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VwGH vom 19.12.2013, 2011/15/0183

VwGH vom 19.12.2013, 2011/15/0183

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der G GmbH Co KG in M, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom , Zl. RV/0109-G/09, betreffend Vorsteuererstattung für den Zeitraum bis , zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine ausländische Unternehmerin, welche auf dem Gebiet der Herstellung und des Vertriebs von Glaserzeugnissen tätig ist.

Am reichte sie beim Finanzamt Graz Stadt einen Antrag auf Vergütung der Umsatzsteuer unter Verwendung des amtlichen Vordrucks U 5 für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2007 ein. In der Anlage zum Antrag listete die Beschwerdeführerin 26 im Einzelnen angeführte Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 14.679,55 EUR auf, hinsichtlich derer die Vorsteuererstattung beantragt wurde.

Mit Bescheid vom entschied das Finanzamt, die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern gemäß Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995, "für den Zeitraum 01-12/2007 erfolgt mit 0,00 EUR". In der Begründung wies das Finanzamt darauf hin, dass es gemäß § 3 Abs. 1 letzter Satz der angeführten Verordnung idF BGBl. II Nr. 384/2003 grundsätzlich erforderlich sei, dem Erstattungsantrag die Rechnungen im Original sofort mit Antragstellung beizulegen. Zur Wahrung der Antragsfrist seien die Originalbelege jedoch spätestens innerhalb der Sechsmonatsfrist an die Vergütungsbehörde zu übermitteln. Da die Beschwerdeführerin die zwingend erforderlichen Originalrechnungen nicht innerhalb der genannten Frist vorgelegt habe, sei der Antrag abzuweisen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, der sie die Originalrechnungen anschloss.

In der Berufungsvorentscheidung vom sprach das Finanzamt aus, dass der Bescheid vom auf Grund der Berufung geändert werde. Dessen ungeachtet wurde der Erstattungsbetrag neuerlich mit 0,00 EUR bemessen.

Zur Begründung stützte sich das Finanzamt nunmehr auf die

8. und 13. MWSt-Richtlinie, in der die Frist für die "Einreichung des Antrages auf Vorsteuererstattung (unter Beifügung der Originalbelege) mit spätestens sechs Monaten nach Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer fällig geworden ist, festgelegt" werde. Mangels den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessens könne die Vorlage von Originalrechnungen im Rechtsmittelverfahren nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nicht zu einer positiven Erledigung führen.

In ihrem Vorlageantrag entgegnete die Beschwerdeführerin, die genannten Richtlinien schrieben nicht vor, dass ein Antrag ohne beigefügte Originalrechnungen als nicht bzw. nicht rechtzeitig gestellt zu gelten habe. Zwar sei die Vorlage der Originalrechnungen nach Art. 7 Abs. 3 der 8. MWSt-Richtlinie vorgesehen, jedoch nicht als antragsbegründend und nicht als Antragsvoraussetzung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Angesichts des Urteils des BFH vom , V R 23/05, das zu einer vergleichbaren Thematik ergangen sei, lasse sich die in Österreich zum Teil praktizierte Vorgangsweise der Finanzverwaltung und der belangten Behörde, wonach es als zulässig erachtet wurde, die Originalbelege in bestimmten Fällen auch noch nach der Ausschlussfrist des 30. Juni des Folgejahres vorzulegen, nicht mehr aufrecht erhalten. Mit dem Wortlaut der Verordnung, "die Rechnungen sind im Original dem Erstattungsantrag beizufügen" werde der zeitliche Rahmen zur Vorlage der Originalrechnungen dahingehend festgelegt, dass die Vorlage der Originalrechnungen innerhalb der Ausschlussfrist zur Vorlage des Antragsformulars zu geschehen habe, um noch als rechtzeitige Vorlage zu gelten.

Würde ein späteres Nachreichen anerkannt, sei nicht auszuschließen, dass dieselben Rechnungen für einen weiteren Antrag dienen könnten. Es seien nämlich durchaus Fälle denkbar, in denen das Finanzamt trotz seiner Verpflichtung zur Anbringung eines Sichtvermerkes einen solchen nicht oder ungenügend anbringe; zu denken wäre beispielsweise an Kleinbetragsrechnungen, die keinen Leistungsempfänger nennen. Eine nicht verlängerbare Einreichfrist für die Originalbelege in allen Fällen schließe Missbrauchsfälle durch Mehrfachverwendung von Belegen jedenfalls weitestgehend aus.

