VwGH vom 20.01.2003, 2002/17/0062

VwGH vom 20.01.2003, 2002/17/0062

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien in 1082 Wien, Ebendorferstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zlen. UVS-07/F/27/882/2002/2 und UVS- 07/V/27/883/2002, betreffend Übertretungen der Wiener Abgabenordnung in Zusammenhang mit dem Marktgebührentarif (mitbeteiligte Partei: D P in T, vertreten durch Dr. Walter Anzböck, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Stiegengasse 8), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom legte der Magistrat der Stadt Wien der Mitbeteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Last, sie habe "als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Masseverwalterin" einer näher genannten KEG für zwei der Adresse nach bezeichnete Marktstände in Wien die Marktgebühr für den Monat April 2000, fällig gewesen am , bis zum nicht entrichtet und bis dahin auch die Gründe hiefür nicht bekannt gegeben. Sie habe dadurch zwei Verwaltungsübertretungen nach § 251 Abs. 1 lit. a der Wiener Abgabenordnung (WAO) in Zusammenhalt mit § 54 Abs. 1 WAO begangen, weshalb über sie zwei Geldstrafen von je S 500,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) gemäß § 251 Abs. 2 WAO verhängt wurden.

1.2. Mit ihrem Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung der Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis erster Instanz und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 3 VStG ein. Es stehe unbestritten fest, dass die für April 2000 angefallenen Marktgebühren für die beiden Marktstände nicht an den Fälligkeitstagen, sondern erst Anfang Mai 2000 bezahlt worden seien. Im Hinblick auf § 108 WAO und das dazu ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 552/94, B 848/94, sei von einem Strafaufhebungsgrund auszugehen: Während eine Selbstanzeige im Allgemeinen die Darlegung der Verfehlung bei der sachlich und örtlich zuständigen Abgabenbehörde, die unverzügliche Offenlegung der zur Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände, die unverzügliche Entrichtung des Verkürzungsbetrages sowie die Rechtzeitigkeit zur Voraussetzung habe, sei bei Selbstbemessungsabgaben eine gesonderte Darlegung und Offenlegung nicht erforderlich, es genüge die Zahlung des geschuldeten Betrages unter Angabe des Entrichtungszeitraumes und der Abgabenart (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/15/0161). Die Marktgebühr sei als Selbstbemessungsabgabe konzipiert. Durch die noch vor Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens erfolgte Zahlung der Gebühren bleibe die Mitbeteiligte daher straffrei.

1.3. Die beschwerdeführende Partei bekämpft mit ihrer Amtsbeschwerde diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar nur wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, die Mitbeteiligte eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

2.1. Die auf § 15 Abs. 3 Z 5 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 687/1988 in der Fassung durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 450/1992 gestützte Verordnung des Wiener Gemeinderates, mit der die Gebühren für die Benützung von Marktflächen und Markteinrichtungen für die Detailmärkte festgesetzt werden (Marktgebührentarif 1993), ABl. Nr. 51/1992 idF ABl. Nr. 21/1997 lautet (auszugsweise):

"§ 1. (1) Für die Benützung der Marktplätze, der Markteinrichtungen und sonstigen Marktflächen auf den Märkten ... sind an die Stadt Wien Gebühren zu entrichten (Marktgebühren), deren Höhe sich nach dem als Anlage angeschlossenen und einen Bestandteil dieser Verordnung bildenden Tarif sowie nach Abs. 3 bestimmt.

...

§ 2. (1) Zahlungspflichtiger ist derjenige, dem ein Marktplatz oder eine Markteinrichtung zugewiesen worden ist oder der sie tatsächlich benützt. ...

(2) Jeder Zahlungspflichtige hat die zur Bemessung der Marktgebühren erforderlichen Angaben richtig und vollständig zu machen.

§ 3. (1) Die Marktgebühren werden, soweit die Abs. 2 bis 7 nichts anderes bestimmen, mit der Zuweisung oder der Ermöglichung der Benützung des Marktplatzes oder der Markteinrichtung für die Dauer der Marktveranstaltung bzw. für die vorgesehene Benützungszeit fällig und sind sofort zu entrichten.

(2) Für zugewiesene Marktplätze oder Markteinrichtungen besteht die Gebührenpflicht, unabhängig davon, ob und in welchem Ausmaß die Zuweisung in Anspruch genommen wird.

(3) Werden Marktplätze oder Markteinrichtungen voraussichtlich länger als einen Monat benützt, so werden die Gebühren für jeweils einen Monat am Monatsersten fällig und sind bis zum 15. des Monats zu entrichten. ..."

