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VwGH vom 12.02.2020, Ra 2019/02/0179

VwGH vom 12.02.2020, Ra 2019/02/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W210 2205163- 1/12E, betreffend Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung gemäß § 37 FM-GwG (mitbeteiligte Partei: H AG in B, vertreten durch Dr. Bettina Hörtner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom legte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) der mitbeteiligten Partei als juristischer Person die Verletzung näher bezeichneter Sorgfaltspflichten nach dem Bankwesengesetz (BWG) bzw. dem Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (FM-GwG) zur Last und verhängte über sie eine Geldstrafe in der Höhe von insgesamt EUR 414.000,--.

2 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit.

3 Am veröffentlichte die FMA auf ihrer Homepage folgende Bekanntmachung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"(...) Österreichs Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA teilt mit, dass gegen die H. AG wegen mangelhafter Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers von Hochrisikokunden, wegen systematischen Einsatzes von Dritten, welche eine gleichwerte Erfüllung eigener Pflichten bezweifeln lassen, und wegen Nichterstattung einer Verdachtsmeldung, eine einheitliche bemessene Geldstrafe in der Höhe von EUR 414.000,- verhängt wurde. Das Straferkenntnis ist nicht rechtskräftig."

4 In der Folge beantragte die mitbeteiligte Partei gemäß § 37 Abs. 4 FM-GwG die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Veröffentlichung. Aus diesem Grund gab die FMA am auf ihrer Homepage bekannt, dass sie ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung eingeleitet habe.

5 Mit Bescheid vom stellte die FMA fest, dass die Veröffentlichung rechtmäßig sei.

6 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde.

7 Die zunächst vom Bundesverwaltungsgericht erfolgte Aussetzung dieses Beschwerdeverfahrens "gemäß § 38 AVG iVm § 17 und § 34 Abs. 2 VwGVG" wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2019/02/0017, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit des Straferkenntnisses der FMA vom sei im ausgesetzten Beschwerdefahren nicht präjudiziell, weil das Verwaltungsgericht in diesem Verfahren nur die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung der FMA vom zu überprüfen habe.

8 Mit Ersatzerkenntnis vom wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten nunmehr stattgegeben und festgestellt, dass die Veröffentlichung vom samt ihren Aktualisierungen auf der Homepage der FMA rechtswidrig sei. Die Veröffentlichung vom und ihre Aktualisierungen seien aus dem gesamten Internetauftritt der FMA zu entfernen. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Das Verwaltungsgericht stellte den Verfahrensgang dar und traf Feststellungen sowie eine Beweiswürdigung. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, das Verfahren sei kein Verwaltungsstrafverfahren, sondern ein Veröffentlichungsverfahren. Nach Wiedergabe der rechtlichen Bestimmungen sowie des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom erläuterte das Verwaltungsgericht, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Behörde bei einer Veröffentlichung zu beachten habe, dass diese Veröffentlichung nach Abs. 1 leg. cit. nur dann erfolgen solle, wenn diese im Einzelfall unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - wie etwa dem Schutz der Allgemeinheit (etwa für Bankkunden) und der Finanzmarktstabilität - und der Interessen der betroffenen Partei - insbesondere deren Reputation und Privatsphäre und auf Geheimhaltung personenbezogener Daten - geboten sei. Der Behörde obliege - nach Meinung des Verwaltungsgerichts - eine fallbezogene Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung durch die durchzuführende Interessenabwägung sowie eine Prognoseentscheidung über die zu gewärtigenden Auswirkungen der Veröffentlichung. § 37 Abs. 4 FM-GwG enthalte das Recht der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung. Die Behörde treffe somit die Verpflichtung, die für die Ermessungsübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich sei. Aus dem bekämpften Bescheid selbst lasse sich nicht ableiten, aufgrund welcher Abwägung die Behörde zur Verhältnismäßigkeit gelange. Es würden zwar näher genannte Gründe ausgeführt, womit jedoch die Verpflichtung, die Umstände des Einzelfalls darzulegen, verfehlt werde. Es sei keine Interessenabwägung vorgenommen worden; da die Behörde die Übung des Ermessens nicht habe darlegen können, erweise sich die Veröffentlichung als rechtswidrig.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der FMA mit dem Antrag, dieses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

11 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die Revision erweist sich aufgrund des Vorbringens, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Entscheidung in der Sache selbst mangels Durchführung einer eigenen Ermessensentscheidung ab, als zulässig. Sie ist auch begründet:

13 § 37 des Bundesgesetzes zur Verhinderung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung im Finanzmarkt (Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (im Folgenden: FM-GwG)), BGBl. I Nr. 118/2016, lautet auszugsweise:

"Veröffentlichungen

§ 37. (1) Die FMA kann den Namen der natürlichen Person oder juristischen Person bei einer Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 2 und 3 und § 35 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und 3 unter Anführung der begangenen Pflichtverletzung auf ihrer Homepage veröffentlichen, sofern eine solche Veröffentlichung die Stabilität der Finanzmärkte nicht ernstlich gefährdet oder den Beteiligten keinen unverhältnismäßig hohen Schaden zufügt.

