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VwGH vom 23.05.2001, 99/06/0041

VwGH vom 23.05.2001, 99/06/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der V Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 03-12.10 R 55-99/2, betreffend Nichterteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde R), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom war dem Rechtsvorgänger der beschwerdeführenden Partei die Widmungsbewilligung für das Grundstück Nr. 421/9 der KG R zwecks Schaffung eines Bauplatzes für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses erteilt worden; mit weiterem Bescheid dieser Behörde vom wurde dem Rechtsvorgänger der beschwerdeführenden Partei für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses in Massivbauweise auf diesem Grundstück unter der Auflage die Baubewilligung erteilt, binnen fünf Jahren mit dem Bau zu beginnen, widrigenfalls die Bewilligung erlösche. Nach der unter Pkt. 8 dieses Bescheides erteilten Auflage wäre die Außengestaltung des bewilligten Projektes binnen zwei Jahren nach Baubeginn fertig zu stellen gewesen.

Mit Eingabe vom wurde der Behörde erster Instanz der am (und somit innerhalb der gesetzten Frist) erfolgte Baubeginn angezeigt. Das Grundstück Nr. 421/9 der KG R lag nach dem im Zeitpunkt der erteilten Widmungs- bzw. Baubewilligungen geltenden Flächenwidmungsplan 1.0 im "Bauland der Kategorie Kur- und Erholungsgebiet". Im nachfolgenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde 2.0 vom , rechtskräftig seit , ist die betroffene Grundfläche als "Freiland" ausgewiesen.

