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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2024, RV/7100082/2024

Verfassungswidrigkeit des Energiekrisenbeitrages (EKB-S) nach dem EKBSG

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 1537/2024 anhängig.


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Rechtssätze
Folgerechtssätze
RV/7100082/2024-RS1
wie RV/7100706/2024-RS2
Das Bundesfinanzgericht hegt keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des EKBSG, die zu einem Aufhebungsantrag gemäß Art 89 Abs 2 B-VG Anlass geben würden.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Johannes Böck in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch BDO GmbH RNF BDO Niederösterreich GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Krugerstraße 10 Tür EG, 1010 Wien, und ***1*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Großbetriebe vom betreffend Abweisung des Antrages auf Festsetzung von Selbstbemessungsabgaben gemäß § 201 BAO für den Zeitraum 12/2022 bis 06/2023, St.Nr. ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden mit Bf. bezeichnet) ist als Erzeugerin vom Strom im Bereich der erneuerbaren Energie, insbesondere der Windenergie tätig. Aufgrund dieser Geschäftstätigkeit war nach dem Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) der Energiekrisenbeitrag-Strom für den Zeitraum bis selbst zu bemessen und bis an das Finanzamt zu entrichten.

1. Antrag auf Festsetzung vom :

Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Festsetzung von Energiekrisenbeitrag-Strom für den Zeitraum bis mit EUR 0,00 sowie die Rückzahlung des sich aus dieser Festsetzung ergebenden Guthabens.

Begründend wurde ausgeführt, als Veräußerer von im Inland erzeugten Strom sei die Bf. gemäß § 1 Abs. 3 EKBSG zur Selbstbemessung und Entrichtung verpflichtet.

Nach § 6 Abs. 3 EKBSG habe der Beitragsschuldner den EKB-S am Fälligkeitstag am gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 EKBSG zu entrichten. Die Bf. habe den selbst berechneten EKB-S rechtzeitig am entrichtet. Dabei handle es sich um eine Selbstbemessungsabgabe iSd § 201 Abs. 1 BAO, was in § 5 Abs. 3 EKBSG ausdrücklich festgehalten werde.

Im vorliegenden Fall erweise sich der selbstberechnete bekannt gegebene und abgeführte Betrag als zwar der derzeitigen gesetzlichen Lage entsprechend; da allerdings die Berechnung in den Augen der Bf. verfassungswidrig sei und der "Beitrag" daher in verfassungskonformer Betrachtung nicht bezahlt werden müsste, sei somit der selbst berechnete "Beitrag" falsch. Der EKB-S sei daher mit EUR 0,00 festzusetzen und der entrichtete EKB-S iHv EUR 4.015.615,75 zurückzuzahlen.

Der entrichtete Betrag iHv EUR 4.015.615,75 sei für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum wie folgt ermittelt worden:


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Zeitraum:
Preis Gesamt MW in EUR
Preis HKN MW in EUR
Preis Strom MW in EUR
produzierte kWh:
Erlös GESAMT in EUR:
Dez.22
269,47
4,00
265,47
6.109.048,00
1.646.205,16
Jän.23
305,16
7,00
298,16
9.583.285,00
2.924.435,25
Feb.02
290,76
7,00
283,76
8.241.972,08
2.396.448,00
Mär.23
289,21
7,00
282,21
8.138.658,79
2.353.781,51
Apr.23
202,17
7,00
195,17
8.537.531,29
1.726.032,70
Mai.23
248,39
7,00
241,39
6.239.258,59
1.549.769,44
Jun.23
359,99
7,00
352,99
3.148.867,94
1.133.560,97
SUMME:
49.998.621,69
13.730.233,04


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Zeitraum:
Erlös GESAMT in EUR:
davon Erlös HKN:
davon Erlös Stromverkauf:
EKB-S in EUR (140 bzw 120):
EKB-S in EUR (180 bzw 160):
Dez.22
1.646.205,16
24.436,19
1.621.768,97
689.852,03
469.926,30
Jän.23
2.924.435,25
67.083,00
2.857.352,25
1.364.123,12
1.019.124,86
Feb.02
2.396.448,00
57.693,80
2.338.754,20
1.066.390,29
769.679,30
Mär.23
2.353.781,51
56.970,61
2.296.810,90
1.041.658,80
748.667,08
Apr.23
1.726.032,70
59.762,72
1.666.269,98
423.914,04
116.562,91
Mai.23
1.549.769,44
43.674,81
1.506.094,63
569.338,59
344.725,28
Jun.23
1.133.560,97
22.042,08
1.111.518,89
660.289,27
546.930,02
SUMME:
13.730.233,04
331.663,21
13.398.569,83
5.815.566,14
4.015.615,75

1.1 Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip:

Der Gleichheitsgrundsatz übernehme im Abgabenrecht im Ergebnis die Funktion der Gewährleistung einer sachgerechten und somit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Besteuerung. Der VfGH spreche in seiner Judikatur zu Ertragssteuern regelmäßig davon, dass diesen Steuern das Prinzip "immanent" sei, an die Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte anzuknüpfen (vgl. Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Korinek/Holoubek/Bezemek/ Fuchs/Martin/Zellenberg zu Artikel 7 Abs 1 Sätze 1 und 2 B-VG (und Artikel 20 GRC) (Holoubek).

Als Ausfluss des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes habe der VfGH das Nettoprinzip formuliert und festgehalten, dass diese Steuer den periodisch erzielten Zuwachs an persönlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, ausgedrückt im Wesentlichen durch das am Markt erzielte (Rein)Einkommen, erfassen solle. Dieses Konzept gebiete es grundsätzlich, die zur Erzielung des Einkommens aufgewendeten Aufwendungen von der Bemessungsgrundlage abzuziehen (vgl. VfSlg 18.783/2009).

Für den VfGH sei das objektive Nettoprinzip ein dem Abgabenrecht zugrundeliegendes Ordnungsprinzip, von dem im Lichte des Gleichheitsgrundsatzes nur bei entsprechender sachlicher Rechtfertigung abgewichen werden dürfe (vgl. Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg zu Artikel 7 Abs 1 Sätze 1 und 2 B-VG (und Artikel 20 GRC) (Holoubek).

Prinzipiell müssen Abgaben also auf das tatsächlich erzielte Einkommen, und nicht auf einen fiktiven Gewinn abstellen. Von diesem sog. "Leistungsfähigkeitsprinzip" dürfe nur mit sachlicher Rechtfertigung abgewichen werden (vgl. VfSlg 19.933/2014). Der Gleichheitsgrundsatz werde somit zur sachlichen Rechtfertigung der Grundsatzentscheidung über die Steuerwürdigkeit herangezogen (vgl. VfSlg 18.706/2009).

Nach der hL sei für die Wahl eines konkreten Besteuerungsgegenstandes ein sachlicherBelastungsgrund vorzuweisen. Vor dem Hintergrund des ertragssteuerrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips sah der VfGH zum Beispiel in einer erhöhten Mindestkörperschaftssteuer für umsatzstarke Unternehmen einen Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz, da im Effekt umsatzstarke Kapitalgesellschaften mit geringeren Erträgen relativ höher, solche mit höheren Erträgen relativ geringer besteuert werden (vgl. VfSlg 15.060/1997). Unsachlich sei somit eine Besteuerung, die von zufälligen Umständen abhänge (vgl. VfSlg 19.449/2011).

Vor dem Hintergrund des objektiven Nettoprinzips erscheine die Ausgestaltung der EKB-S in zwei Aspekten verfassungswidrig:

Zunächst verwende der EKB-S - im Gegensatz zum Energiekostenbeitrag für fossile Energieträger (EKB-f), nicht den Gewinn der vergangenen Jahre als Bemessungsgrundlage, sondern die realisierten Erträge, die ein Beitragsschuldner für den Verkauf und die Lieferung von Strom in der Union erhalte. Eine verfassungsrechtlich notwendige, sachliche Rechtfertigung, wieso hier auf die Erlöse und nicht auf Gewinne, also das tatsächliche Einkommen iSd Leistungsfähigkeitsprinzips, abgestellt werde, gebe es im Gesetz keine.

Es könne auch nur schwerlich eine sachliche Rechtfertigung dafür geben, dass auf einen quasi fiktiven Gewinn abgestellt werde. Dies insbesondere, da in der Realität die Erlöse und die Produktionskosten der Stromerzeugung bei den unterschiedlich betroffenen Stromerzeugern (Windenergie, Solarenergie (Solarthermie und Fotovoltaik), Erdwärme, Wasserkraft, Abfall, Braunkohle, Steinkohle, Erdölerzeugnissen, Torf und Biomasse-Brennstoffen, ausgenommen Biomethan) unterschiedlich seien. Gerade Wind- und Solarenergieproduzenten seien aufgrund der hohen Fixkosten potentiell besonders betroffen. Ein einheitliches Anknüpfen an den Erlös anstatt des Gewinnes widerspreche also wohl dem Gleichheitsgrundsatz, da hier unterschiedliche Sachverhalte behandelt werden.

Überdies erscheine auch die Obergrenze willkürlich gewählt. Die in Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallsmaßnahmen-VO vorgegebene Obergrenze, auf der der EKB-S ursprünglich beruhe, betrage 180/MWh Strom. Zwar erlaube die EU-Notfallsmaßnahmen-VO in Art 8 die Festlegung einer niedrigeren Obergrenze, dennoch liege keine Rechtfertigung für die von Österreich gewählte Obergrenze vor. Dies zeige sich auch daran, dass die zunächst bei EUR 140/MWh Strom liegende Obergrenze für das zweite Halbjahr 2023 mittels Novelle auf EUR 120/MWh Strom gesenkt worden sei. Die aus den parlamentarischen Materialien hervorgehende Begründung, dass die österreichische Obergrenze innerhalb der durch die EU vorgegebenen Obergrenze liege, könne keinesfalls als sachliche Rechtfertigung genügen.

Insofern würden die willkürliche Bemessungsgrundlage, die auf Erlöse abstelle und die willkürlich festgesetzte Obergrenze gegen das objektive Nettoprinzip verstoßen und seien damit gleichheits- und somit verfassungswidrig.

1.2 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern:

Der Gleichheitsgrundsatz beinhalte ein Differenzierungsverbot, dass unsachliche Differenzierungen oder aber auch unsachliche Gleichbehandlungen von ungleichen Tatbeständen verbiete, sowie ein Sachlichkeitsgebot, der bei einer unterschiedlichen Behandlung einen rechtfertigenden Grund notwendig mache.

Gleichzeitig mit dem EKBSG sei mit dem EKBFG ein Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKB-f) eingeführt worden (vgl. Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG) StF: BGBL I Nr. 220/2022). Art. 14 Abs. 3 der EU-Notfallmaßnahmen-VO habe die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur Umsetzung des befristeten obligatorischen Solidaritätsbeitrags nach Art. 14 Abs. 1 dieser Verordnung zu setzen. Mit dem EKBFG habe Österreich die Verordnung umgesetzt und die Erhebung des EKB-f auf sog. "Zufallsgewinne" (Überschussgewinne von inländischen Unternehmen und Betriebsstätten, die Wirtschaftstätigkeiten im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich ausüben), eingeführt.

Der EKB-f sei wie der EKB-S eine ausschließliche Bundesabgabe (§ 1 EKBFG). Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den EKB-f sei der steuerpflichtige Gewinn des jeweiligen Erhebungszeitraumes (= das zweite Kalenderhalbjahr 2022 und das Kalenderjahr 2023) dem Durchschnitt der steuerpflichtigen Gewinne des Vergleichszeitraums (= die Kalenderjahre 2018 bis 2021) gegenüberzustellen. Bemessungsgrundlage für den EKB-f sei jener Betrag, um den der steuerpflichtige Gewinn des Erhebungszeitraumes um mehr als 20 % über dem Durchschnittsbetrag liege. Der EKB-f solle sodann 40 % der Bemessungsgrundlage betragen. Nach § 1, § 2 und § 3 EKBFG könne vom EKB-f wiederum ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz abgezogen werden (§ 4 EKBFG) (vgl. Bleyer, Übergewinnsteuer für Energieunternehmen).Betroffen sei in Österreich hauptsächlich die OMV.

