32 Einkünfte im Zusammenhang mit der Einräumung von Leitungsrechten und Maßnahmen zur Abwehr von Hochwasserschäden (§ 107 EStG 1988)
32.1 Allgemeines
8207a§ 107 EStG 1988 sieht vor, dass Einkünfte gemäß § 21, § 22, § 23, § 27, § 28 oder § 29 Z 3 EStG 1988 in Zusammenhang mit
dem einem Infrastrukturbetreiber (Rz 8207e) eingeräumten Recht, Grund und Boden zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen im öffentlichen Interesse (Rz 8207b) zu nutzen, sowie
dem bestimmten Rechtsträgern (Rz 8207f) eingeräumten Recht, Grund und Boden nach Maßgabe der Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes - WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959, zur Abwehr von Hochwasserschäden durch Retentionsflächen, Retentionsanlagen und Schutz- und Regulierungswasserbauten (Hochwasserschutzanlagen, Rz 8207d) im öffentlichen Interesse (Rz 8207c) zu nutzen,
einer Abzugsteuer unterliegen. Sie sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des von der Rechtseinräumung unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümers oder -bewirtschafters weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Rz 8207s) beantragt wird.
§ 107 EStG 1988 ist auch anwendbar, wenn die Gegenleistung für die Rechtseinräumung in einem geldwerten Vorteil (Sachbezug) besteht. Es macht für die Geltung des § 107 EStG 1988 keinen Unterschied, ob die Gegenleistung in Geld oder in einem geldwerten Vorteil (zB Gratisstrom) besteht. Ein zugewendeter geldwerter Vorteil ist mit dem um übliche Preisnachlässe verminderten üblichen Endpreis des Abgabeortes zu bewerten ( § 15 Abs. 1 EStG 1988).
Die Abzugsteuer für Einkünfte aus Anlass der Einräumung von Leitungsrechten kommt für Auszahlungen zur Anwendung, die nach dem erfolgen. Die Abzugsteuer für Einkünfte in Zusammenhang mit Hochwasserschutzmaßnahmen kommt für Auszahlungen zur Anwendung, die nach dem erfolgen. Zum Inkrafttreten des § 107 EStG 1988 siehe Rz 8207u. Zu den Auswirkungen des § 107 EStG 1988 auf die Steuerveranlagung bei Einkünften iZm mit der Einräumung von Leitungsrechten siehe Rz 5173.
8207bFür Einkünfte iZm der Einräumung von Leitungsrechten liegt die Nutzung von Grund und Boden bei allen Maßnahmen im öffentlichen Interesse, die von Infrastrukturbetreibern zur Errichtung und zum Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen insbesondere nach Maßgabe der Bestimmungen des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes 2010 - ElWOG 2010, BGBl. I Nr. 110/2010, des Gaswirtschaftsgesetzes 2011 - GWG 2011, BGBl. I Nr. 107/2011, und des Mineralrohstoffgesetzes - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, durchgeführt werden ( § 107 Abs. 3 Z 1 EStG 1988). Damit wird klargestellt, dass die Errichtung und der Betrieb von ober- oder unterirdischen Leitungen, die auf Grundlage der für den betroffenen Infrastrukturbetreiber jeweils maßgeblichen Rechtsgrundlagen durchgeführt werden, den Tatbestand des "öffentlichen Interesses" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988 jedenfalls erfüllen.
8207cFür Einkünfte im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Abwehr von Hochwasserschäden liegt die Nutzung von Grund und Boden gemäß § 107 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 bei allen Maßnahmen im öffentlichen Interesse, bei denen eine Dienstbarkeit von der Wasserrechtsbehörde in Zusammenhang mit Hochwasserschutzanlagen zwangsweise eingeräumt wurde oder eingeräumt hätte werden können, weil dies überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lässt ( § 63 lit. b WRG 1959). § 63 WRG 1959 (Enteignung von Liegenschaften und Bauwerken) lässt ua. die zwangsweise Einräumung von Dienstbarkeiten für Wasserbauvorhaben durch die Wasserrechtsbehörde zu, wenn die Maßnahme überwiegende Vorteile im allgemeinen Interesse erwarten lässt. Dementsprechend muss die Maßnahme auf eine Schutzwirkung für eine größere Anzahl von Flächen ausgerichtet sein. Eine bloß auf ein Einzelobjekt abzielende Maßnahme ist daher nicht im "allgemeinen Interesse" iSd § 63 WRG 1959 gelegen.
8207dAls Hochwasserschutzanlagen kommen Schutz- und Regulierungswasserbauten iSd § 41 WRG 1959, sowie Retentionsflächen und Retentionsanlagen in Betracht, die in Anwendung der Regelungen des WRG 1959 eingerichtet werden. Maßnahmen zur Zustandsverbesserung von Gewässern ( § 30a WRG 1959), die gleichzeitig auch dem Hochwasserschutz dienen, sind ebenfalls vom Anwendungsbereich erfasst.