Mit Eingabe vom suchte die Beschwerdeführerin nun um die Erteilung einer Baubewilligung für den Zu- und Umbau eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 421/9 an.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde R vom wurde dieses Bauansuchen im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, ein Zu- und Umbau setze ein bereits bestehendes Objekt voraus. Ein bestehendes Gebäude sei jedoch in der Natur nicht vorhanden. Unter Zugrundelegung der eingereichten Unterlagen sei tatsächlich von einem Neubau auszugehen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde R vom als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - soweit dies im Beschwerdeverfahren noch von Belang ist - die Vorstellung mangels Verletzung von Rechten der Vorstellungswerberin als unbegründet ab. Nach Darstellung des Verfahrensganges und Zitierung der von ihr in Anwendung gebrachten landesgesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde begründend aus, bereits durch die gesetzlichen Definitionen des Steiermärkischen Baugesetzes komme klar zum Ausdruck, dass ein Gebäude eine bauliche Anlage mit bestimmten Voraussetzungen sei und somit der Begriff "bauliche Anlage" der Überbegriff für den Begriff "Gebäude" darstelle. Nach § 25 Abs. 4 Z. 1 ROG in der Fassung vor der Novelle 1994 könne ein Zu- und Umbau nur bei rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen, die selbstverständlich auch Gebäude sein könnten, bewilligt werden. Maßgeblich sei, dass es sich um einen Bestand, der eine baubehördliche Genehmigung aufzuweisen habe, handeln müsse. Auch dürfe durch Zu- und Umbauten nur die Geschossfläche erweitert werden, die bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestanden habe (im vorliegenden Fall der Flächenwidmungsplan 2.0 vom ). Unbestritten sei, dass mit Baubewilligungsbescheid vom eine Baubewilligung für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses in Massivbauweise auf dem gegenständlichen Grundstück erteilt worden sei, diese Baubewilligung sei jedoch lediglich teilweise durch Errichtung eines Streifenfundamentes samt Aushub im Jahr 1996 konsumiert worden. Eine bestehende bauliche Anlage, die als Grundlage für Zu- und Umbauten im Sinne des § 25 Abs. 4 Z. 1 ROG heranzuziehen gewesen wäre, liege demnach nicht vor. Überdies sei zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes keine Geschossfläche vorhanden gewesen. Daraus ergebe sich, dass die Gemeindebehörden rechtmäßigerweise die Baubewilligung betreffend den Zu- und Umbau des (abgesehen von dem bezeichneten Teilfundament noch nicht existierenden) Mehrfamilienhauses versagt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die beschwerdeführende Partei hält den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen deswegen für rechtswidrig, weil gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 ROG der Zu- und Umbau von rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen erlaubt sei, wobei gemäß § 4 Z. 12 der Steiermärkischen Bauordnung (richtig: des Stmk. Baugesetzes) die bauliche Anlage dahingehend definiert sei, dass sie jede Anlage umfasse, zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich seien, die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht würden und die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet sei. § 4 Z. 25 des Steiermärkischen Baugesetzes definiere das "Gebäude" als eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bilde, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen sei. Aus diesen Gesetzesstellen gehe eindeutig hervor, dass der Zu- und Umbau von rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen erlaubt sei, auch wenn es sich dabei nicht zwangsläufig um Gebäude handle. Der Gesetzgeber habe § 25 Abs. 4 ROG eben nicht auf "Gebäude" beschränkt, habe vielmehr klar zum Ausdruck gebracht, dass auch die übrigen baulichen Anlagen von dieser Bestimmung mit umfasst sein sollten. Bei dem bereits errichteten Fundament handle es sich jedenfalls um eine bauliche Anlage, zu deren Errichtung jedenfalls bautechnische Kenntnisse erforderlich seien. Tatsache sei sohin, dass die beschwerdeführende Partei über eine bauliche Anlage im Sinne des § 25 Abs. 4 ROG verfüge und hinsichtlich dieser durchaus einen Zubau beantragen könne. Auch wäre es ein wirtschaftlich unvertretbares Vorgehen, würde der Gesetzgeber im Falle eines nach Erteilung der Baubewilligung, aber noch vor Fertigstellung des Gebäudes beabsichtigten Um- oder Zubau zunächst die komplette Errichtung, sodann den teilweisen Abbruch erzwingen. Eine derartige Gesetzesauslegung sei dem Gesetzgeber nicht zuzusinnen. Der beschwerdeführenden Partei stehe jedenfalls das Recht zu, die vorliegende Baubewilligung auszunützen, das Gebäude fertig zu stellen und in der Folge um einen Zubau einzukommen, der dann jedenfalls zu genehmigen wäre. Im Beschwerdefall werde eben schon vor Fertigstellung des Gebäudes eine derartige Erweiterung beantragt. Nach Lehre und Judikatur umfasse § 25 Abs. 4 Z. 2 ROG sogar auch Zu- und Umbauten von nicht behördlich bewilligten, aber bereits bestehenden Bauten. Wenn aber hinsichtlich nicht bewilligter Bauten bereits ein Zubau zulässig sei, sei nicht einzusehen, warum bei einem bewilligten, aber noch nicht begonnenen Bau ein Zubau nicht zulässig sein solle, zumal die Bauwerber in diesem Falle jedenfalls gegenüber jenen schlechter gestellt seien, die über nicht bewilligte Bauten verfügten. Dies könne den Wünschen des Gesetzgebers nicht entsprechen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die Widmung eines Grundstückes grundsätzlich nach jenem Flächenwidmungsplan maßgeblich ist, der im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung in Geltung steht; im Beschwerdefall ist daher davon auszugehen, dass die gegenständliche Grundfläche entsprechend dem Flächenwidmungsplan 2.0 der Gemeinde R vom zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung im "Freiland" lag.

Gemäß § 25 Abs. 4 Z. 2 des Gesetzes vom über die Raumordnung im Lande Steiermark (Steiermärkisches Raumordnungsgesetz 1974 - ROG), in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 1/1995, dürfen außer für Zwecke land- und forstwirtschaftlicher Nutzung im Freiland Zubauten bei rechtmäßig bestehenden baulichen Anlagen bewilligt werden. Durch Zubauten - ausgenommen bei Sondernutzungen - darf die neugewonnene Geschossfläche insgesamt nicht mehr als die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des ersten Flächenwidmungsplanes bestehende oder erstmals genehmigte betragen. Geht bei einer rechtmäßig bestehenden baulichen Anlage im Zuge von Bauausführungen der Konsens unter, kann das Projekt (ehemaliger Altbestand und Zubau) mit demselben Verwendungszweck als Neubau auf demselben Standort bewilligt werden.

Der Begriff der "baulichen Anlage" ist in § 4 Z. 12 des Steiermärkischen Baugesetz - Stmk. BauG, LGBl. Nr. 59/1995, definiert. Danach ist eine bauliche Anlage (Bauwerk) jede Anlage, zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind, - die mit dem Boden in eine Verbindung gebracht wird - und die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geeignet ist. Dass es sich bei einem (Teil-)Fundament um eine bauliche Anlage im Sinne des Stmk. BauG handelt, ist nicht zweifelhaft.

