18.1.4 Betriebsveräußerung
18.1.4.1 Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes
18.1.4.1.1 Allgemeines
5564Unter Veräußerung wird jede entgeltliche Übertragung (zB Verkauf, Tausch, Zwangsversteigerung, Enteignung) des Eigentums am Betriebsvermögen (Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Eigentums) auf eine andere Person (natürliche, juristische Person, Gesamthandvermögen) verstanden (). Dies gilt auch für die Übernahme des Betriesbvermögens eines real überschuldeten Betriebes gegen Übernahme der Betriebsschulden; siehe dazu Rz 5679.
Liegt eine Veräußerung vor, siehe zum Umfang des Veräußerungserlöses Rz 5657 ff.
5565Wird der (Teil-)Betrieb durch einen Gesellschafter an seine Kapitalgesellschaft zu einem fremdunüblich niedrigen Preis verkauft, liegt ein Tausch und damit eine Betriebsveräußerung vor (§ 6 Z 14 lit. b EStG 1988; verdeckte Einlage bei Körperschaft, siehe Rz 2588 ff).
5566Keine Veräußerungen sind Übertragungen im Wege der Erbschaft (dies auch dann, wenn die Erbschaft mit Legaten, Pflichtteilsansprüchen oder Auflagen belastet ist oder Verbindlichkeiten mitübernommen werden) oder Übertragungen eines (Teil-)Betriebes durch den Erben in Erfüllung eines Legates oder eines Pflichtteilsanspruches. Diese Übertragungen sind weder Betriebsveräußerung noch Betriebsaufgabe, sondern unentgeltlicher Erwerb, der zur Buchwertfortführung gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 führt (vgl. ; ; ; siehe auch Rz 2529 ff und 5643).
5567Der Erbe tritt einkommensteuerrechtlich bereits mit dem Tod in die Rechtsstellung des Erblassers ein.
Voraussetzung für die Zurechnung der Einkünfte beim Erben ist ein Betriebsübergang auf den Erben; dabei ist entscheidend, ob dem Erben vom Erblasser betrieblich verwendete Wirtschaftsgüter von solchem Umfang und Gewicht zufallen, dass von einem Übergang des Betriebes gesprochen werden kann (vgl. ; , wonach bei Tod eines 72-jährigen Arztes und Wertlosigkeit seiner Praxiseinrichtung eine Aufgabe noch beim Erblasser anzunehmen ist).
Im Fall eines Betriebüberganges auf den (die) Erben hat dieser (haben diese) die Buchwerte des Erblassers zu übernehmen und fortzuführen. Dies auch dann, wenn der Erbe den Betrieb nicht weiterführt, sondern ihn - ohne irgendeine betriebliche Tätigkeit zu entfalten - lediglich veräußert ().
5568Veräußert ein Erbe einen (Teil-)Betrieb, so ist ihm der Veräußerungsvorgang zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn der Erbe außer der Veräußerung keine sonstige betriebliche Tätigkeit entfaltet hat. Gleiches gilt auch im Falle der Aufgabe eines ererbten (Teil-)Betriebes (vgl. ; ; ; siehe auch Rz 5643). Zur Erbauseinandersetzung siehe Rz 9 ff und 5980 ff.
5569Keine entgeltliche Übertragung und damit keine Veräußerung ist auch die Schenkung. Diese setzt eine tatsächliche Bereicherung des Rechtsnachfolgers voraus (). Wird daher ein real überschuldeter Betrieb gegen Übernahme der Betriebsschulden übertragen, liegt mangels Bereicherung des Übernehmers keine Schenkung vor (siehe dazu Rz 5679 ff).
Wie im Bereich der Erbschaft sind bei der Betriebsschenkung zwingend die Buchwerte gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 fortzuführen. Die Schenkung der wesentlichen Betriebsgrundlagen an verschiedene Geschenknehmer stellt eine Betriebsaufgabe dar. Werden anlässlich einer unentgeltlichen Betriebsübertragung Wirtschaftsgüter zurückbehalten, liegt dennoch ein Anwendungsfall von § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 vor; die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter sind als Entnahme zum Teilwert zu bewerten (; ).
