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VwGH vom 12.04.1994, 93/14/0215

VwGH vom 12.04.1994, 93/14/0215

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der Wohnungseigentumsgemeinschaft L, A, bestehend aus den Wohnungseigentümern 1. Dr. W u.a., vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der FLD für OÖ (Berufungssenat I) vom , Zl. 6/197/1-BK/Km-1993, betreffend Umsatzsteuer für 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin für die durch die Versetzung des Liftes in einen funktionstüchtigen Zustand den Wohnungseigentümern erbrachten Leistungen (Erneuerung von Fahrkorb, Türen und Motor) im Instanzenzug den begünstigten Steuersatz nach § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 mit der Begründung verweigert, es handle sich nicht um einen Erhaltungsaufwand, weil der Lift schon seit mindestens 1985, also seit fünf Jahren, nicht mehr funktionstüchtig gewesen sei. Ein Gebäude ohne funktionstüchtigen Lift während eines so langen Zeitraumes weise eine andere Wesensart auf, als ein Gebäude mit einem funktionstüchtigen Lift. Die zitierte Gesetzesstelle nehme weder auf das Mietrechtsgesetz noch auf das Wohnungseigentumsgesetz Bezug. Die Aufrechterhaltung des Betriebes eines jahrelang nicht mehr funktionsfähigen Liftes sei begrifflich ausgeschlossen. Die Weiterverrechnung der Errichtung einer Liftanlage von der Personengemeinschaft an die einzelnen Miteigentümer sei umsatzsteuerrechtlich nicht anders zu behandeln wie die Werklieferung der Errichtungsfirma an die Personengemeinschaft. Nur bei einer zeitnahen (laufenden) Reparatur wäre eine andere Beurteilung vorzunehmen gewesen.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Besteuerung des Umsatzes aus der Aufzuginstandsetzung mit 10 vH verletzt. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb Bescheidaufhebung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Steuer ermäßigt sich gemäß § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 auf 10 vH für Leistungen von Personenvereinigungen zur Erhaltung, Verwaltung oder zum Betrieb der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht.

§ 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 lehnt sich durch die Ausdrücke "Leistungen ... zur Erhaltung, Verwaltung oder zum Betrieb ..."

an für die Mietzinsbildung wesentliche Komponenten an (vgl. auch §§ 2, 6 des im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Umsatzsteuergesetzes 1972 in Kraft stehenden Mietengesetzes). Im Hinblick auf die Absicht des Gesetzgebers, Wohnungseigentümer mit Mietern hinsichtlich der "Betriebskosten" beim Steuersatz gleichzustellen

(vgl. 145 BlgNR 13. GP, 32; Verwaltungsgerichtshof

, 84/15/0141, ÖStZB 1987, 352), ist auch der Ausdruck "Erhaltung" als eine - wegen der übereinstimmenden Gesetzgebungskompetenz verfassungsrechtlich unbedenkliche - dynamische Verweisung auf den entsprechenden mietrechtlichen Begriff (nun § 3 MRG) zu verstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß die ertragssteuerrechtliche Unterscheidung zwischen Erhaltungsaufwand und Instandsetzungsaufwand (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar2, Rz 376 und 388 zu § 4) für die Auslegung des § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 Bedeutung zukäme.

Zieht man den im Miet- und Wohnungseigentumsrecht (vgl. § 14 Abs 1 Z 1 WEG 1975) maßgeblichen Erhaltungsbegriff heran, so gilt, daß der Ersatz einer nur mit unwirtschaftlichem Aufwand reparaturfähigen Anlage durch eine gleichartige neue noch Erhaltung darstellt (vgl. Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 5 zu § 3 MRG). Dies muß umsomehr für eine Anlage gelten, in der lediglich Fahrkorb, Türen und Motor ausgetauscht werden müssen.

