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Richtlinie des BMF vom 13.03.2024, 2023-0.871.819
4 Gewinnermittlung - Allgemeine Vorschriften (§§ 4 und 5 EStG 1988)

4.3 Bilanzberichtigung und Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 EStG 1988)

4.3.1 Allgemeines

637Bis zum Einreichen beim Finanzamt kann die Bilanz durch den Steuerpflichtigen - innerhalb allfälliger unternehmensrechtlicher Schranken - jederzeit geändert werden. Nach dem Einreichen beim Finanzamt muss unterschieden werden, ob eine Bilanzberichtigung oder eine Bilanzänderung vorliegt (, 91/13/0135).

638Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 ermitteln, gelten die Bestimmungen über Bilanzberichtigungen und Bilanzänderungen schon begrifflich nicht (). Sie können Irrtümer in Abgabenerklärungen bis zur rechtskräftigen Abgabenfestsetzung berichtigen (). Abweichend davon, gelten die Bestimmungen über eine steuerwirksame Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages ( § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) gemäß § 4 Abs. 3 letzter Satz EStG 1988 auch für Einnahmen-Ausgaben-Rechner (siehe dazu Rz 651 ff).

4.3.2 Bilanzberichtigung

4.3.2.1 Definition des Begriffes Bilanzberichtigung

639Unter Bilanzberichtigung versteht man

  • die Berichtigung eines in der Bilanz vorhandenen, unrichtigen und daher unzulässigen Bilanzansatzes durch einen zulässigen Bilanzansatz,

  • die Aufnahme eines fehlenden (zwingend aufzunehmenden) Bilanzansatzes, oder

  • das Ausscheiden eines unzulässigen Bilanzansatzes.

4.3.2.2 Formell - materiell unrichtiger Bilanzansatz

640Formelle Mängel, die die Bilanz materiell nicht unrichtig machen, sind nicht im Wege der Bilanzberichtigung zu beheben.

641Materielle Mängel liegen vor, wenn in der Bilanz nicht alle tatsächlichen Umstände berücksichtigt sind, die der Steuerpflichtige im Zeitpunkt ihrer Erstellung kannte oder ein sorgfältiger und gewissenhafter Kaufmann bei Anwendung der nötigen Sorgfalt kennen und nach der zutreffenden Gewinnermittlungsmethode berücksichtigen musste.

642Hat der Steuerpflichtige die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung eingehalten, dann bleibt die Bilanz auch dann richtig, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass sie objektiv unrichtig ist; ein Grund für eine Bilanzberichtigung ist daher nicht gegeben (). Eine unzutreffende rechtliche Beurteilung steht einer Bilanzberichtigung jedoch niemals entgegen ().

4.3.2.3 Pflicht zur Bilanzberichtigung

643Wird gegen die allgemeinen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB Bilanzwahrheit, Bilanzvollständigkeit, Bewertungsstetigkeit) oder gegen zwingende Gewinnermittlungsvorschriften des EStG 1988 verstoßen und ist dies dem Steuerpflichtigen bei der Bilanzerstellung bekannt bzw. musste ihm dies bekannt sein, muss sowohl bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 als auch bei jener nach § 5 EStG 1988 eine Bilanzberichtigung vorgenommen werden (). Bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG 1988 ist eine Bilanzberichtigung überdies bei einem Verstoß gegen zwingende unternehmensrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (zB Niederstwertprinzip) durchzuführen, sofern nicht zwingende abweichende Vorschriften des EStG 1988 bestehen.

Beispiele für gebotene Bilanzberichtigungen:

    • Nachholung einer gebotenen Aktivierung;

    • Berücksichtigung bisher nicht bilanzierter betrieblicher Verbindlichkeiten;

    • Berichtigung einer unrichtig angesetzten Betriebsschuld, Vornahme unterlassener AfA bzw. Korrektur von zu geringer oder überhöhter AfA;

    • Herausnahme notwendigen Privatvermögens aus der Bilanz oder Einbeziehung notwendigen Betriebsvermögens in die Bilanz;

    • Rückgängigmachung der Aktivierung von Erhaltungsaufwand.

644Eine Bilanzberichtigung muss in jedem Stadium des Besteuerungsverfahrens durchgeführt werden, ggf. auch von Amts wegen ().

Die Berichtigungspflicht betrifft grundsätzlich alle Bilanzen, die sich als unrichtig erweisen, selbst dann, wenn Feststellungs- oder Abgabenbescheide, die auf einer unrichtigen Bilanz beruhen, endgültig in Rechtskraft erwachsen sind (; ).

