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OGH vom 26.02.2004, 8ObA71/03d

OGH vom 26.02.2004, 8ObA71/03d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert K*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, 1010 Wien, Elisabethstraße 9, vertreten durch Kunz Schima Wallentin, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 21.770,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 344/02w-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 15 Cga 69/02d-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

"I Es wird festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter, zugehörig dem Bereich der Arbeitnehmer, in dem Umfang als Normalarbeitszeit gilt, in dem der Kläger innerhalb einer Dienstschicht als fachkundiger Laienrichter tätig wird, auch wenn er nicht die ganze Dienstschicht ("fiktive Normalarbeitszeit") tätig wird.

II Die Mehrbegehren

II a Es werde festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter, zugehörig dem Bereich der Arbeitnehmer, an den Kalendertagen Montag bis einschließlich Freitag als Normalarbeitszeit gilt und dementsprechend als solche zu entlohnen ist; in eventu

II b Es wird festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter, zugehörig dem Bereich der Arbeitnehmer, an den Kalendertagen Montag bis einschließlich Freitag als Normalarbeitszeit gilt, wenn der Kläger nicht über die ganze Dienstschicht, also untertägig, abwesend ist; in eventu

II c Es werde festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter, zugehörig dem Bereich der Arbeitnehmer als Normalarbeitszeit gilt, wenn sich seine Abwesenheit über die Kernzeit von 8.00 Uhr bis 14.15 Uhr bzw am Freitag von 8.00 Uhr bis 11.45 Uhr hinaus erstreckt

werden abgewiesen."

Die Kosten des Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Festgestellt bzw im Wesentlichen unstrittig ist folgender Sachverhalt:

Die im Betrieb der Beklagten verwendeten sogenannten "Allgemeinen Vertragsbedingungen für Dienstverträge bei den Österreichischen Bundesbahnen - AVB - sehen im § 16 mit der Überschrift "Anspruch bei Dienstverhinderung" im Wesentlichen vorweg Regelungen über die Ansprüche des ÖBB-Angestellten bei Dienstverhinderungen infolge Krankheit oder Unfall (Abs 1 bis 3 des § 16) dann aber im § 16 Abs 4 auch folgendes vor:

"Der ÖBB-Angestellte behält ferner den Anspruch auf das Entgelt, wenn er durch andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert wird."

Auch enthalten die AVB in § 18 Bestimmungen über den "Sonderurlaub". Darin ist vorgesehen, dass in "berücksichtigungswürdigen Fällen" abgesehen von den Bestimmungen des § 16 Abs 4 ein Sonderurlaub nach Maßgabe der Vorschriften über die Gewährung von Sonderurlaub genehmigt werden kann.

Unstrittig ist zwischen den Parteien ist auch, dass die zu dieser Regelung ergangenen Richtlinien vorsehen, dass ua im Fall des Einsatzes eines Arbeitnehmers als fachkundiger Laienrichter ein solcher Sonderurlaub gewährt werden kann.

In einer Richtlinie der Beklagten mit der Bezeichnung Nr 58 "Richtlinie über eine arbeitsplatz- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeit - sowie Nebenbezugsregelung im Geschäftsbereich Technische Services (Zl A 699-1-2000)" werden Arbeits- und Überstundenregelungen für diesen Geschäftsbereich getroffen. Danach sind je nach Standort in einer gewissen Bandbreite Dienstbeginn und Dienstende festzulegen. Der Zeitraum vom frühestmöglichen Arbeitsbeginn bis zum spätestmöglichen Arbeitsende gilt als "Gleitzeitrahmen". Die Zeit vom spätestmöglichen Arbeitsbeginn bis zum frühestmöglichen Arbeitsende gilt als "Kernzeit" und das Kalendervierteljahr als Gleitzeitperiode. Der Bedienstete kann innerhalb der Zeiträume Dienstbeginn und Dienstende frei festlegen, wobei jedoch die höchstens anrechenbare Arbeitszeit 10 Stunden beträgt. Mehrleistungen innerhalb des Gleitzeitrahmens, die ohne Anordnung erbracht werden, gelten als "Gleitzeitstunden" jene die über Anordnung erbracht wurden als "zuschlagsfähige Stunden".

