Richtlinie des BMF vom 13.03.2024, 2023-0.871.819
20 Einkünfte aus Kapitalvermögen ( § 27 EStG 1988)
20.2 Steuerpflichtige Kapitaleinkünfte
20.2.4 Beurteilung verschiedener Produktgruppen

20.2.4.13 Zertifikate - Grundsätzliche Behandlung

20.2.4.13.1 Allgemeines

6203Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 23 (2022) Art IBearbeiter in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG § 27Jakom/Marschner EStG, 2024, § 27Jakom/Marschner EStG, 2023, § 27Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 21 (2021) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 21 (2021) Art ISchuchter-Mang in Achatz/Kirchmayr, KStG (2011) § 13Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 21 (2020) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 21 (2020) Art IKirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 20 (2018) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 20 (2018) Art IKirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 19 (2017) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 19 (2017) Art IKirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 18 (2016) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 18 (2016) Art IKirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 23 (2022) § 27Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 22 (2022) § 27Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG Aufl. 22 (2022) Art 27Jakom/Marschner EStG, 2011, § 93Jakom/Marschner EStG, 2012, § 93Jakom/Marschner EStG, 2021, § 27Jakom/Marschner EStG, 2010, § 93Jakom/Marschner EStG, 2019, § 27Jakom/Marschner EStG, 2018, § 27Jakom/Marschner EStG, 2020, § 27Jakom/Marschner EStG, 2017, § 27Jakom/Marschner EStG, 2016, § 27Jakom/Marschner EStG, 2015, § 27Jakom/Marschner EStG, 2014, § 27Jakom/Marschner EStG, 2013, § 27Schredl in Bollenberger/Kellner (Hrsg), InvFG Kommentar (2013) § 188.Bearbeiter in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG § 27Marschner, Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen (2012)Franke, Besteuerung von Exchange-Traded Funds (ETFs), SWK 7/2022 S. 369Kirchmayr-Schiesselberger/Finsterer/Hofstätter/Polivanova-Rosenauer/Schuchter-Mang/Brandl/Prillinger in Kirchmayr et al, Handbuch der Besteuerung von Kapitalvermögen in der Praxis 2014, 2. Aufl. (2014)Kirchmayr/Moritz/Polivanova/Schuchter, Besteuerung von Kapitalveranlagungen (2010)Franke/Rümmele, Umtausch von Aktienzertifikaten steuerpflichtig?, SWK 3/2023 S. 90Marschner, Investmentfonds in Fallbeispielen, 3. Aufl. (2017)Kirchmayr/Schuchter in Achatz/Brandl/Kert (Hrsg), Festschrift Roman Leitner (2022)Engel-Kazemi/Teubenbacher, Investmentfonds - Aufsicht und Besteuerung, 2. Aufl. (2019)Engel-Kazemi/Teubenbacher, Investmentfonds - Aufsicht und Besteuerung (2015)Jakom/Marschner EStG, 2022, § 27Wild, Wertpapierwissen für die Praxis (2024)Schlager, Highlights aus dem EStR-Wartungserlass 2024, SWK 10/2024 S. 486Ein Zertifikat ist eine verbriefte Kapitalforderung (Schuldverschreibung), mit der die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Basiswertes abgebildet wird. Basiswerte können Aktien, Indizes, Rohstoffe, Währungen, Anleihen, Edelmetalle (wie zB bei ETCs) usw. sein. Ebenso stellen American Depositary Receipts (ADR) und Global Depository Receipts (GDR) Zertifikate dar, die in Form eines Hinterlegungsscheins das Eigentum einer Aktie verbriefen.

Zertifikate verbriefen dem Käufer ein Recht auf Zahlung eines Geld- oder Abrechnungsbetrages, dessen Höhe vom Wert des zugrunde liegenden Index (Basiswertes) am Fälligkeitstag abhängt. Auch bei einem obligatorischen Anspruch auf die Lieferung des Basiswerts (zB des Edelmetalls) kann ein Zertifikat vorliegen, weil die Partizipation an der Wertentwicklung des Basiswerts im Vordergrund steht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Möglichkeit physischer Ausfolgung nur theoretischer Natur und weder vom Emittenten noch vom Anleger ernsthaft beabsichtigt ist. Indizien, dass die Ausfolgung nicht ernsthaft beabsichtigt ist, können sich aus den Emissionsbedingungen ergeben, etwa wenn eine hohe Mindestausfolgungsmenge sowie im Verhältnis zum Ertrag hohe Auslieferungskosten vorgesehen sind, oder wenn die Einzelheiten der Ausfolgung nicht geregelt sind (zB Art und Umstände der Lieferung, Kosten- und Risikotragung). Während der Laufzeit finden meist keine periodischen Zinszahlungen oder sonstige Ausschüttungen statt.