Im Gegensatz zum EKB-S, der auf den erzielten Erlös abstelle, stelle der EKB-f also (im Einklang mit dem objektiven Nettoprinzip) also auf die tatsächlich erzielten Übergewinne ab. Hier liege also eine eindeutige Ungleichbehandlung von vergleichbaren Tatbeständen vor.

Regelungsgegenstand beider Gesetze sei die Besteuerung von "Zufallsgewinnen" im Energiesektor. Sowohl Stromerzeuger als auch fossile Energieträger würden von den gestiegenen Preisen profitieren. Durch das Merit-Order-System seien sie sogar in der Preisbildung aneinandergebunden. Es seien also eindeutig vergleichbare Tatbestände, was sich auch daraus ergebe, dass beide Gesetze auf derselben EU-Verordnung beruhen und als gemeinsames Paket beschlossen worden seien.

Doch während bei Stromproduzenten der Umsatz als Bemessungsgrundlage herangezogen werde, ohne dies sachlich zu begründen, stelle der EKB-f auf den Gewinn ab.

Sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung gebe es keine. Darauf abzustellen, dass die (ohnehin ausgelaufene) EU-Verordnung diese Differenzierung vornehme, könne nicht reichen, da Österreich die von der EU gesetzte Obergrenze von EUR 180/MwH Strom deutlich (ebenfalls ohne sachliche Rechtfertigung) unterschreite. Hinzu komme, dass die faktische Besserbehandlung des fossilen Sektors gerade unter dem Aspekt des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit nachgerade absurd anmute. Insofern sei die unsachliche Ungleichbehandlung von Stromproduzenten und fossilen Energieträgern gleichheits- und somit verfassungswidrig.

1.3 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und Fernwärmeversorgern:

Eine weitere unsachliche Ungleichbehandlung sei die Unterscheidung zwischen Stromerzeugern und von Fernwärmeversorgern. Es sei nicht nur so, dass beide Sektoren Energieversorger seien, also im gleichen Feld tätig seien. Die starke Preissteigerung im Energiesektor, die als Ratio für den EKB-S diene, betreffe ebenso andere Energieformen.

So habe Österreich bei der Fernwärme sogar die mit Abstand höchste Inflationsrate im EU-Vergleich (vgl. HVPI Eurostat (Indexwerte Energiekomponenten)). Bei Fernwärme haben Österreichs Energieversorger die Preise innerhalb der Europäischen Union am deutlichsten erhöht. In der Europäischen Union seien die Preise für Fernwärme im Vergleich zum Vorjahr um 17,5 Prozent gestiegen, während die Preise in Österreich um 60,3 Prozent teurer geworden seien (vgl. https://www.momentum-institut.at/news/inflation-bei-fernwarme-und-gas-ist-österreich-teuerungs-spitzenreiter-der-eu). Doch trotz der extremen Preissteigerungen am Fernwärmemarkt und den damit einhergehenden Übergewinnen, die die Versorger in diesem Bereich erzielen konnten, gebe es für den Fernwärmesektor keine Übergewinnsteuer.

Auch hier gebe es keinerlei sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung gleicher Tatbestände: der Besteuerung von "Zufallsgewinnen" von Energieerzeugern. Auch hier könne die EU-Notfallsmaßnahmen-VO nicht als Rechtfertigung dienen, da Österreich explizit von der Möglichkeit von der Verordnung abzuweichen Gebrauch gemacht habe, und die EKB-S auch nach dem Auslaufen der EU-Verordnung noch in Geltung stehe. Insofern sei die unsachliche Ungleichbehandlung von Stromproduzenten und fossilen Fernwärmeversorgern gleichheits- und somit verfassungswidrig.

1.4 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und Stromhändlern:

Gemäß § 1 Abs. 3 EKBSG unterliegen dem EKB-S die "[...] Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom [...] durch den Stromerzeuger, einschließlich der Realisierung von Veräußerungsrechten auf Strom." Betroffen von der EKB-S seien also lediglich Stromproduzenten, Stromhändler müssen keine Steuer auf die von ihnen erzielten "Zufallsgewinne" leisten. Tatsächlich würden Stromhändler aber ebenso von den gestiegenen Strompreisen profitieren, es seien gerade die Händler, die den Strom an Endverbraucher verkaufen - also jenen, denen der EKB-S den Materialien zufolge zugutekommen sollte (vgl. AB 1817 Blg XXVII. GP vom ).

Für diese Ungleichbehandlung von gleich zu behandelnden Tatbeständen gebe es nicht einmal den Versuch einer Rechtfertigung, sowohl in den Materialien des EKBSG als auch in den Erwägungen der EU-Notfallsmaßnahmen-VO werden Stromhändler ebenso angesprochen, dennoch seien sie letztlich vom Gesetz ausgenommen. Insofern sei die unsachliche Ungleichbehandlung von Stromproduzenten und Stromhändlern gleichheits- und damit verfassungswidrig.

1.5 Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot:

Ausfluss der Rechtsprechung des VfGH zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz sei die Formulierung des "allgemeinen Sachlichkeitsgebots", wonach der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber "insofern inhaltliche Schranken setze, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. VfSlg 17.807/2006).

Für dieses Sachlichkeitsgebot habe der VfGH die Formel entwickelt, dass eine gesetzliche Regelung auf einem vernünftigen Grund beruhen muss und nicht unverhältnismäßig sein dürfe (vgl. VfSlg 14.650/1996, 16.080/2001, 17.026/2003). Strukturell lasse sich jedenfalls festhalten, dass das allgemeine Sachlichkeitsgebot nach herrschender Auffassung zu einer Prüfung dahingehend führe, ob die für eine bestimmte Regelung ins Treffen geführte (externe) Zielsetzung (man könnte auch sagen: das öffentliche Interesse, oder wenn man den hier weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung seiner Ziele betonen wolle, der "vernünftige Grund") und ihre Umsetzung gegenüber der für den betroffenen Einzelnen damit verbundenen Benachteiligung verhältnismäßig seien (vgl. VfSlg 17.315/2004 oder 17.807/2006).

Ziel der EKB-S sei eindeutiger Weise eine Reduzierung der Strompreise bei den Endverbraucher:innen. So gehe in diesem Zusammenhang aus den parlamentarischen Materialien zum EKBSG hervor, dass

"in einer Situation, in der die Verbraucher extrem hohen Preisen ausgesetzt sind, die auch der Wirtschaft schaden, die außergewöhnlichen Markterlöse von Erzeugern mit niedrigeren Grenzkosten vorübergehend begrenzt werden, indem auf diese Markterlöse aus dem Stromverkauf die Obergrenze für Markterlöse angewandt werde." (vgl. GP XXVII IA 3024/A AB 1817 S. 187).

Aus den Erwägungsgründen der EU-Notfallmaßnahmen-VO gehe in diesem Zusammenhang hervor:

"Der Preisanstieg an den Stromhandelsmärkten hat zu einem drastischen Anstieg der Endkundenstrompreise geführt, der vor der nächsten Heizperiode noch weiter andauern und sich nach und nach auf die meisten Verbraucherverträge auswirken dürfte. […] Es bedarf daher einer raschen und koordinierten Reaktion auf Unionsebene. Mithilfe der Festlegung von Notmaßnahmen könnte vorübergehend das Risiko gemindert werden, dass die Strompreise und die Kosten für Strom noch weniger tragfähige Niveaus erreichen. […]."

Der EKB-S soll also die Preise für die Verbraucher senken. Doch gerade dieses Ziel könne durch die Erlösabschöpfung nicht erreicht werden. Mittlerweile erscheine es eindeutig, dass der EKB-S nicht zu einer Senkung der Strompreise geführt habe. Dies unter anderem, da eben Stromproduzenten nicht an Verbraucher, sondern an Stromhändler verkaufen, die dann an Verbraucher weiterverkaufen. Doch gerade diese seien eben von der EKB-S ausgenommen.

Die Maßnahmen zur Einnahmebeschränkung bei den Stromerzeugern seien in Bezug auf die Endverbraucherpreise praktisch wirkungslos. Das EKBSG stelle keine Barriere dar, die Stromhändler davon abhalte, Elektrizität zu unterschiedlichen Preisen (egal ob niedrig oder hoch, direkt von den Erzeugern oder über den Markt) zu erwerben und sie mit erheblichem Aufschlag an die Endverbraucher weiterzuverkaufen. Um die tatsächlichen Preise für die Endverbraucher zu beeinflussen, hätte man die Einnahmen der Stromhändler direkt ins Visier nehmen müssen. Somit erziele die aktuelle Regelung am eigentlichen Problem vorbei und treffe die falschen Akteure.

Überdies komme noch hinzu, dass andere Energieproduzenten, wie zB Fernwärmeproduzenten vollkommen von der Regelung unbetroffen seien, obwohl auch ihre Preise starken Einfluss auf den Strommarkt haben.

Damit sei die Regelung nicht zur sachlichen Zielerreichung geeignet und verstoße somit gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei daher verfassungswidrig.

Es werde somit eine Festsetzung des EKB-S für den Zeitraum bis mit EUR 0,00 und damit eine Rückzahlung des sich aus der Festsetzung ergebenden Guthabens beantragt.

Diesem Antrag wurde eine Aufstellung gemäß § 8 Abs. 2 EKBSG der ziffernmäßigen Ermittlung beigelegt.

2. Abweisungsbescheid betreffend Festsetzung des Energiekrisenstrombeitrages:

Mit Bescheid vom wurde der Antrag betreffend bescheidmäßige Festsetzung des Energiekrisenbeitrag-Strom abgewiesen.

Nach § 201 Abs. 3 Z 1 BAO habe die Festsetzung zu erfolgen, wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrags eingebracht sei. Das treffe hier zu.

Darüber hinaus setze § 201 BAO voraus, dass der Steuerpflichtige keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekanntgebe oder dass sich die Selbstberechnung nicht als richtig erweise.

Daraus folgt, dass keine Festsetzung der Abgabe erfolgen dürfe, wenn sich die bekannt gegebene Selbstberechnung als richtig erweise. In einem solchen Fall sei der Antrag auf Festsetzung abzuweisen (vgl. ).

3. Eingabe vom :

Nach der Eingabe vom seien die nachstehend bezeichneten verbundenen Unternehmen nebst der Bf. selbst auch Beitragsschuldner:

  • ***GmbH1***, St.Nr. ***StNr1***,

  • ***GmbH2***, St.Nr. ***StNr2***,

  • ***GmbH3***, St.Nr. ***StNr3***,

  • ***GmbH4***, St.Nr. ***StNr4***,

  • ***GmbH5***, St.Nr. ***StNr5*** und

  • ***GmbH6***, St.Nr. ***StNr6***.

Im vorliegenden Fall seien weiters keine Investitionen durch die verbundenen Unternehmen, die selbst Beitragsschuldner seien, als Absetzbetrag bei der Bf. in Abzug gebracht worden. Die angesetzten Investitionen iHv EUR 3.599.900,76 würden zur Gänze von verbundenen Unternehmen kommen, die nicht selbst Beitragsschuldner seien. Das Projekt ***Projekt1*** sei von der ***GmbH7***, St.Nr. ***StNr7***, beauftragt worden. Die ***GmbH7*** sei nicht Beitragsschuldner.

4. Beschwerde vom :

Mit Eingabe vom erhob die Bf. gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Festsetzung des Energiekrisenbeitrag-Strom das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen formeller als auch materieller Rechtswidrigkeit.

Begründend wurde ausgeführt, da aus technischen Gründen eine Selbstbemessung iHv EUR 0,00 über das entsprechende Online-Formular von FinanzOnline nicht möglich und technisch nicht vorgesehen sei, sei der Betrag gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des EKBSG ermittelt und in weiterer Folge auch entrichtet worden.

