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OGH vom 19.11.2019, 10ObS50/19d

OGH vom 19.11.2019, 10ObS50/19d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Schimek, Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Mag. Andreas Nösterer, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen Rückforderung von Familienzeitbonus, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 75/18b12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 30 Cgs 1/18g8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 252,31 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 42,05 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Lebensgefährtin des Klägers und Mutter des gemeinsamen Sohnes K***** ist seit an der Adresse ***** S***** (in weiterer Folge: Familienwohnadresse) hauptwohnsitzlich gemeldet.

K***** ist der (zweite) Sohn des Klägers und seiner Lebensgefährtin; er wurde am geboren.

Der Kläger hatte seit der Geburt seines Sohnes eine Lebensgemeinschaft mit der Mutter des Kindes und wohnte seit Juni 2017 mit dieser zusammen an der Familienwohnadresse. Der Sohn ist seit an der Familienwohnadresse hauptwohnsitzlich gemeldet. Der Kläger meldete sich mit in der Absicht, dauerhaft mit seiner Lebensgefährtin und dem Kind an der Familienwohnadresse wohnen zu bleiben, auch an dieser Adresse hauptwohnsitzlich an.

Am beantragte der Kläger den Familienzeitbonus aus Anlass der Geburt des Sohnes für den Zeitraum bis (31 Tage). Diesem Antrag wurde stattgegeben und dem Kläger ein Familienzeitbonus in Höhe von 700,60 EUR (31 Tage, á 22,60 EUR) ausbezahlt.

Da der Kläger unerwarteterweise ein Problem im Zuge einer erbrechtlichen Abwicklung bekam, fasste er am den Entschluss, sich (wieder) in ***** A*****, bei seinen Eltern hauptwohnsitzlich zu melden und war ab wieder an dieser Adresse hauptwohnsitzlich gemeldet. Den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte der Kläger seit Juni 2017 bis laufend jedoch immer an der Familienwohnadresse, wo er seither durchgehend gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und mit den gemeinsamen Kindern wohnt. So war auch seine Lebensplanung ausgelegt.

Der Kläger stellte die Hauptwohnsitzmeldung an die Familienwohnadresse wieder am richtig, indem er sich an diesem Tag von der Adresse seiner Eltern wieder an die Familienwohnadresse meldete.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom widerrief die beklagte Gebietskrankenkasse den Bezug des Familienzeitbonus durch den Kläger und verpflichtete diesen zur Rückzahlung von 700,60 EUR. Die gesetzliche Voraussetzung einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft von Eltern und Kind an derselben Wohnadresse sei bei einem gemeinsamen Haushalt von nur zwei Monaten nicht gegeben.

Der Kläger begehrt mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage die Feststellung, dass der Widerruf des Bezugs von Familienzeitbonus durch die Beklagte zu Unrecht erfolgt sei, dass er den Familienzeitbonus zu Recht bezogen habe und nicht zum Rückersatz an die Beklagte verpflichtet sei. Während des Bezugs des Familienzeitbonus seien sämtliche gesetzliche Voraussetzungen erfüllt gewesen. Eine nachträgliche Verlegung des Wohnsitzes könne nicht schädlich sein. Diese sei hier überdies nicht vorgelegen, der Kläger habe durchgehend an der Familienwohnadresse gewohnt, er sei nur wegen einer erbrechtlichen Angelegenheit vorübergehend (wieder) an der Adresse der Eltern gemeldet gewesen. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs 6 KBGG komme nicht in Frage.

Dem hielt die Beklagte entgegen, dass ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG von nur zwei Monaten nicht genüge, weil es am Element der Dauerhaftigkeit fehle. Dafür müsse in analoger Anwendung des § 2 Abs 6 KBGG ein gemeinsamer Haushalt von mindestens 91 Tagen vorliegen. Die Voraussetzung, ob ein dauerhafter Wohnsitz bestehe, müsse ex post beurteilt werden. Unrichtige Angaben gegenüber den Meldebehörden, um in einem Verfahren in erbrechtlichen Angelegenheiten einen Vorteil zu erlangen, könnten nicht dazu führen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach dem FamZeitbG außer Acht gelassen werden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger, seine Lebensgefährtin und das Kind hätten seit Juni 2017 in einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an der Familienwohnadresse gelebt. Die kurzfristige hauptwohnsitzliche Meldung des Klägers an der Wohnadresse seiner Eltern schade nicht, weil der Kläger während der Bezugsdauer des Familienzeitbonus seinen Hauptwohnsitz an der Familienwohnadresse gehabt habe. Infolge des unterschiedlichen Gesetzeswortlauts bleibe für eine (analoge) Anwendung des § 2 Abs 6 KBGG kein Raum.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Es genüge, wenn ein gemeinsamer Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG während der Dauer des Bezugs von Familienzeitbonus vorliege. Diese Voraussetzung sei hier erfüllt. Eine analoge Anwendung des § 2 Abs 6 KBGG scheide aus, weil die dort vollzogenen gesetzlichen Änderungen im FamZeitbG gerade nicht vorgenommen wurden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Gebietskrankenkasse, mit der sie die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung des Klägers zum Rückersatz des Familienzeitbonus anstrebt.

