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VfGH vom 21.09.2011, g175/10

VfGH vom 21.09.2011, g175/10

Sammlungsnummer

19486

Leitsatz

Unverhältnismäßiger Eigentumseingriff durch den – auch sachlich nicht gerechtfertigten - Ausschluss der Kleinaktionäre von der Antragstellung auf eine gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses bzw der Barabfindung im Fall einer Verschmelzung von Aktiengesellschaften

Spruch

I. Die Wortfolge

", und

2. entweder

a) bei einer der beteiligten Gesellschaften, sei es auch nur gemeinsam, insgesamt jeweils über mindestens eins vom Hundert des Grundkapitals oder über Aktien im anteiligen Betrag von mindestens 70 000 Euro oder

b) gemeinsam über alle Aktien verfügen, für die die Voraussetzungen gemäß Z 1 erfüllt sind"

in § 225c Abs 3 des Bundesgesetzes vom über Aktiengesellschaften (Aktiengesetz 1965), BGBl. Nr. 98 idF BGBl. I Nr. 71/2009, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit auf Art 140 B-VG gestütztem Antrag begehrt das Oberlandesgericht Wien (in der Folge: OLG Wien), der Verfassungsgerichtshof wolle in § 225c Abs 3 Aktiengesetz 1965 (in der Folge: AktG), BGBl. 98 idF BGBl. I 71/2009, die Wortfolge

", und

2. entweder

a) bei einer der beteiligten Gesellschaften, sei es auch nur gemeinsam, insgesamt jeweils über mindestens eins vom Hundert des Grundkapitals oder über Aktien im anteiligen Betrag von mindestens 70 000 Euro oder

b) gemeinsam über alle Aktien verfügen, für die die Voraussetzungen gemäß Z 1 erfüllt sind"

als verfassungswidrig aufheben.

2. Der Antrag wird aus Anlass eines beim OLG Wien anhängigen Verfahrens gestellt, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Antragsteller sind Aktionäre der O. AG (im Folgenden: Antragsgegnerin), welche als übernehmende Gesellschaft mit der V. AG als übertragende Gesellschaft verschmolzen wurde. Im Zeitpunkt der Hauptversammlung vom , in der die Verschmelzung beschlossen wurde, waren die Antragsteller am Grundkapital der Antragsgegnerin mit 0,00318 Prozent bzw. mit € 30.442,65 beteiligt.

Für die Durchführung der Verschmelzung wurde zur Gewährung von Aktien an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft das Grundkapital der Antragsgegnerin mittels Sacheinlage durch Ausgabe von Stammaktien erhöht. Das Bezugsrecht entfiel gemäß § 223 Abs 1 AktG. Als Gegenleistung für das durch die Verschmelzung übertragene Vermögen erhielten die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft entsprechend dem festgelegten Umtauschverhältnis für eine Aktie etwa 38 Aktien an der Antragsgegnerin. Bare Zuzahlungen wurden nicht geleistet.

Die Antragsteller beantragten beim Handelsgericht Wien gemäß § 225c AktG, das Umtauschverhältnis zu überprüfen und die Antragsgegnerin als übernehmende Gesellschaft zu verpflichten, ihnen einen Ausgleich durch bare Zuzahlung zu leisten. Das Umtauschverhältnis sei nicht angemessen, weil die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft damit mehr erhielten als ihnen zustünde. Die übertragende Gesellschaft sei im Verhältnis zur Antragsgegnerin um mindestens 25 bis 50 Prozent überbewertet worden. Die Folge sei eine wesentliche Verwässerung zu Lasten der bisherigen Aktionäre der Antragsgegnerin. Auf Zuzahlungen und zusätzliche Aktien hätten sie nicht gemäß § 225d AktG verzichtet.

Das Erstgericht wies den Überprüfungsantrag ab, weil die Antragsteller die Voraussetzungen für die Antragsberechtigung nach § 225c Abs 3 Z 2 AktG nicht erfüllten. Gegen diesen Beschluss erhoben die Antragsteller Rekurs.

3. In der Sache hegt das antragstellende Gericht verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einschränkung des Antragsrechts von Minderheitsaktionären gemäß § 225c Abs 3 Z 2 AktG durch Vorschreibung einer "Erheblichkeitsschwelle" (lita: ein Prozent vom Grundkapital oder Aktien im anteiligen Betrag von zumindest € 70.000,--) bzw. durch Normierung des Mindestbesitzes nach litb.

3.1. Eingangs verweist das OLG Wien in seinem Antrag auf das hg. Erkenntnis VfSlg. 17.584/2005, mit dem der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Obersten Gerichtshofes die im § 9 Abs 2 Spaltungsgesetz (in der Folge: SpaltG) enthaltene Wortfolge "§225c Abs 3 und 4 [AktG] sowie", womit auf die dort geregelte Einschränkung von Antragsrechten von Minderheitsaktionären verwiesen wurde, als verfassungswidrig aufhob, weil das Hinausdrängen von Gesellschaftern unter gleichzeitigem Ausschluss von Gesellschaftern, deren Beteiligung unter der so genannten "Erheblichkeitsschwelle" liegt, vom Antragsrecht nach § 9 Abs 2 SpaltG einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstelle und auch sachlich nicht zu rechtfertigen sei.

3.2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken im Einzelnen führt das antragstellende Gericht Folgendes aus:

3.2.1. Der Ausschluss des Antragsrechtes gemäß § 225c Abs 3 Z 2 AktG sei zum einen wegen des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebotes bedenklich:

Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme, zu deren Zweck die übernehmende Gesellschaft das Kapital erhöht, seien Minderheitsgesellschafter mit einer Beteiligung von unter einem Prozent des Grundkapitals oder unter € 70.000,-- von einer gerichtlichen Überprüfung des Umtauschverhältnisses ausgeschlossen. Hingegen seien Aktionäre im vergleichbaren Fall einer Kapitalerhöhung nach den §§149 ff. AktG unter Ausschluss des Bezugsrechtes (§153 AktG) berechtigt, den Beschluss der Hauptversammlung u.a. aus dem Grund anzufechten, dass ein unangemessen niedriger Übernahmepreis festgelegt wurde, ohne dass das Anfechtungsrecht von einer Mindestbeteiligung abhängig wäre. Dieser unterschiedliche Rechtsschutz für Minderheitsaktionäre bei einer Verschmelzung einerseits und bei einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes andererseits sei sachlich nicht gerechtfertigt, weil die Tatsachen, die dem Interesse an einer solchen Anfechtung zugrunde liegen, im Wesentlichen übereinstimmten:

Im Falle einer Kapitalerhöhung nach den §§149 ff. AktG müsse gemäß § 153 Abs 1 AktG jedem Aktionär auf sein Verlangen ein seinem Anteil am bisherigen Grundkapital entsprechender Teil der neuen Aktien zugeteilt werden. Das Bezugsrecht sei eines der wichtigsten Schutzrechte der Aktionäre. Es ermögliche ihnen, entweder an der Kapitalerhöhung im prozentuellen Umfang ihrer bisherigen Beteiligung teilzunehmen und so einen relativen Beteiligungsverlust ("Verwässerung") zu vermeiden oder sich durch Veräußerung des Bezugsanspruches für diese Verwässerung zu entschädigen. Zwar könne das Bezugsrecht nach § 153 Abs 3 AktG im Beschluss über die Erhöhung des Grundkapitals ausgeschlossen werden. Da jedoch mit einem Bezugsrechtsausschluss massiv in Aktionärsrechte eingegriffen werde, erfordere ein solcher Eingriff eine sachliche Rechtfertigung, die sich aus Gesellschaftsinteresse, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit ergeben müsse.

Wenn bei einer Verschmelzung durch Aufnahme (§219 Z 1 AktG) das Grundkapital der übernehmenden Gesellschaft zur Durchführung der Verschmelzung erhöht wird, finde gemäß § 223 Abs 1 AktG das Bezugsrecht zur Durchführung einer Verschmelzung keine Anwendung. Auch in einem solchen Fall komme es zu einem Eingriff in Aktionärsrechte, der zu einem relativen Beteiligungsverlust des Aktionärs der übernehmenden Gesellschaft führe. Diese Aktionäre würden bei einem zu hohen Umtauschverhältnis insofern benachteiligt, als dann den neuen Aktionären in der übernehmenden Gesellschaft eine größere Beteiligung und mehr Rechte zustünden, als dies ihrem Vermögensbeitrag entspreche. Ein Ausgleich durch bare Zuzahlung sei in diesem Fall zwar möglich, aber nicht zwingend vorgeschrieben. Daher fehle eine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Behandlung der Anfechtungsbefugnis bei einer Verschmelzung durch Normierung einer "Erheblichkeitsschwelle".

Die verfassungsrechtlichen Bedenken träfen auch auf § 225c Abs 3 Z 2 litb AktG zu. Diese Bestimmung schränke das Antragsrecht von Minderheitsgesellschaftern insoweit ein, als nur jene Aktionäre antragsberechtigt sind, die gemeinsam über alle Aktien verfügen, für die die Voraussetzungen gemäß Z 1 erfüllt sind.

3.2.2. Auch unter dem Blickwinkel des Eigentumsschutzes bestünden Zweifel an der Verfassungskonformität der angefochtenen Gesetzesbestimmung:

Mit einer Verschmelzung werde in die Anteilsrechte der Aktionäre der übertragenden wie auch der übernehmenden Gesellschaft eingegriffen. Zwar sehe das AktG einen Ausgleichsanspruch für die Aktionäre der beteiligten Gesellschaften vor, der aber für bestimmte Minderheitsaktionäre mit einer Beteiligung unter der gesetzlich geregelten Schwelle nicht durchsetzbar sei.

Die im Erkenntnis VfSlg. 17.584/2005 angestellten Überlegungen seien auch auf den Eingriff in Anteilsrechte von Minderheitsaktionären im Falle einer Verschmelzung übertragbar.

Auch wenn ein solcher Eingriff nicht jedenfalls unzulässig sei, habe der Gesetzgeber hier im besonderen Maß für einen Interessenausgleich für die von der Umgründung in ihren Anteilsrechten betroffenen Gesellschafter zu sorgen. Wesentlich sei dabei, dass auch Minderheitsaktionären eine gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses und die Durchsetzung eines Anspruchs auf bare Zuzahlung möglich sein solle. Die "Erheblichkeitsschwelle" für einen gerichtlichen Rechtsschutz des einzelnen Aktionärs sei sachlich nicht zu rechtfertigen.

Wörtlich führt das antragstellende Gericht in diesem Zusammenhang aus:

"Selbst das Argument, dass nur ein sehr niedriger Schwellwert von bloß 1% des Grundkapitals festgelegt worden sei, überzeugt nicht. Dass eine Mehrheit von 99% der Aktionäre das Umtauschverhältnis nicht bekämpft, mag ein Indiz für dessen Angemessenheit sein. Die Gründe, warum Aktionäre das Umtauschverhältnis nicht bekämpfen, können aber mannigfaltig sein und etwa auch darin liegen, dass sich Aktien im Streubesitz befinden und eine Vielzahl von Aktionären die Erheblichkeitsschwelle für die Anfechtung des Umtauschverhältnisses nicht erreicht und sich wegen der Anonymität der Beteiligung nicht mit anderen Aktionären zusammenschließen kann. Dem entsprechend legte der Verfassungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung dar, dass der Rechtsschutz nicht davon abhängen dürfe, dass auch andere Aktionäre für die Geltendmachung des Anspruchs (dort auf Überprüfung der Barabfindung) gewonnen werden könnten.

Die dargestellten Argumente des Verfassungsgerichtshofs, dass weder die Spaltungsprüfung (hier: Verschmelzungsprüfung) noch die Gefahr einer missbräuchlichen Anrufung des Gerichtes einen Ausschluss dieses Antragsrechts sachlich rechtfertigen, treffen auch auf die von einer Verschmelzung in ihren Anteilsrechten betroffenen Gesellschafter zu. Einer Missbrauchsmöglichkeit kann mit einer Kostenersatzregelung begegnet werden, die einen geringeren Eingriff bedeutet als die Beseitigung des Rechtsschutzes.