Nach Auffassung der Bf. ist die gesetzliche Grundlage für die Entrichtung des EKB-S verfas-sungswidrig, sodass sie bei verfassungskonformer Auslegung nicht dazu verpflichtet gewesen sei, den EKB-S abzuführen. Aus diesem Grund beantragte die Bf. gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO eine bescheidmäßige Festsetzung des EKB-S mit EUR 0,00 sowie eine Rückzahlung des bisher an das Finanzamt abgeführten Betrages iHv EUR 4.015.615,75.

4.1 rechtlicher Zusammenhang und rechtliche Beurteilung:

Im Zuge der gestiegenen Energiepreise nach der russischen Invasion der Ukraine habe die Europäische Union im Oktober 2022 die EU-Notfallmaßnahmen-VO (EU-VO 2022/1854) beschlossen. Diese sollte einerseits, durch Maßnahmen zur Nachfragesenkung und einer Obergrenze für Markterlöse, für sinkende Strompreise sorgen und andererseits einen "Solidaritätsbeitrag" für den fossilen Sektor einführen.

Daraufhin habe Österreich im Dezember 2022 das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKBFG), BGBl I 220/2022, sowie das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG), BGBl I 220/2022 idgF BGBl I 64/2023, verabschiedet. Zwei österreichische Verordnungen würden das EKBSG konkretisieren, die EKB-S Umsetzungsverordnung, BGBl II 195/2023, und die EKB-Investitions-Verordnung, BGBl II 194/2023. Das EKBSG sei rückwirkend mit in Kraft getreten.

Mit dem EKBGS sei ein "Energiekrisenbeitrag-Strom" (EKB-S), eine Abgabe auf Überschusserlöse eingeführt worden. Die EKB-S sei eine Bundesabgabe und betreffe den Verkauf von im Inland erzeugten Strom aus Windenergie, Solarenergie (Solarthermie und Fotovoltaik), Erdwärme, Wasserkraft, Abfall, Braunkohle, Steinkohle, Erdölerzeugnissen, Torf und Biomasse-Brennstoffen, ausgenommen Biomethan, durch den Stromerzeuger.

Der EKB-S basiere auf den monatlichen Überschusserlösen aus dem Stromverkauf, die gemäß § 3 EKBSG zwischen dem und dem erzielt worden seien. Im Gegensatz dazu stelle der Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger (EKB-f) auf den Gewinn fossiler Energieproduzenten ab. Markterlöse im Sinne dieses Gesetzes seien die realisierten Erträge, die ein Beitragsschuldner für den Verkauf und die Lieferung von Strom in der Union erhalte.

Ein Überschusserlös iSd EKBSG sei die positive Differenz zwischen den Markterlösen des Beitragsschuldners je MWh Strom und der jeweiligen Obergrenze für Markterlöse.

Die EU-Notfallmaßnahmen-VO habe vorgesehen, dass die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus den genannten Quellen erzielen, auf höchstens EUR 180/MWh erzeugter Elektrizität begrenzt werden. Die von der österreichischen Regierung gewählte Obergrenze habe EUR 140/MWh Strom für Erlöse betragen, die zwischen dem und dem erzielt worden seien. Der EKB-S betrage 90% der Überschusserlöse.

Im Mai 2023 sei durch eine Novelle, BGBl I 64/2023, die Obergrenze in Österreich abermals willkürlich und ohne Änderung des europäischen Rahmens auf EUR 120/MWh Strom für Erlöse, die nach dem erzielt worden seien, reduziert worden. Auch aus den Materialien gehe lediglich hervor, dass die Obergrenze von EUR 120/MWh Strom unter der Obergrenze der EU liege und die Großhandelspreise gesunken seien (vgl. GP XXVII IA 3373/A S. 215). Dies könne keinesfalls eine solch extreme Maßnahme, wie die Reduktion um fast 15% sachlich begründen.

Der Bundesregierung sei es mit ihrer willkürlichen Reduktion offenbar so eilig gewesen, dass sie für das Inkrafttreten nicht einmal das Auslaufen der EU-Notfallmaßnahmen-VO und das damit einhergehende Ende des ersten Abrechnungszeitraum abgewartet habe. Stattdessen sei die Novelle ab in Kraft getreten.

Dies habe u.a. zu dem absurd anmutenden Zustand geführt, dass der gegenständliche Abrechnungszeitraum mit einem Monat beginne, indem die Abführung von "Überschusserlösen" über EUR 140/MWh Strom rückwirkend verordnet worden sei (Dezember 2022), dann habe die Obergrenze von EUR 140/MWh Strom für 5 Monate gegolten, bevor für das letzte Monat des gegenständlichen Abrechnungszeitraumes eine Obergrenze von EUR 120/MWh Strom gegolten habe. Für das zweite Halbjahr 2023, indem die EU-Notfallmaßnahmen-VO ausgelaufen sei, gelte (nach derzeitigem Stand) eine Obergrenze von EUR 120/MWh Strom. Trotz dieser Flut an Versuchen, die Erlösabschöpfung "richtig hinzubekommen", habe ihr normiertes Ziel (s. Art. 10 Abs. 1 EU-Notfallsmaßnahmen-VO), die Reduktion von Preisen beim Endverbraucher, niemals erreichen können. Stattdessen sei die Regelung unsachlich, willkürlich, klima- und investitionsfeindlich und in den Augen der Bf. verfassungswidrig.

Wie bereits dargelegt, sei eine Selbstberechnung einer Steuer von EUR 0,00 im Online-Formular von FinanzOnline technisch gar nicht vorgesehen bzw. nicht möglich gewesen.

Überdies gelte in Österreich das Gebot der verfassungskonformen Interpretation Nach diesem Grundsatz sei bei der Auslegung von "unterverfassungsrechtlichen" Normen jene Bedeutung zu wählen, welche diese Norm im Zweifel als nicht verfassungswidrig erscheinen lasse.

Der von der Bf. bekanntgegebene und abgeführte Betrag sei zwar der gesetzlichen Lage entsprechend ermittelt worden. Da allerdings die der Berechnung zugrundeliegenden Bestimmungen des EKBSG in den Augen der Bf. verfassungswidrig seien und dieser "Beitrag" in verfassungskonformer Betrachtung nicht hätte bezahlt werden müssen, sei somit der selbst berechnete Betrag falsch und sei dem Antrag nach § 201 Abs. 3 BAO stattzugeben und der EKB-S mit EUR 0,00 festzusetzen. In weiterer Folge sei der entrichtete EKB-S iHv EUR 4.015.615,75 zuzüglich Verzinsung zurückzuzahlen gewesen.

Selbst wenn sich die Behörde der Argumentation der Bf. nicht anschließen könne, wäre sie doch verpflichtet gewesen darrzulegen, warum die von der Bf. selbst ausdrücklich als unrichtig bezeichnete Selbstberechnung richtig sei.

Soweit ersichtlich habe die zu alldem auch Behörde dazu aber überhaupt kein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Somit sei der angefochtene Bescheid mit formeller und materieller Rechtswidrigkeit behaftet.

4.2 Verstoß gegen den Gleichheitssatz - Art. 7 B-VG/Art. 17 GRC:

4.2.1 Allgemeines:

Der Gleichheitsgrundsatz verbürge die Gleichbehandlung aller Rechtssubjekte. Vom Gleichheitsgrundsatz umfasst seien außer dem expliziten Privilegierungsverbot weitere Bedeutungsschichten (vgl. Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Korinek/Holoubek/Bezemek/ Fuchs/Martin/Zellenberg zu Artikel 7 Abs 1 Sätze 1 und 2 B-VG (und Artikel 20 GRC) (Holoubek).

Nach dem allgemeinen Diskriminierungsverbot seien Diskriminierungen aus unsachlichen Gründen unzulässig (vgl. Berka, Verfassungsrecht (2018)), aber auch unsachliche Gleichbehandlungen von ungleichen Tatbeständen. Daraus ergebe sich ein Sachlichkeitsgebot, der bei einer unterschiedlichen Behandlung einen rechtfertigenden Grund erforderlich mache. Daraus habe der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein allgemeines und umfassendes verfassungsrechtliches Sachlichkeitsgebot abgeleitet, dem jedes Staatshandeln entsprechen müsse (vgl. VfSIg 13.781/1994).

Nach Art. 52 Abs. 3 GRC haben die in der Charta gewährleisteten Freiheitsrechte, darunter Art. 21 Abs. 1 und Art. 17 GRC, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die ihnen entsprechenden Rechte nach der EMRK, die in Österreich im Verfassungsrang stehe.

Der Verfassungsgerichtshof hege keinen Zweifel daran, dass es sich bei Art. 21 Abs. 1 GRC - vgl. auch Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 14 EMRK - um eine Garantie der GRC handle, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleiche, mithin keine völlig unterschiedliche normative Struktur aufweise.

Im Lichte dieser Bedeutungsschichten sei der EKB-S gleich aus mehreren Gründen gleichheits- und verfassungswidrig.

4.2.2 Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip:

Der Gleichheitsgrundsatz übernehme im Abgabenrecht im Ergebnis die Funktion der Gewährleistung einer sachgerechten und somit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entsprechenden Besteuerung. Der VfGH spreche in seiner Judikatur zu Ertragssteuern regelmäßig davon, dass diesen Steuern das Prinzip "immanent" sei, an die Leistungsfähigkeit der Steuersubjekte anzuknüpfen.

Die Ausführungen betreffend den Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip seien wortgleich zu den bisherigen Ausführungen im Antrag vom , auf den in diesem Zusammenhang verwiesen werde.

4.2.3 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern:

Der Gleichheitsgrundsatz beinhalte ein Differenzierungsverbot, das unsachliche Differenzierungen oder aber auch unsachliche Gleichbehandlungen von ungleichen Tatbeständen verbiete, sowie ein Sachlichkeitsgebot, das bei einer unterschiedlichen Behandlung einen rechtfertigenden Grund notwendig mache.

Mit Beschwerde vom wird ergänzend ausgeführt, im Gegensatz zum EKB-S der auf den erzielten Erlös abstelle, stelle der EKB-f also (im Einklang mit dem objektiven Nettoprinzip) also auf die tatsächlich erzielten Übergewinne ab. Hier liege eine eindeutige Ungleichbehandlung von vergleichbaren Tatbeständen vor, die entgegen den Zielen des "Green Deal" der EU-Kommission sogar geeignet erscheine. Produzenten fossiler Energieträger besser zu stellen als Stromproduzenten im Bereich der erneuerbaren Energien. […]

Insofern sei eine unsachliche Ungleichbehandlung von Stromproduzenten und fossilen Energieträgern gleichheits- und somit verfassungswidrig. In diesem Zusammenhang werde auf die Beilage ./C betreffend Abschöpfung Windkraft, Erhebung der IG Windkraft, Juni 2023 verwiesen.

4.2.4 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und von Fernwärmeerzeugern:

Eine weitere unsachliche Ungleichbehandlung liege in der willkürlichen Unterscheidung zwischen Stromerzeugern und von Fernwärmeversorgern. Beide Sektoren seien als Energieversorger im gleichen Feld tätig. Die starke Preissteigerung im Energiesektor, die als Ratio für den EKB-S diene, betreffe ebenso andere Energieformen:

Die weiteren Ausführungen sind wortgleich zu den Ausführungen im Antrag vom .

4.2.5 Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und Stromhändlern:

Nach § 1 Abs. 3 EKBSG unterliegen dem EKB-S die "[…] Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom […] durch den Stromerzeuger, einschließlich der Realisierung von Veräußerungsrechten auf Strom." Vom EKB-S seien also lediglich Stromproduzenten betroffen, wobei Stromhändler keine Steuer auf die von ihren erzielten "Zufallsgewinne" leisten. Stromhändler würden aber ebenso von den gestiegenen Strompreisen profitieren. Schließlich seien es gerade die Händler, die den Strom an Endverbraucher verkaufen - also jenen, denen der EKB-S denn nach Art. 10 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO explizit zugutekommen sollte.

