Suchen Hilfe
Richtlinie des BMF vom 11.03.2025, 2025-0.159.492
1. Teil: Multinationale Konzernstrukturen
1.3. Konzerninterner Leistungsverkehr
1.3.3. Finanztransaktionen

1.3.3.2. Cash-Pooling

121Ein Cash-Pool (Z 10.109 ff OECD-VPL) ist ein Finanzierungsinstrument für das kurzfristige Liquiditätsmanagement innerhalb eines Konzerns, welches zwischen fremden Dritten in der Regel nicht zum Einsatz kommt. Beim Cash-Pooling werden täglich bzw. in anderen kurzfristigen Zeitabständen die Salden der Zahlungsverkehrskonten der einzelnen Konzerngesellschaften auf einem Sammelkonto der mit dem Cash-Pooling betrauten Konzerngesellschaft konsolidiert (physisches oder effektives Pooling) oder die Bank aggregiert fiktiv die Salden, ohne dass tatsächliche Überweisungen nötig sind (fiktives oder notional Pooling). Dadurch ist für den Gesamtkonzern nur mehr der jeweilige Saldo des Sammelkontos (extern) zu finanzieren (bzw. zu veranlagen). Der Gesamtkonzern erspart sich, dass einzelne Konzerngesellschaften ihre Bankkonten zu hohen Sollzinsen überziehen müssen, während andere ihre Guthaben nur mit niedrigen Habenzinsen verzinst erhalten. Diese Synergieeffekte aus dem Cash-Pooling werden - nach Verrechnung der für das Cash-Pooling anfallenden Kosten und der Vergütung des Cash-Pool-Betreibers - in der Regel allen Cash-Pool-Mitgliedern zu Gute kommen (Z 10.143 OECD-VPL).

122Die Besonderheit beim Cash-Pooling - im Vergleich zu anderen konzerninternen Finanzierungen - ist, dass die Cash-Pool-Mitglieder nicht direkt untereinander liquide Mittel transferieren, sondern die Mittel über den Cash-Pool einlegen bzw. ausleihen. Die Ausführungen zur Ermittlung eines fremdüblichen Zinssatzes bei Konzerndarlehen sind daher nur eingeschränkt anwendbar. Die Vergütung der Cash-Pool-Mitglieder hängt grundsätzlich von den konkreten Umständen sowie dem Funktions- und Risikoprofil der einzelnen Cash-Pool-Mitglieder ab (Z 10.144 OECD-VPL). Bei der Ermittlung des fremdüblichen Zinssatzes werden die aus dem Pooling resultierenden Synergieeffekte zwischen den Cash-Pool-Mitgliedern aufgeteilt. Dabei sind etwa die realistischerweise zur Verfügung stehenden Optionen der Cash-Pool-Mitglieder sowie eine gegebenenfalls bestehende Vereinbarung mit einer fremden Bank als Vergleichswert zu berücksichtigen, wobei allerdings die zwischen einer Bank und einem Cash-Pool-Betreiber bestehenden funktionalen Unterschiede zu berücksichtigen sind (Z 10.145 OECD-VPL).

123Aus dem Cash-Pooling ergeben sich nicht nur Vorteile, sondern auch Risiken für die Cash-Pool-Mitglieder. Einerseits besteht beim effektiven Pooling ein Ausfallsrisiko hinsichtlich der in den Pool eingelegten Mittel, andererseits haften (beim effektiven und beim fiktiven Pooling) in der Regel alle Cash-Pool-Mitglieder gegenüber der Bank. Im Rahmen der Funktions- und Risikoanalyse ist daher zu ermitteln, wer diese Risiken wirtschaftlich trägt, um eine funktions- und risikogerechte Vergütung der Cash-Pool-Mitglieder ermitteln zu können. Gegenseitige Garantien zwischen Cash-Pool-Mitgliedern werden jedoch häufig nicht zu vergüten sein, sofern der sich daraus ergebende Vorteil nicht über die Bonitätsverbesserung hinausgeht, die dem impliziten Konzernrückhalt zuzuschreiben ist (Z 10.148 OECD-VPL, Rz 126). Werden die Mittel über längere Zeit in den Cash-Pool eingelegt (bzw. von ihm ausgeliehen), wird die sachgerechte Abgrenzung des Geschäftsvorfalls womöglich dazu führen, dass gar kein (kurzfristiger) Cash-Pool-Saldo, sondern vielmehr ein längerfristiges Konzerndarlehen bzw. eine längerfristige Veranlagung vorliegt (Z 10.122 OECD-VPL).

