Richtlinie des BMF vom 13.03.2024, 2023-0.871.819
29 Kapitalertragsteuer ( §§ 93 bis 97 EStG 1988)
29.5 Einzelfragen
29.5.1 Pauschale Wertermittlung

29.5.1.3 Pauschale Ermittlung nach § 93 Abs. 4a EStG 1988

29.5.1.3.1 Allgemeines

7735aJakom/Marschner EStG, 2024, § 93Kirchmayr-Schliesselberger/Schuchter-Mang in Leitner/Brandl (Hrsg), Finanzstrafrecht 2022 (2023)Die Pauschalbewertungsvorschrift des § 93 Abs. 4a EStG 1988 dient dazu, in jenen Fällen, in denen die für den Kapitalertragsteuerabzug notwendigen Daten - die Anschaffungskosten, der gemeine Wert und das Anschaffungsdatum - dem abzugsverpflichteten inländischen Dienstleister weder bekannt, noch mit zumutbaren Aufwand ermittelbar sind, den Kapitalertragsteuerabzug auf Basis fingierter Werte zu ermöglichen. Eine Besonderheit beim KESt-Abzug für Einkünfte aus Kryptowährungen liegt darin, dass - im Gegensatz zum klassischen Wertpapiergeschäft - bei Kryptowährungen eine lückenlose Feststellung der Anschaffungskosten durch den Abzugsverpflichteten in vielen Fällen nicht möglich ist. Dies ist dadurch bedingt, dass Kryptowährungen häufig nicht durchgängig bei zum KESt-Abzug verpflichteten Dienstleistern gehalten werden, sondern zwischenzeitig an andere Kryptowährungsadressen (zB Offline-Wallets) übertragen werden. Um jedoch auch für diese Fälle eine Abzugsmöglichkeit zu schaffen, enthält § 93 Abs. 4a EStG 1988 die umfassende Möglichkeit für die Abzugsverpflichteten, vom Steuerpflichtigen bekanntgegebene Informationen zu übernehmen, soweit beim Abzugsverpflichteten keine entgegenstehenden Daten vorhanden sind. Die Pauschalbewertungsvorschrift kann somit dann zur Anwendung kommen, wenn Kryptowährungen erstmalig auf eine Kryptowährungsadresse oder eine Kryptowährungswallet eines inländischen abzugsverpflichteten Dienstleisters zugehen. Spätere pauschale Wertansätze sind auf Grundlage des § 93 Abs. 4a EStG 1988 unzulässig, es sei denn, es stellt sich nachträglich heraus, dass der Nachweis der Anschaffungskosten unrichtig war.

7735b § 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 iVm § 1 KryptowährungsVO sieht für Steuerpflichtige die Möglichkeit zur Bekanntgabe der notwendigen Steuerdaten an den Abzugsverpflichteten vor. Folgende Steuerdaten können dem Abzugsverpflichteten bekannt gegeben werden:

  1. das Anschaffungsdatum der Kryptowährung oder, wenn der Erwerb in zeitlicher Aufeinanderfolge erfolgt ist und der gleitende Durchschnittspreis anzuwenden ist, der Anschaffungszeitraum;

  2. die Anschaffungskosten der betreffenden Kryptowährung, wobei diese unter Anwendung des gleitenden Durchschnittspreises zu ermitteln sind (siehe Rz 6178z f);

  3. die Information, ob seit Erwerb der betreffenden Kryptowährung ein steuerneutraler Tausch im Sinne des § 27b Abs. 3 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 erfolgt ist.

Der Abzugsverpflichtete kann Inhalt und Struktur der zu übermittelnden Steuerdaten vorgeben, wobei durch § 2 Abs. 3 KryptowährungsVO auch die Übermittlung durch externe Dienstleister (insbesondere Steuersoftwareanbieter) zugelassen werden kann. Die allgemeinen ertragsteuerlichen Grundsätze, wie insbesondere der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit, sind bei der Wahl der Datengrundlage durch den Steuersoftwareanbieter zu berücksichtigen. Des Weiteren muss der externe Dienstleister seine Berechnungen auf Verlangen des Steuerpflichtigen, Abzugsverpflichteten oder des Finanzamtes jederzeit nachvollziehbar offenlegen können. Liegen dem Abzugsverpflichteten jedoch im Vorhinein Informationen vor, die zu begründeten Zweifeln an den Informationen der externen Dienstleister führen, dürfen in diesem Fall die Daten nicht übernommen werden.