Für diese Ungleichbehandlung von gleich zu behandelnden Tatbeständen gebe es nicht einmal den Versuch einer Rechtfertigung, sowohl in den Materialien des EKBSG als auch in den Erwägungen der EU-Notfallmaßnahmen-VO werden Stromhändler ebenso angesprochen, dennoch seien sie letztlich vom Gesetz unbegründet ausgenommen. Insofern sei die unsachliche Ungleichbehandlung von Stromproduzenten und Stromhändlern gleichheits- und somit verfassungswidrig.

4.2.6 Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot:

Ausfluss der Rechtsprechung des VfGH zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz sei die Formulierung des "allgemeinen Sachlichkeitsgebots", wonach der Gleichheitsgrundsatz dem Gesetzgeber "insofern inhaltliche Schranken setze, als er verbiete, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen".

Für das Sachlichkeitsgebot müsse nach der Rechtsprechung des VfGH eine gesetzliche Regelung auf einem vernünftigen Grund beruhen und dürfe nicht unverhältnismäßig sein (vgl. zB VfSIg 14.650/1996, 16.080/2001, 17.026/2003). Nach herrschender Auffassung führe das sachlichkeitsgebot zu einer Prüfung dahingehend, ob die für eine bestimmte Regelung ins Treffen geführte (externe) Zielsetzung (man könnte auch sagen: das öffentliche Interesse, oder wenn man den hier weiten Spielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung seiner Ziele betonen wolle, der "vernünftige Grund") und ihre Umsetzung gegenüber der für den betroffenen Einzelnen damit verbundenen Benachteiligung verhältnismäßig sei (vgl zB VfSIg 17.315/2004 oder 17.807/2006).

Aus den parlamentarischen Materialien zum EKBSG gehe eindeutig hervor, Ziel der EKB-S sei in eindeutiger Weise die Reduzierung der Strompreise bei den Endverbraucherinnen:

"In einer Situation, in der die Verbraucher extrem hohen Preisen ausgesetzt sind, die auch der Wirtschaft schaden, müssen die außergewöhnlichen Markterlöse von Erzeugern mit niedrigeren Grenzkosten vorübergehend begrenzt werden, indem auf diese Markterlöse aus dem Stromverkauf die Obergrenze für Markterlöse angewandt wird." (vgl. GP XXVII IA 3024/A AB 1817 S. 187).

Aus den Erwägungsgründen der EU-Notfallmaßnahmen-VO gehe eindeutig hervor:

"Der Preisanstieg an den Stromgroßhandelsmärkten hat zu einem drastischen Anstieg der Endkundenstrompreise geführt, der vor der nächsten Heizperiode noch weiter andauern und sich nach und nach auf die meisten Verbraucherverträge auswirken dürfte. [...] (vgl. Erwägungsgrund 4). Es bedarf daher einer raschen und koordinierten Reaktion auf Unionsebene. Mithilfe der Festlegung von Notfallmaßnahmen könnte vorübergehend das Risiko gemindert werden, dass die Strompreise und die Kosten für Strom für Endkunden noch weniger tragfähige Niveaus erreichen. [...] (vgl. ErwGrund 6)

Noch deutlicher seien sogar die materiellen Bestimmungen der EU-Notfallmaßnahmen-VO selbst: Gemäß Art. 10 Abs. 1 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern. Gemäß Abs. 2 müssen die in Abs. 1 genannten Maßnahmen eindeutig festgelegt, transparent, verhältnismäßig, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein.

DerEKB-S solle also die Preise für Verbraucherinnen senken. Doch gerade dieses Ziel werde durch die gewählte Form der Erlösabschöpfung in Österreich nicht erreicht:

Mittlerweile erscheine es eindeutig, dass der EKB-S nicht zu einer Senkung der Strompreise bei Verbraucherinnen geführt habe. Dies unter anderem, da eben, wie oben ausgeführt, Stromproduzenten gerade nicht an Verbraucherinnen verkaufen, sondern an Stromhändler, die dann an Verbraucherinnen weiterverkaufen. Doch gerade diese seien eben von der EKB-S ausgenommen. Dass die Strompreise trotz Einführung der Erlösabschöpfung in Österreich hoch bleiben werden, war maßgeblichen "Playern" am Markt von vornherein klar (vgl. Presseartikel, https://diepresse.com/6232815/verbund-che-strugl-strompreise-bleiben-auch-2023-hoch).

Die in Österreich gesetzten Maßnahmen zur Einnahmebeschränkung bei den Stromerzeugern seien in Bezug auf die Endverbraucherpreise praktisch wirkungslos. Das EKBSG stelle keine Barriere dar, die Stromhändler davon abhalte, Elektrizität zu unterschiedlichen Preisen (egal ob niedrig oder hoch, direkt von den Erzeugern oder über den Markt) zu erwerben und sie mit erheblichem Aufschlag an die Endverbraucherinnen weiterzuverkaufen. Um tatsächlich die Preise für die Endverbraucherinnen zu beeinflussen, hätte man die Einnahmen der Stromhändler direkt ins Visier nehmen müssen. Somit ziele die aktuelle Regelung am eigentlichen Problem vorbei und treffe die falschen Akteure.

Schlussendlich komme noch hinzu, dass andere Energieproduzenten, wie zB Fernwärmeproduzenten vollkommen von der Regelung ausgenommen seien, obwohl auch ihre Preise starken Einfluss auf den Strommarkt haben.

Damit sei die Regelung zur Zielerreichungungeeignet, verstoße auch aus diesem Grund gegen den Gleichheitsgrundsatz und sei daher verfassungswidrig.

4.2.7 rückwirkende Anwendung des EKB-S:

Grundsätzlich entfalte ein Gesetz mit dem auf die Publizierung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag seine Wirkung. Freilich könne der Gesetzgeber eine davon abweichende Regelung treffen. Das EBSG sei am im Bundesgesetzblatt publiziert und gemäß § 11 Abs. 1 EKBSG bereits mit in Kraft getreten. Die Bemessungsgrundlage beginne mit dem . Somit entfalte das Gesetz eine rückwirkende Wirkung.

Zwar erlaube Art. 49 B-VG grundsätzlich eine Rückwirkung von Gesetzen zu verfügen, belastenden rückwirkenden Gesetzen, wie der EKBSG, seien allerdings enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Neben des sich aus Art. 7 EMRK ergebenen absoluten Rückwirkungsverbot im Strafrecht sei dies primär das aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitete Prinzip des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes (vgl. Berka, Verfassungsrecht (2018), Rz 489). Demnach sei eine rückwirkende und für den Einzelnen nachteilige Änderung einer gesetzlichen Bestimmung dann verfassungswidrig, wenn "die Normunterworfenen durch einen Eingriff von erheblichem Gewicht in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht wurden und nicht etwa besondere Umstände eine solche Rückwirkung verlangen" (vgl. VfSIg 12.186/1989).

Im Abgabenrecht werde zwischen verfassungsrechtlich verpönten "echten" Rückwirkungen von Steuergesetzen einerseits und dem Schutz vor Eingriffen bei steuergesetzlich angeregten Dispositionen sowie dem Schutz rechtlicher Anwartschaften durch Rechtsänderungen pro futuro andererseits unterschieden (vgl. VfSIg 19.972/2015). Bei verfassungsrechtlich suspekten "echten" Rückwirkungen gehe es darum, dass gesetzliche Vorschriften nachträglich unmittelbar an schon früher verwirklichte Tatbestände steuerliche Folgen knüpfen und dadurch die Rechtsposition des Steuerpflichtigen mit Wirkung für die Vergangenheit verschlechtern (vgl. VfSIg 12.186/1989).

Die österreichische Rechtsprechung stelle zur Beurteilung, ob eine "echte" Rückwirkung bestehe, auf den Zeitpunkt der steuerauslösenden Handlung (also wann der zu besteuernde Erlös entsteht) und nicht, wie beispielsweise Deutschland, auf den formalen Zeitpunkt der Steuerschuldentstehung ab (mit Ablauf der Besteuerungsperiode) (vgl. Deutlich etwa VfSIg 16.850/2003).

Die steuerauslösende Handlung sei eindeutig, und sogar im EKBSG normiert: Die Veräußerung von Strom, die Überschusserlöse generiere. Insofern liege eine verschlechternde Veränderung der Rechtslage zwischen dem Zeitpunkt der Sachverhaltsverwirklichung (steuerauslösende Handlung) und dem Jahresende (Steuerschuldentstehung) vor. Die Rückwirkung des EKBSG sei also als eine verfassungsrechtlich verpönte "echte" Rückwirkung zu sehen (vgl. etwa VfSIg 12.241/1989). Diese "echte" Rückwirkung verstoße gegen den Vertrauensschutz, wenn sie, wie ausgeführt, einen Eingriff von erheblichem Gewicht darstelle, der die Normunterworfenen in einem berechtigten Vertrauen auf die Rechtslage enttäuscht habe.

Geschützt sei dabei das Vertrauen des Bürgers auf der Grundlage der geltenden, kundgemachten Rechtslage, wie aus der Rechtsprechung des VfGH hervorgehe, müsse er sich dabei nicht an Planungen, politischen Vorhaben oder literarischen Diskussionen orientieren (vgl. VfSIg 12.168/1989). Insofern könne die allgemeine Kenntnis des Kriegs in der Ukraine und der Preisexplosion am Strommarkt jedenfalls nicht den Vertrauensschutz untergraben. Auch der bereits im Oktober 2022 erfolgt Beschluss der EU- Notfallmaßnahmen-VO untergrabe das Vertrauen nicht, da sie den einzelnen Staaten Ausgestaltungsspielraum einräume, von dem Österreich auch, wie zuvor mehrfach ausgeführt, extensiv Gebrauch gemacht habe.

Bestehe, wie im vorliegenden Fall, ein Vertrauenstatbestand, sei ein rückwirkendes belastendes Gesetz in der Regel verfassungswidrig, außer es gebe besondere rechtfertigende Gründe für eine Rückwirkung (vgl. Berka, Verfassungsrecht7 (2018), Rz 490). Unter diesen Umständen könne auch eine Rückwirkung von nur wenigen Wochen verfassungswidrig sein (vgl. VfSIg 20.187/2017). Es sei jedenfalls anzunehmen, dass der EKB-S aufgrund seiner punitiven Höhe jedenfalls einen "Eingriff von erheblichem Gewicht darstelle", so wurden im Bereich der Windkraft ca. 15% der Erlöse des Jahres 2022 abgeschöpft. Insofern verstoße die Rückwirkung des EKBSG gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz und ist damit gleichheits- und somit verfassungswidrig.

Aus all diesen Gründen verstoße das EKBSG bzw. der auf ihm beruhende Bescheid gegen den Gleichheitssatz gemäß Artikel 7 B-VG bzw. das Recht auf Nichtdiskriminierung nach Art 17 GRC. Der bekämpfte Bescheid sei daher als materiellrechtswidrig zu qualifizieren.

Der angefochtene Bescheid sei schon deshalb aufzuheben, da es die Behörde unterlassen habe, eine verfassungskonforme Auslegung des EKBSG vorzunehmen. Sofern einer solchen die Grenzen des Wortlauts des Gesetzes entgegenzuhalten wären, umfasse die dann anzunehmende Verfassungswidrigkeit der Bestimmung auch den angefochtenen Bescheid.

4.3 Verstoß gegen Eigentumsfreiheit:

Art. 5 StGG konstituiere - gemeinsam mit Art. 1 des 1. ZPEMRK - die verfassungsrechtliche Eigentumsordnung. Sie enthalte eine verfassungsgesetzliche Gewährleistung eines subjektiven Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums und sei gleich zeitig als verfassungsrechtliche Garantie des Eigentums als - durch den Gesetzgeber zu gestaltendes - Institut der Privatrechtsordnung zu verstehen (vgl. Korinek in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (5. Lfg 2002) zu Artikel 5 StGG Rz. 1). Art. 17 GRC entspreche dabei in Bedeutung und Tragweite der österreichischen Eigentumsfreiheit.

