VwGH vom 17.10.1991, 89/13/0211
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Schubert sowie die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Dkfm. Joachim L-D in B, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom , GZ 6/4-4352/87-04, betreffend Einkommensteuer 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem vor dem Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien am abgeschlossenen Scheidungsvergleich anerkannte der Beschwerdeführer das Hauptmietrecht der geschiedenen Ehegattin Christiane L an der ehelichen Wohnung in einem Einfamilienhaus in B (Vermieterin war als Hauseigentümerin die Mutter des Beschwerdeführers). Der Beschwerdeführer verpflichtete sich, neben einem monatlichen Unterhaltsbeitrag an die geschiedene Ehegattin auch für den Mietzins der vorgenannten Wohnung aufzukommen.
In einer Beilage zur Einkommensteuererklärung für 1985 machte der Beschwerdeführer, der mittlerweile im Erbwege Eigentümer des bezeichneten Einfamilienhauses geworden war, neben Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehegattin von S 18.000,-- "entgangene Mieteinnahmen" in Höhe von S 84.000,-- als außergewöhnliche Belastung geltend. In den Erläuterungen zu diesem Antrag wurde noch dargestellt, daß 1985 an Kosten für dieses Haus AfA in Höhe von S 20.000,-- und "Gemeindeabgaben, Rauchfangkehrer, Versicherung Haus" im Betrag von zusammen S 8.521,54 entstanden seien.
Von diesen Beträgen wurden im Einkommensteuerbescheid für 1985 nur S 18.000,-- als zwangsläufig erwachsene Aufwendungen anerkannt.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde beantragt, neben den Unterhaltszahlungen von S 18.000,-- die tatsächlich angefallenen Kosten für die vom Beschwerdeführer mit seiner nunmehrigen Ehegattin bewohnte Mietwohnung in Höhe von S 71.872,-- als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. In der Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer könne auf Grund des "Wohnrechtes" der geschiedenen Ehefrau sein Einfamilienhaus in B nicht bewohnen und sei gezwungen, eine Wohnung zu mieten. Die Kosten für diese Mietwohnung wären nicht angefallen, wenn der Beschwerdeführer nicht seiner geschiedenen Ehefrau das Wohnrecht hätte einräumen müssen. Es sei auch offenkundig, daß die monatlichen Zahlungen von S 1.500,-- nur in Ansehung des eingeräumten "Wohnrechtes" so niedrig festgesetzt worden seien.
Die belangte Behörde führte antragsgemäß eine mündliche Verhandlung über die Berufung durch. Nach der hierüber aufgenommenen Niederschrift führte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers aus wie in der Berufung und verwies darauf, daß der Beschwerdeführer im Jahre 1960 aus seinem "Alleinverschulden" geschieden worden sei.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Dabei vertrat die belangte Behörde insbesondere die Auffassung, daß es im Falle der Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Steuerpflichtigen für alle sich daraus ergebenden Verpflichtungen an der Zwangsläufigkeit fehlt, weil sie die Folge eines Verhaltens seien, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen habe.
Gegen diese Berufungsentscheidung wurde Beschwerde erhoben, wobei im Kopf der Beschwerdeschrift die "T-U", Wirtschaftprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. sowie Dkfm. L, beide in B, aufscheinen. Die Beschwerdeschrift war sowohl von der "T-U" als auch von dem im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Rechtsanwalt gezeichnet, wobei eine vom Beschwerdeführer unterfertigte Vollmacht für den Rechtsanwalt angeschlossen war. In der Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit die belangte Behörde die Auffassung vertritt, die Beschwerde sei mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen, ist zwar zuzugeben, daß die auf einem Briefpapier einer Wirtschaftstreuhandgesellschaft verfaßte und von dieser auch (zusätzlich) gezeichnete Beschwerdeschrift nicht leicht erkennen läßt, wer im Sinne des § 21 Abs. 1 VwGG als Beschwerdeführer gegen den angefochtenen Verwaltungsakt auftritt. Im Hinblick darauf, daß im Text der Beschwerdeschrift bei der Bezeichnung des angefochtenen Bescheides ausgeführt ist, daß mit diesem über die Berufung des mit Namen und Anschrift bezeichneten Steuerpflichtigen entschieden worden ist, überdies in den Beschwerdeausführungen als Beschwerdeführer Dkfm. L-D deutlich erkennbar ist, und schließlich die Beschwerde von einem Anwalt (mit)unterfertigt ist, der eine Vollmacht des Steuerpflichtigen vorgelegt hat, erscheint ausreichend klargestellt, daß Dkfm. L-D als Beschwerdeführer anzusehen ist.
In der Beschwerdesache selbst besteht zunächst Streit über den Gegenstand des angefochtenen Bescheides. Dabei ist davon auszugehen, daß die Anwendung des § 34 EStG 1972 einen darauf abzielenden Antrag voraussetzt. Der Grundsatz der amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit (vgl. § 115 Abs. 1 BAO) ist dabei insoferne eingeschränkt, als es der Abgabenbehörde verwehrt ist, von Amts wegen Aufwendungen nach § 34 EStG 1972 zu berücksichtigen. Abweichend vom ursprünglich in der Einkommensteuererklärung für 1985 gestellten Antrag wurde vom Beschwerdeführer in der Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 ausdrücklich begehrt, neben den Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehegattin die Aufwendungen für die von ihm und seiner nunmehrigen Ehegattin bewohnte Mietwohnung als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Weder in dem nach einer Berufungsvorentscheidung gestellten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz noch in der mündlichen Verhandlung wurde das Berufungsbegehren geändert. Die belangte Behörde hatte daher lediglich darüber zu entscheiden, ob die zuletzt genannten Aufwendungen nach § 34 EStG 1972 berücksichtigungsfähig sind. Eine Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Antrag - wie es im angefochtenen Bescheid anmerkungsweise ohnedies geschehen ist - war damit nicht erforderlich. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe im Verwaltungsverfahren zwei "Varianten" geltend gemacht, steht mit der Aktenlage nicht im Einklang.
