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VwGH vom 28.01.2003, 2000/14/0093

VwGH vom 28.01.2003, 2000/14/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des HH in I, vertreten durch Dr. Inge Margreiter, Rechtsanwältin in 6230 Brixlegg, Herrnhausplatz 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. RV 41/1- T 2/99, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer hatte für seinen im April 1977 geborenen Sohn u. a. für den Zeitraum von Mai 1996 bis einschließlich Juli 1997 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag bezogen.

Der Sohn des Beschwerdeführers besuchte bis zum Schuljahr 1994/95 ein Gymnasium in Innsbruck. Aufgrund negativer Schulleistungen war er mit Ende dieses Schuljahres nicht berechtigt, in die siebente Klasse aufzusteigen, weshalb der Besuch dieser Schule nicht fortgesetzt wurde.

Der Sohn des Beschwerdeführers war daraufhin in den Schuljahren 1995/96 und 1996/97 in der privaten Maturaschule W eingeschrieben. Im Schuljahr 1997/98 besuchte er keine Schule, sondern bereitete sich im Heimstudium auf die Einzelprüfung "Italienisch als zweite lebende Fremdsprache" vor. Ab dem Schuljahr 1998/99 besucht er ein Gymnasium für Berufstätige.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Mai 1996 (Monat nach Erreichung der Volljährigkeit des Sohnes) bis Juli 1997 mit der Begründung zurück, für volljährige Kinder bestehe der Anspruch auf Familienbeihilfe nur, wenn diese für einen Beruf ausgebildet würden. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung die Zielstrebigkeit der Berufsausbildung seines Sohnes in den Schuljahren 1995/96, 1996/97 und 1997/98 nicht nachgewiesen.

Mit der als Berufung gewerteten Eingabe vom versuchte der Beschwerdeführer die Zielstrebigkeit der Berufsausbildung darzutun, indem er die Anmeldung zur Maturaschule W für das Schuljahr 1995/96, eine Schuldbesuchsbestätigung dieser Schule für das Schuljahr 1996/97 und ein Zeugnis vom über die Ablegung von Zulassungsprüfungen (in zwei Fächern: Geschichte und bildnerische Erziehung) zur Externistenreifeprüfung vorlegte.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass der Besuch einer Maturaschule als solcher noch nicht für das Vorliegen einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG ausreiche. Es müssten vielmehr ernstliche und zielstrebige Bemühungen um die Externistenreifeprüfung vorliegen. Diese manifestierten sich im Antritt zu den erforderlichen Vorprüfungen bzw Prüfungen.

Im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Beschwerdeführer vor, sein Sohn sei im Schuljahr 1995/96 zu vier Prüfungen (Biologie, Kunst, Geschichte sowie Geographie) angetreten; tatsächlich habe er Kunst und Geschichte positiv abschließen können. Im Schuljahr 1997/98 habe er sich auf die Italienisch Prüfung vorbereitet und die entsprechende Prüfung am abgelegt. Ab dem Schuljahr 1998/99 habe er ein Bundesrealgymnasium (für Berufstätige) besucht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie aus, mit Juli 1995 habe der Sohn des Beschwerdeführers den Besuch des Gymnasiums abgebrochen. Für das Schuljahr 1995/96 habe er sich in eine private Maturaschule zur Vorbereitung auf die Matura eingeschrieben. Auch im Schuljahr 1996/97 sei er Schüler dieser Schule gewesen. Der Beschwerdeführer habe als Beleg für die Vorbereitung auf die Externistenreifeprüfung ein Zeugnis über die Ablegung von Zulassungsprüfungen vorgelegt. Auf dem Zeugnis seien allerdings nur zwei Fächer bestätigt (Geschichte sowie bildnerische Erziehung). Für das Schuljahr 1997/98 sei keine Schulbesuchsbestätigung vorgelegt worden. In diesem Schuljahr sei aber die Prüfung "Italienisch als zweite lebende Fremdsprache" mit Erfolg abgelegt worden. Ab dem Winterhalbjahr 1998/99 sei der Sohn des Beschwerdeführers als Studierender an einem Gymnasium für Berufstätige inskribiert gewesen, über dessen Besuch für das sechste und siebente Semester Zeugnisse vorgelegt worden seien.

Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG liege u.a. vor, wenn ein Kind die Externistenreifeprüfung ablegen wolle und sich tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung der Reifeprüfung vorbereite. Das sei dann der Fall, wenn die Vorbereitung auf die Reifeprüfung die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme und das Kind zu den von der Externistenreifeprüfungskommission festgesetzten Terminen zu den Prüfungen antrete.