Gegenstand des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes seien nach der Rechtsprechung des VfGH alle Vermögenswerten Privatrechte (vgl. Berka, Verfassungsrecht7 (2018), Rz 1543). Auch die Vorschreibung von Geldleistungen greife in das Eigentumsrecht ein (vgl. VfSIg 1305/1930), was sowohl für die Vorschreibung von Geldstrafen als auch für die Vorschreibung von Gebühren und Abgaben (vgl. etwa VfSIg 1559/1947 oder 5472/1967) oder Kammerumlagen und vice versa auch für die Verweigerung einer steuerlichen Begünstigung gelte (vgl. Korinek in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht (5. Lfg 2002) zu Artikel 5 StGG Rz 18).

Da also Abgabengesetze in den Schutzbereich des Grundrechts des Art 5 StGG eingreifen, ergebe sich zwingend, dass auch sie nur zulässig seien, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Allgemeininteresse stehen und nicht unverhältnismäßig seien. Als Fälle der Unverhältnismäßigkeit kämen hier insb. Steuern mit "konfiskatorischen Effekten", also solche in Betracht, die den Steuerpflichtigen exzessiv belasten und dadurch seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden. Dem habe sich auch der VfGH insoweit angeschlossen, als er in einzelnen Fällen geprüft habe, ob die Erhebung der konkreten Abgabe im öffentlichen Interesse gelegen sei (vgl. etwa VfSIg 14.644/1996).

Wie bereits ausgeführt, sei die EKB-S weder sachlich rechtfertigbar noch im öffentlichen Interesse gelegen. Aufgrund ihrer, nahezu unvergleichbaren, enormen Höhe von 90% ist der EKB-S eine Steuer mit konfiskatorischen Effekten, die die Vermögensverhältnisse der Normunterworfenen grundlegend, also in ihrem Stamm, beeinträchtige.

All das führe insgesamt zu einer massiven Benachteiligung der Bf. und verletze sie der Bescheid auch in ihrer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsfreiheit.

4.4 Kein Anwendungsvorrang der EU-Notfallmaßnahmen-VO:

4.4.1 Allgemeines:

Am sei die Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates vom über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise ("EU- Notfallmaßnahmen-VO"') im Amtsblatt in Kraft (22 Abs 1 EU-Notfallmaßnahmen- VO) getreten.

Auf Grundlage der EU-Notfallmaßnahmen-VO seien in Österreich das Bundesgesetz über den Energiekostenbeitrag-Strom ("EKBSG") und das Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger ("EKBFG"), erlassen worden.

Die EU-Notfallmaßnahmen-VO sehe zum einen Maßnahmen in Bezug auf den Strommarkt (Maßnahmen zur Nachfragesenkung, Obergrenze für Markterlöse und Verteilung der Überschusserlöse und der Engpasserlösüberschüsse an die Stromendkunden) und zum anderen Maßnahmen in Bezug auf den Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich ("fossilerSektor" = Einführung eines Solidaritätsbeitrages) vor.

Nach der Rechtsprechung des EuGHs habe das gesamte Recht der EU-Vorrang vor dem nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten. Es handle sich dabei um einen Anwendungs- und um keinen Geltungsvorrang. Das heißt, wenn nationales Recht dem Unionsrecht widerspreche - also auch nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne, dürfe es nicht angewendet werden.

Damit österreichisches Verfassungsrecht verdrängt werde, sei es allerdings Voraussetzung, dass es sich einerseits beim EKBSG um eine passende Umsetzung der EU-Notfallmaßnahmen-VO handle oder andererseits, dass die Verordnung unmittelbar anwendbar wäre. Beides sei gegenständlich nicht der Fall, wie im Folgenden gezeigt werde.

Darüber hinaus verstoße der EKBS auch gegen die EU-Grundrechtecharta, die hierbei auch für österreichische Gerichte Prüfungsmaßstab sei, wie sogleich gezeigt werde.

Hinzu komme, dass die Verordnung mittlerweile ausgelaufen sei. Die Notfallmaßnahmenverordnung habe bis zum (Art 22 Abs 2 lit c der VO) gegolten. Eine allfällige unionsrechtliche Deckung für das EKBSG sei sohin spätestens seit entfallen. Da der zeitliche Geltungsbereich des EKBSG über den zeitlichen Geltungsbereich der VO 2022/1854 hinausreiche, sei der EKB-S unabhängig von der Frage nach einer korrekten Umsetzung und unmittelbarer Anwendbarkeit, nunmehr so wohl am Maßstab des österreichischen Verfassungsrechts als auch am Maßstab des sonstigen Unionsrechts zu messen.

4.4.2 keine Deckung des EKSBG durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO:

Mit der EU-Notfallmaßnahmen-VO sollte unter anderem eine verbindliche Obergrenze für "Überschusserlöse'' eingezogen werden, um den Strompreis für Endnutzer zu reduzieren.

In Art. 6 Abs. 1 EU-Notfallmaßnahmen-VO werde geregelt, dass die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung aus den in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung genannten Quellen erzielen, auf höchstens € 180/MWh erzeugter Elektrizität begrenzt werden. Aus den Erwägungsgründen zur EU-Notfallmaßnahmen-VO (vgl. ErwGr 27 EU-Notfallmaßnahmen-VO) werde klar, dass die Obergrenze für Markterlöse als eine unionsweit einheitliche Obergrenze zu verstehen sei.

In Art. 10 EU-Notfallmaßnahmen-VO werde die Verteilung der Überschusserlöse geregelt. Gemäß Abs. 1 müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern. Gemäß Abs. 2 müssen die in Abs. 1 genannten Maß nahmen eindeutig festgelegt, transparent, verhältnismäßig, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein. Die Verteilung der erzielten Überschusserlöse sei für den EU-Verordnungsgeber so wichtig, dass er in Abs. 4 sogar Beispiele für Maßnahmen, die die Auswirkungen der hohen Strompreise bei Kunden abmildern, anführe.

Ganz anders die Regelungen des EKBSG:

Die Regelung des EKBSG sehe vor, dass die maßgebliche Obergrenze für den EKB-S bei € 140 bzw. 120/MWh Strom (erster und zweiter Zeitraum) liege. In Anbetracht der übergeordneten Zielsetzung der Verordnung, welche eine EU-weit einheitliche Obergrenze anstrebe, sei es dem nationalen Gesetzgeber wohl nicht gestattet, eine niedrigere Grenze festzulegen. Es könnte argumentiert werden, dass der Terminus "höchstens" in dem Sinne zu interpretieren sei, dass er nicht die Obergrenze für erzielbare Erlöse darstelle, sondern vielmehr die Obergrenze, bis zu der die Mitgliedstaaten Erlöse zulassen können. Diese Auslegung finde jedoch in Art. 8 Abs. 1 lit. a der EU-Notfallmaßnahmen-VO eine Gegenposition, da dieser es den Mitgliedstaaten ermögliche, Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, welche die Markterlöse weiter begrenzen. Wäre die Obergrenze nach Art. 6 Abs. 1 flexibel gestaltet, d.h., könnten die Mitgliedstaaten bereits gemäß Art. 6 Abs. 1 unter € 180 agieren, wäre eine Regelung gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. a der EU-Notfallmaßnahmen-Verordnung sinnentleert.

Die Frage, ob niedrigere Obergrenzen bereits nach Art. 6 Abs. 1 der EU-Notfallmaßnahmen-VO oder erst aufgrund von Art. 8 Abs. 1 lit. a zulässig gewesen seien, sei von Bedeutung, da Art. 8 Abs. 2 spezifische Kriterien für Maßnahmen gemäß Art. 8 Abs. 1 vorschreibe. Demnach sei eine Unterschreitung der Obergrenze gemäß Art. 6 Abs: 1 durch Anwendung von Art. 8 Abs. 1 nur dann zulässig, wenn sie

a) verhältnismäßig und ohne Diskriminierung erfolge,

b) keine negativen Auswirkungen auf Investitionssignale habe,

c) die Investitions- und Betriebskosten vollständig decke,

d) keine Marktverzerrungen verursache und

e) mit den Vorgaben des Unionsrechts konform sei.

Wie oben ausführlich ausgeführt, seien der EKB-S und die darin gewählten Unterschreitungen der in der Verordnung vorgegebenen Obergrenze weder verhältnismäßig, noch diskriminierungsfrei. Ganz im Gegenteil würden diverse schwere Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 7 B-VG bzw. das Recht auf Nichtdiskriminierung nach Art 21 GRC vorliegen. Darüber hinaus, gefährde der EKB-S Investitionssignale deutlich, führe dazu, dass manche Betriebe ihre Betriebskosten nicht vollständig decken können und verzerre den Strommarkt. Beweise hierzu können vorgelegt werden, so das Gericht dies wünsche.

Hinzu komme, dass es den Mitgliedstaaten nach der Judikatur des EuGH (vgl. , Paul G. Bollmann, EU:C:1970:12, Rn. 5) nicht gestattet sei, "eigene Vorschriften zu erlassen, welche die Tragweite der Verordnung selbst berühren", genau dies mache der österreichische Gesetzgeber jedoch, wenn er in Eigenregie die unionsweit verbindliche Obergrenze hinabsetze.

Die im EKBSG normierte Obergrenze für den EKB-S bei € 140,00/MWh bzw. 120,00/MWh Strom sei also nicht von der EU-Notfallmaßnahmen-VO gedeckt.

Zusätzlich bestehen weitere Abweichungen: Gemäß § 3 Abs. 5 EKBSG werde der EKB-S auf 90% der Überschusserlöse begrenzt, entsprechend dem in Art. 7 Abs. 5 der EU-Notfallmaßnahmen-VO gewährten Wahlrecht, welches erlaube, die Obergrenze nur auf 90% der die Obergrenze überschreitenden Markterlöse anzuwenden. Parallel dazu bestimme § 3 Abs. 6 EKBSG, dass der EKB-S als abzugsfähige Betriebsausgabe anzusehen sei. Durch die gewinnmindernde Berücksichtigung für Zwecke der Ertragsteuern (Körperschaftsteuer), reduziere sich die Gesamtbelastung durch den EKB-S. Diese spezifische nationale Regelung, die zwar für den Schuldner des EKB-S vorteilhaft sei, stehe in direktem Widerspruch zu den Anforderungen der EU-Notfallmaßnahmen-VO. Folglich könne festgestellt werden, dass der EKBSG aufgrund dieser Diskrepanz ebenfalls keine Deckung durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO finde.

Problematisch sei auch der Charakter des EKB-S als Abgabe iSd BAO. Nach Literaturmeinung sei in der Obergrenze für Markterlöse nur eine regulatorische (im Sinne einer Preisfestsetzung) und jedenfalls keine steuerrechtliche Maßnahme zu sehen (vgl. Bräumann/Kofler/Tumpel, Verfassungsrechtliche Überlegungen zur Besteuerung von Übergewinnen im Energiesektor, Oktober 2022, 6). Auch der EuGH bestätige dies in ständiger Rechtsprechung allgemein. Insofern seien steuerliche Regelungen im Hinblick auf den Stromsektor schlechthin nicht von der Verordnung erfasst, die Abgabe des EKB-S als Steuer finde also keine Deckung in der Verordnung.

Insbesondere aber fehle im EKBSG die für den EU-Verordnungsgeber zentrale Bestimmung des Art. 10, welcher gleichzeitig die sich aus den Erwägungsgründen ergebende Zielbestimmung der Verordnung darstelle (vgl. ErwGr 1 ff. EU-Notfallmaßnahmen-VO). Obwohl die Mitgliedstaaten gemäß Art. 10 Abs. 1 dazu verpflichtet waren, alle Überschusserlöse, die sich aus der Anwendung der Obergrenze für die Markterlöse ergeben, gezielt zur Finanzierung von Maßnahmen verwendet werden, mit denen Stromendkunden unterstützt werden, um die Auswirkungen der hohen Strompreise auf diese Kunden abzumildern, und die Wichtigkeit dieser Maßnahme sogar noch durch die beispielhafte Aufzählung im Abs. 2 verdeutlicht werde, finde sich im EKBSG, direkt verstoßend gegen EU-Recht, keinerlei derartige Bestimmung. Stattdessen sei der EKB-S einfach als Bundesabgabe einzustufen.