Beispiel:

Die A-GmbH, ein österreichisches Tochterunternehmen des XY-Konzerns (Dienstleistungsbranche), ist in ein grenzüberschreitendes konzerninternes Cash-Pooling eingebunden. Die A-GmbH hat über mehrere Jahre hinweg wachsende Habensalden im Cash-Pool, die unterjährig nur sehr geringfügig schwanken und niedrig verzinst werden. Der Zinssatz wird durch Fremdvergleich mit der Verzinsung von Sichteinlagen bei Geschäftsbanken abgeleitet. Aufgrund der Branchen- und Unternehmensstruktur spielt die kurzfristige Finanzierung durch Fremdkapital bei der A-GmbH keine Rolle; der laufende Personal- und Sachaufwand wird aus dem laufenden Cashflow finanziert. Die A-GmbH plant außerdem kurzfristig keine größeren Investitionen oder Ausschüttungen an die Anteilseigner, für die Barmittel erforderlich wären. Cash-Pool-Betreiber ist die konzerninterne Finanzierungsgesellschaft, die aus der Cash-Pool-Einlage im Rahmen des Finanzierungsportfolios langfristige und hoch verzinste Konzerndarlehen finanziert.

Entsprechend anerkannter betriebswirtschaftlicher Grundsätze wird ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer (Rz 16) grundsätzlich das für die Absicherung der kurzfristigen Zahlungsfähigkeit notwendige Ausmaß an Barmitteln und kurzfristigen Finanzierungsmitteln halten. Branchenübliche Liquiditätskennzahlen ("current ratio" oder andere) können dabei beispielsweise Anhaltspunkte für den kurzfristigen Liquiditätsbedarf geben. Auf Basis einer sachgerechten Abgrenzung des Geschäftsvorfalls ist daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse jener Teil der Cash-Pool-Einlage der A-GmbH, der die kurzfristig notwendigen Veranlagungsbeträge übersteigt, als ein langfristiges Finanzierungsgeschäft umzuqualifizieren, welches entsprechend fremdüblich zu verzinsen ist (Rz 109 ff).

124Die Dienstleistungen des Cash-Pool-Betreibers ("cash pool leader") können bei lediglich niedrigem Funktions- und Risikoprofil nach der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden. Werden hingegen vom Cash-Pool-Betreiber tatsächlich konzernintern unvermeidbare Risiken im Zusammenhang mit der Cash-Pooling-Vereinbarung getragen (zB auf Grund eines beständigen und erheblichen Refinanzierungsüberhangs gegenüber fremden Dritten), bedürfen diese einer für das Funktions- und Risikoprofil angemessenen Abgeltung (siehe dazu Z 10.129 ff OECD-VPL). Die Cash-Pooling-Funktion ist grundsätzlich transaktionsbezogen zu beurteilen. Andere Finanzierungsgeschäfte des Cash-Pool-Betreibers sind bei der Ermittlung einer fremdüblichen Vergütung aus der Cash-Pooling-Vereinbarung nur dann zu berücksichtigen, wenn diese Finanzierungsgeschäfte mit der Cash-Pool-Funktion in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (zB Währungshedging oder Garantien iZm Cash-Pool).

Beispiel 1 (Z 10.133-10.137 OECD-VPL):

Die österreichische A-GmbH ist Konzerngesellschaft eines Konzerns, dessen oberste Muttergesellschaft die in Großbritannien ansässige X Ltd ist. Es wird ein effektiver Cash-Pool mit mehreren ausländischen Konzerngesellschaften eingerichtet. Die in Luxemburg ansässige M BV wird als Cash-Pool-Betreiber eingesetzt und schließt für diese Zwecke eine Cash-Pool-Vereinbarung mit einer konzernfremden Bank ab. Alle Cash-Pool-Mitglieder zahlen ihre Überschüsse auf das zentrale Konto der M BV ein bzw. es werden die Fehlbeträge über dieses zentrale Konto ausgeglichen. Die Bank bemisst sodann die Soll- oder Habenzinsen auf Basis des Gesamtsaldos auf dem Konto der M BV. Der Kreditrahmen, den die M BV in Anspruch nehmen kann, wird von der X Ltd garantiert.

