die die EU-beihilferechtliche Nichtuntersagung der mitteilungspflichtigen Regelungen durch die Europäische Kommission bewirkten.

Die Regelungen traten am 1. Oktober 2019 in Kraft und sind auf zum 31. Dezember 2023 bestehende Beteiligungen von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften an begünstigten Zielunternehmen gemäß § 6b Abs. 2 KStG 1988 bis zum 31. Dezember 2029 anzuwenden ( § 26c Z 65 KStG 1988 idF StRefG 2020).

292Während § 5 Z 14 KStG 1988 die Steuerbefreiung für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften normiert, regelt § 6b Abs. 1 KStG 1988 insbesondere die materiellen und formellen Voraussetzungen für Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften. Von der Erfüllung der Voraussetzungen in § 6b KStG 1988 hängt nicht nur die steuerliche Begünstigung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften selbst ab, sondern auch jene auf Investorenebene (vgl. § 27 Abs. 7 EStG 1988).

Aufgrund ihrer Tätigkeit würden diese Gesellschaften für steuerliche Zwecke grundsätzlich der Fondsbesteuerung unterliegen ( §§ 186 und 188 InvFG 2011). Allerdings sind Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften im Sinne des § 6b KStG 1988 (auch in der Fassung des MiFiGG 2017) vom Anwendungsbereich der §§ 186 und 188 InvFG 2011 ausgenommen, weil nach § 200 Abs. 8 letzter Unterabsatz InvFG 2011 die Regelungen des KStG 1988 bei Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften jenen der §§ 186 und 188 InvFG 2011 vorgehen. Dadurch gelten Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften gemäß § 186 Abs. 7 iVm § 200 Abs. 8 InvFG 2011 als Körperschaften im Sinne des § 1 KStG 1988.

2.14.2 Umfang der Befreiung

293Die steuerliche Begünstigung auf Ebene der Körperschaft besteht in einer Steuerbefreiung für die dem Finanzierungsbereich (siehe Rz 304 ff) zuzuordnenden Erträge von der unbeschränkten Steuerpflicht ( § 5 Z 14 KStG 1988). Daher sind insbesondere Gewinne und Verluste aus der Veräußerung der Beteiligungen an Zielunternehmen von der Körperschaftsteuer befreit ( § 6b Abs. 1 KStG 1988). Zusätzlich sind nach § 6b Abs. 1 letzter Satz KStG 1988 Erträge aus der Annexfinanzierung von der Befreiung umfasst (siehe dazu Rz 313). Die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft ist im Rahmen des steuerbefreiten Finanzierungsbereiches auch von der beschränkten Steuerpflicht befreit ( § 21 Abs. 2 Z 4 KStG 1988). Dem Veranlagungsbereich zuzuordnende Erträge sind hingegen nicht von der Befreiung umfasst.

Die Befreiung von der unbeschränkten Steuerpflicht entfällt rückwirkend, wenn der angestrebte begünstigte Zweck innerhalb von sieben Jahren nach der Eintragung der neu gegründeten Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft aufgegeben wird ( § 5 Z 14 zweiter Satz KStG 1988). Siehe dazu und zu den Folgen bei Wegfall der Voraussetzungen des § 6b KStG 1988 ausführlich Rz 329 ff.

Zum zeitlichen Anwendungsbereich siehe Rz 291.

Zu den Begünstigungen auf Investoren- bzw. Gesellschafterebene siehe EStR 2000 Rz 6220.

2.14.3 Gründung und Rechtsform ( § 6b Abs. 1 Z 1, 2 und 5 KStG 1988)

294Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften können sowohl in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft als auch in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet werden ( § 6b Abs. 1 Z 1 KStG 1988). Allerdings können auch mit diesen Gesellschaften vergleichbare ausländische Gesellschaften Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften sein; dies ist insb. dann relevant, wenn diese Gesellschaft ihren Ort der Geschäftsleitung im Inland hat (und damit unbeschränkt steuerpflichtig ist).

Das (sukzessive) Erreichen eines Mindestkapitals ist keine Voraussetzung.

295In § 6b Abs. 1 Z 5 KStG 1988 ist eine "Konzernausschlussklausel" vorgesehen. Diese soll sicherstellen, dass durch einzelne Investoren kein beherrschender Einfluss auf die Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft und ihre Investitionsstrategie ausgeübt werden kann. Dies entspricht zudem dem Sinn und Zweck des Risikokapitalbeihilfeinstruments, ein möglichst breites Anlegerpublikum anzusprechen. Aus diesem Grund müssen mindestens fünf Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital und an den Stimmrechten der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft beteiligt sein, wobei die Beteiligung eines einzelnen Gesellschafters nicht mehr als 49% betragen darf.

296In der Satzung von Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften kann die Ausgabe von Genussrechten im Sinne des § 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988 vorgesehen werden; das sind solche, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationsgewinn der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft verbunden ist (Substanzgenussrechte).

Voraussetzung ist jedoch, dass der Gesamtnennbetrag dieser Genussrechte mit der Höhe des aufgebrachten Grund- oder Stammkapitals beschränkt ist. Das einbezahlte Genussrechtskapital darf daher maximal die Höhe des einbezahlten Grund- oder Stammkapitals erreichen.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
05.11.2021
Betroffene Normen:
§ 6b KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
AGVO, Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, ABl. Nr. L 187 vom 26.06.2014 S. 1
§ 6b Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 26c Z 65 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 5 Z 14 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b Abs. 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 27 Abs. 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 186 InvFG 2011, Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011
§ 188 InvFG 2011, Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011
§ 200 Abs. 8 InvFG 2011, Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011
§ 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 186 Abs. 7 InvFG 2011, Investmentfondsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 77/2011
§ 6b Abs. 1 letzter Satz KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 21 Abs. 2 Z 4 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 5 Z 14 zweiter Satz KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b Abs. 1 Z 1, 2 und 5 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b Abs. 1 Z 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 6b Abs. 1 Z 5 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 8 Abs. 3 Z 1 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
Schlagworte:
Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften - Beteiligungsfinanzierung
Stammfassung:
BMF-010216/0009-VI/6/2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
QAAAA-76455