VwGH 27.04.2017, Ra 2015/15/0007
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/16/0082, näher ausgeführt hat, kommt einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof vom , 2012/13/0091, und vom , Ra 2015/16/0065). |
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RS 2 | Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit. Die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zeitigt der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl Zorn, Schutz des Abgabepflichtigen durch den Grundsatz von Treu und Glauben, in Lang/Schuch/Staringer, Soft Law in der Praxis, Wien 2005, Seite 89). Der Umstand, dass eine in der Vergangenheit erfolgte Überprüfung durch die Behörde eine bestimmte Vorgangsweise des Abgabepflichtigen unbeanstandet gelassen hat, hindert die Behörde nicht, diese Vorgangsweise als rechtswidrig zu beurteilen (vgl das hg Erkenntnis vom , 2002/14/0148, mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2004/14/0076 E RS 4
(hier nur der dritte Satz) |
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RS 3 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revision des J V und der M M in G, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in 5582 St. Michael, Murtalstrasse 499, und die Schöberl Steuerberatungsgesellschaft mbH in 5582 St. Michael, Murtalstraße 488, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100450/2011, betreffend u. a. Umsatzsteuer 2005 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die beiden Revisionswerber erwarben im Jahr 2005 ein Appartement in einer Ferienanlage, die im Rahmen eines Investmentprojektes von einer "Betreiber-GmbH" zu touristischen Zwecken vermietet wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der Revisionswerber betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften der Jahre 2005 bis 2009 Folge gegeben. Weiters wurde der Bescheid des Finanzamtes betreffend die Begrenzung der Gültigkeit der UID-Nummer ersatzlos aufgehoben. Schließlich sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass die "Berufung" gegen die Bescheide betreffend die Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 mangels Vorliegens einer Eingabe nicht behandelt werde. Das diesbezügliche Verfahren werde eingestellt.
3 Die Revisionswerber hätten gegen Bescheide des Finanzamtes betreffend die Nichtfeststellung von Einkünften der Jahre 2005 bis 2007 und "ab 2008" sowie gegen den Bescheid betreffend die Begrenzung der UID-Nummer mit Schreiben vom (ohne Begründung) Berufung erhoben. Mit E-Mail vom - persönlich an Mag. D adressiert - sei die Begründung nachgereicht und erstmals auch Berufung gegen die "Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer" für die Jahre 2005 bis 2007 und "ab 2008" erhoben worden. Ein Nachweis für die postalische Übermittlung der als E-Mail übermittelten Eingabe vom sei nicht vorhanden. Jedoch existiere eine Notiz über ein Gespräch zwischen einer Angestellten des Parteienvertreters und Mag. D, wonach Mag. D das E-Mail vom erhalten habe und "das jetzt per Post nicht mehr" benötige.
4 Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2012/16/0082, löse ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtige es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig sei. Die Abgabenbehörde sei nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handle. Für den gegenständlichen Fall bedeute dies, dass es dem Bundesfinanzgericht verwehrt sei, über die per E-Mail am an die Organwalterin des Finanzamtes eingereichte "Berufung" gegen die Bescheide betreffend die Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer für 2005 bis 2007 sowie 2008 und 2009 abzusprechen, da eine entsprechende Eingabe noch gar nicht vorliege. Solcherart erübrige sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob dem steuerlichen Vertreter die Nichtveranlagungsbescheide schon am , oder erst am - wie von den Revisionswerbern behauptet - zugestellt worden seien.
5 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei nicht zulässig, weil die "Beschwerdepunkte" hinsichtlich der Feststellungsbescheide und der Begrenzung der UID-Nummer "zwischen den Parteien außer Streit" stünden. Was die Umsatzsteuer anlange, handle es sich bei der Frage des Einbringungsvorganges um eine solche der Beweiswürdigung; die rechtliche Beurteilung sei durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes klargestellt (Hinweis auf das Erkenntnis vom , 2012/16/0082).