Nach der Legaldefinition des § 4 Z. 28 leg cit. ist ein "Gebäude" eine bauliche Anlage, die mindestens einen oberirdischen überdeckten Raum bildet, der an den Seitenflächen allseits oder überwiegend geschlossen ist. Danach ist auch klar, dass ein (Teil-)Fundament zwar eine bauliche Anlage, aber kein Gebäude ist.

Nach § 4 Z. 61 leg cit. ist ein "Zubau" die Vergrößerung einer bestehenden baulichen Anlage der Höhe, Länge oder Breite nach bis zur Verdoppelung der bisherigen Geschossflächen.

Begriffliche Voraussetzung für die Bewilligung eines "Zubaus" ist - wie bereits gesagt - das Vorhandensein eines aufrechten Konsenses für jenen Bestand, an den zugebaut werden soll, wobei im Beschwerdefall die Frage zu beantworten war, ob überhaupt ein bewilligtes Projekt (noch) vorliegt oder die mit Bescheid vom erteilte Baubewilligung das ursprüngliche Projekt betreffend untergegangen war.

Der Bau wurde laut Baubeginnanzeige am , also noch innerhalb der im Bescheid auferlegten - nichtsdestoweniger gesetzlich vorgesehenen (§ 31 Stmk. BauG) - Frist begonnen. Dafür genügte auch - entgegen der von den Behörden vertretenen Rechtsauffassung - die Errichtung nur eines (Teil-)Fundamentes (vgl. dazu die in Hauer/Trippl, aaO, unter 4) zu § 31 zitierte Judikatur). Nicht erfüllt wurde lediglich die im Baubewilligungsbescheid enthaltene Auflage (Pkt. 8. des Bescheides vom ) zur fristgerechten Herstellung der Außenfassade. Bei dieser Auflage handelt es sich um eine Ordnungsvorschrift, deren Nichteinhaltung nicht bereits zum Erlöschen der Baubewilligung ipso iure führt; vielmehr könnte dies im Falle der Gefährdung Dritter o.ä. Gegenstand baupolizeilicher Aufträge sein.

Im Beschwerdeverfahren geht es um den Zubau zu einem nur in Form eines Teilfundamentes, im Übrigen aber noch nicht "bestehenden" Gebäude. Allerdings beschränkt sich der Begriff des "Zubaus" zufolge der gesetzlichen Formulierung nicht auf "Gebäude", sondern gilt auch für bauliche Anlagen ganz allgemein.

Sowohl § 4 Z. 61 Steiermärkisches Baugesetz als auch § 25 Abs 4 Z. 2 Steiermärkisches Raumordnungsgesetz gehen bei den Regelungen über Zubauten zwar vom Regelfall eines bereits bestehenden bewilligten Gebäudes oder einer bereits bestehenden bewilligten baulichen Anlage aus. Dies schließt allerdings nicht aus, dass ein Zubau auch schon zu einem Zeitpunkt genehmigt werden kann, in dem das "ursprüngliche" Projekt noch nicht ausgeführt ist. Zu einer solchen Auslegung der bezughabenden Gesetzesbestimmungen muss man in Hinblick darauf kommen, dass die beschwerdeführende Partei das bewilligte Bauvorhaben - auch wenn es nunmehr im Freiland liegt - wegen der aufrechten Baubewilligung nach wie vor verwirklichen dürfte, um dann in der Folge einen Zubau nach § 25 Abs. 4 Z. 2 ROG zu beantragen. Es erscheint - wie die beschwerdeführende Partei auch in ihrer Beschwerde ausführt - nicht sachlich, die Möglichkeit zur Erteilung einer Bewilligung für einen Zubau zu einem bewilligten und jederzeit verwirklichbaren Projekt von dessen Verwirklichung abhängig zu machen.

Bei diesem Verständnis des § 25 Abs. 4 Z. 2 Stmk. ROG war die Ansicht der Gemeindebehörden, dieser Antrag sei von vornherein nicht bewilligungsfähig, unzutreffend. Das bedeutet, dass die Gemeindeinstanzen ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen für eine Bewilligung des beantragten Zubaus ungeprüft gelassen haben, weshalb sie ihre Bescheide mit sekundären Verfahrensmängeln belasteten, die die belangte Behörde hätte aufgreifen müssen.

Da sie dies nicht getan hat, belastete sie ihren Bescheid ebenfalls mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am