Punkt 5 dieser Richtlinie sieht folgendes vor:

"Neben einem standortbezogenen Gleitzeitmodell sind auch standortbezogene Dienstpläne mit täglichem Arbeitsbeginn bzw -ende zu erstellen (fiktive Normalarbeitszeit).

Bei ganztägigen, gerechtfertigten Abwesenheiten vom Dienst sowie für den Fall, dass die Gleitzeitvereinbarung nicht angewendet wird, gilt die fiktive Normalarbeitszeit als erbracht. Erstreckt sich die gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst nicht über eine ganze Dienstschicht, so wird nur die während der Kernzeit entfallende Arbeitszeit angerechnet."

Nach der hier maßgeblichen Standortvereinbarung wird der "äußere Arbeitszeitrahmen" Montag bis Freitag von 6.30 Uhr bis 8.00 Uhr Arbeitsbeginn und das Arbeitsende von Montag bis Donnerstag mit 14.15 Uhr bis 17.00 Uhr bzw am Freitag von 11.45 Uhr bis 17.00 Uhr festgelegt. Die Kernzeit, in der grundsätzlich sämtliche Mitarbeiter anwesend sein müssen, erstreckt sich von Montag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 14.15 Uhr und am Freitag von 8.00 Uhr bis 11.45 Uhr. Als fiktive Normalarbeitszeit werden für Montag bis Donnerstag die 8 Stunden von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr (mit Mittagspause) und am Freitag die 8 Stunden von 7.00 Uhr bis 15.00 Uhr (ohne Mittagspause) festgelegt.

Der Kläger begehrt nun die aus dem Spruch ersichtlichen Feststellungen. Er stützt sich zusammengefasst darauf, dass er seit 17 Jahren fachkundiger Laienrichter beim Arbeits- und Sozialgericht Wien und seit kurzem beim Oberlandesgericht Wien sei. Bis Juni 2001 habe es nie Probleme mit der Entgeltfortzahlung bei Dienstabwesenheiten infolge der Laienrichtertätigkeit gegeben. Nunmehr habe die Beklagte aber die Richtlinie über die arbeitsplatz- und mitarbeiterorientierte Arbeitszeit erlassen. Wenn der Kläger nunmehr seine Tätigkeit als Laienrichter etwa von 9.00 Uhr bis 16.30 Uhr ausübe, so werde nur noch für die Kernzeit Entgeltfortzahlung geleistet. Aus § 16 Abs 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen sei aber abzuleiten, dass der Kläger Anspruch auf Fortzahlung des Entgeltes habe, wenn er durch andere nicht durch seine Person betreffenden Gründe ohne sein Verschulden eine verhältnismäßig kurze Zeit an der Leistung seiner Dienste verhindert sei, wozu eben auch die Tätigkeit als Laienrichter zähle. Hinzu komme noch, dass die Tätigkeit als Laienrichter auch als Grund für die Gewährung von Sonderurlauben genannt werde und dann für die gesamte Zeit die Entgeltfortzahlung zustehe.