Weiters betont der Verfassungsgerichtshof, dass die Gewährung von Rechtsschutz nicht von der Höhe des Betrags abhängt, der erstritten werden soll. Auch bei einer Verschmelzung kann wegen des auf Dauer wirkenden Eingriffs in das Anteilsrecht der für den konkreten Minderheitsaktionär durchzusetzende Ausgleichsanspruch einen bedeutenden Wert erreichen."

3.2.3. Schließlich bestünden verfassungsrechtliche Bedenken auch im Hinblick auf Art 6 EMRK. Bei einer Entscheidung über einen vermögensrechtlichen Anspruch müsse grundsätzlich der Weg zu einem Gericht offen stehen. § 225c Abs 1 AktG normiere einen zivilrechtlichen Anspruch für jeden Aktionär, wenn das Umtauschverhältnis oder die baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt wurden. § 225c Abs 3 Z 2 AktG verwehre jedoch Kleinaktionären mit einer geringeren als der im Gesetz festgelegten Beteiligung jeden Zugang zu einem Gericht. Damit sei diesen Aktionären jede Überprüfung des Umtauschverhältnisses und die Durchsetzung ihres Ausgleichsanspruchs auf bare Zuzahlung verschlossen, weil § 225b AktG eine solche Überprüfung durch Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses einer der beteiligten Gesellschaften ausdrücklich ausschließe. Dass das Umtauschverhältnis von einem Verschmelzungsprüfer geprüft werde, sei kein Ersatz für den entzogenen Rechtsschutz, umso weniger als die Verschmelzungsprüfer nicht einmal vom Gericht zu bestellen seien. Ebenso wenig dürfe der Rechtszug davon abhängen, dass auch andere Aktionäre für die Geltendmachung des Anspruches gewonnen werden, um die im Gesetz geforderte "Erheblichkeitsschwelle" zu erreichen. Das antragstellende Gericht verweist auch in diesem Zusammenhang auf VfSlg. 17.584/2005.

4. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.

5. Die Antragsteller vor den ordentlichen Gerichten erstatteten eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den Argumenten des OLG Wien, die sie in der Äußerung zusammenfassend wiederholen, anschließen.

6. Die O. AG als Antragsgegnerin im Anlassverfahren vor dem OLG Wien wendet sich in ihrer Äußerung gegen die Bedenken des OLG Wien.

6.1. Die O. AG geht davon aus, dass es sich bei der Verschmelzung einerseits und bei der Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechtes andererseits um unterschiedliche Fallkonstellationen handelt, sodass keine Verletzung des Gleichheitssatzes vorliege:

Während die Kapitalerhöhung eine Maßnahme zur Kapitalbeschaffung darstelle, gehe es bei der Verschmelzung um die Zusammenführung des Vermögens mehrerer Gesellschaften auf eine übernehmende bzw. neu gegründete Gesellschaft. Die Kapitalerhöhung im Rahmen der Verschmelzung stelle lediglich das Hilfsmittel zur Durchführung der Verschmelzung dar, indem damit jene Aktien geschaffen würden, die an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft(en) ausgegeben werden. Die Anwendung des § 153 AktG betreffend das Bezugsrecht der Aktionäre scheide aus, weil diese Regelung mit dem Wesen der Verschmelzung unvereinbar sei.

Verschiedene Ausgestaltungen der Rechtsschutzmöglichkeiten seien auch dadurch gerechtfertigt, dass es bei Kapitalerhöhungen (abgesehen vom Fall Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen) keinen gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Prüfer gebe, der die Angemessenheit des Ausgabebetrages gewährleisten würde, während an der Verschmelzung gemäß § 220b AktG zwei (bzw. ein gerichtlich bestellter) Verschmelzungsprüfer zur Prüfung und Gewährleistung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses beteiligt seien.

Der Vergleich des Rechts auf Überprüfung des Umtauschverhältnisses bei einer Verschmelzung mit dem Recht auf Anfechtung des Beschlusses auf Ausschluss vom Bezugsrecht bei Kapitalerhöhung sei auch deswegen nicht zulässig, da sich bei der Verschmelzung durch Aufnahme die Frage des "Bezugs" von Aktien bei einer Gruppe von beteiligten Aktionären, nämlich bei den Aktionären der übernehmenden Gesellschaft, von vornherein nie stelle.

Die Rechtsbehelfe verfolgten auch verschiedene Ziele: Während die Anfechtung den Beschluss gänzlich beseitige, schaffe das Überprüfungsverfahren einen Ausgleichsanspruch. Sollte es sich tatsächlich um zwei gänzlich gleichwertige Fallkonstellationen handeln, müsste § 225b AktG, der die Befugnis zur Anfechtung des Beschlusses der Hauptversammlung mit der Begründung, das Umtauschverhältnis sei nicht angemessen bzw. die Zuzahlungen seien zu niedrig, ausschließt, aufgehoben werden.

6.2. Nach Auffassung der O. AG handelt es sich bei der "Erheblichkeitsschwelle" um eine verhältnismäßige und sachlich gerechtfertigte Beschränkung des Eigentums, sodass es zu keiner Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums komme.

6.2.1. Zum einen werde die Angemessenheit der Beteiligungsverhältnisse nach erfolgter Umstrukturierung durch die \berprüfung des Umtauschverhältnisses gemäß § 225c ff. AktG gewährleistet. Sollte das Umtauschverhältnis nicht angemessen festgelegt worden sein, so habe jeder Aktionär einen Anspruch auf Ausgleich durch bare Zuzahlung.

Die Antragslegitimation sei deshalb an nähere Voraussetzungen geknüpft worden, um Fälle des Missbrauchs des Antragsrechtes hintan zu halten und gleichzeitig - wie auch sonst im Gesellschaftsrecht üblich - eine "Ernstlichkeitsschwelle" durch eine Bindung von Minderheitsrechten an (prozentuelle oder nominelle) Schwellenwerte einzuziehen (die O. AG verweist in diesem Zusammenhang auf die Materialien zum EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz, RV 32 BlgNR

20. GP).

Auch stehe im Fall von "Bagatellanträgen" unter einem Prozent des Grundkapitals oder unter einem anteiligen Wert von € 70.000,-- am Grundkapital der in einem Überprüfungsverfahren bloß möglicherweise zu realisierende, jedenfalls nur geringfügige Vorteil in einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Missverhältnis zu den Kosten des Verfahrens. Die O. AG verweist dabei auf § 225l AktG, wonach die Kosten des Verfahrens von der übernehmenden Gesellschaft zu tragen sind und ein Kostenersatz lediglich im Fall der Mutwilligkeit der Verfahrenseinleitung/-führung in Betracht komme.

