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Richtlinie des BMF vom 31.03.2023, 2023-0.039.376
27 Progressionsermäßigung und Sondergewinne (§§ 37, 38 EStG 1988)

27.4 Einkünfte aus der Verwertung von Patentrechten (§ 38 Abs. 1 bis 3 EStG 1988)

27.4.1 Patentrecht

7343Unter die Begünstigung des § 38 EStG 1988 fallen nur Einkünfte aus der Verwertung von Erfindungen, die nach patentrechtlichen Bestimmungen geschützt sind (Patenterteilung iSd Patentrechts). Unterliegt eine Erfindung nicht der Möglichkeit des Patentschutzes, so können die aus der Verwertung dieser Erfindung erzielten Einkünfte von vornherein nicht begünstigt sein (). Eine Erfindung, die nach anderen Gesetzen, zB iSd Gebrauchsmustergesetzes 1994, geschützt ist, stellt keine patentrechtlich geschützte Erfindung dar ().

27.4.2 Erfinder

7344Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ist nur für den Erfinder selbst vorgesehen, wobei es unerheblich ist, ob der Erfinder auch Patentinhaber ist. Der Antragsteller auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes hat dem Finanzamt nachzuweisen, dass er der Erfinder (Urheber) der betreffenden Erfindung ist. Gemäß § 20 Patentgesetz 1970 hat der Urheber einer Erfindung Anspruch, als Erfinder genannt zu werden. Art. 81 des Europäischen Patentübereinkommens bestimmt, dass der Erfinder in der europäischen Patentanmeldung zu nennen ist.

27.4.3.Einkunftsart

7345Innerhalb welcher Einkunftsart die begünstigten Einkünfte anfallen, ist für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich unerheblich.

Auch auf Arbeitgebervergütungen (Prämien) für Diensterfindungen kann gemäß §§ 37 und 38 EStG 1988 bei der Veranlagung der Hälftesteuersatz Anwendung finden (unabhängig davon, ob bei Zahlung das Dienstverhältnis noch besteht).

Entsprechend der Rechtsprechung des VwGH (, Ro 2019/15/0014) zu § 37 Abs. 7 EStG 1988 steht die Progressionsermäßigung für Einkünfte nicht zu, soweit sie mit dem festen Steuersatz des § 67 EStG 1988 versteuert werden. Das bedeutet für Diensterfindungsvergütungen, die die Voraussetzungen des § 38 EStG 1988 erfüllen:

  • Bei Diensterfindungsvergütungen, die einen sonstigen Bezug darstellen, ist auf einen Sechstelüberhang der Hälftesteuersatz anwendbar; der Zuflusszeitpunkt der Diensterfindungsvergütung und anderer innerhalb des Jahressechstels zu erfassender sonstiger Bezüge ist dabei unmaßgeblich ().

  • Auf laufend ausbezahlte Diensterfindungsvergütungen ist der ermäßigte Steuersatz im Rahmen einer Veranlagung gemäß § 41 EStG 1988 anzuwenden (vgl. auch LStR 2002 Rz 1099).

27.4.4 Beschränkte Steuerpflicht

7346Die Tarifbegünstigung des § 38 Abs. 1 EStG 1988 steht gemäß § 102 Abs. 2 Z 3 EStG 1988 beschränkt Steuerpflichtigen nicht zu.

27.4.5 Verwertung durch andere Personen

7347Die Inanspruchnahme der Begünstigung des § 38 Abs. 1 EStG 1988 setzt voraus, dass die Verwertung der patentrechtlich geschützten Erfindung durch andere Personen erfolgt. Unter Verwertung ist sowohl die Überlassung von Erfindungen zur Benützung durch dritte Personen als auch die Veräußerung von Erfindungen zu verstehen.