Die Beklagte bestritt, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass es sich bei der Einführung der Gleitzeitregelung um eine durchaus angemessene Veränderung gehandelt habe. Die Mitarbeiter hätten den Vorteil, dass sie ihre Arbeitszeit flexibler einteilen könnten. Dies sei aber auch mit der Verpflichtung verbunden, anderweitige Tätigkeiten tunlichst außerhalb der Arbeitszeiten zu verrichten. Diese neue Gleitzeitrichtlinie sei die spätere und speziellere Regelung, die den allgemeinen Regelungen, insbesondere auch jenen über die Gewährung von Sonderurlauben vorgehe. Die Bestimmung des § 16 Abs 4 AVB, die wortgleich wie der § 8 Abs 3 AngG formuliert sei, setze für die Entgeltfortzahlungspflicht die Verhinderung des Arbeitnehmers an seinen Diensten und damit auch die Verpflichtung zur Dienstleistungserbringung voraus. Dies treffe aber nur auf die Kernzeit zu. Grundsätzlich sei zu bezweifeln, ob die Abwesenheit wegen der Tätigkeit als Laienrichter überhaupt einen Entgeltfortzahlungsgrund darstelle, da dieses Amt freiwillig übernommen werde und die freiwillige Übernahme von Nebenbeschäftigungen dazu führen könne, dass der Arbeitgeber die Kosten dafür zu tragen habe. Die Gewährung von Sonderurlauben als solche sei nur für kurze Dienstverhinderungen vorgesehen und auch in das Ermessen des Arbeitgebers gelegt.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren in dem Sinne Folge, dass es feststellte, dass "die vom Kläger ausgeübte Zeit für seine Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter, zugehörig dem Bereich der Arbeitnehmer, auch dann als Normalarbeitszeit gilt, wenn diese Abwesenheit nicht ganztägig ist, also sich nicht über die Kernzeit von 8.00 Uhr bis 14.15 Uhr bzw am Freitag von 8.00 Uhr bis 11.45 Uhr hinaus erstreckt, soweit er diese Normalarbeitszeit regelmäßig einhält." Das "Mehrbegehren" wies das Erstgericht ab. Rechtlich folgerte das Erstgericht, dass die fiktive Normalarbeitszeit dazu diene, für den Verhinderungsfall festzulegen, in welchem Zeitraum die Entgeltfortzahlungspflicht bestehe. Die Ladung als fachkundiger Laienrichter sei ein wichtiger die Person des Klägers betreffender Grund im Sinne des § 16 der AVB bzw des § 8 Abs 3 AngG. Dieser Fall sei jenem in der Richtlinie 58 vorgesehenen gleichzuhalten, dass die "Gleitzeitvereinbarung nicht angewendet" werde. Der Kläger habe daher dann, wenn er eine Normalarbeitszeit von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr regelmäßig einhalte, also in dieser Zeit dem Arbeitgeber gewöhnlich zur Verfügung stehe, auch Anspruch auf das Entgelt für diese Normalarbeitszeit, wenn er wegen seiner Laienrichtertätigkeit diese Dienste nicht verrichten könne.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des erstgerichtlichen Urteils erhobenen Berufung Folge und änderte das Urteil im zur Gänze klagsabweisenden Sinne ab. Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass sich der Kläger im Zuge des Abschlusses des Arbeitsvertrages mit der Beklagten den verschiedenen Richtlinien "in der jeweils geltenden Fassung" unterworfen habe. Die Ausübung des Laienrichteramtes sei als solche als wichtiger Grund anzusehen. Sehe doch § 15 ASGG die Verpflichtung des Laienrichters vor, der Ladung nachzukommen. Durch die Annahme des Laienrichteramtes entspreche der Laienrichter auch dem gesetzlichen Auftrag der Mitwirkung des "Volkes" an der Gerichtsbarkeit. Die Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung, aber auch § 12 ASGG seien geeignet, eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers hintanzuhalten. Wenngleich also ein wichtiger Grund im Sinne des § 8 AngG bzw § 16 Abs 4 der AVB vorliege, bestehe die Entgeltfortzahlungsverpflichtung nur insoweit, als der Arbeitnehmer bei der Wahrnehmung seiner Arbeitsverpflichtung behindert sei. Ohne durchsetzbare Verpflichtung zur Arbeitsleistung bestehe auch keine Entgeltfortzahlungspflicht. Könne der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit variieren, so habe er außerhalb der Kernzeiten keinen Entgeltfortzahlungsanspruch, sondern habe diese Zeiten einzuarbeiten. Bei ganztägiger Abwesenheit sei ohnehin die fiktive Normalarbeitszeit heranzuziehen. Aus § 16 Abs 4 AVB iVm Punkt 5 der Richtlinie lasse sich eine Verpflichtung, die stundenweisen Abwesenheiten des Klägers unabhängig von der zeitlichen Lagerung außerhalb der Kernzeit zu bezahlen, nicht ableiten. Mit der Erlassung dieser Richtlinie habe die Beklagte auch nicht die Grenzen des billigen Ermessens überschritten. Im Falle der Gleitzeit bestehe für den Arbeitnehmer aber ohnedies das Entgeltausfallsrisiko. Es bestehe die Möglichkeit, die Arbeitszeit so zu gestalten, dass jene wichtigen Gründe, die bei festgelegter Arbeitszeit eine Dienstverhinderung mit sich bringen würden, in die Freizeit fallen. Dass dabei das Risiko des "wichtigen Grundes" auf den Arbeitnehmer rückverlagert werde, spreche keinesfalls gegen die Zulässigkeit dieser Vorgangsweise und entspreche der "Entgeltfortzahlungsjudikatur", wonach Erledigungen persönlicher Natur grundsätzlich in der Privatzeit zu absolvieren seien. Dass der Kläger die Gleitzeit als solche nicht in Anspruch genommen habe, sei dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da zur Frage, ob die Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter in Arbeits- und Sozialrechtssachen als wichtiger Grund im Sinne der §§ 8 AngG und 1154b ABGB anzusehen sei, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege, ebensowenig hinsichtlich der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderungen aus wichtigem Grund im Falle der vereinbarten Gleitzeit.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Klägers ist im Wesentlichen aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig und auch teilweise berechtigt.