Die "Erheblichkeitsschwelle" sei aber auch deshalb gerechtfertigt und verhältnismäßig, weil das Überprüfungsverfahren nicht nur Wirkung für den Antragsteller selbst, sondern für (und gegen) alle Aktionäre der beteiligten Gesellschaften entfalte (§225i AktG).

Weiters könnten die Anteile von Aktionären, die jeweils für sich alleine unter der "Erheblichkeitsschwelle" liegen, zusammengerechnet werden und so die Schwelle überschreiten. Dies gelte auch, wenn mehrere Antragsteller, die unabhängig voneinander agieren, gemeinsam die Schwelle für die Antragstellung überschreiten. In einem solchen Fall läge die Vermutung nahe, dass das Umtauschverhältnis nicht angemessen ist. Umgekehrt deute der Umstand, dass ein oder mehrere Antragsteller weder in einer konzertierten Aktion noch unabhängig voneinander agierend die Antragsschwelle überschreiten können, insbesondere angesichts der Kostentragungsregelung des § 225l AktG darauf hin, dass das Umtauschverhältnis angemessen war.

Der Verfassungsgerichtshof sei dem Argument, die "Erheblichkeitsschwelle" sei systemkonform, da bereits das geltende Gesellschaftsrecht Minderheitsrechte an bestimmte Mindestbeteiligungen knüpfe, in VfSlg. 17.584/2005 mit dem Einwand entgegengetreten, dass es sich bei den Minderheitsrechten im geltenden Gesellschaftsrecht um Kontrollrechte handle, nicht aber um einen individuellen, aus der Beteiligung resultierenden vermögensrechtlichen Anspruch eines Gesellschafters. Diesem Argument des Verfassungsgerichtshofes sei jedoch zu entgegnen, dass zumindest bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise durchaus auch bei anderen Minderheitsrechten von einem (mittelbaren) vermögensrechtlichen Anspruch eines Aktionärs (einer Aktionärsminderheit) gesprochen werden könne.

6.2.2. Zum anderen sei die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses durch die unabhängige Verschmelzungsprüfung gewährleistet:

Gemäß § 220b Abs 1 AktG sei der Verschmelzungsvertrag für jede der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften durch einen Verschmelzungsprüfer zu prüfen. Die Verschmelzungsprüfer würden gemäß Abs 2 dieser Bestimmung vom Aufsichtsrat der jeweiligen Gesellschaft bestellt. Alternativ dazu finde die Prüfung durch einen gemeinsamen Prüfer statt, der vom Gericht zu bestellen sei. Die Verschmelzungsprüfer seien unabhängig und hätten beeidete Wirtschaftsprüfer bzw. Steuerberater nach dem Wirtschaftstreuhandberufsgesetz zu sein. Die Haftung des Verschmelzungsprüfers nach § 220b Abs 3 AktG gegenüber jedem Aktionär einer beteiligten Gesellschaft einerseits und das Verfahren auf Überprüfung des Umtauschverhältnisses andererseits böten in Ergänzung zueinander ausreichenden Rechtsschutz. Aktionäre unterhalb der "Erheblichkeitsschwelle" könnten jedenfalls noch die Haftung des Verschmelzungsprüfers in Anspruch nehmen.

Der Unterschied zu VfSlg. 17.584/2005 bestehe darin, dass dem Aktionär einer bei einer Verschmelzung beteiligten Gesellschaft im schlimmsten Falle eine "Verwässerung" seiner Anteile drohe, während es bei der mit dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aufgehobenen Wortfolge "§225c Abs 3 und 4 sowie" in § 9 Abs 2 SpaltG um das Hinausdrängen von Aktionären bei einer Spaltung gegangen sei. Dazu komme, dass bei der Spaltung nur ein Spaltungsprüfer tätig werde, der noch dazu von der umgründenden Gesellschaft bestellt werde, während bei einer Verschmelzung entweder zwei unabhängige Prüfer, jeweils zur Wahrung der Interessen einer Gesellschaft, oder ein gerichtlich bestellter Prüfer vorgesehen seien. Zudem könne bei einer Spaltung die Mehrheit der Aktionäre den Spaltungsvorgang gegenüber der Minderheit durchsetzen, während bei einer Verschmelzung ein unangemessenes Umtauschverhältnis stets sämtliche Aktionäre einer an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft und nicht bloß die Minderheitsaktionäre treffe.

6.2.3. Zum Recht auf ein faires Verfahren nach Art 6 EMRK führt die O. AG aus, dass es einem Aktionär mit einer Beteiligung unterhalb der "Erheblichkeitsschwelle" frei stehe, seinen Anspruch klagsweise geltend zu machen. Damit werde den Erfordernissen des Art 6 EMRK Genüge getan.

II. Rechtslage

1. In Folge des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union wurde das EU-Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (EU-GesRÄG), BGBl. 304/1996, beschlossen. Dieses sah die Änderung zahlreicher handels- und gesellschaftsrechtlicher Gesetze vor. Unter anderem wurden die Bestimmungen des AktG zur Verschmelzung neu gefasst.

Eine Verschmelzung von Aktiengesellschaften (durch Aufnahme) erfolgt gemäß § 219 Abs 1 AktG durch Übertragung des Vermögens einer Gesellschaft oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf eine andere bestehende Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) gegen Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft.

Der Verschmelzungsvertrag ist gemäß § 220b AktG für jede der an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaften durch einen Verschmelzungsprüfer oder durch einen gemeinsamen, gerichtlich bestellten Prüfer zu prüfen. Er wird nur wirksam, wenn die Hauptversammlung jeder Gesellschaft ihm zustimmt (§221 AktG).