Nach § 92 WAO hat der Abgabepflichtige die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen; die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen (Abs. 1). Der Offenlegung dienen insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstbemessung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekannt geben (Abs. 2).

Gemäß § 108 WAO ist ein Abgabepflichtiger verpflichtet, wenn er nachträglich, aber vor dem Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 154 bis 156) erkennt, dass er in einer Abgabenerklärung oder in einem sonstigen Anbringen der ihm gemäß § 92 obliegenden Pflicht nicht oder nicht voll entsprochen hat und dass dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann, hierüber unverzüglich der Abgabenbehörde Anzeige zu erstatten.

Nach § 149 Abs. 1 WAO gilt die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung über die Selbstbemessung festgesetzt, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstbemessung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat die Abgabenbehörde die Abgabe mit Bescheid festzusetzen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung der Erklärung unterlässt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstbemessung als unrichtig erweist. Von der bescheidmäßigen Festsetzung ist abzusehen, wenn der Abgabepflichtige nachträglich die Mängel behebt.

Nach § 251 Abs. 1 lit. a WAO macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind, nicht spätestens am fünften Tag nach Fälligkeit entrichtet oder abführt, es sei denn, dass der Zahlungs(Abfuhr)pflichtige bis zu diesem Zeitpunkt die Höhe des geschuldeten Betrages und die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) bekannt gibt; im Übrigen ist die Versäumung eines Zahlungstermins für sich allein nicht strafbar. Die Verwaltungsübertretung wird gemäß § 251 Abs. 2 WAO in den Fällen des Absatzes 1 lit. a mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,--, (bzw. nunmehr in der nach dem geltenden Fassung durch die Novelle LGBl. Nr. 27/2001: 2100 Euro) im Nichteinbringungsfall mit Arrest bis zu sechs Wochen geahndet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/17/0002, mwN) handelt es sich bei den Marktgebühren nach dem Wiener Marktgebührentarif 1980 um Selbstbemessungsabgaben im Sinne des § 251 Abs. 1 lit. a WAO und damit um "Abgaben, die nicht bescheidmäßig festzusetzen sind"; dies gilt in gleicher Weise für den hier anzuwendenden Marktgebührentarif 1993.

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters in dem eben erwähnten Erkenntnis vom zu § 251 Abs. 1 lit. a WAO näher dargelegt, dass nicht jede Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben als nach dieser Bestimmung zum objektiven Tatbild der Verwaltungsübertretung gehörend zu betrachten sei. Die in Rede stehende Gesetzesstelle sei vielmehr nach der darin zum Ausdruck kommenden Absicht des Gesetzgebers, die Versäumung eines Zahlungstermines nicht schon für sich allein unter Strafe zu stellen, dahin auszulegen, dass nur ein Verhalten mit Strafe bedroht ist, bei dem zur bloßen Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) einer nicht bescheidmäßig festzusetzenden Abgabe noch hinzukommt, dass der Abgabepflichtige der Abgabenbehörde nicht bis zum fünften Tag nach der Abgabenfälligkeit die Höhe der Abgabenschuld und die Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung (Abfuhr) der Abgabe bekannt gibt; pönalisiert sei demnach also nur jene Nichtentrichtung (Nichtabfuhr) von Selbstbemessungsabgaben, bei denen der Vertrauensvorschuss, den ein Abgabengesetz dem Steuerpflichtigen durch die Selbstbemessung einräumt, durch Unterlassung der in Rede stehenden Bekanntgaben missbraucht wird.

Dies verkennt der beschwerdeführende Magistrat der Stadt Wien, wenn er vor dem Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertritt, um eine strafbefreiende Wirkung bei Versäumung eines Zahlungstermines zu erwirken, sei es im Sinne des § 251 Abs. 1 lit. a WAO notwendig, innerhalb von fünf Tagen ab Fälligkeit die Zahlung nachzuholen oder der Behörde den Grund mitzuteilen, warum die Abfuhr der Abgabe unterblieben sei. Vielmehr ist der objektive Straftatbestand nicht verwirklicht, wenn der Abgabepflichtige innerhalb von fünf Tagen ab Fälligkeit entweder die Zahlung nachholt oder der Behörde die Höhe des geschuldeten Betrages und die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) bekannt gibt.