Die Bestimmungen zur Obergrenze für Markterlöse, wie in Art. 6, 7 und 8 der EU-Notfallmaßnahmen-VO festgelegt, seien im Zeitraum vom bis zum gemäß Art 22 Abs 2 lit c der EU-Notfallmaßnahmen-VO gültig gewesen. Im Zuge der Novellierung des EKBSG sei der EKB-S bis zum verlängert worden. Da der Geltungszeitraum der Obergrenze für Markterlöse gemäß der EU-Notfallmaßnahmen-VO am geendet habe, sei der EKB-S ab diesem Datum jedenfalls nicht mehr durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO abgedeckt.

Insgesamt zeige sich somit eindeutig, dass der EKB-S auch vor dem , eindeutig nicht von der Verordnung gedeckt gewesen sei, und, dass es sich beim EKBSG nicht um eine korrekte Umsetzung der EU-Notfallmaßnahmen-VO handle.

4.4.3 keine unmittelbare Anwendbarkeit:

Eine Verordnung sei nach ständiger Rechtsprechung unmittelbar anwendbar, wenn sie zugunsten oder zulasten der Rechtssubjekte Anwendung finde, "ohne dass es irgendwelchen Maß nahmen zur Umwandlung in nationales Recht bedürfe" (vgl. ). Im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen gelte dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Vorschriften für die Situation des Einzelnen hinreichend klar, genau und relevant seien und ihre Umsetzung von keiner Bedingung abhänge. Sie seien für den Bürger in den Mitgliedstaaten also nur direkt wirksam, wenn sie diese allgemeinen Voraussetzungen erfüllen (vgl. ). DieEU-Notfallmaßnahmen-VO sei nicht unmittelbar anwendbar.

Dies scheine auch der österreichische Gesetzgeber so zu sehen, eine nochmalige Kundmachung des ohnehin schon direkt anwendbaren Texts einer VO sei unzulässig (vgl. Klammert, EU-Recht, Rz. 397). In den Materialien meine der Gesetzgeber dazu, die "Verordnung enthält unzählige Bestimmungen, die einen Regelungsbedarf durch die Mitgliedstaaten nach sich ziehen (zB Optionen, die einem Mitgliedstaat eingeräumt werden). Diesem Regelungsbedarf wird durch dieses Bundesgesetz entsprochen." (vgl. 1817 der Beilagen XXVII. GP - Ausschussbericht NR - Berichterstattung, § 1).

Insbesondere der Charakter des EKB-S als Bundesabgabe zeige, dass die Verordnung nicht unmittelbar anwendbar sei. Die EU selbst könne nicht unmittelbar und direkt Steuern einheben. Im gegenständlichen Fall komme hinzu, dass der EKB-S laut EU-Notfallmaßnahmen-VO (wie oben ausgeführt) wohl keine Steuer sei. Insbesondere aber wäre bei unmittelbarer Anwendbarkeit vollkommen unklar, an wen und wie die Erlösabgabe abgeführt werden müsse und was die Sanktion bei Verstoß sei.

Auch in ihren übrigen Bestimmungen würde die Verordnung zwar Ziele und Rahmenbedingungen vorschreiben, überlasse aber die spezifische Umsetzung und Anpassung den Mitgliedstaaten, was gegen eine unmittelbare Anwendbarkeit spreche:

In Artikel 3 und 4 der Verordnung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, Maßnahmen zur Senkung des Bruttostromverbrauchs zu ergreifen. Diese Artikel legen lediglich die Ziele fest, überlassen jedoch den Mitgliedstaaten die Wahl der Mittel zur Erreichung dieser Ziele, was eine nationale Implementierung erfordere. Ebenso ermögliche Artikel 5 den Mitgliedstaaten, geeignete Maßnahmen zur Senkung des Bruttostromverbrauchs zu wählen, was die Notwendigkeit nationaler Maßnahmen und somit eine fehlende unmittelbare Anwendbarkeit unterstreiche.

Die Festlegung einer Obergrenze für Markterlöse in Artikel 6 und ihre spezifische Anwendung auf bestimmte Stromerzeuger in Artikel 7 deuten ebenfalls darauf hin, dass die Umsetzung und Durchsetzung dieser Bestimmungen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegen. Artikel 8, der den Mitgliedstaaten erlaube, eigene Maß nahmen zur weiteren Begrenzung der Markterlöse einzuführen, bestätige diese Interpretation, da er Spielraum für nationale Gesetzgebung lasse.

Darüber hinaus würden die Artikel 9 und 10 die Verwendung von Engpasserlösüberschüssen und Überschusserlösen behandeln, wobei wiederum die Mitgliedstaaten über die Verwendung dieser Mittel entscheiden, was eine nationale Regelung und Verfahrensweise voraussetze. Die in den Artikeln 12 und 13 vorgesehenen öffentlichen Eingriffe in die Strompreisfestsetzung erfordern spezifische Maßnahmen der Mitgliedstaaten und seien somit nicht unmittelbar anwendbar.

Die in den Artikeln 14 bis 17 dargelegten Bestimmungen für einen befristeten Solidaritätsbeitrag verlangen von den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zur Umsetzung dieses Beitrags zu erlassen. Dies impliziere, dass die Verordnung eine aktive Umsetzung durch die Mitgliedstaaten erfordere. Artikel 19, der die Mitgliedstaaten zur Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen und zur Berichterstattung an die Kommission verpflichtet, unterstreiche die Notwendigkeit nationaler Beteiligung und Implementierung.

Schließlich stellen die Ausnahmeregelungen in Artikel 21 klar, dass die Verordnung eine differenzierte Anwendung in den Mitgliedstaaten erfordere, was ebenfalls gegen ihre unmittelbare Anwendbarkeit spreche.

Insgesamt würden die Bestimmungen der Verordnung eine aktive Umsetzung und Anpassung durch die Mitgliedstaaten erfordern, was ihre unmittelbare Anwendbarkeit ausschließe. Sie setze zwar verbindliche Ziele und Rahmenbedingungen, überlasse aber die spezifische Umsetzung den Mitgliedstaaten, was eine nationale Implementierung notwendig mache.

4.5 Die Prüfungsbefugnis sei durch die GRC eröffnet worden:

Selbst wenn man, entgegen der Rechtsansicht der Bf., von einer Deckung des EKBSG durch die EU-Notfallmaßnahmen-VO bzw. eine unmittelbare Anwendbarkeit der EU-Notfallmaßnahmen-VO annehme, sei die verfassungsrechtliche Prüfungsbefugnis durch die österreichische Gerichtsbarkeit eröffnet.

Der EKB-S verstoße gegen in der EU-Grundrechtecharta verankerte Rechte, die sich sowohl an die gemeinsamen verfassungsrechtlichen Traditionen der Mitgliedstaaten, als auch vor allem an die Rechte der EMRK anlehnen. Betroffen seien insbesondere das Recht auf Nichtdiskriminierung nach Art 21 GRC sowie die Eigentumsfreiheit nach Art 17 GRC.

Der VfGH habe in einer Leitentscheidung (vgl. VfGH U466/11ua) ausgesprochen, dass die EU-Grundrechte-Charta (Teil des Vertrags von Lissabon) aufgrund ausdrücklicher Anordnung des Art. 6 Abs. 1 EUV mit den Verträgen rechtlich gleichrangig und daher Teil des Primärrechts der Europäischen Union sei: [...] Auf Grund der innerstaatlichen Rechtslage hat der Äquivalenzgrundsatz zur Folge, dass auch die von der Grundrechte-Charta garantierten Rechte vordem Verfassungsgerichtshof als verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte gemäß Art. 144 bzw. Art. 144a B-VG geltend gemacht werden können und sie im Anwendungsbereich der Grundrechte-Charta einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insbesondere nach Art. 139 und Art. 140 B-VG bilden.

Somit können beim indirekten Vollzug des Unionsrechts durch österreichische Organe, wie gegenständlich der Fall, wenn eine Deckung bzw. unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung fälschlicherweise angenommen werde, die Unionsgrundrechte vor den nationalen österreichischen Instanzen geltend gemacht werden (vgl. Zl. 2010/15/0196; , Zl. 2011/17/0156). Im Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte seien alle innerstaatlichen Gerichte und Verwaltungsbehörden befugt und verpflichtet, die Vereinbarkeit genereller innerstaatlicher Rechtsvorschriften mit den Unionsgrundrechten inzidenter zu prüfen (vgl. Berka, Verfassungsrecht, Rz. 1197).

Der Anwendungsbereich des Unionsrechts sei durch Art. 122 AEUV und die EU Notfallmaßnahmen-VO zweifelsfrei gegeben.

Nach Art. 52 Abs. 3 GRC haben die in der Charta gewährleisteten Freiheitsrechte, darunter Art. 21 Abs. 1 und Art. 17 GRC, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie die ihnen entsprechenden Rechte nach der EMRK die in Österreich im Verfassungsrang stehe.

Der Verfassungsgerichtshof hege keinen Zweifel daran, dass es sich bei Art. 21 Abs. 1 GRC - vgl. auch Art. 7 Abs. 1 B-VG und Art. 14 EMRK - um eine Garantie der GRC handle, die in ihrer Formulierung und Bestimmtheit verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten der österreichischen Bundesverfassung gleiche, mithin keine völlig unterschiedliche normative Struktur als diese aufweise. Selbiges gelte für Art. 17 GRC. Art. 21 Abs. 1 und Art. 17 GRC können daher gemäß Art. 144 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof als verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht geltend gemacht werden und bilden einen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle, insbesondere nach Art 139 und Art 140 B-VG.

4.6 ausschließliche Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen:

Mit der gegenständlichen Bescheidbeschwerde werde lediglich die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen behauptet, die den bekämpften Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belaste. Gemäß § 262 Abs. 3 BAO habe daher eine Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben und die Bescheidbeschwerde sei dem Bundesfinanzgericht unverzüglichvorzulegen.

4.7 Beschwerdeanträge und Anregungen:

Es werde daher eine Abänderung des bekämpften Bescheides vom beantragt, sodass dem Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung des EKB-S entsprochen und der Beitrag mit EUR 0,00 festgesetzt werde.

Sollte das zuständige Verwaltungsgericht die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bf. gegen die präjudiziellen Bestimmungen teilen, möge es an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 89 Abs. 2 B-VG und Art. 140 Abs. 1 B-VG einen Antrag auf Aufhebung der präjudiziellen Bestimmungen des EKBSG idgF wegen Verfassungswidrigkeit richten.

Nach der der Beschwerde beiliegenden Aufstellung gemäß § 8 Abs. 2 EKBSG würden die aggregierten Markterlöse, die Summe der Überschusserlöse sowie die Summe der begünstigten Investitionen wie folgt betragen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Bezeichnung:
Betrag:
aggregierte Markterlöse:
13.398.569,83
Summe der Überschusserlöse:
4.015.615,75
Summe begünstigter Investitionen:
3.599.900,76

Die angesetzten Investitionen iHv EUR 3.599.900,76 würden zur Gänze von verbundenen Unternehmen kommen, die nicht selbst Beitragsschuldner seien. Somit seien keine Investitionen durch verbundene Unternehmen in Abzug gebracht worden, die selbst Beitragsschuldner seien.

5. Vorlagebericht vom :

Nach den Ausführungen im Vorlagebericht werde in der Beschwerde auf 25 Seiten ausdrücklich und ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Gesetze und Verordnungen eingewendet.

Gemäß § 262 Abs. 3 BAO habe in diesem Fall eine Beschwerdevorentscheidung zu unterbleiben und die Causa direkt dem BFG zur Entscheidung vorgelegt zu werden.

6. Vertretungsbekanntgabe vom :

Mit Vollmachtsbekanntgabe vom wurde seitens der Bf. bekanntgegeben, dass sie die Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung gemäß § 8 RAO beauftragt habe.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Die Bf. ist im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, insbesondere der Windenergie tätig. Aufgrund dieser Geschäftstätigkeit war nach dem Bundesgesetz über den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBSG) der Energiekrisenbeitrag-Strom für den Zeitraum bis selbst zu bemessen und bis an das Finanzamt zu entrichten.