Somit war im Beschwerdefall zu beurteilen, ob die vom Beschwerdeführer getätigten Aufwendungen für die von ihm zusammen mit seiner Ehegattin bewohnte Wohnung nach Maßgabe des § 34 EStG 1972 vom Einkommen abgezogen werden können. Eine außergewöhnliche Belastung liegt nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen nach § 34 Abs. 3 EStG 1972 zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Leistungen des gesetzlichen Unterhalts an den geschiedenen Ehegatten gelten nach dem zweiten Satz der letztgenannten Gesetzesstelle dann als zwangsläufig erwachsen, wenn der den Unterhalt Leistende sich wiederverehelicht hat und soweit gegenüber dem nunmehrigen Ehegatten eine Verpflichtung zur Leistung des gesetzlichen Unterhalts besteht.
Den Aufwendungen für die eigene Wohnung, deren Berücksichtigung im Rahmen der angeführten Gesetzesstelle vom Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1985 beantragt worden ist, kommt das Merkmal der Außergewöhnlichkeit nicht zu, da der weitaus überwiegenden Mehrzahl vergleichbarer Steuerpflichtiger derartige Belastungen erwachsen. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Beschwerdeführer Eigentümer eines Einfamilienhauses ist, dessen Benützung für Wohnzwecke dem Beschwerdeführer im Streitjahr nicht möglich gewesen ist. Für die Beurteilung der Außergewöhnlichkeit ist allein ein Vergleich mit der im Gesetz näher bestimmten Gruppe von Steuerpflichtigen in bezug auf die konkreten Aufwendungen geboten. Hingegen kommt es dabei auf die Ursache für diesen Aufwand nicht an.
Ebensowenig kann eine Zwangsläufigkeit der strittigen Aufwendungen bejaht werden. Von einer Zwangsläufigkeit kann nämlich dann nicht gesprochen werden, wenn die Verhältnisse, welche die betreffenden Aufwendungen bedingen, vom Steuerpflichtigen vorsätzlich herbeigeführt worden sind bzw. sich als Folge eines Verhaltens darstellen, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, obwohl er mit dem Eintritt der Folgen rechnen mußte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 1109/78). Nach den unbestrittenen Sachverhaltsdarstellungen der belangten Behörde ist der Beschwerdeführer im Jahre 1960 von seiner damaligen Ehegattin aus seinem Verschulden geschieden worden. In dem aus Anlaß der Ehescheidung abgeschlossenen Unterhaltsvergleich hat der Beschwerdeführer das Mietrecht der geschiedenen Ehegattin in dem dem Beschwerdeführer in der Folge im Erbweg zugekommenen Einfamilienhaus ausdrücklich anerkannt. Die Aufwendungen für die vom Beschwerdeführer mit seiner nunmehrigen Ehegattin bewohnten Mietwohnung stellen sich damit als Folge des Verhaltens des Beschwerdeführers dar.
In der Beschwerde wird die Auffassung, daß die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen gegeben sei, aus dem zweiten Satz des § 34 Abs. 3 EStG 1972 abgeleitet. Damit wird übersehen, daß Gegenstand des angefochtenen Bescheides - abgesehen von den im Verwaltungsverfahren unstrittigen tatsächlichen Geldleistungen an die geschiedene Ehegattin - nicht Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehegattin, sondern wie ausgeführt die Kosten der eigenen Wohnung des Beschwerdeführers gewesen sind. Für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen kann der Beschwerdeführer aus dem zweiten Satz des § 34 Abs. 3 EStG 1972 nichts gewinnen.
Soweit in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer die Meinung vertreten wird, "entgangene Mieteinnahmen" könnten zu einer außergewöhnlichen Belastung führen, ist diese Auffassung auch inhaltlich verfehlt, da § 34 EStG 1972 an Aufwendungen anknüpft, worunter schlechthin der Abfluß von Gütern beim Steuerpflichtigen zu verstehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 88/14/0163). Entgangene Einnahmen können keinesfalls als Aufwendungen im angeführten Sinne betrachtet werden.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften wird vom Beschwerdeführer gerügt, es habe im Zuge der durchgeführten mündlichen Verhandlung keine Erörterung der Rechtssache stattgefunden. Der Beschwerdeführer bezog sich dabei auf § 285 Abs. 1 zweiter Satz BAO, wonach der Vorsitzende des Berufungssenates für die vollständige, erforderlichenfalls in Rede und Gegenrede zu erfolgende Erörterung der Rechtssache zu sorgen hat. In der Beschwerdeschrift selbst wird dazu ausgeführt - und dies findet in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung Deckung -, daß der Vorsitzende nach dem Vortrag des Berichterstatters dem Steuerpflichtigen bzw. seinem Vertreter das Wort erteilt habe. Damit hat die belangte Behörde den Erfordernissen des § 285 Abs. 1 BAO ebenso wie jenen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, worin nähere Bestimmungen über den Ablauf der mündlichen Verhandlung enthalten sind, voll entsprochen. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht keine Rechtsvorschrift, wonach dem Berufungswerber in der mündlichen Verhandlung die Rechtsansicht der einzelnen Senatsmitglieder zur Kenntnis zu bringen wäre.
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/91.