Vorweg klarzustellen ist nun, dass das Dienstverhältnis der ÖBB-Bediensteten auf einen privatrechtlichen Vertrag beruht, der seit dem Inkrafttreten des Bundesbahngesetzes 1992 nicht mehr zum Bund, sondern zur beklagten Partei besteht. Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes aber auch des Verfassungsgerichtshofes stellen die in diesem Zusammenhang vorgesehenen diversen Dienstvorschriften wie Dienstordnungen, Disziplinarordnungen udgl, Vertragsschablonen dar, die mit dem Abschluss des jeweiligen Einzelvertrages rechtlich wirksam werden (vgl RIS-Justiz RS0052622, RS0054759; RS0071251; RS0052693; RS0052649 jeweils mwN zuletzt etwa -7). Regelmäßig ist dabei auch festgehalten, dass für die Bediensteten diese Vertragsschablonen "in der jeweils geltenden" Fassung zur Anwendung kommen. Nach ständiger Judikatur ist darin ein "Änderungsvorbehalt" zu sehen, der von der Beklagten im Sinne von Änderungen nach billigem Ermessen genutzt werden kann (vgl etwa 9 ObA 77/00i = DRdA 2001/28 [Resch] = ZAS 2001/16 [Posch]; RIS-Justiz RS0112269 mwN).

Mit der Ausgliederung der ÖBB durch das Bundesbahngesetz ist grundsätzlich der öffentlich-rechtliche Einschlag der Dienstverhältnisse der Beklagten weggefallen und diese sind rein nach privatrechtlichen Kriterien zu beurteilen (vgl dazu OGH 8 ObA 110/01m = DRdA 2002/43 [zust Obereder]; VfGH VfSlg 14.842).

Gerade im Hinblick darauf ist natürlich zu prüfen, welche der sonst für bei privaten Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen. Hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des Angestelltengesetzes ist darauf hinzuweisen, dass erst durch Art 9 Bundesbahnstrukturgesetz 2003 BGBl I 138/2003 in § 5 AngG die dort für bei Eisenbahnen beschäftigte Arbeitnehmer vorgesehene Ausnahme von der Anwendung des Angestelltengesetzes aufgehoben wurde. Diese Änderung findet entsprechend § 42 Abs 4 AngG aber erst auf Arbeitsverhältnisse Anwendung, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem liegt, also nicht auf den Kläger.

Hier ist also noch zu prüfen, ob andere gesetzliche Regelungen außer dem Angestelltengesetz für die vorliegende Fragestellung einschlägig sind. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass es dem Bundesgesetzgeber bei der Ausgliederung der Beklagten aus dem Bund durch das Bundesbahngesetz 1992 darum gegangen ist, die bis dahin für Bedienstete des Bundes bestehenden Ausnahmebestimmungen in verschiedenen privatrechtlichen Regelungen aufrechtzuerhalten. Dementsprechend hat er auch in § 22 Abs 5 des Bundesbahngesetzes 1992 vorgesehen, dass der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung, die auf Regelungsinhalte hinsichtlich des Dienst-, Besoldungs- und Pensionsverhältnisses Bezug haben, unberührt bleibt. Dadurch sollte nach den Ausführungen in der Regierungsvorlage (652 BlgNR 18. GP, 16) sichergestellt werden, dass die jeweils geltenden Rechtsvorschriften des Bundes, deren Anwendungsbereich sich für die österreichische Bundesbahnen ausdrücklich ergibt, unberührt bleiben, sodass jene Rechtsvorschriften, die bisher auf das Dienstverhältnis der ÖBB auf Grund deren Qualifikation als Dienstverhältnis zum Bund anzuwenden war, weiterhin anzuwenden sind, aber auch umgekehrt, dass jene für die dies nicht galt, auch in Hinkunft nicht anzuwenden sind. Unter Bedachtnahme auf diese Bestimmung hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgeführt, dass etwa die Ausnahmebestimmung des Art I § 1 Abs 1 Z 3 zum Arbeiterabfertigungsgesetz hinsichtlich der Bediensteten des Bundes auch für die nunmehr Bediensteten der beklagten Partei weiter gilt (vgl OGH 8 ObA 11/03f und 9 ObA 86/02s).