Da aus technischen Gründen eine Selbstbemessung iHv EUR 0,00 über das entsprechende Online-Formular von FinanzOnline nicht möglich und technisch nicht vorgesehen war, wurde der Betrag gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des EKBSG ermittelt und in weiterer Folge auch entrichtet.

Nach Auffassung der Bf. ist die gesetzliche Grundlage für die Entrichtung des EKB-S verfassungswidrig, sodass sie bei verfassungskonformer Auslegung nicht dazu verpflichtet gewesen sei, den EKB-S abzuführen. Aus diesem Grund beantragte die Bf. gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO eine bescheidmäßige Festsetzung des EKB-S mit EUR 0,00 sowie eine Rückzahlung des bisher an das Finanzamt abgeführten Betrages iHv EUR 4.015.615,75.

Der dabei verwendete Investitions-Absetzbetrag für höhere Obergrenze iHv EUR 1.799.950,***StNr5*** entspricht einem Investitionsvolumen von EUR 3.599.900,76.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 1 Abs. 1 EKBSG (Energiekrisenbeitrag-Strom), BGBl I 220/2022, in Kraft getreten am , wird durch dieses Bundesgesetz der Energiekrisenbeitrag-Strom (im Folgenden EKB-S) näher geregelt und die Verordnung (EU) 2022/1854 über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise, ABl. Nr. L 261 vom , S. 1, umgesetzt.

Gemäß § 1 Abs. 2 EKBSG ist der EKB-S eine ausschließliche Bundesabgabe.

Nach § 1 Abs. 3 EKBSG unterliegt diesem Gesetz die Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom aus Windenergie, Solarenergie (Solarthermie und Fotovoltaik), Erdwärme, Wasserkraft, Abfall, Braunkohle, Steinkohle, Erdölerzeugnissen, Torf und Biomasse-Brennstoffen ausgenommen Biomethan, durch den Stromerzeuger einschließlich der Realisierung von Veräußerungsrechten auf Strom.

Bemessungsgrundlage für den EKB-S ist gemäß § 3 Abs. 1 EKBSG die Summe der monatlichen Überschusserlöse aus der Veräußerung von Strom gemäß § 1 Abs. 3, die zwischen dem und dem erzielt wurde. Die Bemessungsgrundlage beinhaltet auch das Ergebnis von derivativen Kontrakten, die in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Markterlösen stehen. Aufwendungen können nicht berücksichtigt werden.

Nach § 3 Abs. 2 EKBSG bedeuten im Sinne dieses Bundesgesetzes:

1. Überschusserlöse: eine positive Differenz zwischen den Markterlösen des Beitragsschuldners je MWh Strom und der jeweiligen Obergrenze für Markterlöse gemäß Z 3.

2. Markterlöse: die realisierten Erträge, die ein Beitragsschuldner für den Verkauf und die Lieferung von Strom in der Union erhält.

3. Obergrenze für Markterlöse idF BGBl I 64/2023:

a) für Überschusserlöse, die von bis erzielt wurden, beträgt die Obergrenze 140 Euro je MWh Strom;

b) für Überschusserlöse, die nach dem erzielt wurden, beträgt die Obergrenze 120 Euro je MWh Strom.

Liegen nach § 3 Abs. 3 EKBSG die notwendigen direkten Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse, können diese Kosten zuzüglich eines Aufschlags von 20 % der notwendigen, direkten Investitions- und Betriebskosten als Obergrenze für Markterlöse angesetzt werden, sofern der Beitragspflichtige die Voraussetzungen nachweist.

Nach § 3 Abs. 5 EKBSG beträgt der EKB-S 90% der Überschusserlöse.

Nach § 3 Abs. 6 EKBSG stellt der EKB-S eine abzugsfähige Betriebsausgabe dar (§ 4 Abs. 4 Einkommensteuergesetz 1988 - EStG 1988, BGBl Nr. 400/1988).

Gemäß § 4 Abs. 1 EKBSG kann von dem gemäß § 3 ermittelten EKB-S ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz abgezogen werden. Voraussetzung dafür ist, dass Anschaffungs- oder Herstellungskosten von begünstigten Investitionsgütern nach dem und vor dem anfallen. […]

Nach § 5 Abs. 1 Z 1 EKBSG ist Beitragsschuldner der Betreiber einer Anlage (§ 7 Abs. 1 Z 20 ElWOG 2010) zur Erzeugung von Strom gemäß § 1 Abs. 3 mit einer installierten Kapazität von mehr als 1 MW.

Gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 EKBSG ist Beitragsschuldner der Begünstigte eines Strombezugsrechtes aus Erzeugungsanlagen gemäß Z 1. Strombezugsrechte sind langfristige Stromlieferungen, die entweder über Istwertaufschaltung direkt oder über Fahrpläne abgewickelt werden und deren Abgeltung nicht auf einem Marktpreis beruht. In diesen Fällen gilt der Betreiber gemäß Z 1 insoweit nicht als Beitragsschuldner für die auf das Strombezugsrecht entfallenden Strommengen.

Nach § 5 Abs. 2 Z 1 EKBSG wird der EKB-S am für den Zeitraum bis fällig.

Nach § 6 Abs. 1 EKBSG obliegt die Erhebung des Beitrags dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt.

Gemäß § 6 Abs. 1 EKBSG obliegt die Erhebung des Beitrags dem für die Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt.

Nach § 6 Abs. 2 EKBSG hat der Beitragsschuldner den Beitrag selbst zu berechnen und am Fälligkeitstag (§ 5 Abs. 2) an das zuständige Finanzamt zu entrichten.

Nach § 9 Abs. 1 EKBSG wird der Bundesminister für Finanzen gemeinsam mit der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie ermächtigt

1. die Ableitung der Markterlöse für erzeugte Strommengen im Sinne des § 3 Abs. 2 Z 2 sowie die Voraussetzungen samt Inlandsbezug für den Absetzbetrag für begünstigte Investitionen gemäß § 4,

2. die Plausibilitätsprüfung gemäß § 7 und

3. die Aufzeichnungs- und Übermittlungspflichten gemäß § 8

mit Verordnung näher zu konkretisieren.

Nach § 9 Abs. 3 EKBSG dürfen Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden.

Ordnen gemäß § 201 Abs. 1 BAO die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

Nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Aufgrund des in Art. 18 Abs. 1 B-VG verankerten Legalitätsprinzips sind die Gerichte - ebenso wie die Verwaltungsbehörden - verpflichtet, ihre Entscheidungen - unabhängig von einer eventuellen Verfassungswidrigkeit - auf der Grundlage der geltenden Gesetze zu treffen.

Gemäß Art. 89 Abs. 1 B-VG steht den ordentlichen Gerichten, soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt ist, die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze nicht zu. Sowohl die belangte Behörde als auch das Bundesfinanzgericht haben daher grundsätzlich die Bestimmungen des EKBSG so lange anzuwenden, wie sie dem Rechtsbestand angehören.

Die Bf. behauptet nicht, dass der von ihr für den Zeitraum bis selbst berechnete EKB-S unrichtig wäre bzw. nicht den Bestimmungen des EKBSG entsprechen würde. Damit liegt aber eine Unrichtigkeit, welche die belangte Behörde zu einer bescheidmäßigen Festsetzung des EKB-S gemäß § 201 BAO verpflichtet hätte, nicht vor, weshalb die belangte Behörde den Antrag der Bf. zu Recht abgewiesen hat.

Gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG hat ein ordentliches Gericht, wenn es gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Derartige Bedenken bestehen gegenständlich nicht.

Nach den Materialien zum EKBSG sowie den Erwägungsgründen (ErwGr) zur EU-Notfallmaßnahmen-VO, in deren Umsetzung das EKBSG erlassen wurde, weshalb diese Erwägungsgründe auch für die sachliche Rechtfertigung der Bestimmungen des EKBSG heranzuziehen sind, diente dieses Gesetz der Bewältigung der Krisensituation, die infolge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine am Energiemarkt eingetreten ist. Dies war, wie in ErwGr 1 dargelegt, hauptsächlich eine Folge des hohen Gaspreises, da Gas für die Stromerzeugung verwendet wird, wobei Gaskraftwerke häufig zur Deckung der Nachfrage zu Spitzenlastzeiten oder wenn der mit anderen Technologien wie Kernenergie, Wasserkraft oder variabler erneuerbarer Energie erzeugte Strom nicht zur Deckung der Nachfrage ausreicht, benötigt werden. Der Preisanstieg an den Stromgroßhandelsmärkten führte zu einem dramatischen Anstieg der Endkundenpreise. Mithilfe der Festlegung von Notfallmaßnahmen sollte vorübergehend das Risiko gemindert werden, dass die Strompreise und die Kosten von Strom für Endkunden noch weniger tragfähige Niveaus erreichen, die Auswirkungen hoher Energiepreise sollten abgefedert und sichergestellt werden, dass die derzeitige Krise keine dauerhaften Schäden für Verbraucher und Wirtschaft mit sich bringt und gleichzeitig die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen gewahrt wird. Gemäß Art. 1 der EU-Notfallmaßnahmen-VO war demgemäß Ziel der Notfallmaßnahmen u.a., den Stromverbrauch zu senken, eine Obergrenze für die mit der Stromerzeugung erzielten Markterlöse bestimmter Erzeuger einzuführen und diese Erlöse gezielt an Stromendkunden weiter zu verteilen, um zu einer bezahlbaren Energieversorgung von Haushalten und Unternehmen beizutragen.

Dazu werden auch die nachfolgenden Erwägungen zur EU-Notfallmaßnahmen-VO zitiert:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ErwGr 23:
"Auf dem Day-Ahead-Großhandelsmarkt werden zunächst die kostengünstigsten Kraftwerke eingesetzt; der Preis für alle Marktteilnehmer wird jedoch durch das letzte Kraftwerk bestimmt, das zur Deckung der Nachfrage benötigt wird, d.h. durch das Kraftwerk mit den höchsten Grenzkosten bei Markt-Clearing. Der jüngste Anstieg der Gas- und Steinkohlepreise schlägt sich inzwischen in einem außergewöhnlichen und anhaltenden Anstieg der Angebotspreise der gas- und kohlebetriebenen Energieerzeugungsanlagen auf dem Day-Ahead-Großhandelsmarkt nieder. Dies wiederum hat in der gesamten Union zu außergewöhnlich hohen Preisen auf dem Day-Ahead-Markt geführt, da es sich bei diesen Kraftwerken oftmals um diejenigen mit den höchsten Grenzkosten handelt, die zur Deckung der Stromnachfrage erforderlich sind."
ErwGr 24:
"Da der Preis auf dem Day-Ahead-Markt als Referenzpreis für andere Stromgroßhandelsmärkte dient und alle Marktteilnehmer denselben Clearingpreis erhalten, wurden bei den Technologien mit deutlich niedrigeren Grenzkosten seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine im Februar 2022 durchweg hohe Erlöse erzielt, die weit über die Erwartungen bei der Investition hinausgingen."
ErwGr 25:
"In einer Situation, in der die Verbraucher extrem hohen Preisen ausgesetzt sind, die auch der Wirtschaft der Union schaden, müssen die außergewöhnlichen Markterlöse von Erzeugern mit niedrigeren Grenzkosten vorübergehend begrenzt werden, indem auf diese Markterlöse aus dem Stromverkauf in der Union die Obergrenze für Markterlöse angewandt wird."

Nach dem Merit-Order-System (engl.: Reihenfolge der Vorteilhaftigkeit) werden zunächst Kraftwerke mit hohen Grenzkosten durch Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten verdrängt: In Zeiten hoher EEG-Stromeinspeisung verdrängt der EEG-Strom den Strom aus den teuersten konventionellen Kraftwerken und senkt so über den Merit-Order-Effekt den Börsenpreis für Strom.