Im Beschwerdefall ist jedoch die belangte Behörde davon ausgegangen, dass die Mitbeteiligte die Marktgebühr für den Monat April 2000 nicht nur nicht bis zum fünften Tag nach dem Fälligkeitszeitpunkt entrichtet, sondern darüber hinaus der Abgabenbehörde bis dahin auch weder die Höhe des geschuldeten Betrages noch die Gründe der nicht zeitgerechten Entrichtung (Abfuhr) dieser Marktgebühr bekannt gegeben hat. Feststellungen im Sinne des Vorbringens der Mitbeteiligten, sie sei in ständigem Kontakt mit dem zuständigen Referenten gestanden (vgl. die Rechtfertigung der Mitbeteiligten vom ), wurden weder von der Behörde erster Instanz noch von der belangten Behörde getroffen und auf ihren rechtlichen Gehalt hin untersucht. Die belangte Behörde ist vielmehr im angefochtenen Bescheid offenbar vom Vorliegen der objektiven Merkmale für die der Mitbeteiligten zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ausgegangen, hat sie doch - wie oben unter Punkt 1.2. dargestellt - das Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes bejaht. Dies setzt aber die Verwirklichung des Straftatbestandes im Sinne der erwähnten Rechtsprechung voraus.

Aber selbst dann, wenn die belangte Behörde die schuldhafte Verwirklichung des zur Last gelegten Deliktes durch die Mitbeteiligte im Hinblick auf das - ihrer Ansicht nach - jedenfalls gegebene Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes nicht weiter beurteilt hat, ist im Hinblick darauf, dass dies die einzige Begründung des Spruches des bekämpften Bescheides bildet, zu prüfen, ob tatsächlich ein Strafaufhebungsgrund gegeben ist.

2.2. Die belangte Behörde hat sich im bekämpften Bescheid auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 552/94, B 848/94, Slg. Nr. 14.987, gestützt. In diesem hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem wie folgt ausgeführt:

"Die Kritik des damaligen Beschwerdeführers an der Verfassungsmäßigkeit des § 254 FinStrG (nach dessen Abs. 1 erster Satz für den Bereich des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechtes das VStG gilt) wegen der in diesem Bereich nicht vorgesehenen Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG mündet in die Anregung, ein Gesetzesprüfungsverfahren (unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot) einzuleiten. Hiezu besteht jedoch - wie die folgenden Darlegungen nachweisen - kein Anlaß: ...

In ständiger Judikatur hat der Verfassungsgerichtshof aus dem in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankerten Anklageprinzip (in seiner materiellen Bedeutung) das sowohl an die Gesetzgebung als auch die Vollziehung gerichtete Verbot abgeleitet, den Rechtsunterworfenen auch schon im Stadium vor Einleitung eines (gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen) Strafverfahrens durch die Androhung (oder Anwendung) rechtlicher Sanktionen dazu zu verhalten, Beweise gegen sich selbst zu liefern (siehe z.B. VfSlg. 12454/1990 mit zahlreichen Rechtsprechungshinweisen). Wertet man die im § 108 WAO festgelegte Verpflichtung des Abgabepflichtigen, seinen zur Verkürzung einer Abgabe führenden Verstoß gegen die Offenlegungspflicht des § 92 WAO vorbehaltlos einzubekennen, unter diesem verfassungsrechtlichen Blickwinkel, so darf die Erfüllung der durch § 108 WAO auferlegten Pflicht zur ("Selbst"-)Anzeige ausschließlich der (richtigen und vollständigen) Abgabenerhebung, in Ermangelung einer etwa dem § 29 FinStrG der Zielrichtung nach entsprechenden Vorschrift jedoch keinesfalls der strafrechtlichen Verfolgung des Abgabepflichtigen (durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde) dienen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass zumindest die vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung erstattete ("Selbst"-)Anzeige nach § 108 WAO einen Strafaufhebungsgrund in einer der Selbstanzeige im Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes nach dessen § 29 grundsätzlich gleich zu stellenden Weise bildet. Dass der in diesem Sinn verfassungskonform verstandene § 108 WAO bei einer derartigen Handhabung über die in § 29 FinStrG (verfassungsrechtlich unbedenklich) vorgesehene, von zahlreichen Voraussetzungen abhängige Begünstigung des mit einer Strafe bedrohten Abgabepflichtigen allenfalls hinausreicht, muss dabei hingenommen werden. Dieses Verständnis des § 108 WAO ergibt sich als Konsequenz der gebotenen verfassungsgemäßen Interpretation aus dessen in keiner Richtung eingeschränkten, also gleichsam vorbehaltlosen Wortlaut und ist letztlich eben darauf zurück zu führen, dass das (nach § 254 FinStrG) im Rahmen des landesgesetzlichen Abgabenstrafrechts anzuwendende) VStG keine mit § 29 FinStrG auch nur entfernt vergleichbare Bestimmung enthält, welche der abgabenverfahrensrechtlich festgelegten Pflicht, eine Abgabenverkürzung durch ("Selbst"-)Anzeige der Abgabenbehörde bekannt zu geben, im strafrechtlichen Bereich die schon beschriebene verfassungsrechtlich verpönte Wirkung nimmt."