27.4.5.1 Kapitalgesellschaft

7348Erfolgt die Verwertung der Erfindung durch eine Gesellschaft, an der der Erfinder beteiligt ist, liegt eine Verwertung durch eine andere Person stets dann vor, wenn es sich bei der verwertenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handelt. Für Vergütungen, die der Erfinder-Gesellschafter aus der Verwertung seiner Erfindung durch eine Kapitalgesellschaft erhält, kommt die Anwendung der Tarifbegünstigung des § 38 Abs. 1 EStG 1988 insoweit nicht in Frage, als diese Vergütungen als unangemessen hoch und damit als verdeckte Ausschüttung anzusehen sind.

27.4.5.2 Personengesellschaft

7348aSiehe Rz 5875 ff.

27.4.6 Vorläufige Veranlagung

7349Ist für die Erfindung erst eine Patentanmeldung, aber noch keine Patenterteilung erfolgt, kann zwar für die in Frage kommenden Einkünfte der ermäßigte Steuersatz schon angewendet werden (sofern die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind), doch ist die Einkommensteuerveranlagung im Hinblick auf die Ungewissheit, ob für die betreffende Erfindung tatsächlich ein Patent erteilt werden wird, nur vorläufig gemäß § 200 BAO vorzunehmen. Wird nämlich für eine zum Patent angemeldete Erfindung letztlich kein Patent erteilt, dann kann für die Einkünfte aus der Verwertung dieser Erfindung der ermäßigte Steuersatz keinesfalls gewährt werden (). Im Falle einer solchen vorläufigen Veranlagung gemäß § 200 BAO ist der Steuerpflichtige aufzufordern, das Finanzamt unverzüglich vom Ausgang des Patentverfahrens in Kenntnis zu setzen.

27.4.7 Territorialer Patentschutz

27.4.7.1 Österreich oder Verwertungstaat

7350Die Erfindung muss entweder in Österreich oder in dem Gebiet patentrechtlich geschützt sein, in dem sie verwertet wird (§ 38 Abs. 2 EStG 1988).

27.4.7.2 Patentübereinkommen

7351Durch das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen), BGBl. Nr. 350/1979, wurde ein den Vertragsstaaten gemeinsames Recht für die Erteilung von Erfindungspatenten geschaffen. Die nach diesem Übereinkommen erteilten Patente werden als europäische Patente bezeichnet. Diese können für einen, mehrere oder alle Vertragsstaaten erteilt werden. Wird ein europäisches Patent für Österreich erteilt, so ist die betreffende Erfindung in Bezug auf das Erfordernis des patentrechtlichen Schutzes in territorialer Hinsicht so zu behandeln, als ob für diese Erfindung ein österreichisches Patent erteilt worden wäre ().

27.4.8 Zeitlicher Patentschutz

7352In zeitlicher Hinsicht muss der patentrechtliche Schutz der Erfindung für jenen Zeitraum gegeben sein, für den Lizenzzahlungen erfolgen bzw. in dem die betreffende Erfindung veräußert wird, weil sonst eine vom Gesetzgeber für die Inanspruchnahme des ermäßigten Steuersatzes geforderte Voraussetzung, nämlich der patentrechtliche Schutz der verwerteten Erfindung, nicht erfüllt wäre (). So muss etwa im Falle einer Lizenz, die sich nach dem Verkauf der Lizenzprodukte richtet, für die Inanspruchnahme der Tarifbegünstigung der patentrechtliche Schutz schon im Zeitpunkt des Verkaufes des einzelnen Lizenzproduktes gegeben sein. Wurde etwa eine Jahresmindestlizenzgebühr vereinbart und beginnt der patentrechtliche Schutz der Erfindung erst im Laufe dieses Jahres, kommt der ermäßigte Steuersatz erst ab jenem Monat in Frage, in den der Beginn des patentrechtlichen Schutzes der Erfindung fällt.

7352aBegünstigt sind auch Abfindungen künftiger Lizenzzahlungsansprüche, wenn die Voraussetzungen des § 38 EStG 1988 zutreffen. Der patentrechtliche Schutz muss in einem derartigen Fall gemäß § 38 Abs. 2 EStG 1988 für den Zeitraum gegeben sein, in dem die Abfindungszahlung erfolgt, dh. im Sinn des § 38 EStG 1988 "die Erfindung veräußert" wird.