Die Bekanntgabe und Plausibilisierung der Steuerdaten kann umgehend bei Übertragung der Kryptowährungen an den Abzugsverpflichteten erfolgen. Spätestens hat diese jedoch unmittelbar vor der Realisierung zu erfolgen (zB bei Custody Providern, die im Rahmen einer Veräußerung in die Abwicklung einer Realisierung eingebunden sind). Können die Daten dabei nicht plausibilisiert werden, hat der Abzugsverpflichtete diese gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 anzusetzen.

Ein auf korrekten Angaben des Steuerpflichtigen basierender KESt-Abzug entfaltet Endbesteuerungswirkung.

29.5.1.3.2 Plausibilitätsprüfung

7735cDer Abzugsverpflichtete hat die Angaben des Steuerpflichtigen auf deren Plausibilität zu überprüfen, wobei eine standardisierte automatisationsunterstützte Überprüfung erfolgen kann. Dabei kann ein automatisierter Abgleich mit historischen Anschaffungskursen der jeweiligen Kryptowährungen erfolgen, wobei auch angemessene Schwankungen Berücksichtigung finden können.

Eine manuelle Einzelfallüberprüfung muss somit nicht stattfinden. Soweit die standardisierte Überprüfung durch den Abzugsverpflichteten nicht vorgenommen wird oder deren Ergebnis als nicht plausibel eingestuft wurde, steht es dem Abzugsverpflichteten frei, vom Steuerpflichtigen weitere Nachweise zu den Steuerdaten zu verlangen. Als Nachweise können beispielsweise Kaufbelege von anerkannten Kryptowährungsbörsen oder eine Bestätigung eines Steuerberaters, der unter Heranziehung vorgelegter Kauf- und Verkaufsbelege die Anschaffungskosten (mit dem gleitenden Durchschnittspreis) berechnet hat, herangezogen werden.

Sofern der Steuerpflichtige Anschaffungskosten in Höhe von Null bekannt gibt, kann eine Plausibilitätsprüfung unterbleiben.

29.5.1.3.3 Pauschaler Wertansatz nach § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988

7735dSofern der Steuerpflichtige keine Angaben zu den tatsächlichen Anschaffungskosten und dem Anschaffungszeitpunkt macht bzw. diese Angaben offensichtlich unrichtig (zur Plausibilitätsprüfung siehe Rz 7735c) sind und daher vom Abzugsverpflichteten nicht verwendet werden können, sieht § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 eine pauschale Ermittlung der Steuerdaten vor. Dabei ist von einer Anschaffung nach dem 28. Februar 2021 und damit von steuerhängigem Neuvermögen auszugehen. Die Anschaffungskosten sind in diesem Fall vom Abzugsverpflichteten pauschal in Höhe des halben Veräußerungserlöses anzusetzen.

29.5.1.3.4 Ausschluss von der Steuerabgeltungswirkung und vom Verlustausgleich nach § 93 Abs. 7 EStG 1988

7735eWird der Kapitalertragsteuerabzug auf Basis von nach § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 abgeleiteten Werten durchgeführt, bewirkt der Steuerabzug keine Steuerabgeltung nach § 97 EStG 1988 ( § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988). Ebenso entfaltet der Steuerabzug keine Abgeltungswirkung, wenn die gemäß § 93 Abs. 4a Z 1 EStG 1988 vom Steuerpflichtigen bekanntgegebenen Steuerdaten unrichtig sind, selbst wenn der Abzugsverpflichtete diese für Zwecke des KESt-Abzuges übernehmen kann, weil keine offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt.

Der Ausschluss von der Steuerabgeltung bewirkt somit eine Veranlagungspflicht für jene Kryptowährungen, bei denen der KESt-Abzug ausgehend von pauschal ermittelten Werten oder von unrichtig angegebenen Werten durchgeführt worden ist. In weiterer Folge sind vom Steuerpflichtigen "die tatsächlichen Anschaffungskosten" im Rahmen der Veranlagung nachzuweisen. Können die tatsächlichen Werte nicht nachgewiesen werden, sind diese gemäß § 184 BAO zu schätzen.

7735fWeiters sind Einkünfte, bei denen der KESt-Abzug auf der Grundlage pauschaler Werte gemäß § 93 Abs. 4a Z 2 EStG 1988 vorgenommen wurde, vom Verlustausgleich durch den inländischen Dienstleister ( § 93 Abs. 7 EStG 1988) ausgenommen. Dies gilt nicht für laufende Einkünfte aus Kryptowährungen gemäß § 27b Abs. 2 EStG 1988 aus Wirtschaftsgütern mit pauschal ermittelten Anschaffungskosten; diese sind in den automatischen Verlustausgleich einzubeziehen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zusatzinformationen
Gültig ab:
13.03.2024
Betroffene Normen:
§ 93 Abs. 4a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Stammfassung:
06 0104/9-IV/6/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
LAAAA-76448