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OGH vom 30.03.2011, 9ObA85/10f

OGH vom 30.03.2011, 9ObA85/10f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Rotraut Leitner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Mag. Michael Kadlicz, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, gegen die beklagte Partei S***** GesmbH Co KG, *****, vertreten durch Ehrlich Rogner Schlögl, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen 211,13 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 64/10p 13, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 5 Cga 23/10v 9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 185,86 EUR (darin 30,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom bis als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis kommt der Kollektivvertrag für Handelsangestellte zur Anwendung. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung. Vom bis (200 Kalendertage) betrug die Wochenarbeitszeit der Klägerin 20 Stunden, das monatliche Bruttoentgelt 752,26 EUR. Ab bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (106 Kalendertage) betrug die Wochenarbeitszeit 38,5 Stunden (= Normalarbeitszeit) und das Bruttoentgelt hiefür 1.444 EUR monatlich.

Die Beklagte berechnete die der Klägerin ausbezahlte Weihnachtsremuneration in der Weise anteilig, dass sie für 200 Kalendertage das Bruttoentgelt von 752,26 EUR und für 106 Kalendertage das Vollzeitbruttoentgelt von 1.444 EUR heranzog. Die Weihnachtsremuneration betrug daher zusammen 831,55 EUR brutto.

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Differenzbetrags von 211,13 EUR brutto mit dem wesentlichen Vorbringen, dass die Weihnachtsremuneration auf Basis des laufenden Gehalts von 1.444 EUR zu berechnen gewesen wäre; eine anteilsmäßige Zuerkennung sei nur insoweit vorzunehmen, als die Klägerin kein volles Kalenderjahr gearbeitet habe. Dies ergebe einen Betrag von 1.210,59 EUR brutto an Weihnachtsremuneration, abzüglich der Beträge von 831,55 EUR und weiterer bezahlter 167,91 EUR brutto ergebe sich der Klagebetrag von 211,13 EUR brutto.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Weihnachtsremuneration sei nicht nur anteilig nach der tatsächlich zurückgelegten Arbeitszeit, sondern auch danach zu berechnen, zu welchem Anteil die Klägerin zunächst Teilzeit und dann Vollzeitarbeit geleistet habe. Es habe daher eine Mischrechnung stattzufinden, wobei für den Teilzeitanteil nur das darauf entfallende Teilentgelt und für den Vollzeitbereich der darauf entfallende Gesamtlohn jeweils zugrunde zulegen sei. Anderes sei auch dem anzuwendenden Kollektivvertrag nicht zu entnehmen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag sei die Weihnachtsremuneration spätestens zum 1. Dezember fällig und betrage 100 % des Novembergehalts. Bei teilzeitbeschäftigten Angestellten mit unterschiedlichem Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung berechne sich die Weihnachtsremuneration nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen vor Fälligkeit. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Weihnachtsremuneration auf Basis des (Vollzeit )Bezugs für die anteilig im laufenden Jahr zurückgelegte Arbeitszeit.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Die Kollektivvertragsparteien haben im Kapitel über die Weihnachtsremuneration in den lit b, c und d ausdrücklich Aliquotierungen und spezielle Regelungen über die Bemessungsgrundlage bei wechselnden Entgelten vorgesehen. Im vorliegenden Fall müsse lit d Anwendung finden, wonach sich bei teilzeitbeschäftigten Angestellten mit unterschiedlichem Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung die Weihnachtsremuneration nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen vor der Fälligkeit berechne. Es könne nicht darauf ankommen, ob nur Teilzeit oder gemischte Teil und Vollzeitarbeit geleistet worden sei, maßgeblich seien die letzten 13 Wochen vor Fälligkeit. Im vorliegenden Fall seien dies Zeiten der Vollzeitarbeit gewesen, sodass auch Anspruch auf Weihnachtsremuneration im Ausmaß der Vollzeit bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Auslegung der Gehaltsordnung des Kollektivvertrags für Handelsangestellte betreffend den Fall des Wechsels von Teilzeit zu Vollzeitbeschäftigung fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Schwergewicht der Revision liegt wie schon in der Berufung auf dem Argument, dass die Heranziehung nur eines 13 Wochen Schnitts keine sachgerechte Lösung bringe. Wenngleich dies im vorliegenden Fall zum Vorteil der Arbeitnehmerin ausgehe, sei der umgekehrte Fall genauso denkbar, dass ein Arbeitnehmer den weitaus überwiegenden Teil des Jahres in Vollzeitarbeit und nur die letzten 13 Wochen vor Fälligkeit der Sonderzahlung in Teilzeitauslastung verbracht, dann aber nur Anspruch auf Weihnachtsremuneration auf Basis des zuletzt verdienten, nicht repräsentativen Teilzeitentgelts habe. Es sei daher einer längerfristigen, einen Zeitraum von einem Jahr umfassenden Betrachtung bzw bei kürzerer Beschäftigung einer Heranziehung des tatsächlichen Beschäftigungszeitraums der Vorzug zu geben.