Die Erstattungsverordnung lasse im Lichte der Richtlinienbestimmungen in ihrer Gesamtheit erkennen, dass eine Vorsteuererstattung nur bei rechtzeitiger Erfüllung konkreter Voraussetzungen ermöglicht werden solle.

Das Erstattungsverfahren sei als ein durch Förmlichkeit und Strenge geprägtes Nachweisverfahren als vereinfachtes Verfahren konzipiert, in dem der Aspekt der zügigen und sicheren Handhabung überwiege. Ein "Massenverfahren" sei nur dann vernünftig administrierbar, wenn die Verfahrensvorgaben - insbesondere die Fristen - seitens der Antragsteller eingehalten würden. Dazu komme, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung sämtliche Originalbelege ohnehin bereits vorliegen müssten, weil ein Vorsteueranspruch nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 das Vorliegen einer Rechnung iSd § 11 UStG 1994 voraussetze.

Das Erstattungsverfahren sei EU-weit durch die Richtlinien vorgegeben und publik gemacht. Die Anleitung zum Vergütungsantrag erhalte den ausdrücklichen Hinweis auf die Ausschlussfrist und die Notwendigkeit der Vorlage der Originalbelege.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könnten vorgegebene Fristen nicht durch unvollständige Anträge unterlaufen werden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0032).

Ließe Österreich eine Nachreichung von Originalbelegen - anders als Deutschland - zu, stieße dies auch unter dem Gesichtspunkt von Wettbewerbsverzerrungen auf Bedenken. Ein Staat, der die vorgegebene Frist de facto weniger streng vollziehe, mache sich für Unternehmen attraktiver als ein Staat, der sich diesbezüglich strikt an die Richtlinienvorgaben halte.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Artikel I der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995, lautete in der für den streitgegenständlichen Vergütungszeitraum geltenden Fassung BGBl. II Nr. 384/2003:

"Erstattung der Vorsteuerbeträge in einem besonderen Verfahren Berechtigte Unternehmer

§ 1. (1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2 und 3 durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum

1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder

2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder

3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz und Art. 19 Abs. 1 Z 3 UStG 1994), oder

4. nur Umsätze, die der Einzelbesteuerung (§ 20 Abs. 4 UStG 1994) unterlegen haben,

ausgeführt hat;

5. weiters, wenn der Unternehmer nur Umsätze gemäß § 3a Abs. 9 lit. c UStG 1994 ausgeführt und von der Regelung des § 25a UStG 1994 oder in einem anderen Mitgliedstaat von der Regelung des Art. 26c der 6. EG-Richtlinie Gebrauch gemacht hat.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.

Erstattungszeitraum

§ 2. Erstattungszeitraum ist nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Erstattungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt. In dem Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Erstattungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen.

Verfahren

§ 3. (1) Der Unternehmer hat die Erstattung mittels amtlich vorgeschriebenem Vordruck beim Finanzamt Graz Stadt zu beantragen. Der Antrag ist binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Dem Erstattungsantrag sind die Rechnungen und die Belege über die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer im Original beizufügen.

(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 360 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 36 Euro betragen.

(3) Der Unternehmer muss dem Finanzamt Graz Stadt in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist.

Berücksichtigung von Vorsteuerbeträgen, Belegnachweis

§ 4. (1) Ist bei den in § 1 Abs. 1 genannten Unternehmern die Besteuerung nach den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 durchzuführen, so sind hiebei die Vorsteuerbeträge nicht zu berücksichtigen, die nach § 1 Abs. 1 erstattet worden sind.

(2) Die abziehbaren Vorsteuerbeträge sind in den Fällen des Abs. 1 durch Vorlage der Rechnungen und zollamtlichen Belege (Einfuhrumsatzsteuer) im Original nachzuweisen."

Die Verordnung ist in Umsetzung der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom ergangen. Für die Stellung des Antrags auf Mehrwertsteuererstattung sieht Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 1 letzter Satz der genannten Richtlinie eine Frist von sechs Monaten vor. Dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist (vgl. Elsacom , C- 294/11).

Gegenständlich steht außer Streit, dass der Erstattungsantrag innerhalb der Ausschlussfrist eingebracht wurde, die Originalrechnungen diesem aber nicht beigeschlossen waren und von der Erstattungsbehörde auch nicht nachgefordert wurden.

