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VwGH vom 19.10.2011, 2008/13/0046

VwGH vom 19.10.2011, 2008/13/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde der WK Privatstiftung in W, vertreten durch Mag. Andreas Waldegg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , GZ. RV/0743-W/07, betreffend Nichtfestsetzung der Umsatzsteuer für die Monate Juli bis Oktober 2006, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.286,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine mit Stiftungsurkunde vom errichtete Privatstiftung. Strittig ist der Vorsteuerabzug in Bezug auf Investitionskosten in einem der Beschwerdeführerin gestifteten ("Zustiftungsurkunde" vom 21. bzw. ) Einfamilienhaus.

Der maßgebliche Sachverhalt könne - so die Ausführungen der belangten Behörde im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides - "kurz zusammengefasst" dahin dargestellt werden, dass der Zweck der Beschwerdeführerin laut Eintrag im Firmenbuch die "Unterstützung von Begünstigten" sei, bei denen es sich nach einer Stiftungszusatzurkunde um den Erststifter und seine Ehefrau handle. Der Erststifter habe der Beschwerdeführerin die von ihm und seiner Ehefrau als Familienwohnsitz benutzte bebaute Liegenschaft in W., N.-Gasse 26, gestiftet. Im Anschluss daran sei das Gebäude nach den Wünschen des Erststifters von der Beschwerdeführerin saniert bzw. vollständig umgebaut worden. Nachdem die Sanierungsarbeiten fast zur Gänze abgeschlossen gewesen seien, habe die Beschwerdeführerin das in einer gehobenen Wohngegend gelegene Einfamilienhaus, das wohl nicht zu Unrecht als "Luxusvilla" bezeichnet werden könne, sowie die dazugehörenden Außenanlagen an den Erststifter vermietet. Als Mietzins sei ursprünglich ein Betrag in Höhe von monatlich 2.000 EUR vereinbart gewesen, der unzweifelhaft als unangemessen niedrig anzusehen sei. Nach Erlassung "der streitgegenständlichen Bescheide" sei im Zuge der Übergabe des "Mietobjektes" der Mietzins auf 4.000 EUR erhöht worden.

Strittig sei, ob die Vermietung der Liegenschaft samt Einfamilienhaus durch die Beschwerdeführerin eine unternehmerische Tätigkeit darstelle bzw. ob das Mietverhältnis in umsatzsteuerrechtlicher Hinsicht anzuerkennen sei und somit aus den entsprechenden Investitionskosten der Vorsteuerabzug vorgenommen werden könne.

Das Finanzamt habe diese Frage verneint und gemäß § 92 BAO festgestellt, dass für die Monate Juli bis Oktober 2006 keine Umsatzsteuerfestsetzung vorzunehmen sei. Es lägen nämlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigende "Kosten der Lebensführung" vor.

Diese Rechtsansicht des Finanzamtes sei bereits in einer Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0540-L/04, vertreten worden, wobei im Hinblick auf diese Entscheidung (und das dazu unter Zl. 2007/15/0255 anhängige Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof) auszuführen sei, dass Investitionskosten für ein nach den Wünschen des Stifters errichtetes bzw. im Beschwerdefall umgebautes und von ihm und seiner Ehefrau privat genutztes Einfamilienhaus nicht deshalb den Charakter als Kosten der Lebensführung im Sinne des § 20 EStG 1988 verlieren würden, weil der privaten Nutzung des Wohnhauses zivilrechtlich ein Bestandrechtstitel (zwischen der Privatstiftung und dem Stifter) zu Grunde gelegt werde. Dies "umso mehr", wenn zwischen Privatstiftung und (begünstigtem) Stifter von vornherein eine besondere Nahebeziehung bestehe. Dies gelte selbst dann, wenn die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhielten. Diesbezüglich sei anzumerken, dass das Finanzamt nicht geprüft habe, ob unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen das Mietverhältnis zwischen der Privatstiftung und dem Erststifter fremdunüblich sei. Die belangte Behörde sehe sich "aufgrund der gegebenen Aktenlage" auch nicht veranlasst, weitergehende Erhebungen vorzunehmen bzw. vom Finanzamt vornehmen zu lassen. Nicht unerwähnt solle aber bleiben, dass sich aus den (erst) im Rechtsmittelverfahren vorgelegten Unterlagen eine Reihe von Indizien ergäben, die für eine Fremdunüblichkeit des Mietverhältnisses sprächen ("u.a. Zustandekommen des Mietvertrages, einseitige Änderung desselben durch Schreiben des Erststifters an die Privatstiftung").

Der Verwaltungsgerichtshof habe bereits wiederholt ausgesprochen, dass bei Gesellschaften, die ungewöhnliche Investitionen im Gesellschafterinteresse tätigten, eine Zugehörigkeit zur unternehmerischen Sphäre nicht gegeben sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0091). Eine derartige Konstellation sei auch im Beschwerdefall gegeben. Die umsatzsteuerliche "Tätigkeit" der Beschwerdeführerin habe sich ausschließlich auf den Umbau des Einfamilienhauses beschränkt. Für den Fall, dass die Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses an einen Gesellschafter-Geschäftsführer nicht deshalb erfolge, um Einnahmen zu erzielen, sondern um dem Gesellschafter einen Vorteil zuzuwenden, fehle es an einer nachhaltigen, wirtschaftlichen Betätigung "im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG 1994 bzw. Art. 9 MWSt-Richtlinie" (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0083).