Diese Argumente vermögen die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils (§ 510 Abs 3 ZPO) nicht zu entkräften.

Von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen, bildet der Kollektivvertrag die Rechtsgrundlage für die Sonderzahlungen. Den Kollektivvertragsparteien ist es dabei unbenommen, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen (RIS Justiz RS0048332), soweit deren Ausgestaltung nicht gegen die gesetzlichen Rahmenbedingungen bzw gegen grundlegende Wertungen der Arbeitsrechts- und Sozialrechtsordnung verstößt. Strittige Fragen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, der Anspruchshöhe und der Anspruchsdauer sind daher auch durch Interpretation der jeweiligen kollektivvertraglichen Bestimmungen zu lösen (8 ObA 30/04a; Löschnigg , Arbeitsrecht 10 290). Sonderzahlungen sind grundsätzlich Aliquotierungsregelungen zugänglich, wenn sich die Aliquotierung der Sonderzahlung an unterschiedlichen Entgelthöhen orientiert. Die Gestaltungsfreiheit des Kollektivvertrags führt dazu, dass jeder Kollektivvertrag für sich einer entsprechenden Beurteilung unterzogen werden muss (Anmerkung Löschnigg zu DRdA 2001/39; 8 ObA 30/04a).

Die einem Gutteil der Literatur folgenden Erwägungen der Revisionswerberin, dass bei Arbeitszeitwechsel während des Jahres eine auf einen Jahreszeitraum bezogene Mischberechnung sachgerecht sei, können hier auf sich beruhen, weil der - primär heranzuziehende (- s. Oben -) - Kollektivvertrag ausreichend klare Regelungen trifft.

Teil B („Weihnachtsremuneration“) der Gehaltsordnung des Kollektivvertrags für die Handelsangestellten lautet:

„a) Mit Ausnahme der Platzvertreter mit Provision und der Reisenden mit Provision erhalten alle Angestellten und Lehrlinge spätestens am 1. Dezember eine Weihnachtsremuneration. Diese beträgt 100 % des Novembergehalts bzw der im November ausbezahlten Lehrlingsentschädigung.

b) Den während des Jahres ein oder austretenden Angestellten und Lehrlingen gebührt der aliquote Teil; bei austretenden Angestellten und Lehrlingen berechnet nach dem letzten Monatsgehalt bzw nach der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung.

c) Bei Angestellten, die während des Jahres ihre Lehrzeit vollendet haben, setzt sich die Weihnachtsremuneration aus dem aliquoten Teil der letzten monatlichen Lehrlingsentschädigung und aus dem aliquoten Teil des Angestelltengehalts (November , bei Beendigung des Lehrverhältnisses mit Ende November des Dezembergehalts) zusammen.

d) Bei teilzeitbeschäftigten Angestellten mit unterschiedlichem Ausmaß der Teilzeitbeschäftigung berechnet sich die Weihnachtsremuneration nach dem Durchschnitt der letzten 13 Wochen vor der Fälligkeit.

e) Der Anspruch auf Weihnachtsremuneration wird durch Zeiten, in denen kein oder ein gekürzter Anspruch auf Entgelt in Krankheits oder Unglücksfall besteht, nicht gekürzt. Diese Bestimmung findet keine Anwendung, wenn die Dienstverhinderung Folge eines Freizeitunfalls ist. ...

f) …“

Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt, haben die Kollektivvertragsparteien das Problem einer aliquoten Sonderzahlungs Berechnung erkannt. Da sich in Punkt d) eine ausdrückliche Regelung für Teilzeitbeschäftigung mit unterschiedlichem Ausmaß findet, liegt diese Regelung dem hier vorliegenden Fall (Wechsel von Teil zu Vollarbeitszeit) näher als die Regelung des Punkts c) (Wechsel vom Ausbildungsverhältnis als Lehrling zum Angestelltenverhältnis). Die Auslegung durch das Berufungsgericht entspricht dem Grundsatz, wonach den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden darf, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn die anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS Justiz RS0008828 uva). Unter diesen Prämissen ist Punkt d) der KollV Bestimmungen über die Weihnachtsremuneration so auszulegen, dass davon nicht nur Arbeitnehmer umfasst sind, die bei Fälligkeit der Weihnachtsremuneration in Teilzeitarbeit stehen, sondern auch solche, die während des Jahres von Vollzeit in Teilzeit oder umgekehrt gewechselt haben. Der von den Kollektivvertragsparteien vorgesehene Zeitraum von 13 Wochen (= drei Monaten) muss als angemessener Beobachtungszeitraum angesehen werden; da die Kollektivvertragsparteien bei der Gestaltung der Sonderzahlungen weitgehend freie Hand haben, muss es auch in ihrem Belieben stehen, einen Beobachtungszeitraum zu schaffen, der von der in einigen gesetzlichen Bestimmungen (zB § 16 Abs 2 AngG,§ 15j Abs 7 MSchG;§ 8b Abs 7 VKG ua) vorgesehenen Kalenderjahr Betrachtung abweicht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.