Die Maturaschule W bereite Schüler unterrichtsmäßig auf die Matura vor. Es seien hiefür zwei Jahre vorgesehen. Die Maturaschule empfehle den Schülern, pro Semester einzelne, auf den Stundenplan abgestellte Prüfungen - vor der Externistenreifeprüfungskommission des Landesschulrates - abzulegen. Der Sohn des Beschwerdeführers habe in der laut Prüfungsplan der Maturaschule vorgesehenen Vorbereitungszeit nur zwei Zulassungsprüfungen zur Externistenreifeprüfung und nach dem Verlassen der Schule im Jahr 1998 nur eine Prüfung abgelegt. Über weitere, eventuell nicht bestandene Prüfungen bzw Termine für Zulassungsprüfungen zur Externistenreifeprüfung habe der Beschwerdeführer keine Belege vorgelegt. Somit könne nicht angenommen werden, dass sich sein Sohn im streitgegenständlichen Zeitraum tatsächlich und zielstrebig auf die Ablegung von Prüfungen vorbereitet habe. In diesem Zeitraum sei daher keine Berufsausbildung iSd FLAG gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr (bzw seit der Novelle BGBl 433/1996 das 26. Lebensjahr) noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Ziel einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs 1 lit b FLAG ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg gegeben sein. Im Fall des Besuches einer Maturaschule manifestiert sich das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen. Zwar ist nicht (nur) der Prüfungserfolg ausschlaggebend, der Maturaschüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl die hg Erkenntnisse vom , 98/13/0042, und vom , 90/14/0108).

Das Finanzamt hat in der Berufungsvorentscheidung das ernstliche und zielstrebige Bemühen des Sohnes des Beschwerdeführers deshalb als nicht gegeben angenommen, weil in den Schuljahren 1995/96 und 1996/97 Zulassungsprüfungen für die Reifeprüfung in "nur zwei von neun erforderlichen Prüfungsgebieten" und im Schuljahr 1997/98 nur eine Prüfung abgelegt worden seien.

Der Beschwerdeführer verwies sodann im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz darauf, dass sein Sohn im Schuljahr 1995/96 zu vier Prüfungen (Biologie, Kunst, Geschichte und Geographie) angetreten sei, wobei zwei Prüfungen bestanden worden seien. Eine weitere Prüfung sei im Schuljahr 1997/98 abgelegt worden.

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde aus, in den zwei Schuljahren, in welchen die vom Sohn des Beschwerdeführers besuchte Maturaschule Schüler auf die Matura vorbereite, habe dieser lediglich zwei Zulassungsprüfungen und nach Verlassen der Schule eine weitere Prüfung abgelegt. Über weitere (eventuell nicht bestandene) Prüfungen oder Termine für Zulassungsprüfungen zur Reifeprüfung seien keine entsprechenden Belege vorgelegt worden.

Die belangte Behörde hat somit im Einklang mit dem Gesetz die Auffassung vertreten, im Falle des Besuches einer Maturaschule sei das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Wesentlichen am Antreten zu den erforderlichen Vorprüfungen innerhalb angemessener Zeit zu messen. Die belangte Behörde hat aber Verfahrensvorschriften verletzt, weil sie ihre Entscheidung darauf gestützt hat, dass hinsichtlich der Prüfungen, zu denen nach den Angaben des Beschwerdeführers sein Sohn zwar angetreten sei, die er aber nicht bestanden habe, keine entsprechenden Belege vorgelegt worden seien. Da sie das Vorbringen des Beschwerdeführers im Vorlageantrag als nicht ausreichend angesehen hat, wäre es ihre Aufgabe gewesen, weitere Ermittlungen über den Zeitpunkt der Prüfungsantritte des Sohnes des Beschwerdeführers - für das Schuljahr 1995/96 einerseits und das Schuljahr 1996/97 andererseits - durchzuführen. Die bloße Anmeldung zu Prüfungen reicht für die Annahme einer zielstrebigen Berufsausbildung nicht aus.

Die belangte Behörde hätte sohin - gesondert für jedes Schuljahr - allenfalls unter Rückgriff auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers Feststellungen darüber treffen müssen, ob der Schüler im Wesentlichen zu den von ihm zu erwartenden Prüfungen angetreten ist.

Die belangte Behörde hat somit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs 3 Z 2 EuroG, BGBl I 72/2000.

Wien, am