5569aAbhängig von der Beurteilung der Betriebsübertragung als entgeltlich oder unentgeltlich, ist auch die Übertragung von im Betriebsvermögen befindlichen Grundstücken als entgeltlich oder unentgeltlich zu beurteilen. Eine gesonderte Beurteilung der Grundstücksübertragung ist nicht vorzunehmen.
5570Trotz Zurückbehaltung des zivilrechtlichen Eigentums kann das Betriebsgebäude, nicht auch der Grund und Boden (siehe Rz 124), zu Buchwerten ins wirtschaftliche Eigentum des Übernehmers übergehen. Dies setzt voraus, dass dem Übernehmer an dem Betriebsgebäude ein Baurecht eingeräumt wurde.
5571Als unentgeltlich ist auch die gemischte Schenkung anzusehen, wenn der Kaufpreis aus privaten Gründen unter oder über dem tatsächlichen Wert liegt. Es ist zu untersuchen, ob der Schenkungscharakter (Vorliegen einer einheitlichen Schenkung) oder der Entgeltlichkeitscharakter (Vorliegen eines Leistungsaustausches) überwiegt. Der Schenkungscharakter überwiegt dann, wenn
zwischen Leistung und Gegenleistung ein offenbares Missverhältnis besteht (vgl. und Rz 5572) und
sich beide Vertragspartner des doppelten Charakters der Leistung als teilweise unentgeltlich und als teilweise entgeltlich bewusst gewesen sind, beide die teilweise Entgeltlichkeit des Rechtsgeschäftes gewollt und ausdrücklich oder schlüssig zum Ausdruck gebracht haben (Prinzip der subjektiven Äquivalenz). Ein bloßer Freundschaftspreis bzw. preisliches Entgegenkommen gegenüber nahen Verwandten allein genügt nicht (vgl. ; ; , ).
5572Für die Frage, ob ein Missverhältnis vorliegt, ist der Unternehmenswert dem gemeinen Wert der Gegenleistung gegenüberzustellen. Dabei gilt:
Für Übertragungen vor dem :
Beträgt die Gegenleistung weniger als 50% des Unternehmenswertes, liegt ein Missverhältnis und eine unentgeltliche Übertragung vor. Zur Beurteilung von Übertragungen mit einer Gegenleistung zwischen 50% und 75%, die entsprechend der - vor dem EStR 2000 - Wartungserlass 2023 - vertretenen 50%-Grenze beurteilt wurden, siehe Rz 6625.Für Übertragungen nach dem :
Beträgt die Gegenleistung zumindest 75% des Unternehmenswertes, ist davon auszugehen, dass eine Veräußerung vorliegt (vgl. ).
Beträgt die Gegenleistung höchstens 25% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, liegt eine unentgeltliche Übertragung vor.
Beträgt die Gegenleistung mehr als 25% aber weniger als 75% des gemeinen Wertes des übertragenen Wirtschaftsgutes, ist unter nahen Angehörigen grundsätzlich von einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft auszugehen.
Es kommt nicht auf die formale Vertragsbezeichnung, sondern darauf an, ob Unentgeltlichkeit das Handeln des Übergebers bestimmt hat (; ; ; ).
Zum überschuldeten Betrieb siehe Rz 5679 ff, zur Betriebsübergabe gegen Rente siehe Rz 7031 ff.
5572aHinsichtlich bäuerlicher Hofübergaben ist zu unterscheiden, ob die im Zusammenhang mit der Übergabe getroffenen Nebenabreden eine Belastung des übertragenen Eigentums oder eine Gegenleistung für die Übertragung darstellen. Im Unterschied zur Grunderwerbsteuer stellt die Einräumung eines Wohnrechtes ertragsteuerlich keine Gegenleistung dar (siehe auch Rz 774). In diesem Fall wird belastetes Eigentum übertragen.