Eine Aufrechterhaltung des Betriebes einer bestehenden Anlage (§ 3 Abs 2 Z 3 MRG) hält die belangte Behörde - für den Fall der Relevanz dieser mietrechtlichen Bestimmung - in Fällen für ausgeschlossen, in denen die Anlage seit längerer Zeit funktionsuntüchtig sei, weil es an einem Betrieb fehle, der aufrechterhalten werden könne. Diese Auslegung des Begriffes Erhaltung in § 3 Abs 1 und 2 MRG ist mit der in der erstgenannten Gesetzesstelle dem Vermieter im Interesse der Mieter auferlegten Erhaltungspflicht unvereinbar, nimmt die Dringlichkeit der Erfüllung dieser Vermieterpflicht doch in der Regel mit der Dauer der Beeinträchtigung des Betriebes durch Funktionsuntüchtigkeit der Anlage zu und nicht ab. Die Wortinterpretation der belangten Behörde führte daher zu einer Anomalie, die dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden darf.

§ 3 Abs 2 Z 3 MRG bestätigt dies durch die (einzige) Ausnahme:

"... es sei denn, daß alle Mieter des Hauses für die Gesamtdauer ihres Mietvertrages auf die Benützung der Anlage verzichten".

Für den Begriff der Erhaltung ist daher - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nicht entscheidend, ob die Reparaturbedürftigkeit infolge Funktionsuntüchtigkeit der Anlage einen längeren oder einen kürzeren Zeitraum hindurch angedauert hat.

Entscheidend ist allerdings, daß es sich nicht um einen Fall der Neuerrichtung der Gemeinschaftsanlage handelt. Ein solcher liegt aber jedenfalls dann nicht vor, wenn die Anlage bereits vorhanden, aber reparaturbedürftig ist, mag der Schaden auch so weit gehen, daß ein Betrieb der Anlage überhaupt nicht möglich ist und die Reparatur aus wirtschaftlichen Gründen nur durch Erneuerung wesentlicher Anlageteile erfolgen kann.

Im Beschwerdefall war die Anlage jedenfalls vorhanden. Am Liftschacht waren - wie die belangte Behörde festgestellt hat - keine Arbeiten erforderlich. Allerdings erwies sich eine Erneuerung des Fahrkorbes, der Türen und des Motors als notwendig. Die Liftanlage wurde somit nicht neu errichtet, sondern auf die erwähnte - offenbar allein wirtschaftlich vertretbare Weise - durch Erneuerung wesentlicher Anlagenteile instandgesetzt. Dabei ist nicht zu übersehen, daß gerade der Liftschacht mit seinen Einrichtungen einen ganz wesentlichen Teil einer derartigen Gemeinschaftsanlage darstellt. Fehlt ein solcher Schacht, müßte er nämlich bei Neuerrichtung eines Liftes erst durch entsprechende Umbaumaßnahmen hergestellt werden. Die durchgeführten Instandsetzungsarbeiten sind daher einer Neuerrichtung nicht gleichzustellen.

Der belangten Behörde könnte daher auch nicht in ihrer Ansicht gefolgt werden, die Instandsetzung der Liftanlage hätte das Gebäude seiner Wesensart nach verändert. Ist eine Liftanlage vorhanden - mag sie auch einige Jahre hindurch mangels Funktionstüchtigkeit nicht in Betrieb sein -, so ändert ihre Instandsetzung nichts an der Wesensart des Gebäudes als eines solchen mit einem Personenaufzug.

In ihrer Gegenschrift geht die belangte Behörde - ohne daß dies allerdings durch Feststellungen im angefochtenen Bescheid oder durch den Inhalt der Verwaltungsakten gedeckt wäre (die Funktionsuntüchtigkeit des Liftes war spätestens ab 1985 gegeben, die Unternehmereigenschaft der Wohnungseigentumsgemeinschaft begann NICHT ERST mit der Eintragung des Wohnungseigentums im Grundbuch 1985 - vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 88/15/0137, ÖStZB 1991, 487, und vom , 91/15/0143, ÖStZB 1993, 22 -, laut Seite 3 des Berichtes des Betriebsprüfers vom wurde das Wohnungseigentum schon 1979 vertraglich begründet) - davon aus, die Wohnungseigentumsgemeinschaft habe nie über einen fahrtüchtigen Lift verfügt, sodaß die Instandsetzung des Liftes eine Neuherstellung gleich der eines Gebäudes darstelle.