Der Preis eines Zertifikates verläuft im Allgemeinen parallel mit den Bewegungen des Basiswertes, positiv wie negativ. Ein steigender Basiswert führt demnach zu höheren Preisen des Zertifikates und ein rückläufiger Basiswert zu sinkenden Zertifikatspreisen. Die einzige Ertragschance besteht in der Steigerung des Kurswertes der Zertifikate.

Realisierte Wertsteigerungen bzw. Wertverluste aus Zertifikaten bei deren Veräußerung oder sonstiger Einlösung stellen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 dar.

6203aErwirbt ein Anleger mit der Anschaffung eines Zertifikats - neben der Möglichkeit, das Zertifikat am Sekundärmarkt zu veräußern - zudem das Recht, durch Hingabe seiner Schuldverschreibung an den Emittenten den Basiswert physisch zu erhalten (zB "XETRA-Gold", der Umtausch eines ADR/GDR in die zugrundeliegende Aktie), sind im Hinblick auf die steuerliche Behandlung zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Sofern der Anleger sich tatsächlich den Basiswert (zB Edelmetalle) durch Rückgabe der Schuldverschreibung physisch liefern lässt, wird dadurch kein steuerlich relevanter Tatbestand verwirklicht (vgl. auch BFH 6.2.2018, IX R 33/17). Zwar liegt ein Derivat vor, allerdings ist diese Form der Abwicklung im Rahmen des § 27 Abs. 4 EStG 1988 nicht steuerpflichtig. Vielmehr ist in der Anschaffung der Schuldverschreibung das Verpflichtungsgeschäft und in der Lieferung des Basiswertes lediglich das Verfügungsgeschäft zu sehen (vergleichbar mit der tatsächlichen Ausübung einer Option iSd Rz 6174a; vgl. auch Rz 6181a zur Wandelanleihe). Veräußert der Anleger den Basiswert in der Folge weiter, so liegen Spekulationseinkünfte iSd § 31 EStG 1988 vor, sofern die Jahresfrist noch nicht abgelaufen ist. Hierbei ist zu beachten, dass für den Fristenlauf auf das Verpflichtungsgeschäft abzustellen ist (Erwerb der Inhaberschuldverschreibung). Als Anschaffungskosten sind die ursprünglichen Anschaffungskosten der Schuldverschreibung fortzuführen. Etwaige Ausfolgungskosten (zB für Verpackung, Transport etc.) stellen ebenso (nachträgliche) Anschaffungskosten dar; etwaige (Folge-)Kosten für die Verwahrung stellen Werbungskosten dar.

  • Sofern die Inhaberschuldverschreibung auf dem Sekundärmarkt weiterveräußert wird, liegen Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 (Einkünfte aus der Veräußerung eines Derivates) vor.

20.2.4.13.2 KESt-Abzug

6204Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.

Der Umtausch eines GDR (Global Depository Receipt) bzw. ADR (American Depositary Receipt) fällt nicht in den Anwendungsbereich der Kapitalmaßnahmen-VO, weshalb in diesen Fällen ein kapitalertragsteuerpflichtiger Tauschvorgang verwirklicht wird. Besteht kein Kurswert für das hingegebene Wertpapier, kann hilfsweise eine mittelbare Wertermittlung aus dem gemeinen Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes vorgenommen werden, sofern davon ausgegangen werden kann, dass etwa gleichwertige Leistungen getauscht werden (siehe Rz 2593).