(2) Die FMA hat rechtskräftig verhängte Geldstrafen wegen Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 2 und 3 und § 35 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und 3 und rechtskräftige Aufsichtsmaßnahmen wegen Verstößen gegen die in § 34 Abs. 2 und 3 angeführten Pflichten mitsamt der Identität der sanktionierten beziehungsweise von der Aufsichtsmaßnahme betroffenen natürlichen oder juristischen Person und den Informationen zu Art und Charakter der zu Grunde liegenden Pflichtverletzung unverzüglich, nachdem die betroffene Person von der Rechtskraft der Geldstrafe oder Aufsichtsmaßnahme informiert wurde, auf ihrer Homepage zu veröffentlichen.

(...)

(4) Der von einer Veröffentlichung Betroffene kann eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung gemäß Abs. 1, 2 oder 3 in einem bescheidmäßig zu erledigenden Verfahren bei der FMA beantragen. Die FMA hat in diesem Falle die Einleitung eines solchen Verfahrens in gleicher Weise wie die ursprüngliche Veröffentlichung bekannt zu machen. Wird im Rahmen der Überprüfung die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung festgestellt, so hat die FMA die Veröffentlichung richtig zu stellen oder gemäß dem Antrag des Betroffenen entweder zu widerrufen oder aus dem Internetauftritt zu entfernen.

(5) Wird ein Rechtsmittel gegen den der Veröffentlichung gemäß Abs. 1 bis 3 zugrunde liegenden Bescheid erhoben, so ist dies sowie das Ergebnis dieses Verfahrens in gleicher Weise wie die ursprüngliche Veröffentlichung bekannt zu machen. Wird einem solchen Rechtsmittel in einem gerichtlichen Verfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt, so hat die FMA dies ebenso bekannt zu machen. Wird einem Rechtsmittel gegen eine der Veröffentlichung gemäß Abs. 1 bis 3 zugrunde liegende Entscheidung stattgegeben, kann die Veröffentlichung auf Antrag des Betroffenen aus dem Internetauftritt entfernt werden.

(...)"

14 Die Materialien, ErläutRV 1335 BlgNR 25. GP, führen zur Veröffentlichung gemäß § 37 FM-GwG Folgendes aus:

"Mit Abs. 1 wird Art. 59 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 umgesetzt und entspricht im Wesentlichen § 99c Abs. 1 BWG und § 155 Abs. 1 BaSAG. Im Unterschied zu Abs. 2 kann eine Veröffentlichung bereits erfolgen, wenn ein nicht rechtskräftiger Bescheid der FMA vorliegt. Daher soll die Bekanntmachung gemäß Abs. 1 nur dann erfolgen, wenn diese aufgrund der Umstände des Einzelfalls geboten ist.

Mit Abs. 2 wird Art. 61 Abs. 1 erster Unterabsatz der Richtlinie (EU) 2015/849 umgesetzt. Im Unterschied zu § 99c Abs. 2 BWG und § 155 Abs. 2 BaSAG hat die FMA nicht nur verhängte Geldstrafen, sondern auch Anordnungen gemäß § 31 zu veröffentlichen. Dies ist in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2015/849 erforderlich, da die Richtlinie ausdrücklich ‚verwaltungsrechtliche Sanktionen oder Maßnahmen' wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie nennt. Im Unterschied dazu verlangt die Richtlinie 2014/59/EU zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, ABl. Nr. L 173 vom , S. 190, nur die Veröffentlichung von rechtskräftigen Verwaltungssanktionen, das heißt Verwaltungsstrafen im engeren Sinne, da auch diese Richtlinie zwischen Verwaltungssanktionen und anderen Verwaltungsmaßnahmen unterscheidet und an dieser Stelle nur Verwaltungssanktionen nennt.

Abs. 1 und 2 soll im Ergebnis auf jene Pflichtverletzungen anwendbar sein, bei denen die Richtlinie (EU) 2015/849 eine zwingende Sanktionierung vorsieht.

Mit Abs. 3 wird Art. 61 Abs. 1 zweiter Unterabsatz der Richtlinie (EU) 2015/849 umgesetzt. Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung sind insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, der durch die Veröffentlichung zu erwartende Schaden für die verantwortliche Person, die Art, Schwere und Dauer der Pflichtverletzung und der durch die Pflichtverletzung allfällig verursachte Schaden zu berücksichtigen sowie das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung dem Interesse des Betroffenen auf Geheimhaltung gegenüberzustellen. Eine Prüfung ob den Beteiligten ein unverhältnismäßig hoher Schaden durch die Veröffentlichung entstehen würde, wird von der Richtlinie (EU) 2015/849 im Unterschied zu der Richtlinie 2014/59/EU nicht vorgesehen.