Daher stellt sich die Frage, inwieweit bereits vor der Ausgliederung die Bestimmung des § 1154b ABGB zur Anwendung gelangte.

Unter anderem die Bestimmung des § 1154b ABGB wurde mit der sogenannten dritten Teilnovelle zum ABGB 1916 eingeführt. Eine Zielrichtung dieser damaligen Novellen war die Ausweitung des Entgeltschutzes (vgl Tomandl, Arbeitsrecht 14, 8 f). Nach § 153 dieser dritten Teilnovelle finden die Bestimmungen keine Anwendung auf Dienstverhältnisse von Beamten und es sollen auch die für bestimmte Dienstverhältnisse bestehenden besonderen gesetzlichen Vorschriften nicht berührt werden. Das ABGB gilt dementsprechend subsidiär zu Sondergesetzen (vgl dazu auch Krejci in Rummel ABGB3 § 1151 Rz 3a). Im Übrigen kommt es auch auf den öffentlichen Dienst zur Anwendung, soweit dieser nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis - Beamte - beruht (vgl Krejci aaO Rz 11).

Eine sondergesetzliche Regelung für die Bediensteten der Beklagten hinsichtlich der hier maßgeblichen Entgeltfortzahlungsansprüche bestand auch vor der Ausgliederung nicht. Das Vertragsbedienstetengesetz sah dafür in § 1 Abs 4 eine ausdrückliche Ausnahme vor.

Da also im Ergebnis zu der hier maßgeblichen Frage der Entgeltfortzahlung keine sondergesetzliche Regelung bestand oder besteht, kam und kommt auch weiter § 1154b ABGB zur Anwendung.

§ 1154b ABGB sieht in seinem Abs 5 vor, dass der Dienstnehmer den Anspruch auf sein Entgelt auch dann behält, wenn er durch "andere wichtige, seine Person betreffende Gründe ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßig kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird."

Zufolge § 1154b Abs 6 ABGB können nur durch Kollektivvertrag abweichende Regelungen getroffen werden. Eine solche kollektivvertragliche Regelung wurde gar nicht behauptet.

Auszugehen ist also von der Bestimmung des § 1154b Abs 5 ABGB. Dabei ist einerseits zu prüfen, ob es sich bei der Tätigkeit als fachkundiger Laienrichter um "andere wichtige" die Person des Arbeitnehmers betreffende Gründe handelt, die dazu führen, dass er ohne sein Verschulden während einer verhältnismäßigen kurzen Zeit an der Dienstleistung verhindert wird. Dies ist nun in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen und der einschlägigen Lehre grundsätzlich zu bejahen (vgl dazu Krejci aaO § 1154b Rz 36; Dittrich/Tades AngG § 8 FN 10; siehe auch im Folgenden). Den Einwendungen der Beklagten, dass die Wahl des fachkundigen Laienrichters gemäß § 24 Z 2 ASGG doch auch dessen Einverständnis voraussetze, ist entgegenzuhalten, dass eine Verpflichtung der beruflichen Vertretungen besteht, entsprechende Laienrichter zu wählen und die Zugehörigkeit zu der Berufsgruppe auch Wahlvoraussetzung ist. Die "Bereitschaft zur Übernahme" kann daher nur die Auswahl zwischen den potentiellen Arbeitnehmern einschränken. Insgesamt besteht aber zwingend das Erfordernis der Wahl von Laienrichtern aus dem Kreis der Arbeitnehmer (vgl im Übrigen auch die Verpflichtung zur Mitwirkung des Volkes nach Art 91 Abs 1 B-VG). Die Beklagte vermeint nun durch eine "exzessive" Inanspruchnahme einzelner Laienrichter übermäßig belastet zu werden und nicht die Kosten einer "Nebenbeschäftigung" tragen zu können. Dazu ist schon auf die zeitlichen Grenzen des § 1154b ABGB hinzuweisen, wonach ohnehin nur für eine "verhältnismäßig kurze Zeit" der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht. Konkrete Ausführungen zu einer übermäßigen Belastung durch die Laienrichtertätigkeit des Klägers hat die Beklagte aber gar nicht erstattet.

