VwGH vom 20.03.2013, 2009/13/0043
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde der B GmbH Co KEG in W, vertreten durch Kerschbaum Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Am Heumarkt 7/19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/2018-W/07, miterledigt RV/2019-W/07, betreffend u.a. Umsatzsteuer 2004 und Umsatzsteuerfestsetzung 1- 7/2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen Bescheide betreffend Umsatzsteuer sowie einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2002 bis 2004 und Umsatzsteuerfestsetzung für den Zeitraum 1-7/2005 als unbegründet ab.
Einziger, nur die Umsatzsteuer für das Jahr 2004 und die Umsatzsteuerfestsetzung für den Zeitraum 1-7/2005 betreffender Streitpunkt der dagegen erhobenen Beschwerde ist die Bestimmung der Bemessungsgrundlage gemäß § 4 UStG 1994 in Bezug auf ein von der Beschwerdeführerin entwickeltes und betriebenes "online-Börsenspiel". Die Beschwerdeführerin vertrat dazu im Berufungsverfahren unter Hinweis vor allem auf das , Rs Glawe , die Ansicht, zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer seien von der Summe der von den Spielern geleisteten Einsätze die im Zuge des Spiels geleisteten Auszahlungen in Abzug zu bringen.
Die belangte Behörde stellte als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, den Spielteilnehmern sei mittels käuflich erworbener Tickets (Spieleinsätze) eine Gewinnchance eingeräumt worden. Der Teilnehmer habe auf steigende oder fallende Aktienkurse setzen und auf diese Weise (fiktive) Gewinne erzielen können. Die Höhe des je Spielrunde ausbezahlten tatsächlichen Gewinns sei von vornherein nicht festgestanden, sondern lediglich mit einem Höchstbetrag nach oben hin begrenzt gewesen. Je nach Spielverlauf habe die Möglichkeit bestanden, dass keine oder geringere Gewinne als das bei Beginn einer Runde verkündete Limit zur Auszahlung gelangt seien. Die Gewinnhöhe sei daher weder auf gesetzlicher noch auf vertraglicher Basis vorbestimmt gewesen. Die Beschwerdeführerin, die in den Streitjahren ausschließlich negative Betriebsergebnisse erzielt habe, habe für das wirtschaftlich nicht erfolgreiche Spiel inzwischen ein Nachfolgeprodukt entwickelt.
Zur Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin selbst spreche von "variablen Auszahlungen, die finanzmathematisch bestimmt" seien. Diese Bestimmtheit sei nur im statistischen Durchschnitt gegeben, wie die Beschwerdeführerin in der Berufung selbst ausführe. Darin heiße es, die ex post erreichten Werte fluktuierten "etwas um die finanzmathematisch exante ermittelten Werte, insbesondere solange das Börsenspiel noch nicht entsprechend massive Teilnehmerzahlen" habe. Es sei jedoch "am übergebenen Werteblatt der einzelnen Monatsbewerbe bereits gut zu sehen, dass die finanzmathematisch zu erwartenden Werte bereits im mittelfristigen Durchschnitt verlässlich eintreten und somit die Black-Scholes Formel auch für diese exotische Option bestätigen." Damit, so die belangte Behörde, sei die Gewinnhöhe weder auf gesetzlicher noch auf vertraglicher Basis vorbestimmt, sondern lediglich mathematisch-statistisch in einer Durchschnittsbetrachtung berechenbar.
In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde u.a. auf § 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1994. Bemessungsgrundlage beim Spiel mit Gewinnmöglichkeit und bei der Wette sei danach das Entgelt für den einzelnen Spielabschluss oder für die einzelne Wette, wobei ein ausbezahlter Gewinn das Entgelt nicht mindere. Im Erkenntnis vom , 88/15/0001, habe der Verwaltungsgerichtshof einen "von vornherein feststehenden Teil der Spieleinsätze", der unabhängig vom Ausgang des Spiels wieder auszuzahlen gewesen sei, aus der Bemessungsgrundlage ausgeschieden, weil es insoweit am aleatorischen Element gefehlt habe. Auf den vorliegenden Fall treffe das nicht zu, weil die Höhe des je Spielrunde auszubezahlenden Gewinns nur nach oben hin begrenzt gewesen sei. Die Höhe des der Beschwerdeführerin verbleibenden Einsatzes entscheide sich erst durch den Spielverlauf. Auch für das Urteil des EuGH in der Rechtssache Glawe sei das Fehlen eines aleatorischen Elements maßgeblich gewesen, insoweit es dort um einen gesetzlich zwingend festgelegten Teil der Spieleinsätze gegangen sei, der an die Spieler auszuzahlen gewesen sei. Das , Rs First National Bank of Chicago , auf das sich die Beschwerdeführerin auch berufe, habe keinen mit dem vorliegenden vergleichbaren Sachverhalt betroffen. Eine Tendenz, die für ein Ausscheiden von Teilen der Einsätze aus der Bemessungsgrundlage geforderte "Vorbestimmtheit" auf eine "mathematisch-statistische Vorbestimmtheit" auszudehnen, sei weder in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes noch in der des EuGH erkennbar.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie Austausch weiterer Schriftsätze zwischen den Streitteilen erwogen hat:
§ 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1994 i.d.F. BGBl. I Nr. 134/2003 lautet:
"Beim Spiel mit Gewinnmöglichkeit und bei der Wette ist Bemessungsgrundlage das Entgelt für den einzelnen Spielabschluss oder für die einzelne Wette, wobei ein ausbezahlter Gewinn das Entgelt nicht mindert."