Die Funktions- und Risikoanalyse zeigt, dass die M BV keinem Kreditrisiko unterliegt, da dieses bei den Cash-Pool-Teilnehmern verbleibt. Die M BV übt auch nicht die Funktionen einer Bank aus, sondern erfüllt lediglich eine Koordinationsfunktion. Der M BV steht daher lediglich ein Dienstleistungsentgelt zu und der Zinsspread zwischen den Einlagen und Darlehen der Cash-Pool-Mitglieder darf nicht von ihr vereinnahmt werden.

Beispiel 2 (Z 10.138-10.142 OECD-VPL):

Die österreichische T-GmbH ist die oberste Muttergesellschaft eines Konzerns und hat eine eigene Treasury Abteilung, die verschiedene konzerninterne sowie -externe Finanztransaktionen ausführt (zB die Emission von Anleihen, Aufnahme von Bankdarlehen, strategisches Liquiditätsmanagement). Die T-GmbH betreibt auch einen Cash-Pool und ist verantwortlich für alle Entscheidungen hinsichtlich der Investition von allfälligen Überschüssen bzw. der Finanzierung von Fehlbeträgen. Sie setzt die konzerninternen Zinssätze fest und trägt das Risiko in Hinblick auf die Differenz zu den Zinssätzen auf externe Finanzierungen und auf die Abdeckung von Fehlbeträgen aus dem Cash-Pool. Außerdem trägt sie das Kredit-, Liquiditäts- und Währungsrisiko für konzerninterne Finanzierungen aus dem Cash-Pool und sichert diese Risiken ab.

Eine sachgerechte Abgrenzung der von der T-GmbH ausgeführten Transaktionen ergibt, dass diese über eine Koordinationsfunktion hinausgehen und die Tätigkeit der T-GmbH mit wesentlichen Risiken verbunden ist, die sie auch finanziell tragen kann. Die T-GmbH muss daher dementsprechend vergütet werden, was im Wege einer teilweisen oder vollständigen Vereinnahmung der Zinsmarge zwischen den von ihr aufgenommenen und ausgereichten Mitteln aus dem Cash Pool geschehen könnte.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
VPDG, Verrechnungspreisdokumentationsgesetz, BGBl. I Nr. 77/2016
VPDG-DV, Verrechnungspreisdokumentationsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 419/2016
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 5 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 7 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Art. 9 OECD-MA, OECD-Musterabkommen
Verweise:
VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 126
VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 16
VPR 2021, Verrechnungspreisrichtlinien 2021 Rz 109 ff
Schlagworte:
Doppelbesteuerung - Verrechnungspreise - Fremdvergleichsgrundsatz - Arm's Length Principle - Transfer Pricing - Einkünfteabgrenzung - Preisvergleichsmethode - Wiederverkaufspreismethode - Kostenaufschlagsmethode - Nettomargenmethode - Gewinnaufteilungsmethode - Konzernumlagen - konzernintern - Kostenverteilungsverträge - Cash Pooling - Konzernstrukturänderungen - multinationale Konzernstrukturen - multinationale Betriebstättenstrukturen - Vertreterbetriebstätte - Funktionsanalyse - Risikoanalyse - AOA light - Authorized OECD Approach - Dokumentation - Verrechnungspreisdokumentation - Advance Pricing Agreement - APA - MAP - Verständigungsverfahren - Primärberichtigung - Sekundärberichtigung - Verrechnungspreisberichtigung - immaterielle Werte - Finanztransaktionen - Datenbankstudie - Betriebsstättengewinnzurechnung - Wirtschaftsgüterzuordnung - wesentliche Mitarbeiterfunktionen - Dotationskapital - Vergleichbarkeitsanalyse - Vergleichbarkeitsfaktoren - Methodenwahl
Stammfassung:
2021-0.586.616

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
PAAAA-76464