Abschließend ist noch auf die Bestimmung des § 32 Z 2 ASGG hinzuweisen. Danach erhält der fachkundige Laienrichter "unabhängig vom Vorliegen eines Vermögensnachteils" die Hälfte des in § 18 Abs 1 Z 1 GebAG jeweils genannten Betrags als Entschädigung für Zeitversäumnis. Der wesentliche Grund für diese gesetzliche Regelung war, dass ein zusätzlicher Anreiz für die fachkundigen Laienrichter geschaffen werden sollte, trotz zusätzlicher Belastungen, dieses Amt auszuüben (vgl RV 1654 BlgNR 18. GP, 17). Unter dem Aspekt des Gebührenanspruchsgesetzes wird eben gerade davon ausgegangen, dass sich der Entgeltfortzahlungsanspruch des unselbständig Erwerbstätigen nach den anzuwendenden Kollektivvertragsbestimmungen richtet (vgl Krammer/Schmidt, GebAG 19753 Anm 14 zu § 18). Dass die Bestimmung des § 18 GebAG über die Gebühren bei Verdienstausfall, auch wenn man von einer Entgeltfortzahlungspflicht nach § 1154b ABGB ausgeht, trotzdem ihre Berechtigung haben kann, ergibt sich schon ua daraus, dass die Kollektivverträge ja Einschränkungen der Entgeltfortzahlungspflicht vorsehen können (vgl in diesem Sinne auch Krejci aaO § 1154 Rz 32, ähnlich Holzer, Die Dienstverhinderung aus anderen wichtigen die Person des Dienstnehmers betreffenden Gründen DRdA 1970, 107 ff, 114). Solche kollektivvertraglichen Regelungen wurden aber - wie bereits dargestellt - gar nicht behauptet. Schließlich ist zur vom Gesetzgeber der Laienrichterbeteiligung zugemessenen Bedeutung auch auf die Bestimmung des § 8 Abs 1 Z 3 lit k ASVG zu verweisen, wonach die Ausübung dieser Tätigkeit im Rahmen der Unfallversicherung geschützt ist, was gerade auch mit dem engen Zusammenhang mit der Berufstätigkeit gerechtfertigt wird (vgl MGA ASVG § 8 Rz 28c). Insgesamt ist auch unter Beachtung dieses Zusammenhanges das Vorliegen eines wichtigen die Person des Arbeitnehmers betreffenden Grundes im Sinne des § 1154b ABGB und damit auch die Entgeltfortzahlungspflicht, wenngleich nur in den dort genannten Schranken, zu bejahen.

Im Folgenden ist nun die Frage zu beurteilen, wie sich die hier vorgesehene "Gleitzeit" auf diesen Entgeltfortzahlungsanspruch auswirkt.