27.4.8.1 Beginn

7353Als Beginn des patentrechtlichen Schutzes kann frühestens der Zeitpunkt angesehen werden, in dem das Prioritätsrecht für die Erfindung entsteht. Hinsichtlich des Beginnes des Prioritätsrechtes bestimmt das österreichische Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970, in § 93 Abs. 1 und 2 folgendes:

"(1) Mit dem Zeitpunkt der ordnungsmäßigen Anmeldung eines Patentes (§§ 87 bis 92) erlangt der Anmelder das Recht der Priorität für seine Erfindung.

(2) Von diesem Zeitpunkt an genießt er gegenüber einer jeden später angemeldeten gleichen Erfindung den Vorrang."

27.4.8.1.1 Unionspriorität

7354Unter besonderen Umständen kann der patentrechtliche Schutz einer Erfindung auch schon vor der Anmeldung des Patentes beim österreichischen Patentamt eintreten, wie im Falle der Unionspriorität (§ 95 Patentgesetz 1970). Der Tag der Patentanmeldung sowie ein allfälliger früherer Beginn des Prioritätsrechtes sind ua. aus der österreichischen Patentschrift zu ersehen. Liegt der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ein ausländisches Patent zu Grunde, hat der Steuerpflichtige den Beginn des Prioritätsrechtes nach den Bestimmungen jenes Staates nachzuweisen, in dem die betreffende Erfindung patentrechtlich geschützt ist, soweit der Beginn des Prioritätsrechtes aus der vorgelegten (ausländischen) Patentschrift nicht bereits eindeutig hervorgeht.

7355Der patentrechtliche Schutz einer Erfindung auf Grund eines europäischen Patentes beginnt idR mit dem Tag der Patentanmeldung. Ein ausnahmsweise früherer Zeitpunkt der Erlangung des Prioritätsrechtes auf Grund der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums ist jedoch nicht ausgeschlossen (siehe Art. 87 des Europäischen Patentübereinkommens). Den Zeitpunkt des Beginnes des Prioritätsrechtes für seine durch ein europäisches Patent geschützte Erfindung hat der Steuerpflichtige durch Vorlage geeigneter Schriftstücke dem Finanzamt nachzuweisen.

27.4.8.2 Ende

7356Hinsichtlich des Endes des patentrechtlichen Schutzes von Erfindungen, für die ein österreichisches Patent erteilt wurde, bestimmt § 46 Patentgesetz 1970 folgendes:

"(1) Das Patent erlischt

1. bei rechtzeitiger Zahlung der Jahresgebühr spätestens mit Erreichung der Höchstdauer;

2. wenn die fällige Jahresgebühr nicht rechtzeitig eingezahlt wurde;

3. wenn der Patentinhaber auf das Patent verzichtet.

(2) Betrifft der Verzicht nur einzelne Teile des Patentes, so bleibt das Patent hinsichtlich der übrigen Teile, sofern dieselben noch den Gegenstand eines selbständigen Patentes bilden können, aufrecht.

(3) Das Erlöschen wirkt im Fall des Abs. 1 Z 1 mit dem auf die Erreichung der Höchstdauer, im Fall des Abs. 1 Z 2 mit dem auf den Ablauf des letzten Gültigkeitsjahres und im Fall des Abs. 1 Z 3 mit dem auf die Bekanntgabe des Verzichtes an das Patentamt folgenden Tag."

7357Gemäß § 28 Patentgesetz 1970 in der Fassung der Patentrechts-Novelle 1996, BGBl. Nr. 181/1996, beträgt die Höchstdauer des Patentes 20 Jahre ab dem Anmeldetag. Für die Dauer und das Erlöschen von Patenten, die auf vor dem eingereichten Patentanmeldungen beruhen, ist Art. VI der Patentrechts-Novelle 1984, BGBl. Nr. 234/1984, weiter anzuwenden, wobei jedoch die Dauer dieser Patente mindestens 20 Jahre ab dem Anmeldetag beträgt ( § 173a Abs. 2 Patentgesetz 1970). Der Beginn der Schutzdauer einer im österreichischen Patentregister eingetragenen Erfindung ist ua. aus der Patentschrift zu ersehen.