Im Erkenntnis vom , 2000/15/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass ein Anwendungsfall für einen Mängelbehebungsauftrag nach § 85 Abs. 2 BAO vorliegt, wenn ein Antrag auf Erstattung von Vorsteuerbeträgen nach der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995 gestellt wird und die in § 3 Abs. 3 der Verordnung genannte behördliche Bescheinigung des Ansässigkeitsstaates des Antragstellers nicht vorgelegt worden ist.

Formgebrechen sind - wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis weiter ausführt - solche Gestaltungen, die gesetzlich normierten Vorschriften widersprechen, wenn diese Vorschriften die formelle Behandlung eines Anbringens sicherstellen oder die Erledigung für die Behörde erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom , 17/2599/79). Dazu gehört auch das Fehlen von Belegen eines Antrages, die auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung beizubringen sind (vgl. Stoll , BAO-Kommentar, 863).

Auf § 85 Abs. 2 BAO gestützte Mängelbehebungsaufträge scheiden dann aus, wenn sich aus spezielleren Regelungen ergibt, dass andere Sanktionen vorgesehen sind. So sieht beispielsweise § 212a Abs. 3 die Zurückweisung eines Antrages vor, wenn er die Darstellung der Ermittlung des für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages nicht enthält (vgl. mit einem weiteren Beispiel Ritz , BAO4, § 85 Tz 10, sowie das hg. Erkenntnis vom , 91/16/0047).

Eine derartige speziellere Sanktion sieht die im Beschwerdefall anzuwendende Verordnung nicht vor.

Der belangten Behörde ist einzuräumen, dass nicht jeder - unvollständige - Antrag zur Wahrung der Antragsfrist gemäß § 3 Abs. 1 VO geeignet ist. Im Erkenntnis vom , 2000/15/0032, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass ein Antrag, der die für die Durchführung eines Vorsteuererstattungsverfahrens notwendigen Angaben - insbesondere über Art bzw. Höhe der Erstattungsbeträge und den Verwendungszweck der bezogenen Leistungen - nicht enthält, kein ordnungsgemäßes Erstattungsverfahren (wenn auch mit Ergänzungsaufträgen, Bedenkenvorhalten, Klarstellungsaufforderungen) in Gang zu setzen vermag. Derartige unvollständige Anträge, die im Ergebnis darauf hinauslaufen, eine Verlängerung der Ausschlussfrist von sechs Monaten herbeizuführen, bieten für die Erteilung eines Verbesserungsauftrages keinen Raum.

Im Beschwerdefall enthielt der rund sechs Wochen vor Ablauf der Ausschlussfrist eingereichte Erstattungsantrag nicht nur die Höhe des Erstattungsbetrages, sondern auch eine Einzelauflistung aller Rechnungen hinsichtlich derer eine Vergütung der Umsatzsteuer beansprucht wurde sowie den Verwendungszweck der bezogenen Vorleistungen. Der Gegenstand des Antrages war damit innerhalb der Ausschlussfrist zweifelsfrei festgelegt.

Dass das Fehlen von Originalrechnungen nicht schon aus Gründen der Fristversäumnis zu einer Versagung der Umsatzsteuervergütung führen muss, ergibt sich im Übrigen auch aus dem Societe generale des grandes sources , C-361/96, wonach die Mitgliedstaaten in bestimmten Ausnahmefällen (unverschuldeter Belegverlust) überhaupt von der Vorlage der Originalrechnungen absehen können.

Der Auftrag zur Mängelbeseitigung gemäß § 85 Abs. 2 BAO ist nicht in das Ermessen der Behörde gestellt. Entscheidet die Behörde, wenn die Voraussetzungen für eine Mängelbehebung vorliegen, ohne Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages, etwa in Form der Abweisung wegen Unvollständigkeit, belastet sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Hat die Abgabenbehörde erster Instanz keinen Mängelbehebungsauftrag erlassen, so ist die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt und zufolge § 279 BAO wie die Abgabenbehörde erster Instanz auch verpflichtet, die Mängelbehebung im Verfahren nach § 85 Abs. 2 BAO aufzutragen (vgl. Stoll , aaO, 864).

Im Beschwerdefall wurden die Originalbelege der Berufung angeschlossen. Damit erübrigt sich das Mängelbehebungsverfahren. Dass die Vorlage außerhalb der Sechsmonatsfrist erfolgt ist, berechtigte die belangte Behörde nach dem Gesagten nicht dazu, den Erstattungsantrag abzuweisen bzw. mit Null festzusetzen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am