Gemäß § 225b AktG kann die Anfechtung des Beschlusses, durch den die Hauptversammlung einer beteiligten Gesellschaft dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt hat, nicht darauf gestützt werden, dass das Umtauschverhältnis oder die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt sind oder dass die in den Verschmelzungsberichten, den Prüfungsberichten oder den Berichten der Aufsichtsräte enthaltenen Erläuterungen des Umtauschverhältnisses oder der baren Zuzahlungen den gesetzlichen Bestimmungen nicht entsprechen. Für die Überprüfung des Umtauschverhältnisses und für Entscheidungen über einen Anspruch auf Ausgleich durch bare Zuzahlungen sehen die §§225c ff. AktG ein eigenes Verfahren vor.

§ 225c AktG lautet idF BGBl. I 71/2009 wie folgt (die angefochtene Wortfolge ist hervorgehoben):

"Gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses,
Antragsberechtigte

§225c. (1) Ist das Umtauschverhältnis oder sind die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt, so hat jeder Aktionär einer der beteiligten Gesellschaften einen Anspruch gegen die übernehmende Gesellschaft auf Ausgleich durch bare Zuzahlungen.

(2) Im Fall des Abs 1 kann ein Antrag bei Gericht gestellt werden, daß das Umtauschverhältnis überprüft wird und die übernehmende Gesellschaft einen Ausgleich durch bare Zuzahlungen zu leisten hat.

(3) Antragsberechtigt sind nur Aktionäre, die

1. a) vom Zeitpunkt der Beschlußfassung der Hauptversammlung der übertragenden Gesellschaft bis zur Antragstellung Aktionäre waren und

b) nicht auf Zuzahlungen und zusätzliche Aktien gemäß § 225d verzichtet haben, und

2. entweder

a) bei einer der beteiligten Gesellschaften, sei es auch nur gemeinsam, insgesamt jeweils über mindestens eins vom Hundert des Grundkapitals oder über Aktien im anteiligen Betrag von mindestens 70 000 Euro oder

b) gemeinsam über alle Aktien verfügen, für die die Voraussetzungen gemäß Z 1 erfüllt sind.

(4) Die Voraussetzung gemäß Abs 3 Z 1 lita ist glaubhaft zu machen."

Die Kosten des Verfahrens zur Überprüfung der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses oder der baren Zuzahlung trägt gemäß § 225l AktG zunächst die übernehmende Gesellschaft; sie sind jedoch insoweit den antragstellenden Aktionären ganz oder zum Teil nach Billigkeit aufzuerlegen, als diese überhaupt oder ab einem bestimmten Zeitpunkt voraussehen konnten, dass sie einen nicht zweckentsprechenden Verfahrensaufwand verursachen. Die Kosten rechtsfreundlicher Vertretung hat jede Seite zunächst selbst zu tragen; sie sind jedoch insoweit der übernehmenden Gesellschaft ganz oder zum Teil nach Billigkeit aufzuerlegen, als beträchtliche Abweichungen vom angemessenen Umtauschverhältnis festgestellt wurden.

2. Die Gesetzesmaterialien zum EU-GesRÄG (RV 32 BlgNR 20. GP) führen zu § 225c Abs 3 AktG Folgendes aus:

"Um Fälle des Mißbrauchs des Antragsrechtes hintanzuhalten und gleichzeitig wie auch sonst im Gesellschaftsrecht eine Ernstlichkeitsschwelle durch Bindung von Minderheitsrechten einzuziehen, wird die Antragslegitimation an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, die kumulativ vorhanden sein müssen:

a) [...]

b) [...]

c) Darüber hinaus müssen entweder ein Aktionär oder eine Mehrheit von Aktionären insgesamt über den hundertsten Teil des Grundkapitals verfügen oder den Nennbetrag von einer Million Schilling bei einer der beteiligten Gesellschaften erreichen (Z2 lita) oder aber alle antragsberechtigten Aktionäre gemeinsam den Antrag stellen (Z2 litb). Durch Z 2 litb wird etwa auch der Fall erfaßt, daß eine Minderheit von Aktionären, die weniger als 1% des Grundkapitals oder nicht den Nennbetrag von 1 Million Schilling bei einer der beteiligten Gesellschaften erreichen, auch dann antragsberechtigt ist, wenn alle übrigen Aktionäre auf ihre Ansprüche verzichtet haben und die Minderheitsaktionäre gemeinsam den Antrag stellen. Dadurch wird der Rechtsschutz dieser Minderheitsaktionäre wesentlich gestärkt.

Eine Bindung von Minderheitsrechten an prozentuelle oder nominelle Schwellenwerte findet bereits Vorbilder im geltenden Gesellschaft- und Handelsrecht und ist somit systemkonform. Wurde allerdings ein Antrag zulässigerweise gestellt, kann ein Aktionär oder können Aktionäre, die selbst nicht antragslegitimiert sind, weil sie nicht die Voraussetzungen nach Z 2 erfüllen, im Verfahren nach § 225e Abs 2 noch eigene Anträge stellen. Das heißt, sie können sich dem Verfahren anschließen, können aber selbst das Verfahren nicht initiieren. Für die nachträgliche Beteiligung am Überprüfungsverfahren reicht die Aktionärsstellung gemäß Z 1."

III. Erwägungen

1. Prozessvoraussetzungen

Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung ein antragstellendes Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art 140 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg. 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Das OLG Wien hat in dem bei ihm anhängigen, dem Antrag zugrunde liegenden Verfahren über einen Rekurs zu entscheiden, mit dem die Aufhebung eines Beschlusses des Handelsgerichtes Wien beantragt wird, mit dem der Antrag auf Überprüfung des Umtauschverhältnisses und auf Zuspruch eines Ausgleichs durch bare Zuzahlung unter Hinweis auf die mangelnde Berechtigung gemäß § 225c Abs 3 AktG zurückgewiesen wurde. Im Hinblick darauf ist es jedenfalls denkmöglich, dass auch das OLG Wien § 225c Abs 3 Z 2 lita AktG anzuwenden hat und diese Bestimmung im Anlassverfahren präjudiziell ist. Zwischen lita und litb des § 225c Abs 3 Z 2 AktG besteht ein untrennbarer Zusammenhang.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hält zunächst fest, dass er sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art 140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg. 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003) und sohin ausschließlich zu beurteilen hat, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg. 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. § 225c Abs 3 Z 2 AktG schränkt das Antragsrecht für eine gerichtliche Überprüfung des Umtauschverhältnisses und auf gerichtliche Entscheidung über einen Anspruch auf Ausgleich durch bare Zuzahlungen auf jene Aktionäre ein, die entweder bei einer der beteiligten Gesellschaften, sei es auch nur gemeinsam, insgesamt jeweils über mindestens ein Prozent des Grundkapitals oder über Aktien im anteiligen Betrag von mindestens € 70.000,-- (Z1) oder gemeinsam über alle Aktien verfügen, für die die Voraussetzungen gemäß Z 1 erfüllt sind (Z2).