Die Beschwerdeführerin hat die zur wortgleichen Bestimmung des § 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1972 ergangene, im angefochtenen Bescheid zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch noch die Erkenntnisse vom , 95/15/0023, und vom , 2001/13/0020) in der Berufung als "durch die Entscheidungen des EuGH überholt" bezeichnet und unternimmt auch in der Beschwerde nicht den Versuch, den von ihr angestrebten Abzug der ausbezahlten Gewinne von der Bemessungsgrundlage mit innerstaatlichem Recht - im Besonderen mit § 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1994 - in Einklang zu bringen. Die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird darin gesehen, dass die belangte Behörde die Aussagen des EuGH in den beiden von der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren genannten Urteilen von 1994 und 1998 verkannt habe.
Dem Standpunkt der Beschwerdeführerin ist zunächst zu erwidern, dass die Rechtssache Glawe Geldspielautomaten betroffen hat; für Geldspielgeräte enthält aber der dritte Satz des § 4 Abs. 5 UStG 1994 eine besondere Regelung. Allerdings ist dem Standpunkt der Beschwerdeführerin zuzugestehen, dass Verallgemeinerungen des im Urteil des EuGH in der Rs Glawe vertretenen Ansatzes im Sinne einer über die Argumentation in der Beschwerde noch hinausgehenden Betrachtungsweise in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom , C-283/95, Rs Fischer (nicht aber im nachfolgenden ), und auch in den Schlussanträgen des Generalanwalts vom , C-172/96, Rs First National Bank of Chicago (nicht aber in dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten ), in Erwägung gezogen wurden. Mit dem Urteil vom , C-498/99, Rs Town County Factors , hat der EuGH aber klargestellt, dass die Grundsätze der Entscheidung in der Rechtssache Glawe nicht auf Spiele auszudehnen sind, bei denen eine Mindestausschüttung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist und die wieder auszuschüttenden Einsätze nicht technisch und gegenständlich von den Einsätzen getrennt sind, die der Betreiber tatsächlich für sich verbuchen kann (vgl. in diesem Sinn die Urteile des BFH vom , V R 42/02, BFHE 211/80, vom , V R 26/08, BFHE 229, 429, und vom , V R 32/09; zur Entscheidung des EuGH auch die Schlussanträge der Generalanwältin vom und die Bekräftigung der Entscheidung mit dem Urteil vom , C- 377/11, Rs International Bingo Technology , Rz 31).
Auf diese Judikaturentwicklung geht die Beschwerdeführerin erst in ihrer Replik auf die Gegenschrift der belangten Behörde ein, wobei sie - zum Teil auf der Grundlage im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässiger Neuerungen - darzulegen versucht, bei dem von ihr betriebenen Spiel habe es "sozusagen" auch "eine Art" Mindestprozentsatz der ausgezahlten Preise gegeben. Dass die nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin einer Durchschnittsberechnung und Prognose zugänglichen Auszahlungen nicht von aleatorischen Elementen abhängig seien, ist diesen Ausführungen entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht entnehmbar. Nach dem Maßstab der zuletzt erwähnten, in ihren Formulierungen eindeutigen Urteile des EuGH kann die bloße versicherungsmathematische Berechenbarkeit der Gewinnauszahlungen aber jedenfalls nicht ausreichen, um anders als in der Rechtssache Town County Factors ihren Abzug von der Bemessungsgrundlage zu erfordern.
Damit entfällt jeder Grund dafür, den Fall einer anderen als der in § 4 Abs. 5 zweiter Satz UStG 1994 vorgesehenen und der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Lösung zuzuführen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung von Haunold/Tumpel/Widhalm in SWI 2003, 43, zu der von ihnen als Bestätigung der in Österreich herrschenden Auffassung gewerteten Entscheidung in der Rechtssache Town County Factors ).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am