Im weiteren hielt der Verfassungsgerichtshof fest, "daß die vom Beschwerdeführer erstatteten 'Selbstanzeigen' an

die Abgabenbehörde der Sache nach Anzeigen gemäß § 108 WAO waren sowie daß die belangte Behörde bei der Wertung der von ihr bloß formal als solche erkannten 'Selbstanzeigen' die Annahme eines Strafaufhebungsgrundes deshalb zu Unrecht von vornherein verneinte, weil sie § 108 WAO, aus dem diese Rechtsfolge bei verfassungskonformer Auslegung abzuleiten ist, unbeachtet ließ."

Der vom Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis erwähnte § 29 FinStrG lautet auszugsweise:

"(1) Wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, wird insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige). Eine Selbstanzeige ist bei Betretung auf frischer Tat ausgeschlossen.

(2) War mit einer Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden, so tritt die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offengelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden. ..."

2.3. Die beschwerdeführende Amtspartei verweist zwar darauf, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige in der Wiener Abgabenordnung nicht vorgesehen sei, wendet sich aber nicht gegen die vom Verfassungsgerichtshof vorgenommene verfassungskonforme Interpretation im Hinblick auf § 108 WAO. Sie sieht nur im beschwerdegegenständlichen Fall einen grundsätzlichen Unterschied zu dem vom Verfassungsgerichtshof entschiedenen, da es sich dort um eine Abgabenverkürzung, hier "lediglich" um "die Nichtzahlung einer Abgabe zum Fälligkeitstermin" handle. Für Ordnungswidrigkeiten wie im nunmehrigen Beschwerdefall könne eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung "gar nicht Thema sein".

Unbestritten und mit dem Akteninhalt in Einklang geht aber auch die beschwerdeführende Amtspartei davon aus, dass die hier gegenständlichen Marktgebühren zwar verspätet (um rund 1 Monat), aber ohne gesonderte behördliche Aufforderung und unter Angabe des Entrichtungszeitraumes und der Abgabenart gezahlt worden sind.

2.4. Der Finanz- und Budgetausschuss vertrat im Bericht zur Finanzstrafgesetz-Novelle 1975 die Ansicht, dass es in den Fällen der Beeinträchtigung von Selbstberechnungsabgaben genüge, wenn auf dem Einzahlungsabschnitt die Abgabenart und der Entrichtungszeitraum bekannt gegeben würden und dass es nicht der formellen Bezeichnung als "Selbstanzeige" bedürfe (1548 BlgNR 13. GP, 3). Da mit diesen Angaben am Einzahlungsabschnitt alle bedeutsamen Umstände im Sinne des § 29 Abs. 2 FinStrG offen gelegt erscheinen, ist bei Selbstberechnungsabgaben die Selbstanzeige durch bloße Entrichtung erstattet (vgl. das bereits von der belangten Behörde angesprochene hg. Erkenntnis vom , Zl. 83/15/0161; aus der Rechtsprechung des OGH in diesem Sinne etwa das Urteil vom , 11 Os 49/99; siehe weiters insbesondere Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Rz 17 zu §§ 29 und 30 FinStrG).

Im Beschwerdefall würde somit - anderes wird auch vom beschwerdeführenden Magistrat nicht vorgebracht - im gedachten Fall der Anwendbarkeit des § 29 FinStrG eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung vorliegen.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt nun der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes bei, wonach zumindest die vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung erstattete ("Selbst"-)Anzeige nach § 108 WAO einen Strafaufhebungsgrund in einer der Selbstanzeige im Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes nach dessen § 29 grundsätzlich gleich zu stellenden Weise bildet (vgl. etwa auch Fellner aaO, Rz 1 zu §§ 29 und 30 FinStrG).

2.5. Die belangte Behörde hat daher jedenfalls im Ergebnis zutreffend das Strafverfahren gegen die Mitbeteiligte eingestellt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.6. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

2.7. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am