2.3. Mit VfSlg. 17.584/2005 hob der Verfassungsgerichtshof über Antrag des Obersten Gerichtshofes die im § 9 Abs 2 SpaltG enthaltene Wortfolge "§225c Abs 3 und 4 [AktG] sowie" als verfassungswidrig auf. In diesem Erkenntnis führte er dazu Folgendes aus:

"2.2. § 9 Abs 2 SpaltG bewirkt in Zusammenhang mit § 225c Abs 3 und 4 AktG, dass Aktionäre, deren Beteiligung ein Prozent bzw. einen Nennbetrag von EUR 70.000,-- nicht erreicht, weder einen Antrag auf Überprüfung der angebotenen Barabfindung stellen noch den Spaltungsbeschluss mit der Begründung bekämpfen können, dass das Umtauschverhältnis der Anteile oder die angebotene Barabfindung nicht angemessen seien. Sie müssen sich also in jedem Fall entweder mit der angebotenen Barabfindung begnügen oder keinen Widerspruch erheben, was aber zur Folge hat, dass sie zwar Gesellschafter der abgespaltenen Gesellschaft werden, die aber zu Bedingungen errichtet wurde, die im Spaltungsbeschluss unanfechtbar (§9 Abs 2 1. Satz SpaltG) festgelegt wurden. Der OGH hält diese rechtliche Konstruktion für verfassungsrechtlich bedenklich. Sie widerspreche dem Schutz des Eigentums, dem Gleichheitssatz und Art 6 EMRK.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Ansicht des OGH, dass die Möglichkeit, Aktionäre aus einer Gesellschaft hinauszudrängen, einen Eigentumseingriff darstelle, der einer Rechtfertigung in Bezug auf das öffentliche Interesse, Adäquanz und Verhältnismäßigkeit bedarf.

Nun geht der OGH davon aus, dass das 'Hinausdrängen' von Minderheitsgesellschaftern allein noch nicht verfassungswidrig sei. Der OGH anerkennt somit als Prämisse seiner Anfechtung, dass dies im öffentliches Interesse liegen kann, etwa um Unternehmensstrukturen zu verbessern. In Bindung an die vom OGH geltend gemachten Bedenken geht auch der Verfassungsgerichtshof von derselben Prämisse aus, doch besteht neben dem vom OGH angenommenen öffentlichen Interesse an einer Strukturbereinigung auch ein Interesse der Mehrheitsgesellschafter, Minderheitsgesellschafter zu möglichst günstigen Bedingungen hinauszudrängen. Dem Gesetzgeber obliegt es daher in besonderem Maße für einen Interessenausgleich in der Weise zu sorgen, dass ausscheidende Gesellschafter angemessen abgefunden werden (vgl. auch VfSlg. 16.636/2002 betreffend die Einziehung von Partizipationskapital). Der OGH sieht in einer angemessenen Abfindung die Rechtfertigung für den Eingriff in das Eigentum des Gesellschafters an seiner Beteiligung sowie die Sachgemäßheit im Sinne des Gleichheitssatzes. Beides fehle aber, weil es der Gesetzgeber verabsäumt habe, 'das Recht auf angemessene Barabfindung auch tatsächlich zu garantieren.'

2.4. Gegen die Argumente des OGH wird unter anderem eingewendet, dass die vom Mehrheitsgesellschafter angebotene Barabfindung von einem Spaltungsprüfer, der ein beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater oder eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft sein muss, überprüft werde, der auch den Ausgeschiedenen gegenüber direkt hafte.

Dem ist zu entgegnen, dass der Gesetzgeber selbst davon ausgeht, dass die Prüfung durch den Spaltungsprüfer keine absolute Gewähr für die Richtigkeit des Umtauschverhältnisses und der Barabfindung bietet, schließt das Gesetz doch eine Überprüfung durch das Gericht nicht schlechthin, sondern nur für Aktionäre aus, deren Beteiligung 1 % des Grundkapitals oder EUR 70.000,-- nicht erreicht.

Die Spaltungsprüfung vermag also schon deshalb die Sachlichkeit der Regelung nicht zu begründen.

Im übrigen wird der Spaltungsprüfer vom Aufsichtsrat der übertragenden Gesellschaft, also einem Organ bestellt, dessen Mitglieder überwiegend vom Mehrheitsgesellschafter bestellt werden. Auch deshalb ist aber keine Gewähr für die Angemessenheit der Barabfindung gegeben.

Wenn ein zivilrechtlicher Anspruch - wie etwa eine Enteignungsentschädigung - durchsetzbar sein soll, so reicht es auch nicht aus, dass ein Gutachten über die Höhe der Entschädigung vorliegt. Dem Berechtigten muss auch aus Gründen des Art 6 EMRK der Weg zu einem Gericht offen stehen, das über die Angemessenheit der Entschädigung abschließend zu entscheiden hat (vgl. auch VfSlg. 16.636/2002, in dem der VfGH feststellte, dass eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit einer Abfindung für eingezogene Partizipationsscheine möglich sein muss). Ein solcher Rechtsschutz darf auch nicht davon abhängen, dass auch andere Aktionäre für die Geltendmachung des Anspruches gewonnen werden.

2.5. Der VfGH kann auch die Meinung der mitbeteiligten Partei, die Angemessenheit der Barabfindung unterliege einem 'Markttest', weil einem squeeze-out typischerweise eine Übernahme einschließlich eines öffentlichen Übernahmeangebots vorausgehe, schon deshalb nicht teilen, weil das Übernahmegesetz, BGBl. Nr. I 127/1998, das die Korrektheit öffentlicher Übernahmeangebote sicherstellen soll, nur für jene Angebote gilt, 'die von einer Aktiengesellschaft mit dem Sitz im Inland ausgegeben wurden und an einer österreichischen Börse zum amtlichen Handel oder zum geregelten Freiverkehr zugelassen sind' (§2 Übernahmegesetz). Der Geltungsbereich des Spaltungsgesetzes geht aber in mehrfacher Hinsicht über den Geltungsbereich des Übernahmegesetzes hinaus.

