VwGH vom 27.01.2010, 2009/16/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des Finanzamtes Graz-Umgebung in 8018 Graz, Adolf Kolping Gasse 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , GZ. RV/0494-G/07, betreffend Normverbrauchsabgabe (mitbeteiligte Partei: D Handelsgesellschaft mbH in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
In einer "Niederschrift" über eine bei der Mitbeteiligten, einer GmbH mit Sitz in Österreich, im Juli 2006 durchgeführte Nachschau hielt das beschwerdeführende Finanzamt fest, dass ein in Deutschland zugelassenes Kraftfahrzeug der Marke BMW vom Geschäftsführer der Mitbeteiligten "am Standort in H (Sitz der Mitbeteiligten) genutzt" worden sei. Dieses Fahrzeug sei auf den Namen der im Alleineigentum der Mitbeteiligten stehenden G GmbH mit Sitz in Deutschland "zugelassen" gewesen. Nach den Angaben des Geschäftsführers der Mitbeteiligten, Christian D, habe dieser bzw. die Mitbeteiligte seit Februar 2003 die Verfügungsmacht über das Fahrzeug. Christian D verwende es für regelmäßige Fahrten zur G GmbH. Laufende Kosten, etwa für Treibstoff, Versicherung und Service, bezahle die G GmbH, welche der Mitbeteiligten jährlich ein Nutzungsentgelt in Rechnung stelle.
In einer von der Mitbeteiligten vorgelegten Rechnung der G GmbH vom wurde für das Jahr 2004 ein den Pkw betreffendes Nutzungsentgelt von EUR 3.327,72 ausgewiesen.
In Folge schrieb das beschwerdeführende Finanzamt der Mitbeteiligten mit Bescheid vom Normverbrauchsabgabe in Höhe von EUR 7.986,20 mit der Begründung vor, dass die Mitbeteiligte "Verwender" des Fahrzeuges iSd § 1 Z 3 NoVAG sei, weil diese den Nutzen aus dessen Verwendung im Bundesgebiet, welches über ein "bloß vorübergehendes Verfügen" hinausgehe, ziehe. Die regelmäßigen Fahrten des Geschäftsführers der Mitbeteiligten mit dem Fahrzeug zum ausländischen Produktionsunternehmen G GmbH (Geschäftsführerin Brigitte W) seien der Geschäftstätigkeit der Mitbeteiligten zuzuordnen. Da die Mitbeteiligte hauptsächlich von ihrem inländischen Sitz aus über das Kraftfahrzeug verfüge, habe dieses gemäß § 40 Abs. 1 iVm § 82 Abs. 8 KFG seinen dauernden Standort im Inland, weshalb es im Bundesgebiet zuzulassen gewesen wäre und der Tatbestand des § 1 Z 3 NoVAG verwirklicht worden sei.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung brachte die Mitbeteiligte vor, Christian D nutze zwar das Fahrzeug im Rahmen seiner Tätigkeit als ihr Geschäftsführer, sei aber nicht dessen rechtmäßiger Besitzer. Da die G GmbH 2002 aus einer Konkursmasse übernommen worden sei und es eines großen Aufwandes bedurft habe, das Unternehmen zu einem geschäftlichen Erfolg zu führen, habe Christian D seit der Übernahme "über mehrere Jahre hinweg ganze Wochen in der BRD verbracht" und sei "nur über das Wochenende nach Österreich gefahren". Das Kraftfahrzeug habe sich "nie über einen längeren Zeitraum nur im Inland befunden". Somit hätten auch die Fristen nach dem Kraftfahrgesetz jedes Mal neu zu laufen begonnen.
In einem Schreiben an die belangte Behörde vom präzisierte die Mitbeteiligte ihr Vorbringen dahingehend, dass die Zulassung des BMW im Inland mangels Weisung der zivilrechtlichen Eigentümerin G GmbH unterblieben sei. Es liege kein Mietvertrag vor, weil "keine Miete", sondern ein am Aufwand (Wertminderung und Betriebskosten) orientiertes Nutzungsentgelt verrechnet worden sei. Der Aufwandersatz sei bezahlt worden, weil Christian D auf dem Weg zur G GmbH und zurück auch für die Mitbeteiligte Kundenbesuche absolviert habe. Ein dauernder Standort im Inland liege nicht vor, weil Christian D seit dem Erwerb der G GmbH sich "Monat für Monat" mindestens zwei Wochen in Deutschland aufhalte und die Fahrten mit dem strittigen Fahrzeug unternehme.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Bescheid des beschwerdeführenden Finanzamtes auf. In ihrer Begründung ging sie davon aus, dass der auf die Tochtergesellschaft der Mitbeteiligten in Deutschland zugelassene BMW vom Geschäftsführer der Mitbeteiligten genutzt und bei einer Nachschau des Finanzamtes bei der Mitbeteiligten vorgefunden worden sei. Das Fahrzeug sei bei einem deutschen Händler gekauft und in Deutschland versichert worden. In der Folge gab die belangte Behörde den Verfahrensgang und anzuwendende Rechtsvorschriften wieder. Nach einem Zitat aus dem "Kommentar von Novak zum Österreichischen Straßenverkehrsrecht (II. Teil: Kraftfahrrecht)" zu § 37 Abs. 2 KFG, wonach derjenige, der die Zulassung eines Kraftfahrzeuges im Inland beantrage, dessen rechtmäßiger Besitzer iSd der §§ 309 und 316 ABGB sein müsse und "der Gebrauchsberechtigte, der Fruchtnießer, der Entlehner oder der Verwahrer nicht Besitzer" seien, führte die belangte Behörde abschließend aus:
"Vor dem Sachverhaltshintergrund kann zwischen der Bw (Mitbeteiligten) und dem Fahrzeug keine Verbindung hergestellt werden, die ihr die Eigenschaft als dessen 'rechtmäßiger Besitzer' zukommen lassen würde.