Im Unterschied zu § 155 Abs. 3 BaSAG kann gemäß Z 3 auch gänzlich von der Veröffentlichung abgesehen (werden). Dadurch soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass neben rechtskräftig verhängten Geldstrafen auch rechtskräftige Anordnungen gemäß § 31 zu veröffentlichen sind. Jedenfalls keine Veröffentlichung soll bei noch nicht rechtskräftigen Entscheidungen erfolgen.

Abs. 4 und 5 entsprechen im Wesentlichen § 155 Abs. 4 BaSAG und ergänzt die Veröffentlichungsbestimmungen in den Abs. 1 bis 2 um spezifische verfahrensrechtliche Vorkehrungen.

Es soll klargestellt werden, wie mit der Erhebung eines Rechtsmittels betreffend die zugrundeliegende Sanktion oder Maßnahme einerseits sowie in weiterer Folge auch mit dem Ergebnis eines Rechtsmittelverfahrens andererseits im Rahmen einer bereits erfolgten Veröffentlichung umzugehen ist. Es wurde der allgemeine Begriff Rechtsmittel gewählt, um eine Beschwerde bei(m) Bundesverwaltungsgericht (Abs. 1) und die ordentliche oder außerordentliche Revision beim VwGH und die Bescheidbeschwerde beim VfGH (Abs. 1 bis 3) zu erfassen. ..."

15 Zunächst ist zu klären, ob es sich bei einem Überprüfungsverfahren gemäß § 37 Abs. 4 FM-GwG um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt:

16 Dem Begriff "Verwaltungsstrafsachen" iSd Art. 131 Abs. 3 bzw. 132 B-VG vor der Verwaltungsgerichtsbarkeitsnovelle 2012 wurde in der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ein umfassender Bedeutungsinhalt beigemessen: Danach schließt der genannte Begriff auch rein verfahrensrechtliche Entscheidungen mit ein, die in einem Verwaltungsstrafverfahren ergehen, und erstreckt sich auf alle Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen einschließlich der Verfahren über Wiederaufnahme und Wiedereinsetzungsanträge (vgl. ). Auch bei der Entscheidung über eine Beschlagnahme iSd § 39 Abs. 1 VStG handelt es sich um eine solche (vgl. ).

17 Die Qualifikation als "Verwaltungsstrafsache" hängt insbesondere nicht davon ab, dass die betreffende Entscheidung gegenüber dem einer Verwaltungsübertretung Beschuldigten ergeht; sie erfasst vielmehr auch zum Beispiel die gegen einen Dritten - einen Zeugen, der die Aussage im Verwaltungsstrafverfahren ungerechtfertigt verweigert hatte - gerichtete Ordnungsstrafe (vgl. ). Das zu Grunde liegende Verwaltungsstrafverfahren muss auch nicht notwendigerweise noch anhängig sein, um eine damit in Zusammenhang stehende Angelegenheit, die selbst nicht die Ahndung einer Verwaltungsübertretung betrifft, als "Verwaltungsstrafsache" zu qualifizieren (vgl. erneut , sowie , 94/02/0428).

18 Diese Judikatur zum weiten Verständnis der "Verwaltungsstrafsache" ist auch nach der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit beachtlich (vgl. z.B. ; , Ra 2015/02/0223): Auch bei der Vorschreibung einer Sicherheitsleistung gemäß § 7m AVRAG handelt es sich um eine Entscheidung in einer Verwaltungsstrafsache im Sinne des § 50 VwGVG (vgl. ).

19 § 37 FM-GwG findet sich systematisch im 8. Abschnitt dieses Gesetzes unter "Strafbestimmungen und Veröffentlichungen", wobei diese Veröffentlichung immer "Pflichtverletzungen" betrifft und die "begangene() Pflichtverletzung" in der Veröffentlichung anzuführen ist (vgl. § 37 Abs. 1 FM-GwG); Abs. 2 betrifft die Information über bereits rechtskräftig verhängte Geldstrafen.