2.6. Der Gesetzgeber, der davon ausgeht, dass die Angemessenheit der Barabfindung im Allgemeinen gerichtlich überprüft werden soll, schließt die Gesellschafter, deren Beteiligungen unter der 'Erheblichkeitsschwelle' liegen, allein deshalb aus, weil er Missbrauch befürchtet. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien. Der OGH meint, dass diese Möglichkeit nichts zur sachlichen Rechtfertigung beizutragen vermag, zumal dem Minderheitsgesellschafter auch keine Möglichkeit offen steht, die Unangemessenheit der Barabfindung auf andere Weise, etwa durch Anfechtungsklage geltend zu machen.

Die Missbrauchsmöglichkeit kann es nicht rechtfertigen, Minderheitsgesellschaftern den Rechtsschutz zu nehmen, steht doch dieser Möglichkeit auch die Versuchung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber, Umstrukturierungen auch vorzunehmen, um Minderheitsgesellschafter möglichst günstig abfinden zu können.

Auch das Argument, dass der mögliche Erfolg für den Minderheitsgesellschafter im Verhältnis zum Verfahrensaufwand, der der Gesellschaft entstehen könnte, gering ist, vermag die Regelung nicht zu rechtfertigen. Dass Rechtsschutz zu gewähren ist, hängt nicht von der Höhe des Betrages ab, der erstritten werden soll. Möglichen missbräuchlichen Anträgen wird auch dadurch entgegen gewirkt, dass der Antragsteller die Kosten seiner Vertretung selbst tragen muss und ihm im Falle des Unterliegens die Verfahrenskosten auferlegt werden können (§225l AktG). Selbst wenn sich die Kostenersatzregelung als unzureichend erweisen sollte, Missbräuchen vorzubeugen, so wäre eine Änderung dieser Regelung jedenfalls ein geringerer Eingriff als die Beseitigung des Rechtsschutzes.

Im übrigen stellt § 225c AktG nicht auf die Höhe des Streitwertes ab, sondern auf das Ausmaß der Beteiligung. Einem Antrag auf Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung können daher durchaus Werte zu Grunde liegen, die zumindest für einen Kleinanleger bedeutend sein können.

2.7. Ferner wird zur Rechfertigung der Regelung vorgebracht, dass sie systemkonform sei, weil das Gesellschaftsrecht schon jetzt Minderheitsrechte an bestimmte Mindestbeteiligungen knüpft.

Wie der OGH zu Recht ausführt, handelt es sich bei diesem Minderheitsrecht um Kontrollrechte, wie das Begehren auf Einberufung der Hauptversammlung (§106 Abs 2 AktG), eine Antragstellung auf Bestellung von Sonderprüfern (§118 Abs 2 und 3 AktG) oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ihre Organe (§122 Abs 1 AktG), nicht aber um individuelle aus der Beteiligung resultierende vermögensrechtliche Ansprüche eines Gesellschafters.

2.8. Insgesamt zeigt sich also, dass das Hinausdrängen von Gesellschaftern unter gleichzeitigem Ausschluss von Gesellschaftern, deren Beteiligung unter der so genannten 'Erheblichkeitsschwelle' liegt, vom Antragsrecht nach § 9 Abs 2 SpaltG, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstellt und auch sachlich nicht zu rechtfertigen ist.

Dem Hauptantrag des OGH war daher stattzugeben, ohne dass auf die weiteren Bedenken des OGH einzugehen war."

2.4. Das antragstellende Gericht äußert gegen die von ihm angefochtene Gesetzesbestimmung unter anderem verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt der Eigentumsgarantie.

Der Verfassungsgerichtshof hat in dem § 102a Bankwesengesetz betreffenden Erkenntnis VfSlg. 16.636/2002 die Auffassung vertreten, dass in der durch das Gesetz ermöglichten zwangsweisen Einziehung von Partizipationskapital ein Eingriff in das Eigentum iSd Art 5 StGG zu erblicken sei, weil dadurch dem bisherigen Partizipanten ein vermögenswertes Privatrecht entzogen werde, um daran Rechte Dritter, nämlich des einziehenden Kreditinstituts bzw. dessen Anteilseigner, zu begründen. Auch wenn der in der Einziehung liegende Eigentumseingriff durch das öffentliche Interesse gerechtfertig sei, könne dies nicht eine Einziehung rechtfertigen, bei der die bisherigen Partizipanten in ihren Vermögensrechten verkürzt werden, hätte dies doch zur Konsequenz, dass sie ein Sonderopfer auf sich zu nehmen hätten, das ausschließlich dem Unternehmen bzw. dessen Gesellschaftern zugute käme. Das träfe auch zu, wenn eine Entschädigung für die Einziehung prinzipiell gewährt wird, sich aber im Hinblick auf den maßgebenden Unternehmenswert als unangemessen niedrig erweist. Im Ergebnis hielt es der Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig, dass die Inhaber börsenotierter Partizipationsscheine eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit ihrer Abfindung nicht in die Wege leiten konnten.

In dem vom antragstellenden Gericht wiederholt zitierten hg. Erkenntnis VfSlg. 17.584/2005 hat der Verfassungsgerichtshof einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darin erblickt, dass nach § 9 Abs 2 SpaltG iVm § 225c Abs 3 und 4 AktG Aktionäre, deren Beteiligung ein Prozent bzw. einen Nennbetrag von € 70.000,-- nicht erreicht, weder einen Antrag auf Prüfung der angebotenen Barabfindung stellen noch den Spaltungsbeschluss mit der Begründung bekämpfen können, dass das Umtauschverhältnis der Anteile oder die angebotene Barabfindung nicht angemessen sind. Diese Regelung sei auch nicht sachlich zu rechtfertigen.