4.3.2.4 Steuerliche Auswirkungen der Bilanzberichtigung

4.3.2.4.1 Allgemeines

645Ein unrichtiger Bilanzansatz ist bis zum Jahr des erstmaligen fehlerhaften Ausweises zurück zu berichtigen (, Gebot der Berichtigung bis zur Wurzel des Fehlers). Es kommt jedoch deswegen zu keiner Durchbrechung des Bilanzzusammenhanges. Zur steuerwirksamen Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 siehe Rz 650 ff.

Eine Mitteilung an das Finanzamt zwecks Vornahme einer Bilanzberichtigung ist an keine Frist gebunden.

646Weder die Grundsätze des Bilanzzusammenhanges und der Bilanzierungsgleichmäßigkeit noch der Grundsatz von Treu und Glauben besagen, dass die Abgabenbehörde Aufwandsposten, die sie einmal zum Abzug zuließ, in rechtswidriger Weise auch weiterhin steuerlich berücksichtigen müsste (); vielmehr ist in solchen Fällen eine Berichtigung der entsprechenden Vorjahresbilanzen durchzuführen.

647Hat die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise durch Jahre hindurch in Übereinstimmung mit dem Abgabepflichtigen in vertretbarer Weise beurteilt, so darf es auf Grund einer anderen Vorgangsweise nicht zu einer Doppelbesteuerung (und auch zu keiner Doppelnichtbesteuerung) kommen ().

4.3.2.4.2 Bilanzberichtigung betreffend Fehler, die noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume betreffen

648Für die Berichtigung von Fehlern, die noch nicht verjährte Veranlagungszeiträume betreffen, kommt eine periodenfremde Fehlerkorrektur mit steuerlicher Wirkung nicht in Betracht (Nachholverbot, Gebot der Berichtigung bis zur Wurzel des Fehlers):

  • So können zB weder unterlassene Abschreibungen uneinbringlicher Forderungen in einem späteren Wirtschaftsjahr gewinnmindernd () noch unterlassene Aktivierungen von Forderungen in einem späteren Wirtschaftsjahr gewinnerhöhend () nachgeholt werden.

  • "Jubiläumsgeldrückstellung" und "Urlaubsrückstellung": Geht der Steuerpflichtige vom "deckungslosen Verfahren" zur Rückstellungsbildung über, so muss er eine Bilanzberichtigung durchführen. Die Eröffnungsbilanz ist entsprechend zu berichtigen, sodass sich nur der auf das Wirtschaftsjahr entfallende Teil der Rückstellung auf den Gewinn auswirkt ().

649§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des AbgÄG 2012 (periodenfremde steuerwirksame Fehlerberichtigung durch Ansatz eines Zu- oder Abschlages, siehe dazu Rz 651 ff) ist in Fällen, in denen der unrichtige Bilanzansatz ein noch nicht verjährtes Jahr betrifft, nicht anwendbar. Diesbezüglich kann eine (steuerwirksame) Richtigstellung nur im jeweiligen Jahr des Fehlers vorgenommen werden.

Ob eine Bilanzberichtigung daher in diesen Fällen steuerliche Auswirkungen nach sich zieht, ist davon abhängig, ob die Veranlagung bereits rechtskräftig ist oder nicht:

  • Bis zur Rechtskraft der Veranlagung führt die Bilanzberichtigung - ggf. im Wege eines Rechtsmittelverfahrens - auch zu einer Berichtigung der Veranlagung (; ).

  • Ist die Veranlagung hingegen bereits rechtskräftig, kann die Bilanzberichtigung nur dann zu einer Abänderung der Veranlagung führen, wenn dies verfahrensrechtlich möglich ist (zB Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO, Änderung gemäß § 295 Abs. 3 BAO nach einer auf § 293b BAO gestützten Bescheidänderung gemäß § 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, siehe dazu Rz 652g).


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
Verweise:






§ 4 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 651 ff
EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 650 ff



§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 293b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961


EStR 2000, Einkommensteuerrichtlinien 2000 Rz 652g
§ 4 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988



Schlagworte:
Einkommensteuer - Bilanzberichtigung - Bilanzwahrheit - Bilanzvollständigkeit - Bewertungsstetigkeit
Stammfassung:
06 0104/9-IV/6/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAA-76448