Hiezu vertritt der Gerichtshof folgende Ansicht:

Der im Ertragssteuerrecht zur Unterscheidung zwischen aktivierungspflichtigem Anschaffungs(Herstellungs)aufwand einerseits und sofort abziehbaren Erhaltungs(Instandhaltungs)aufwendungen andererseits entwickelte Begriff des anschaffungsnahen (nachgeholten) Erhaltungs(Instandhaltungs- oder Instandsetzungs)aufwandes (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz Kommentar2, Rz 73 f zu § 6), der dem Anschaffungs(Herstellungs)aufwand gleich zu behandeln ist, ist auf § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 nicht übertragbar, geht es doch in dessen Zusammenhang nicht um periodengerechte Gewinnermittlung.

Trotzdem darf dem Gesetzgeber des UStG 1972 aber nicht unterstellt werden, er habe im bereits erwähnten Gleichstellungsinteresse auch für Wohnungseigentümer ein bloß auf das Objekt bezogenes, die Änderung der Rechtszuständigkeit für die Erhaltung völlig außer acht lassendes Verständnis der Erhaltung im Auge gehabt. Den Materialien zum Umsatzsteuergesetz 1972 (145 BlgNR 13. GP, 33) ist zu entnehmen, daß die Errichtung von Eigentumswohnungen nicht unter die Begünstigungsvorschrift fallen soll. Es darf daher § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 nicht so ausgelegt werden, unter Erhaltung seien auch Leistungen zur Befriedigung des aus der Rechtszuständigkeit des Vorgängers für die Erhaltung stammenden fälligen Instandhaltungsbedarfes zu verstehen. Diese "derivative" Erhaltung kann der Gesetzgeber nicht gemeint haben, würden doch sonst bei Anschaffung eines schwer vernachlässigten Gebäudes auch Leistungen unter den begünstigten Steuersatz fallen, die anstelle von Leistungen zur Errichtung des Gebäudes (und seiner Anlagen) zeitlich in die Phase der Zuständigkeit der Eigentumsgemeinschaft für die Erhaltung des Objektes verschoben werden, dies auch in Fällen, die durch die Mißbrauchsvorschrift (§ 22 BAO) nicht erfaßbar sind.

Leistungen zur Erhaltung der im gemeinsamen Eigentum der Wohnungseigentumsgemeinschaft stehenden Teile und Anlagen einer Liegenschaft, an der Wohnungseigentum besteht, sind daher nur solche, die einen originären Erhaltungsbedarf der Wohnungseigentumsgemeinschaft decken, nicht aber einen solchen, der aus der Zeit vor dem Entstehen der Unternehmereigenschaft der Personenvereinigung übernommen wurde. Entscheidend ist aber auch hier nicht der Zeitpunkt der grundbücherlichen Eintragung des Wohnungseigentums, sondern der Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen für die Unternehmereigenschaft der Wohnungseigentumsgemeinschaft unter der Voraussetzung, daß in der Folge tatsächlich Wohnungseigentum errichtet wird (vgl. die bereits zitierte Judikatur).

Aus dieser Rechtslage folgt, daß hier Erhaltung vorgelegen wäre, wenn im erwähnten maßgeblichen Zeitpunkt ein funktionstüchtiger Lift im Haus bestand, an dem auch durch einen ordentlichen Erhalter der Anlage - und zwar ungeachtet eines damals bestehenden Bedarfes nach der Anlage - Erhaltungs(Instandsetzungs)arbeiten noch nicht durchzuführen gewesen wären, wie sie schließlich von der Wohnungseigentumsgemeinschaft durchgeführt werden mußten und wurden.

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht von dieser Rechtslage ausgegangen ist, hat sie es in deren Verkennung unterlassen, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt zu ermitteln, nämlich: Wann die umsatzsteuerrechtliche Unternehmereigenschaft der Wohnungseigentumsgemeinschaft begonnen hat und ob zu diesem Zeitpunkt die schließlich am Lift durchgeführten Erhaltungs(Instandsetzungs)arbeiten - einen ordentlichen Erhalter vorausgesetzt - bereits damals objektiv, ungeachtet eines damals bestehenden Bedarfes nach der Anlage, notwendig gewesen wären.

Die belangte Behörde hat ihrem Bescheid daher einen unrichtigen Begriff der "Erhaltung" iSd § 10 Abs 2 Z 6 UStG 1972 zugrunde gelegt und dadurch die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten verletzt. Der angefochtene Bescheid mußte deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden.

Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.