Da die Bw somit vom Finanzamt zu Unrecht in Anspruch genommen wurde, war der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Finanzamtes, in welcher dieses ausschließlich Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend macht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch eines Kostenersatzes beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Z 3 Normverbrauchsabgabegesetz - NoVAG 1991 unterliegt der Normverbrauchsabgabe - abgesehen von hier nicht zutreffenden Ausnahmen - die erstmalige Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Verkehr im Inland. Als erstmalige Zulassung gilt u.a. die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre, ausgenommen es wird ein Nachweis über die Entrichtung der Normverbrauchsabgabe erbracht.
Nach § 4 Z 2 NoVAG 1991 ist Abgabenschuldner im Falle der erstmaligen Zulassung (§ 1 Z 3) derjenige, für den das Kraftfahrzeug zugelassen wird. Wird das Kraftfahrzeug für mehrere Personen zugelassen, so sind diese Gesamtschuldner (§ 6 Abs. 1 BAO).
Kraftfahrzeuge dürfen nach § 36 Kraftfahrgesetz 1967 - KFG 1967, BGBl. Nr. 267/1967, nur dann auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden, wenn sie u.a. zum Verkehr zugelassen sind.
Nach § 37 Abs. 2 KFG 1967 idF BGBl. I Nr. 132/2002 dürfen Kraftfahrzeuge und Anhänger u.a. nur zugelassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er der rechtmäßige Besitzer des Fahrzeuges ist oder das Fahrzeug auf Grund eines Abzahlungsgeschäftes im Namen des rechtmäßigen Besitzers innehat, wenn er seinen Hauptwohnsitz oder Sitz, bei Antragstellern ohne Sitz im Bundesgebiet eine Hauptniederlassung im Bundesgebiet hat oder bei Miete des Fahrzeuges aus einem anderen EU-Mitgliedstaat, jedenfalls der Mieter seinen Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet hat.
Kraftfahrzeuge und Anhänger sind nach § 38 Abs. 1 KFG auf Antrag für die Dauer von höchstens einem Jahr vorübergehend zuzulassen, wenn der Antragsteller seinen Hauptwohnsitz, seine Hauptniederlassung oder seinen Sitz nicht im Bundesgebiet hat und die im § 37 Abs. 2 angeführten Unterlagen und Nachweise ordnungsgemäß erbracht sind.
Gemäß § 40 Abs. 1 zweiter Satz KFG 1967 idF BGBl. I Nr. 132/2002 gilt als dauernder Standort eines Fahrzeuges der Hauptwohnsitz des Antragstellers, bei Fahrzeugen von Unternehmungen der Ort, von dem aus der Antragsteller über das Fahrzeug hauptsächlich verfügt.
Gemäß § 79 KFG 1967 ist das Verwenden von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, die keinen dauernden Standort im Bundesgebiet haben, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr (unbeschadet zollrechtlicher und gewerberechtlicher Vorschriften) u. a. nur zulässig, wenn die Fahrzeuge vor nicht länger als einem Jahr in das Bundesgebiet eingebracht wurden.
§ 82 Abs. 8 KFG 1967 bestimmt, dass Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dauerndem Standort im Inland anzusehen sind. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gemäß § 37 KFG 1967 ist nur während eines Monats ab der Einbringung in das Bundesgebiet zulässig.
Aus der dargestellten Rechtslage ergibt sich, dass die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeuges dann der Normverbrauchsabgabe unterliegt, wenn es nach dem KFG 1967 zum Verkehr zuzulassen wäre. Dies betrifft vor allem die Verwendung von im Ausland zugelassenen Fahrzeugen, wenn auf Grund kraftfahrrechtlicher Bestimmungen die Zulassung im Inland zu beantragen wäre, dies aber unterlassen wird.