Wesentlich sei im Beschwerdefall weiters der Umstand, dass bei der gegebenen Sachverhaltskonstellation ("Erststifter stiftet der Privatstiftung sein sanierungsbedürftiges Gebäude, das in der Folge von der Privatstiftung kostspielig umgebaut und dem Erststifter zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses wieder überlassen wird") auch die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dem Vorsteuerabzug entgegenstünden. Nach dem , Halifax , stehe einem Steuerpflichtigen nämlich kein Vorsteuerabzug zu, wenn die Umsätze, die dieses Recht begründeten, eine "missbräuchliche Praxis" darstellten. Im Beschwerdefall sei es "angesichts der von der Privatstiftung für den Umbau des Einfamilienhauses geltend gemachten Vorsteuern (strittiger Betrag in Höhe von EUR 108.661,63 sowie noch offene Umsatzsteuervoranmeldungen für November und Dezember 2006 mit Vorsteuern von EUR 32.667,86) sowie dem gegenüberstehenden jährlichen Umsatzsteuerzahllasten in Höhe von EUR 4.800,00 offensichtlich, dass die gewählte Gestaltungsvariante im Falle ihrer Anerkennung zur Erzielung eines Steuervorteiles - und damit verbunden - eines Liquiditätsvorteiles führen würde". Da auch keine für die gewählte Gestaltung beachtlichen außersteuerlichen Gründe erkennbar seien, sei das Mietverhältnis nicht anzuerkennen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2007/15/0255, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann, ausgeführt, dass die Vermietung einer Immobilie zu Wohnzwecken als fortlaufende Duldungsleistung auch bei einer Privatstiftung als unternehmerische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG 1994 bzw. als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des Art. 4 Abs. 1 und 2 der

6. EG-RL (77/388/EWG) in Betracht kommt. Es fehle allerdings an einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wenn die Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses an den Stifter/Begünstigten nicht deshalb erfolge, um Einnahmen zu erzielen, sondern um ihm einen Vorteil zuzuwenden (Zuwendung aus der Stiftung). Die Beurteilung sei dabei an Hand eines Vergleiches zwischen den Umständen vorzunehmen, unter denen das Wohngebäude dem Stifter überlassen werde, und den Umständen, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt werde. Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung zwischen Tätigkeiten, die letztlich nur der Erfüllung des Stiftungszweckes dienten, und solchen, die über die bloße Erfüllung des Stiftungszweckes hinaus als wirtschaftliche Tätigkeiten einzustufen seien, fänden sich im , Enkler , in den Randnrn. 24 ff, insbesondere Randnr. 28.

Wesentlich zur Beantwortung der Frage, ob die Nutzungsüberlassung einer Wohnimmobilie an den Stifter/Begünstigten eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, ist somit das Vorliegen einer marktkonformen Vermietung, die in dem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom zu Grunde lag, von der belangten Behörde an Hand des Gesamtbildes der Verhältnisse (zu Recht) verneint wurde. Wenn die belangte Behörde im vorliegenden angefochtenen Bescheid dem gegenüber (zwar unter Hinweis auf den eben zitierten Beschwerdefall) die Ansicht vertritt, es läge auch dann keine unternehmerische Tätigkeit vor, wenn die Vereinbarungen einem "Fremdvergleich" standhielten (und deshalb diesbezüglich auch keine weitergehenden Erhebungen vornahm und keine deutlichen Feststellungen zur "Fremdunüblichkeit des Mietverhältnisses" traf), hat sie damit die Rechtslage verkannt. Soweit die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auch auf die für Kapitalgesellschaften entwickelte hg. Rechtsprechung Bezug nimmt (Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom , 2005/14/0091, VwSlg. 8215/F, und vom , 2005/14/0083, VwSlg. 8229/F) ist anzumerken, dass auch bei Nutzungsüberlassungen von Gebäuden an Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft verdeckte Ausschüttungen (auch solche an der Wurzel) nur dann angenommen werden können, wenn die Vereinbarungen über die Nutzungsüberlassung einem Fremdvergleich nicht standhalten (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0003, mit Hinweis auf RdW 2007/647, 620).

Ohne Klärung der Frage, ob eine Vermietung zu marktkonformen (fremdüblichen) Bedingungen vorliegt, kann auch noch nicht abschließend beurteilt werden, ob das Mietverhältnis deshalb nicht anerkannt werden könnte, weil die vorliegende Gesamtgestaltung als eine "missbräuchliche Praxis" zu werten sei (vgl. dazu zuletzt das , Weald Leasing , und das hg. Erkenntnis vom , 2008/15/0115). Die Annahme einer "missbräuchlichen Praxis" (auch eines Missbrauches im Sinne des § 22 BAO) wird auch eindeutige Feststellungen zu den dafür in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien bedingen (vgl. dazu etwa nochmals das zitierte insbesondere Randnrn. 28 ff).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am