Voranzustellen dazu ist die Unterscheidung zwischen zwei Fragen . Die eine ist jene, inwieweit der Arbeitnehmer verpflichtet ist, grundsätzlich seine Person betreffende Gründe so zu gestalten, dass sie tunlichst nicht in die Arbeitszeit fallen bzw den Arbeitsablauf möglichst wenig stören. Diese Verpflichtung ist zu bejahen (vgl in diesem Zusammenhang auch etwa Krejci aaO Rz 33 und Pfeil in Schwimann ABGB2 § 1154b Rz 10). Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, inwieweit die Arbeitszeit nicht - zumindest fiktiv - festzulegen ist, um klar zu stellen, ob ein unverschiebbarer zwingender den Arbeitnehmer betreffender Grund zu einer berechtigten "Verhinderung" an der Erbringung der Arbeitsleistung führt oder ob das Risiko solcher Gründe (etwa längere halbtägige Physiotherapien uä) durch eine entsprechende Arbeitszeitgestaltungen auf den Arbeitnehmer verlagert werden kann. Es kann nun im Rahmen der Gleitzeitregelung etwa dann wenn die Lage der Arbeitszeit - ohne Festlegung einer Kernzeit - zur Gänze dem Arbeitnehmer überlassen wird, nicht dazu kommen, dass der Arbeitnehmer von sich aus die Arbeitszeit gerade immer auf die Zeiten der "Dienstverhinderungen" festlegt. Andererseits ist es aber gerade bei völlig variablen Arbeitszeiten mit dem Gedanken der Entgeltfortzahlungsverpflichtung nach § 1154b auch nicht vereinbar, dass der Arbeitnehmer zur Gänze das Risiko sämtlicher Dienstverhinderungsgründe trägt und diese verlorenen Arbeitszeit(möglichkeit)en dann durch Einarbeiten "nachleisten muss". Dies ergibt sich schon aus den Grundwertungen des AZG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl in diesem Zusammenhang = DRdA 2002/48 = JBl 2003, 126). Das Problem war dem Gesetzgeber des AZG bewusst. Er hat daher nicht nur im Zusammenhang mit den vertragsrechtlichen Bestimmungen in § 19c Abs 1 AZG grundsätzlich die Verpflichtung zur Festlegung einer konkreten Lage der Arbeitszeit entweder durch kollektivrechtliche Rechtsgestaltung oder im Einzelvertrag vorgesehen, sondern auch spezifisch für die gleitende Arbeitszeit in § 4b Abs 3 Z 4 AZG bestimmt, dass eine Gleitzeitvereinbarung auch Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit festlegen muss. Dies sollte gerade den hier anstehenden Problemstellungen entgegenwirken (vgl Klein in Czerny/Klein/Schwarz, Arbeitszeitgesetz, 137; Grillberger, AZG2 , 55). Dies ist auch unter dem Aspekt einer im Sinne des § 1154b ABGB verpönten Risikoverschiebung zu bejahen.

Eine solche Festlegung einer fiktiven Normalarbeitszeit ist hier auch erfolgt und es bedarf daher keiner näheren Erörterungen, wie vorzugehen wäre, wenn dies nicht der Fall wäre (vgl in diesem Zusammenhang = DRdA 2002/48 = JBl 2003, 126; was im Wesentlichen dem erstgerichtlichen Ergebnis entsprechen würde).

Soweit der früheren Rechtsprechung allenfalls Gegenteiliges entnommen werden könnte (vgl dazu = DRdA 1993/7 [Ritzberger-Moser]) und war dies in dieser früheren Entscheidung nicht zwingend zu beurteilen und es fehlte auch noch an einer § 4b AZG vergleichbaren Regelung. Auch bedarf es keiner Erörterung, inwieweit unbeschadet des § 1154b Abs 6 ABGB auch einzelvertraglich andere Regelungen getroffen werden können, weil diese zumindest insgesamt nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers von der aus § 1154b ABGB ableitbaren Risikoverteilung abweichen dürfen. Dies ist aber hier schon deshalb der Fall, weil der Kläger auch dann, wenn er durch wichtige Hinderungsgründe in einem die Dienstschichtzeit (Normalarbeitszeit) übersteigenden Ausmaß an der Arbeitsverrichtung gehindert ist, nur für einen allenfalls in die "Kernzeit" fallenden Teil Entgeltfortzahlung erhält, wenn nicht zufälligerweise die zeitliche Lagerung der "Dienstabwesenheit" mit der Dienstschicht übereinstimmt.

Insgesamt ist daher im Ausmaß des § 1154b ABGB ein Anspruch des Klägers auf Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderungen im Rahmen der fiktiven Normalarbeitszeit zu bejahen. Dass das Ausmaß dieser Tätigkeiten im Umfang über jenen durch § 1154b ABGB erfassten hinausgehen würde, hat die Beklagte nicht konkret ausgeführt.

Es war daher dem Feststellungsbegehren im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang stattzugeben. Zur Abweisung ist darauf hinzuweisen , dass sich das Begehren II b insoweit vom festgestellten Anspruch unterscheidet, als es keine Einschränkung auf die Dienstschicht zum Ausdruck bringt. Entgegen dem Begehren des Klägers, das auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils gerichtet ist, war aber auch nicht auf seine individuellen Gepflogenheiten bei der Lagerung der Arbeitszeit abzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 50 und § 43 Abs 2 ZPO.