§ 34 FM-GwG regelt diese "Pflichtverletzungen"; bestimmte Übertretungen werden zu Verwaltungsübertretungen erklärt, für deren Ahndung die FMA zuständig ist (vgl. § 34 Abs. 1 letzter Satz FM-GwG). Die FMA ist gemäß § 37 FM-GwG zur Veröffentlichung personenbezogener Daten ermächtigt; die von ihr veröffentlichen Erklärungen sollen die Öffentlichkeit informieren; neben dem Aspekt der Warnung kommt dem behördlichen Informationshandeln auch spezial- und generalpräventive Wirkung im Zusammenhang mit der Aufgabe der FMA als zuständiger Verwaltungsstrafbehörde zu (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 37 FM-GwG N. Raschauer in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4,

§ 99c Rn. 3 bis 5).

20 Aus diesem Regelungszusammenhang folgt, dass § 37 FM-GwG in einem engen Zusammenhang zu einem Verwaltungsstrafverfahren steht, über das die Veröffentlichung informieren soll.

21 Dieser enge Konnex zwischen der Information über die Pflichtverletzung und dem zu Grunde liegenden Strafverfahren hinsichtlich der Pflichtverletzung rechtfertigt es, das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG als Entscheidung "in Verwaltungsstrafsachen" im Sinne des § 50 VwGVG zu qualifizieren. Dem steht auch nicht entgegen, dass § 37 Abs. 5 FM-GwG die Veröffentlichung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung regelt, woraus das Verwaltungsgericht geschlossen hat, das Veröffentlichungsverfahren sei kein Verwaltungsstrafverfahren: § 37 Abs. 5 FM-GwG bezieht sich nach seinem klaren Wortlaut auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren (in dem die Beschwerde gemäß § 41 VwGVG stets aufschiebende Wirkung hat). Wird nämlich einem "solchen" Rechtsmittel in einem gerichtlichen Verfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt, so hat die FMA dies ebenso bekannt zu machen. § 37 Abs. 5 FM-GwG erfasst aufgrund seiner Textierung ("Rechtsmittel") Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof sowie Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, denen nur unter bestimmten Voraussetzungen aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. dazu ErläutRV 1335 BlgNR 25. GP 18).

22 § 37 Abs. 4 FM-GwG sieht zur Überprüfung von Veröffentlichungen nach den Abs. 1 bis 3 leg. cit. ein Verfahren vor, das von der FMA aufgrund eines Antrages der betroffenen Partei einzuleiten und mittels Bescheid zu erledigen ist. Gegen einen solchen Bescheid der FMA kann mittels Beschwerde das Verwaltungsgericht angerufen werden (vgl. N. Raschauer in Laurer/M. Schütz/Kammel/Ratka, BWG4, § 99c Rn. 42 ff).

23 Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle einer auf § 37 Abs. 1 FM-GwG gestützten Veröffentlichung hat die FMA in ihrem Bescheid und das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis demnach zu begründen, ob die Verlautbarung zum Kreis der nach der genannten Vorschrift zu veröffentlichenden Daten zählt und insbesondere weshalb die Veröffentlichung verhältnismäßig ist (vgl. bereits ).

24 Eine Veröffentlichung gemäß § 37 Abs. 1 FM-GwG kann - im Gegensatz zu einer solchen nach Abs. 2 leg. cit. - bereits dann erfolgen, wenn ein nicht rechtskräftiger Strafbescheid der FMA ergangen ist. Die FMA kann sohin eine Veröffentlichung nach Abs. 1 leg. cit. vornehmen, selbst wenn die betroffene Partei gegen den der Veröffentlichung zu Grunde liegenden Strafbescheid ein Rechtsmittel erhoben hat. Aus diesem Grund soll eine Veröffentlichung nach Abs. 1 leg. cit. nur dann erfolgen, wenn diese im Einzelfall unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - wie etwa dem Schutz der Allgemeinheit (etwa für Bankkunden) und der Finanzmarktstabilität - und der Interessen der betroffenen Partei - insbesondere deren Reputation und Privatsphäre (Art. 8 Abs. 1 EMRK) und auf Geheimhaltung personenbezogener Daten - geboten ist (vgl. wiederum ).

25 Wie bereits ausgeführt, hat daher das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung darzulegen, ob die Veröffentlichung verhältnismäßig war. Die Partei des Verwaltungsstrafverfahrens hat nämlich ein subjektives Recht darauf, dass eine zu treffende behördliche Maßnahme nur unter den Voraussetzungen des Gesetzes ausgesprochen wird und soweit dieser Ausspruch Ermessensübung voraussetzt, das Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt wird (vgl. ua).

26 Eine solche selbständige Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall jedoch nicht durchgeführt: Es hat den Bescheid der FMA behoben, weil diese "die Übung des Ermessens nicht (habe) darlegen" können. Damit wird das Verwaltungsgericht seiner gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG zukommenden Verpflichtung, in der Sache selbst zu entscheiden, nicht gerecht (vgl. auch dazu ).

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020179.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere Rechtsgebiete Ermessen VwRallg8 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen Rechtspersönlichkeit sachliche Zuständigkeit

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