Im Hinblick auf die der Bewältigung einer Krisensituation dienenden Zielsetzungen stellte die befristete Einführung eines Krisenbeitrags durch bestimmte Stromerzeuger, nämlich jener, deren Grenzkosten niedrig sind und die deshalb ausgelöst durch die krisenbedingten Steigerungen des Strompreises außergewöhnliche Markterlöse erzielten, keine unsachliche Maßnahme dar. Die Bf. gehört zu jenen Erzeugern, deren Grenzkosten niedrig sind und grundsätzlich unter der Obergrenze für Markterlöse liegen (vgl. ErwGr 11, 32).

Es ist nicht ersichtlich, dass die befristete Regelung untauglich gewesen wäre, diesen Zielsetzungen gerecht zu werden. Da durch die Notfallmaßnahmen gerade die Auswirkungen der hohen Energiepreise abgemildert werden sollten (ErwGr 72), kann mit der Begründung, der EKB-S habe nicht zu einer Senkung der Strompreise geführt, die Sachlichkeit der Regelungen des EKBSG nicht in Zweifel gezogen werden.

Was den behaupteten Verstoß gegen die Eigentumsfreiheit betrifft, so war die befristete Erhebung des EKB-S aus den zuvor genannten Gründen im Allgemeininteresse gelegen. Dass der EKB-S unverhältnismäßig gewesen wäre und ihre Vermögensverhältnisse, also ihren Stamm, beeinträchtigt hätte, legt die Bf. nicht konkret dar und kann angesichts des Umstandes, dass durch den EKB-S außergewöhnliche, die Stromgestehungskosten bei weitem übersteigende Markterlöse aus dem Stromverkauf abgeschöpft wurden, auch nicht nachvollzogen werden.

Die Regelung des § 3 Abs. 3 EKBSG berücksichtigt zudem jene Fälle, in denen die direkten Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der im EKBSG normierten Obergrenze für Markterlöse lagen. Da der Gesetzgeber somit sehr wohl auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht genommen hat, liegt auch der von der Bf. monierte Verstoß des EKB-S gegen das objektive Nettoprinzip nicht vor.

Aus den zitierten Erwägungsgründen folgt auch die sachliche Rechtfertigung dafür, dass der EKB-S nicht vom Gewinn, sondern von den Überschusserlösen erhoben wurde. Die betroffenen Stromerzeuger wie die Bf. profitierten von extremen, durch eine Krisensituation hervorgerufenen Preisanstiegen, ohne dass diesen Mehrerlösen höhere Grenzkosten gegenüberstanden wären. Dieser Umstand rechtfertigte es ferner, dass der EKB-S nicht wie der Solidaritätsbeitrag für im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätige Unternehmer, umgesetzt durch das Bundesgesetz Energiekrisenbeitrag-fossile Energieträger, BGBl. I 220/2022, vom Gewinn bemessen wurde. Das wird auch in ErwGr 45 deutlich zum Ausdruck gebracht:

"Die Geschäfts- und Handelspraktiken und der Rechtsrahmen im Stromsektor unterscheiden sich deutlich vom Sektor für fossile Brennstoffe. Da mit der Obergrenze für Markterlöse das Marktergebnis nachgebildet werden soll, das die Erzeuger hätten erwarten können, wenn die globalen Lieferketten seit Februar 2022 normal und ohne Störungen bei den Gaslieferungen funktionieren würden, muss die Maßnahme für Stromerzeuger auf die Erlöse aus der Stromerzeugung angewandt werden. Umgekehrt muss der befristete Solidaritätsbeitrag, da er auf die Rentabilität von im Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriebereich tätigen Unternehmen und Betriebsstätten der Union abzielt, die im Vergleich zu den Vorjahren erheblich zugenommen hat, auf deren Gewinne angewandt werden."

Da somit die unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen von EKB-S und Solidaritätsbeitrag sachlich begründet sind, besteht bzw. bestand keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Stromerzeugern und fossilen Energieträgern.

Nach Art. 8 Abs. 1 der EU-Notfallmaßnahmen-VO konnten zwar die Mitgliedstaaten Maßnahmen einführen, durch die die Markterlöse anderer Marktteilnehmer, einschließlich im Stromhandel tätiger Marktteilnehmer, weiter begrenzt werden. Für die Ergreifung einer solchen Maßnahme sah aber der österreichische Gesetzgeber nach der in Österreich herrschenden Marktlage augenscheinlich keine Notwendigkeit. Dass die Stromhändler durch die krisenbedingten Preissteigerungen außergewöhnliche Markterlöse oder Übergewinne erzielt hätten, macht die Bf. mit der bloßen Behauptung, diese würden ebenso von gestiegenen Strompreisen profitieren, zudem nicht deutlich. Da Stromhändler ja an der Marge zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis verdienen, damit wohl nicht nur zu gestiegenen Preisen verkauft haben, sondern auch zu gestiegenen Preisen einkaufen mussten, tritt ein von der Bf. vermuteter (außergewöhnlicher) Profit der Stromhändler auch nicht offensichtlich zu Tage. Dass bei den Fernwärmeversorgern auf Grund der Preissteigerungen (außergewöhnliche) Übergewinne entstanden wären, hat die Bf. ebenfalls unbelegt in den Raum gestellt. Außerdem waren die Preissteigerungen bei den Fernwärmeversorgern, wie allgemein bekannt, auf den starken Anstieg der Gaspreise zurückzuführen, da Fernwärmeversorger Gas, das sie zur Herstellung der Fernwärme einsetzten, teurer einkaufen mussten. Anhand des Vorbringens der Bf. kann daher nicht festgestellt werden, dass der Gesetzgeber Stromhändler und Fernwärmeversorger gegenüber Stromerzeugern privilegiert hätte.

Art. 6 der EU-Notfallmaßnahmen-VO legt die Begrenzung der Markterlöse, die Stromerzeuger aus erneuerbaren Energiequellen wie z.B. Windenergie erzielen, mit "höchstens" 180,00 € fest. Die im EKBSG normierten Obergrenzen für Markterlöse liegen jedenfalls unter dieser Höchstgrenze. Aufgrund des Anstiegs der Inflation auf 9,7% (vgl. Statistik Austria, Pressemitteilung 13 074-102/23 für April 2023) und der gesunkenen Großhandelspreise (vgl. Statistik Austria, Pressemitteilung 13 236-002/24) wurde vom Gesetzgeber die Obergrenze für Markterlöse mit Wirksamkeit vom auf EUR 120,00 herabgesetzt. Mit dieser Anpassungsmaßnahme zielte der Gesetzgeber auf die volkswirtschaftlich gebotene Dämpfung der im Vergleich zu Westeuropa deutlich höher gelegenen Inflation unter gleichzeitiger Anhebung der finanziellen Unterstützung der belasteten Haushalte und Firmen ab. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber des EKBSG innerhalb seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums mit einer Obergrenze von 140,00 € bzw. 120,00 € je MWh eine überschießende Regelung geschaffen hätte.

Der Einwand der Bf., der EKB-S führe dazu, dass manche Betriebe ihre Betriebskosten nicht vollständig decken könnten, ist nicht nur unbelegt geblieben, sondern im Hinblick auf die bereits erwähnte Regelung des § 3 Abs. 3 EKBSG nicht berechtigt. Dass konkret der Bf. wegen der Begrenzung der Markterlöse mit den erwähnten Obergrenzen keine hinreichende Marge verblieben wäre, ihre Stromgestehungskosten zu decken, ist nicht hervorgekommen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 EKBSG behauptet sie nicht. Was die vermeintliche Gefährdung der Investitionssignale betrifft, ist auf den in § 4 EKBSG normierten Absetzbetrag für begünstigte Investitionen zu verweisen, von dem die Bf. mit EUR 1.799.950,38 Gebrauch gemacht hat.

Darüber hinaus sieht der Energiekrisenbeitrag eine Investitionsbegünstigung in Höhe von max. EUR 36,00 pro MWh vor, sodass sich unter Ausschöpfung der entsprechenden Maßnahmen der Referenzwert dadurch auf EUR 180,00 (wie in der EU-Verordnung) erhöhen würde (vgl. Achatz/ Kirchmayr, Energiekrisenbeiträge als neue Steuern, taxlex 2023/8).

Inwiefern die Bf. dadurch, dass der EKB-S gemäß § 3 Abs. 6 EKBSG eine abzugsfähige Betriebsausgabe im Sinne des Einkommensteuergesetzes darstellt und daher ihre Steuerbemessungsgrundlage mindert, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt sein könnte, ist nicht ersichtlich.

Soweit die Bf. im EKBSG eine Bestimmung über die Verwendung der Überschusserlöse zur Finanzierung von Maßnahmen zur Unterstützung von Stromendkunden vermisst, ist darauf hinzuweisen, dass sich diese Verpflichtung schon aus Art. 10 der EU-Notfallmaßnahmen-VO ergibt, gemäß Art. 19 Abs. 1 der VO die zuständige Behörde jedes Mitgliedstaats die Umsetzung u.a. der in Art. 10 genannten Maßnahmen in ihrem Hoheitsgebiet überwacht und gemäß Art. 19 Abs. 3 lit. c der VO die Mitgliedstaaten der Kommission über die Maßnahmen zur Verteilung der Überschusserlöse zur Abmilderung der Auswirkungen der hohen Strompreise auf die Stromendkunden gemäß Art. 10 Bericht erstatten.

Das EKBSG wurde am im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und ist mit , somit rückwirkend, in Kraft getreten. Eine verfassungsrechtlich verpönte Rückwirkung liegt aber schon deshalb nicht vor, weil die - unmittelbar anwendbare - EU-Notfallmaßnahmen-VO bereits am im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden ist, damit am bereits die eine Abschöpfung der Überschusserlöse begründende Rechtslage, die durch den österreichischen Gesetzgeber nur eine nähere Ausgestaltung erfuhr, bestanden hat, die Stromerzeuger daher durch die erst am erfolgte Kundmachung des EKBSG auch nicht in ihrem Vertrauen auf eine für sie günstigere Rechtslage enttäuscht sein konnten.

Sowohl die Frage, ob eine Verfassungswidrigkeit darin zu sehen ist, dass das EKBSG bis zum erzielte Überschusserlöse aus der Veräußerung von Strom dem EKB-S unterworfen hat, obwohl Art. 6, 7 und 8 der EU-Notfallmaßnahmen-VO gemäß Art. 22 Abs. 2 lit. c (nur) bis zum gegolten haben, als auch die Frage, ob die Herabsetzung der Obergrenze für Markterlöse auf 120,00 € je MWh Strom durch BGBl. 64/2023, kundgemacht am , für ab dem erzielte Markterlöse verfassungskonform erfolgte, sind gegenständlich nicht präjudiziell, weil der vom Festsetzungsantrag der Bf. betroffene Zeitraum nur die Monate Dezember 2022 bis Juni 2023 umfasst.

Für den Zeitraum 06/2023 ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass auch die Obergrenze von EUR 120,00/MWh auch für den Fall nicht gilt, dass die notwendigen direkten Investitions- und Betriebskosten der Energieerzeugung über der Obergrenze für Markterlöse liegen, da die Investitions- und Betriebskosten zuzüglich eines Aufschlages von 20% nach § 3 Abs. 3 EKBSG als Obergrenze für Markterlöse angesetzt werden können.

Darüber hinaus kann nach § 4 Abs. 1 EKBSG von dem gemäß § 3 ermittelten EKB-S ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz abgezogen werden, so diese Investitionen nach dem und vor dem anfallen.

Aus den dargelegten Gründen bestand kein Anlass, gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG einen Aufhebungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Auf Grundlage der dem Rechtsbestand angehörenden und auch vom Bundesfinanzgericht anzuwendenden Bestimmungen des EKBSG war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die Selbstberechnung des EKB-S durch die Bf. unstrittig im Einklang mit den Bestimmungen des EKBSG erfolgte, liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, weshalb die Revision an den Verwaltungsgerichtshof spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 6 Abs. 3 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 5 Abs. 2 Z 1 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 1 Abs. 3 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 5 Abs. 3 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 201 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 3 Abs. 2 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 1 Abs. 1 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 6 Abs. 2 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 5 EKBSG, Energiekrisenbeitrag-Strom, BGBl. I Nr. 220/2022
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.7100082.2024

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at