32.2 Abzugspflichtige Unternehmen
32.2.1 Abzugspflichtige Unternehmen bei Einkünften im Zusammenhang mit der Einräumung von Leitungsrechten
8207eBei Einkünften im Zusammenhang mit der Einräumung von Leitungsrechten betrifft die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer sowie zur Übermittlung einer Anmeldung "Infrastrukturbetreiber", die in § 107 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 taxativ aufgezählt werden. Es handelt sich dabei um Unternehmen im Bereich der Versorgung mit Elektrizität, Gas, Erdöl und Fernwärme. Erfasst sind:
Elektrizitätsunternehmen iSd ElWOG 2010. Ein "Elektrizitätsunternehmen" ist danach eine natürliche oder juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft, die in Gewinnabsicht von den Funktionen der Erzeugung, der Übertragung, der Verteilung, der Lieferung oder des Kaufs von elektrischer Energie mindestens eine wahrnimmt und die kommerzielle, technische oder wartungsbezogene Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen wahrnimmt, mit Ausnahme der Endverbraucher. Reine Projektentwicklungsgesellschaften, das sind Gesellschaften, die ein Energieerzeugungsprojekt entwickeln und die damit verbundenen Rechte sodann an ein anderes Unternehmen übertragen, werden nicht iSd § 7 Abs. 1 Z 11 ElWOG 2010 tätig und sind daher keine Elektrizitätsunternehmen.
Erdgasunternehmen iSd § 7 Abs. 1 Z 16 des GWG 2011. Ein "Erdgasunternehmen" ist danach eine natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die in Gewinnabsicht von den Funktionen Fernleitung, Verteilung, Lieferung, Verkauf, Kauf oder Speicherung von Erdgas, einschließlich verflüssigtes Erdgas mindestens eine wahrnimmt und für die kommerziellen, technischen oder wartungsbezogenen Aufgaben im Zusammenhang mit diesen Funktionen verantwortlich ist, mit Ausnahme der Endverbraucher; Unternehmen gemäß § 7 Abs. 1 Z 58 ("Speicherunternehmen"), § 13 ("Marktgebietsmanager") und § 17 ("Verteilergebietsmanager") des GWG 2011 sind Erdgasunternehmen.
Erdölunternehmen, nämlich dem MinroG unterliegende Unternehmen, die Leitungsanlagen zum Zwecke des Transportes gasförmiger oder flüssiger Kohlenwasserstoffe betreiben.
Fernwärmeversorgungsunternehmen, das sind Unternehmen, die zum Zwecke der entgeltlichen Versorgung Dritter Anlagen zur Erzeugung, Leitung und Verteilung von Fernwärme (Fernwärmeanlagen) betreiben.
Gebietskörperschaften (zB Gemeinden) sind keine Infrastrukturbetreiber iSd § 107 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, sodass für sie keine Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr einer Abzugsteuer besteht.
Zahlungen, die nicht von einem der genannten Unternehmen geleistet werden, unterliegen nicht der Verpflichtung zum Steuerabzug und sind in der Veranlagung zu erfassen. Siehe dazu Rz 5173. Dies trifft insbesondere auf Zahlungen zu, die von Telekomunternehmen stammen oder die aus Anlass der Verlegung von Wasserleitungen durch Gemeinden erfolgen.
32.2.2 Abzugspflichtige Unternehmen bei Einkünften im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Abwehr von Hochwasserschäden
8207fBei Einkünften im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Abwehr von Hochwasserschäden betrifft die Verpflichtung zur Einbehaltung und Abfuhr der Abzugsteuer sowie zur Übermittlung einer Anmeldung Rechtsträger, die in § 107 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 taxativ aufgezählt werden. Erfasst sind:
Gebietskörperschaften
Wassergenossenschaften ( §§ 73 ff WRG 1959) und Wasserverbände ( §§ 87 ff WRG 1959). Zum Schutz von Grundeigentum und Bauwerken gegen Wasserschäden, der Regulierung des Laufes oder der Regelung des Abflusses (Wasserstandes) eines Gewässers, der Vorkehrungen gegen Wildbäche und Lawinen, der Instandhaltung von Ufern und Gerinnen einschließlich der Räumung, können Wassergenossenschaften oder Wasserverbände gebildet werden. Im Unterschied zu Wassergenossenschaften können Wasserverbände dann gebildet werden, wenn sich die vorgesehenen Maßnahmen über den Bereich mehrerer Gemeinden erstrecken. Mitglieder eines Wasserverbandes können Gebietskörperschaften, Wassergenossenschaften, zur Erhaltung öffentlicher Verkehrswege (Eisenbahn, Straße, Wasserwege) Verpflichtete sowie alle sein, die Gewässer nicht bloß geringfügig beeinträchtigen oder in Anspruch nehmen. Sowohl Wassergenossenschaften als auch Wasserverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts.
Juristische Personen des Privatrechts, an denen eine Körperschaft gemäß lit. a und/oder b mehrheitlich beteiligt ist und deren Zweck die Errichtung oder der Betrieb einer Hochwasserschutzanlage ist.
Elektrizitätsunternehmen (siehe Rz 8207e).
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 107 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 21 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 22 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 23 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 27 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 28 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 29 Z 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 7 Abs. 1 Z 11 ElWOG 2010, Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 110/2010 § 7 Abs. 1 Z 16 GWG 2011, Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 § 7 Abs. 1 Z 58 GWG 2011, Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 § 13 GWG 2011, Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 § 17 GWG 2011, Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 MinroG, Mineralrohstoffgesetz, BGBl. I Nr. 38/1999 § 107 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 107 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 107 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 107 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 15 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | § 107 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Abs. 1 Z 33 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 7 Abs. 1 Z 11 ElWOG 2010, Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 110/2010 § 7 Abs. 1 Z 16 GWG 2011, Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5173 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 8207e EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 8207f EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 8207s EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 8207u § 63 WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 § 63 lit. b WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 § 41 WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 § 30a WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 §§ 73 ff WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 §§ 87 ff WRG 1959, Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 |
Schlagworte: | Einkommensteuer |
Stammfassung: | 06 0104/9-IV/6/00 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
LAAAA-76448