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OGH vom 25.11.2008, 9ObA142/08k

OGH vom 25.11.2008, 9ObA142/08k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Richard Warnung und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ferdinand Z*****, Facharbeiter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Katharina Widhalm-Budak, Rechtsanwältin in Wien, wegen 21.338,58 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 16.031,34 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 28/08y-45, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 18 Cga 47/06x-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „Dr. Katharina Widhalm-Budak, Rechtsanwältin, Schulerstraße 18, 1010 Wien, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der A***** GmbH, ***** (***** HG Wien)" auf „A***** GmbH, *****" berichtigt.

2. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.046,88 EUR (darin 174,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

ad 1. Die Bezeichnung der beklagten Partei war gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen, weil mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , *****, der über das Vermögen der A***** GmbH am eröffnete Konkurs zufolge rechtskräftiger Bestätigung des Zwangsausgleichs rechtskräftig aufgehoben wurde (Mitteilung der Masseverwalterin; Insolvenzdatei). Auf die Tatsache der Konkursaufhebung ist in jeder Lage des Verfahrens - auch im Revisionsstadium - Bedacht zu nehmen. Durch die Konkursaufhebung lebt das ursprünglich gestellte Leistungsbegehren wieder auf. An die Stelle der Masseverwalterin tritt wieder die frühere Gemeinschuldnerin (§§ 59, 152b KO; RIS-Justiz RS0065564 ua).

ad 2. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass der rechtlichen Beurteilung einer wahrheitswidrigen Verneinung der Begünstigteneigenschaft nach dem Behinderteneinstellungsgesetz durch einen Arbeitnehmer bei Begründung des Arbeitsverhältnisses eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, zu der noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege (§ 502 Abs 1 ZPO). Dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision schloss sich die Revisionswerberin an. Der Revisionsgegner bestritt hingegen das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Beklagten.

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Die vom Berufungsgericht und der Revisionswerberin als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO angesehene Rechtsfrage stellt sich in dieser Form und in dieser Allgemeinheit nicht. Die für die Lösung des Falls entscheidenden Fragen können auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gelöst werden. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Der Kläger, ein begünstigter Behinderter im Sinn des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), BGBl 1970/22, war vom bis bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt und unterlag dem Kollektivvertrag für Arbeiter im Metallgewerbe. Am wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers von der Beklagten zum gekündigt. Mit Schreiben der Beklagten vom , das dem Kläger am zuging, wurde er entlassen. Unstrittig ist, dass die vorhergehende Kündigung des Klägers mangels Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam war (§ 8 BEinstG). Unstrittig ist auch, dass der Kläger als Arbeiter dem Entlassungsregime des § 82 GewO 1859 unterlag (Kuderna, Entlassungsrecht² 126).

Die Vorinstanzen verneinten die Rechtfertigung der Entlassung des Klägers. Die Revisionswerberin vertritt demgegenüber die Auffassung, dass die Entlassung gemäß § 82 lit a und lit d GewO 1859 gerechtfertigt gewesen sei, weil der Kläger im Zuge des Einstellungsgesprächs die Frage, ob er Behinderter im Sinn des BEinstG sei, wahrheitswidrig verneint habe.

Die Revisionswerberin entfernt sich mit ihrem Ansatz, der Kläger habe beim Einstellungsgespräch die Frage, „ob er Behinderter im Sinn des BEinstG sei", wahrheitswidrig verneint, von den bindenden Feststellungen des Erstgerichts. Danach wurde diese Frage - so ausdrücklich das Erstgericht - nicht gestellt. Der Kläger wurde im Zuge einer Ergänzung des Einstellungsgesprächs lediglich gefragt, ob wegen des Fehlens des Endglieds des (rechten) Daumens „eine Behinderung vorliegen würde". Mit dieser Frage wollte der für die Führung des Einstellungsgesprächs zuständige Mitarbeiter der Beklagten - so die weitere erstgerichtliche Feststellung - vom Kläger erfahren, ob er „in seiner täglichen Arbeit behindert sei". Dies wurde vom Kläger verneint. Die Antwort des Klägers korrespondiert mit der weiteren Feststellung, dass die Beklagte mit der Arbeitsleistung des Klägers bis zur Kündigung, die lediglich aus wirtschaftlichen Gründen der Beklagten erfolgte, zufrieden war. Die Revision geht daher in diesem Punkt nicht von den getroffenen Feststellungen aus; sie ist somit insoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 471 Rz 9, § 503 Rz 22 mwN). Eine erhebliche Rechtsfrage, die einen Sachverhalt zugrundelegt, der von den getroffenen Feststellungen abweicht, ist jedoch nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun, weil die Entscheidung über die Revision nicht von der Lösung dieser Frage abhängt. Die aufgeworfene Frage ist daher nicht „präjudiziell" (vgl RIS-Justiz RS0087652 ua).

Auch die weiteren Revisionsausführungen, der Kläger habe durch sein Verhalten die Entlassungsgründe nach § 82 lit a „bzw" lit d GewO 1859 verwirklicht, zeigen - selbst wenn man unterstellte, der Kläger hätte schon beim Einstellungsgespräch die Frage nach der Behinderteneigenschaft im Sinn des BEinstG verneint - keine erhebliche Rechtsfrage auf. Nach § 82 lit a GewO 1859 kann, soweit hier relevant, ein Arbeiter sofort entlassen werden, wenn er bei Abschluss des Arbeitsvertrags den Arbeitgeber durch Vorzeigen falscher oder verfälschter Ausweiskarten oder Zeugnisse hintergangen hat. Dies war hier nicht der Fall. Falsche oder verfälschte Urkunden spielten beim Einstellungsgespräch keine Rolle (vgl Kuderna aaO 128). Die Aufzählung der Entlassungsgründe in § 82 GewO 1859 ist taxativ (Kuderna aaO 126; RIS-Justiz RS0060348 ua); eine ausdehnende Anwendung auf vom Wortsinn der Norm nicht erfasste Sachverhalte kommt entgegen der offenbaren Auffassung der Revisionswerberin nicht in Betracht (vgl 9 ObA 36/05t; RIS-Justiz RS0060160 ua).

Nach § 82 lit d GewO 1859, dem zweiten von der Revisionswerberin geltend gemachten Entlassungsgrund, kann ein Arbeiter entlassen werden, der sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt. Dieser Entlassungsgrund scheidet hier schon deshalb aus, weil die Beklagte weder in erster Instanz noch in der Revision eine (sonstige) strafbare Handlung im Sinn des § 82 lit d GewO 1859 benennt, die der Kläger begangen haben soll. Aus von der Strafbarkeit der Begehungshandlung losgelösten Überlegungen zur (angeblich) mangelnden Vertrauenswürdigkeit des Klägers ist für den Standpunkt der Beklagten aber nichts zu gewinnen (vgl Kuderna aaO 132 ua). Die Revisionswerberin übergeht, dass es einen allgemeinen Vertrauensunwürdigkeitstatbestand für Arbeiter im Bereich der Entlassungsgründe des § 82 GewO 1859 im Gegensatz zum AngG nicht gibt (8 ObA 22/06b; RIS-Justiz RS0060324 ua). Auch insoweit wird daher keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Die Revision ist daher, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels ausdrücklich hingewiesen (RIS-Justiz RS0035962 ua).