20.2.4.14 Discount-Zertifikate

20.2.4.14.1 Allgemeines

6205Discount-Zertifikate sind Schuldverschreibungen (siehe oben Abschnitt 20.2.4.13), bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, abhängt. Als Basiswert dient oft der Kurswert einer Aktie. Am Ende der Laufzeit wird der aktuelle (Kurs-)Wert des zugrunde gelegten Basiswerts ausbezahlt, maximal jedoch ein für die gesamte Laufzeit festgelegter Höchstbetrag, ein sogenannter "Cap". Als Ausgleich für den Verzicht auf unbegrenzte Gewinne wird dem Anleger beim Ausgabepreis des discount-Zertifikates ein Abschlag, ein "Discount", auf den aktuellen (Kurs-)Wert des Basiswerts gewährt.

Die allgemeine steuerliche Behandlung von discount-Zertifikaten entspricht jener von "Standard"-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13).

20.2.4.14.2 KESt-Abzug

6206Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von discount-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.

20.2.4.15 Hebelzertifikate

20.2.4.15.1 Allgemeines

6207Hebelzertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen der Gläubiger (Anleger) dem Schuldner (Emittenten) einen Kapitalbetrag überlässt, und die Höhe des Entgelts für die Überlassung des Kapitals von der Wertentwicklung einer zu Laufzeitbeginn festgelegten Bezugsgröße, des sogenannten Basiswerts, unter Einbeziehung eines Wertpapierkredits abhängt. Mit Hebelzertifikaten kann somit die Beteiligung an einem Basiswert zu einem niedrigen Einsatz gekauft werden. Durch den Hebel partizipiert ein Hebelzertifikat hierbei stärker von Kursschwankungen als der darunterliegende Basiswert.

Der Wert eines Hebel-Zertifikats berechnet sich aus dem Kurs eines Basiswerts und einem für das Zertifikat festgelegten Strike-Kurs: Wert = Kurs - Strike. Es existiert hierbei eine Knock-out-Grenze (Kurs = Strike), bei dem das Hebelzertifikat wertlos wird. Es existieren generell zwei Typen von Hebel-Zertifikaten:

  • Partizipation an steigenden Kursen, diese werden auch als Bull- oder Long-Zertifikate bezeichnet.

  • Partizipation an fallenden Kursen, diese werden auch als Bear- oder Short-Zertifikate bezeichnet.

Die allgemeine steuerliche Behandlung von Hebel-Zertifikaten entspricht jener von "Standard"-Zertifikaten (siehe Abschnitt 20.2.4.13). Hat der Gläubiger aufgrund der Überschreitung der Knock-out-Grenze keinen Anspruch mehr auf Zahlung eines Geldbetrages und wird das Zertifikat dadurch wertlos, liegen in Höhe der Anschaffungskosten negative Einkünfte aus Derivaten gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 vor.

20.2.4.15.2 KESt-Abzug

6208Kapitalerträge aus der Veräußerung bzw. Einlösung von Hebel-Zertifikaten sind Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1988 und gemäß § 93 EStG 1988 durch Kapitalertragsteuerabzug zu erfassen. Abzugsverpflichteter ist somit gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 die inländische depotführende bzw. die inländische auszahlende Stelle.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
13.03.2024
Betroffene Normen:
§ 27 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Schlagworte:
Optionsanleihen - Optionsschein - Optionsrecht - Wandelanleihen - convertible bonds - Obligationen - Pflichtwandelanleihe - Stückaktien - Barzahlungen - Aktienanleihe - cash or share-Anleihe - Spitzenausgleich - bare Zuzahlungen - Tilgungsverlust - Callable yield notes - Nullkuponanleihen - zero-bonds - stripped bonds - Zinsscheine - Dividendenscheine - Kombizinsanleihen - Gleitzinsanleihen - Indexierte Anleihen - Wohnbauwandelanleihen - Fremdwährungsgewinne - Konvertierung - wechselkursstabile Währung - Fremdwährungsguthaben - Zertifikate - Discount-Zertifikate - Hebelzertifikate - Knock-out-Grenze - Ausländische Versicherungsprodukte - indexgebundene Lebensversicherung - fondsgebundene Lebensversicherung - Vergleichbarkeitsprüfung - Zurechnung des Deckungsstocks - Agrargemeinschaften - Sachausschüttungen - Holznutzungsrechte
Stammfassung:
06 0104/9-IV/6/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAA-76448