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision insofern "als die Berufung (Beschwerde) gegen die Bescheide betreffend die Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer 2005 - 2009 mangels Vorliegen einer Eingabe nicht behandelt und das diesbezügliche Verfahren eingestellt wurde". Die Revision sei zulässig, weil folgende rechtserhebliche Fragen nicht durch Vorjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes geklärt seien:
"1. Ist eine Behörde nicht verpflichtet, einer Partei, die
ein Anliegen per e-mail überreicht, einen Mängelbehebungsauftrag
nach § 85 BAO zu übermitteln?
2. Darf eine Behörde bei einem Anliegen, das per e-mail
eingereicht wurde, überhaupt in der Sache selbst verhandeln?
3. Ist es einer Behörde erlaubt, bei einem - ex post gesehen - formwidrigen Anbringen einen Teil dieses Anbringens (Nichtfeststellung von Einkünften 2005 - 2009) inhaltlich zu behandeln und den anderen (Nichtveranlagung der USt. 2005 - 2009) als nicht gegebene Eingabe zu qualifizieren?
4. Darf ein e-mail einer Partei in einem Verfahren nach der
BAO als unzulässig, gleichzeitig ein e-mail von einer Sachbearbeiterin einer Behörde hingegen als maßgeblich angesehen werden? Widerspricht diese Vorgangsweise nicht dem Grundsatz des fairen Verfahrens nach ‚Treu und Glauben'?"
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wurde.
8 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision ist nicht zulässig.
11 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2012/16/0082, näher ausgeführt hat, kommt einer E-Mail im Anwendungsbereich der BAO nicht die Eigenschaft einer Eingabe zu, wobei es sich nicht einmal um eine einem Formgebrechen unterliegende, der Mängelbehebung gemäß § 85 BAO zugängliche Eingabe handelt. Ein mit E-Mail eingebrachtes Anbringen löst weder eine Entscheidungspflicht der Behörde aus, noch berechtigt es die Behörde, eine bescheidmäßige Entscheidung zu fällen, die von einem Anbringen abhängig ist, etwa eine Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zu fällen, die von einem Rechtsmittel abhängig ist. Die Abgabenbehörde ist nicht einmal befugt, das "Anbringen" als unzulässig zurückzuweisen, weil es sich bei einer solchen E-Mail eben nicht um eine Eingabe an die Behörde handelt (vgl. auch Verwaltungsgerichtshof vom , 2012/13/0091, und vom , Ra 2015/16/0065).
12 Dass es das Bundesfinanzgericht nicht bei einer bloßen diesbezüglichen Information beließ, sondern das Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2009 spruchgemäß eingestellt hat, verletzt die Revisionswerber nicht in dem von ihnen geltend gemachten subjektiven Recht auf eine Sachentscheidung.
13 Die gegenständliche Revision wendet sich nicht gegen das angefochtene Erkenntnis, soweit damit dem Berufungsbegehren der Revisionswerber Rechnung getragen wurde (Feststellung der Einkünfte und Begrenzung der UID-Nummer). Solcherart ist es dem Verwaltungsgerichtshof aber verwehrt, die Frage zu prüfen, ob die mit E-Mail vom erfolgte Berufungsergänzung hinsichtlich der Feststellung der Einkünfte und der Begrenzung der UID-Nummer geeignet war, die der Berufung vom anhaftenden Mängel zu beheben.
14 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. für viele , VwSlg. 8528/F, mit weiteren Nachweisen). Ein derartiger Vollzugsspielraum besteht im Revisionsfall nicht. Da § 85 und § 86a BAO und die auf Grund § 86a BAO ergangenen Verordnungen die Einbringung von Anbringen mittels E-Mail nicht vorsehen, kommt einer E-Mail die Eigenschaft einer Eingabe auch dann nicht zu, wenn das Finanzamt ein derartiges Anbringen (zunächst) in Bearbeitung nimmt (vgl. nochmals ).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Rechtsgrundsätze Treu und Glauben erworbene Rechte VwRallg6/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2017:RA2015150007.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-48824