Mit der Einführung dieses Auffangtatbestandes in § 1 Z 3 NoVAG (durch die Novelle BGBl. I Nr. 122/1999) sollten auch jene Fälle, in denen dauerhaft im Inland verwendete Fahrzeuge nur zum Zweck der Vermeidung der Normverbrauchsabgabe im Ausland zugelassen werden, von der Normverbrauchsabgabe erfasst werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/15/0276).
Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Voraussetzungen ein Fahrzeug mit ausländischem Kennzeichen im Inland zuzulassen ist, richtet sich danach, ob es über einen dauernden Standort im Inland oder im Ausland verfügt (vgl. § 79 Abs. 1 und § 82 Abs. 8 KFG 1967). Bei der Bestimmung des dauernden Standortes (vgl. § 40 Abs. 1 zweiter Satz KFG) kommt es darauf an, von wem das Fahrzeug im Inland verwendet wird.
Wird das Fahrzeug beispielsweise durch eine natürliche Person ohne Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so kommt § 79 Abs. 1 KFG 1967 (mit seiner Jahresregel) zum Tragen. Wird das Fahrzeug hingegen durch eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz im Inland verwendet, so ist dies nach § 82 Abs. 8 KFG 1967 zu beurteilen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom Zl. 95/11/0378).
§ 4 Z 2 NoVAG 1991 bezeichnet als Abgabenschuldner im Falle der erstmaligen Zulassung (§ 1 Z 3) denjenigen, für den das Kraftfahrzeug zugelassen wird. Damit wird aber nur der Abgabentatbestand des ersten Satzes des § 1 Z 3 NoVAG 1991 (erstmalige Zulassung) erfasst. Beim Abgabentatbestand des zweiten Satzes dieser Bestimmung (fiktive erstmalige Zulassung) fehlt es aber - mangels Zulassung - an jener Person, für die zugelassen worden ist. § 4 NoVAG sah bis zur Novelle durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 52/2009 dafür keine ausdrückliche Regelung zur Bestimmung des Steuerschuldners vor.
Nach dem dem Steuerschuldrecht innewohnenden Grundgedanken, dass derjenige Steuerschuldner ist, der den die Steuerpflicht auslösenden Tatbestand verwirklicht hat ( Stoll , Bundesabgabenordnung, 77), ist aber in einem solchen Fall jene Person, welche das Fahrzeug ohne Zulassung im Inland verwendet, zur Normverbrauchsabgabe heranzuziehen. Und zwar unabhängig davon, ob das Fahrzeug für diese Person überhaupt zugelassen werden könnte. Auf den rechtlichen Besitz an dem Fahrzeug kommt es bei der Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht an.
Diese Auslegung des NoVAG 1991 findet ihre Bestätigung auch in der vom Gesetzgeber durch die Novelle BGBl. I Nr. 52/2009 vorgenommenen "Klarstellung" (vgl. die Materialien zu dieser Novelle 113 BlgNR XXIV. GP 79) durch die Ergänzung des § 4 NoVAG. Dessen nunmehr angefügte Z 3 bestimmt im Falle der Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre (§ 1 Z 3) auch denjenigen, der das Fahrzeug verwendet, als Abgabenschuldner (§ 6 Abs. 1 BAO).
Das NoVAG enthält jedoch auch keine Regelung darüber, wem die Verwendung des Fahrzeuges zuzurechnen ist. Auf Grund der gleichartigen Zielsetzung - nämlich die Person zu bestimmen, die für die durch die Verwendung des Fahrzeuges entstandenen Folgen einzustehen hat, - bietet es sich in diesem Zusammenhang an, auf den bundesrechtlich geregelten Begriff des Halters des Kraftfahrzeugs nach § 5 Abs. 1 Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetz - EKHG zurückzugreifen. Unter dem Halter ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes dazu die Person zu verstehen, die das Fahrzeug auf eigene Rechnung in Gebrauch und die Verfügungsgewalt darüber hat. Dies ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgebend ist, dass der Halter tatsächlich in der Lage ist, die Verfügung über das Fahrzeug auszuüben (vgl. dazu etwa OGH, , 9 Ob A 150/00z).
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde zu dem - nicht näher begründeten - Ergebnis gekommen, dass die Mitbeteiligte vom Finanzamt deswegen zu Unrecht als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden sei, weil sie nicht als rechtmäßige Besitzerin des Fahrzeuges angesehen werden könne. Damit hat sie aber die Rechtslage verkannt. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, kommt es nämlich bei der Entstehung der Normverbrauchsabgabenschuld im Beschwerdefall ausschließlich auf die Verwendung eines nicht im Inland zugelassenen Fahrzeugs im Bundesgebiet über die in § 82 Abs. 8 KFG vorgesehene Frist hinaus an. Ob der Person, welche ein Fahrzeug im Inland solcherart verwendet, der rechtmäßige Besitz an diesem Fahrzeug zukommt, ist für die Entstehung der Steuerschuld und die Bestimmung des Steuerschuldners unerheblich.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am