27.4.8.3 Ausländisches Patent

7358Bei einem ausländischen Patent richtet sich der patentrechtliche Schutz nach den patentrechtlichen Bestimmungen jenes Staates, in dem die Erfindung patentrechtlich geschützt ist.

27.4.8.4 Europäisches Patent

7359Hinsichtlich des Endes des patentrechtlichen Schutzes einer Erfindung auf Grund eines europäischen Patentes ist zu beachten, dass die Laufzeit der europäischen Patente 20 Jahre, gerechnet vom Anmeldetag an, beträgt (Art. 63 des Europäischen Patentübereinkommens). Werden für eine europäische Patentanmeldung die Jahresgebühr und ggf. die Zuschlagsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet, so gilt die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen (Art. 86 Abs. 3 des Europäischen Patentübereinkommens). Werden für das (in der Folge) erteilte europäische Patent die Jahresgebühren nicht rechtzeitig entrichtet, so bestimmt sich der Zeitpunkt des Erlöschens des patentrechtlichen Schutzes nach den jeweiligen nationalen patentrechtlichen Vorschriften jenes Staates bzw. jener Staaten, für den bzw. für die das europäische Patent erteilt wurde; für Österreich ist diesbezüglich das Patentamtsgebührengesetz - PAG (BGBl. I Nr. 149/2004), im Zusammenhalt mit § 46 Patentgesetz 1970 maßgebend.

27.4.9 Nachweis

7360Der ermäßigte Steuersatz steht nur für Veranlagungszeiträume zu, für die der Patentschutz aufrecht ist. Der aufrechte Patentschutz ist nachzuweisen, wenn der Steuerpflichtige von der Abgabenbehörde zum Nachweis aufgefordert wird.

27.4.9.1 Inländisches Patent

7361Für den Nachweis des aufrechten patentrechtlichen Schutzes einer im österreichischen Patentregister eingetragenen Erfindung ist in aller Regel der Nachweis der rechtzeitigen Zahlung der jeweiligen Jahresgebühr ausreichend, sofern nicht schon die Höchstdauer des gesetzlichen Schutzes abgelaufen ist.

27.4.9.2 Ausländisches Patent

7362Bei einem ausländischen Patent obliegt dem Steuerpflichtigen der Nachweis, dass nach den patentrechtlichen Bestimmungen jenes Staates, in dem die Erfindung patentrechtlich geschützt ist, der patentrechtliche Schutz der Erfindung im maßgeblichen Zeitraum noch aufrecht war.

27.4.9.3 Europäisches Patent

7363Auch der Nachweis, dass die Erfindung im maßgeblichen Zeitraum durch ein europäisches Patent patentrechtlich geschützt war, obliegt dem Steuerpflichtigen.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
Verweise:
§ 200 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
§ 46 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
§ 93 Abs. 1 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
§ 93 Abs. 2 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
§ 95 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
§ 28 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970
Art. 81 EPÜ, Europäisches Patentübereinkommen, BGBl. Nr. 350/1979
Art. 87 EPÜ, Europäisches Patentübereinkommen, BGBl. Nr. 350/1979
Art. 86 Abs. 3 EPÜ, Europäisches Patentübereinkommen, BGBl. Nr. 350/1979
Art. 63 EPÜ, Europäisches Patentübereinkommen, BGBl. Nr. 350/1979
GMG, Gebrauchsmustergesetz, BGBl. Nr. 211/1994




EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5875 ff
PAG, Patentamtsgebührengesetz, BGBl. I Nr. 149/2004
§ 173a Abs. 2 Patentgesetz 1970, BGBl. Nr. 259/1970

LStR 2002, Lohnsteuerrichtlinien 2002 Rz 1099
Schlagworte:
Einkommensteuer
Stammfassung:
06 0104/9-IV/6/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAA-76448