Für die Beurteilung, ob der Vorgang als entgeltlich oder unentgeltlich zu beurteilen ist, gelten die in den Rz 5571 f und Rz 6625 dargelegten Grundsätze.
Es bestehen allerdings keine Bedenken, ein vereinbartes Ausgedinge, das als typisches Ausgedinge ausgestaltet ist und nicht über die Gewährung eines üblichen angemessenen Lebensunterhaltes hinausgeht, einheitlich als Belastung des übertragenen Eigentums zu behandeln.
18.1.4.1.2 Voraussetzungen
5573Eine Veräußerung des ganzen Betriebes liegt vor, wenn alle für eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des Betriebs notwendigen Wirtschaftsgüter in einem einzigen einheitlichen Vorgang an einen einzigen Erwerber (Gemeinschaft) entgeltlich übertragen werden (; ; ). Dabei ist nicht entscheidend, ob der Erwerber den Betrieb tatsächlich fortführt, sondern vielmehr, ob ihm die erworbenen Wirtschaftsgüter objektiv (bloß abstrakt) die Fortführung des Betriebes ermöglichen (vgl. ; ; ; ; ; ).
Ein Betriebserwerb - und somit auf der anderen Seite auch eine Betriebsveräußerung - liegt aber auch dann vor, wenn einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebes durch zwei verschiedene gesellschaftsrechtlich verbundene Gesellschaften erworben werden und eine Trennung in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft erfolgt. Entscheidend ist, dass auf Grund der gesellschaftsrechtlichen Verbindung der am Erwerb des Betriebs beteiligten Gesellschaften sichergestellt ist, dass der Betrieb in der selben Weise fortgeführt werden kann, wie er vom früheren Betriebsinhaber geführt worden war ().
5574Werden vom Veräußerer - wenn auch nur geringe - Teile der wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und wird mit diesen der Betrieb weitergeführt, so liegt nur eine Einschränkung des Betriebsumfanges und keine Betriebsveräußerung vor (; ).
5575Werden vom Veräußerer Teile der wesentlichen Betriebsgrundlagen zurückbehalten und dem Erwerber zur Nutzung überlassen, liegt eine Betriebsveräußerung vor (vgl. , betr. ein an den Erwerber auf längere Zeit mitvermietetes Betriebsgebäude), wenn andere Teile der wesentlichen Betriebsgrundlagen dem Erwerber übertragen werden. Eine Betriebsveräußerung liegt auch dann vor, wenn der Betrieb vom Veräußerer rückgepachtet oder an eine GmbH verkauft wird, deren Gesellschafter-Geschäftsführer der bisherige Betriebsinhaber ist. Das Zurückbehalten einzelner unwesentlicher Wirtschaftsgüter stellt eine Entnahme dar, hindert aber nicht die Annahme einer Betriebsveräußerung ().
5576Die Veräußerung der Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber ist mangels Übertragung eines lebenden Betriebs keine Betriebsveräußerung, sondern eine Betriebsaufgabe. Gewinne aus der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter vor der Betriebsveräußerung sind kein Teil des Veräußerungsgewinnes, selbst wenn die Betriebsveräußerung den Einzelveräußerungen in kurzer Zeit folgt (vgl. ).
5577Bei einem Standortwechsel liegt eine Betriebsveräußerung mit nachfolgender Eröffnung eines Betriebes dann vor, wenn die wesentlichen Betriebsgrundlagen veräußert worden sind und insbesondere der Firmenwert nicht mitgenommen werden kann.
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Zusatzinformationen | |
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Gültig ab: | |
Materie: | Steuer |
Betroffene Normen: | EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 6 Z 9 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 6 Z 14 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 2588 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 2529 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5643 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 9 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5980 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5679 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 7031 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 124 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5657 ff EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 774 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5572 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 6625 EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 5571 f |
Schlagworte: | Einkommensteuer - wirtschaftliches Eigentum - zivilrechtliches Eigentum - Überschuldung - Renten - überschuldeter Betrieb - bäuerliche Hofübergabe |
Stammfassung: | 06 0104/9-IV/6/00 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
LAAAA-76448