Im nunmehr vorliegenden Fall geht es darum, dass im Fall einer Verschmelzung durch Aufnahme die Aktionäre der aufnehmenden Gesellschaft den Beschluss, durch den die Hauptversammlung einer beteiligten Gesellschaft dem Verschmelzungsvertrag zugestimmt hat, nicht mit der Begründung anfechten können, dass das Umtauschverhältnis oder die allfälligen baren Zuzahlungen nicht angemessen festgelegt sind (§225b AktG). Ist das Umtauschverhältnis nicht angemessen festgelegt, hat vielmehr nach § 225c Abs 1 AktG grundsätzlich "jeder Aktionär einer der beteiligten Gesellschaften einen Anspruch gegen die übernehmende Gesellschaft auf Ausgleich durch bare Zuzahlungen." In diesem Fall kann ein Antrag bei Gericht gestellt werden, dass das Umtauschverhältnis überprüft wird und die übernehmende Gesellschaft einen Ausgleich durch bare Zuzahlungen zu leisten hat. Von diesem Antragsrecht sind jedoch Aktionäre ausgeschlossen, wenn ihre Anteile die in § 225c Abs 3 Z 2 AktG normierte "Erheblichkeitsschwelle" nicht überschreiten.

Der Verfassungsgerichtshof folgt dem antragstellenden Gericht darin, dass ein Umtauschverhältnis, das im Fall der Verschmelzung den Aktionären der übertragenden Gesellschaft eine den Wert ihres Unternehmens übersteigenden Beteiligung am Aktienkapital der übernehmenden Gesellschaft einräumt, die bisherige Beteiligung der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft entwertet ("verwässert") und zu einer Vermögensverschiebung von den Aktionären der übernehmenden Gesellschaft auf die der übertragenden Gesellschaft führt. Darin ist ein Eingriff in das Eigentum der Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft zu sehen, der nur dann verfassungsrechtlich zulässig ist, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und nicht unverhältnismäßig und unsachlich ist (vgl. VfSlg. 16.636/2002, 264, unter Verweis auf VfSlg. 14.503/1996 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Gesetzesmaterialien zum EU-GesRÄG (RV 32 BlgNR 20. GP, 101) rechtfertigen die Einziehung der "Erheblichkeitsschwelle" mit Missbrauchsargumenten und als "Ernstlichkeitsschwelle durch Bindung von Minderheitsrechten". Die Antragsgegnerin im Anlassverfahren macht insbesondere geltend, dass die Verschmelzung von unabhängigen Verschmelzungsprüfern geprüft werde, die auch das Umtauschverhältnis zu kontrollieren hätten und den Aktionären der beteiligten Gesellschaft hafteten. Sie weist ferner darauf hin, dass die Kosten der Überprüfung grundsätzlich von der übernehmenden Gesellschaft zu tragen seien und dass eine allfällige Korrektur des Umtauschverhältnisses nicht nur für die antragstellenden Aktionäre, sondern für alle Beteiligten wirke.

Der Verfassungsgerichtshof hat schon im Erkenntnis VfSlg. 17.584/2005 darauf hingewiesen, dass die Einschaltung von (Spaltungs)Prüfern keine absolute Gewähr für die Richtigkeit des Umtauschverhältnisses und der Barabfindung biete, schließe doch das Gesetz die Überprüfung durch das Gericht nicht schlechthin, sondern nur für jene Aktionäre aus, deren Beteiligung ein Prozent des Grundkapitals oder € 70.000,-- nicht erreicht. Die Spaltungsprüfung vermöge also schon deshalb die Sachlichkeit der Regelung nicht zu begründen. Es liegt auf der Hand, dass für die Verschmelzungsprüfung nichts anders gelten kann: Wäre davon auszugehen, dass die Einschaltung von Prüfern jedenfalls hinreichende Gewähr für die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses bietet, wäre die gerichtliche Überprüfung generell überflüssig und das Antragsrecht nach § 225c Abs 2 AktG überhaupt unverständlich. Daran ändert auch der - von der Antragsgegnerin geltend gemachte - Umstand nichts, dass das Überprüfungsverfahren nicht nur Wirkung für den/die Antragsteller hat, sondern für alle Aktionäre der beteiligten Gesellschaften entfaltet.

Im selben Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof auch festgehalten, dass die Missbrauchsmöglichkeit es nicht rechtfertigen könne, Minderheitsgesellschaftern den Rechtsschutz zu nehmen, stehe dieser Möglichkeit doch die Versuchung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber, Umstrukturierungen auch vorzunehmen, um Minderheitsgesellschafter möglichst günstig abfinden zu können. Auch in diesem Punkt besteht zwischen Spaltung und Verschmelzung kein wesentlicher Unterschied.

Was die Missbrauchsgefahr betrifft, so hat der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis VfSlg. 17.584/2005 die Auffassung vertreten, dass möglichen missbräuchlichen Anträgen dadurch entgegen gewirkt werde, dass der Antragsteller die Kosten seiner Vertretung selbst tragen muss und ihm im Falle des Unterliegens die Verfahrenskosten auferlegt werden können (§225l AktG). Selbst wenn sich diese Kostenersatzregelung als unzureichend erweisen sollte, Missbräuchen vorzubeugen, so wäre eine Änderung dieser Regelung jedenfalls ein geringerer Eingriff als die Beseitigung des Rechtsschutzes.

Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis darauf hingewiesen, dass zwischen den hier in Rede stehenden, aus der Beteiligung resultierenden individuellen vermögensrechtlichen Ansprüchen des Gesellschafters und den als Minderheitsrechte ausgestalteten Kontrollrechten ein wesentlicher Unterschied bestehe. Dass auch Kontrollrechte (mittelbar) wirtschaftliche Wirkung entfalten können, ändert an dieser Beurteilung nichts.

Insgesamt kommt der Verfassungsgerichtshof daher zum Ergebnis, dass der Ausschluss von Gesellschaftern, die die Beteiligungsgrenzen des § 225c Abs 3 Z 2 AktG nicht erreichen, von der Möglichkeit, das Umtauschverhältnis bei einer Verschmelzung einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum darstellt und auch sachlich nicht zu rechtfertigen ist. Angesichts dessen war auf die weiteren Bedenken des OLG Wien nicht einzugehen.

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Die angefochtene Wortfolge in § 225c Abs 3 AktG ist sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

2. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art 140 Abs 6 erster Satz B-VG.

3. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art 140 Abs 5 erster Satz B-VG und § 64 Abs 2 VfGG iVm § 3 Z 3 BGBlG.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.