In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger die Zurück, hilfsweise die Abweisung der Revision.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des Begriffs des gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG fehlt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass der Begriff der „dauerhaften“ Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft in § 2 Abs 3 FamZeitbG keine eigenständige Bedeutung hätte, würde das Vorliegen einer solchen nur während des Zeitraums des Bezugs von Familienzeitbonus genügen. Bei einem gemeinsamen Haushalt von lediglich zwei Monaten – denn für den Zeitraum danach fehle es an einer hauptwohnsitzlichen Meldung des Klägers an der Familienwohnadresse – könne nicht von einer „dauerhaften“ Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen werden. Diese liege vielmehr erst ab einer Dauer von 91 Tagen vor, wie sich aus § 2 Abs 6 KBGG ergebe, welcher Bestimmung der § 2 Abs 3 FamZeitbG nachgebildet sei. Die unrichtigen Angaben des Klägers gegenüber der Meldebehörde könnten darüber hinaus nicht dazu führen, dass er dessen ungeachtet beim Bezug von Familienzeitbonus einen Vorteil erlange.

1.1§ 2 FamZeitbG, BGBl I 2016/53, lautet auszugsweise:

Anspruchsberechtigung

§ 2. (1) Anspruch auf den Familienzeitbonus hat ein Vater (Adoptivvater, Dauerpflegevater) für sein Kind (Adoptivkind, Dauerpflegekind), sofern

1. …

4. er, das Kind und der andere Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben (Abs 3),

5. …

(3) Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne dieses Gesetzes liegt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse schadet nicht.“

1.2 In den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung heißt es auszugsweise (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2):

1.3 In der Rechtsprechung wurde zu dieser Bestimmung bisher entschieden, dass der in § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG vorgeschriebene gemeinsame Haushalt jedenfalls der zumindest 28tägigen Familienzeit im Sinn des § 2 Abs 1 Z 3 iVm Abs 4 FamZeitbG erfüllt sein muss (10 ObS 109/18d; 10 ObS 101/19d). Dies wurde für den Fall eines während dieses Zeitraums liegenden Krankenhausaufenthalts von Mutter und Neugeborenem (ohne Vater) verneint (RS0132377).

1.4 Im Schrifttum führt Sonntag aus, dass die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts nach dem FamZeitbG jener des § 2 KBGG entspreche (in: Sonntag/Schober/Konezny, KBGG² § 2 FamZeitbG Rz 21).

Burger-Ehrnhofer weist darauf hin, dass § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG verlange, dass der Vater für den Bezug von Familienzeitbonus nicht nur mit dem Kind, sondern auch mit dem anderen Elternteil im gemeinsamen Haushalt leben müsse. Es sei eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an der gemeinsamen Adresse erforderlich, alle müssten an dieser auch gemeldet sein. Eine Verfassungswidrigkeit dieser Voraussetzung sei infolge des Erkenntnisses des VfGH zu § 2 Abs 6 KBGG,G 121/2016, auch für § 2 Abs 3 FamZeitbG nicht anzunehmen. Nicht gelöst sei damit die Situation von Vätern, die ihre Familie während des Bezugs von Familienzeitbonus nicht (durchgehend) am Hauptwohnsitz, sondern an einem anderen Ort – wie zB dem Ferienhaus der Familie – unterstützen (in: KBGG und FamZeitbG3, § 2 FamZeitbG Rz 18).

Holzmann-Windhofer schreibt, dass die Definition des gemeinsamen Haushalts des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG der Regelung des § 2 Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 KBGG entspreche, dies mit Ausnahme der im KBGG enthaltenen Sonderregelungen für einen Krankenhausaufenthalt des Kindes und der Unschädlichkeit vorübergehender Abwesenheiten. Vater, Mutter und Kind müssten in einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sein (in: Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG, 280 f).

2.1 Da § 2 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG wortident mit § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG (in der bis geltenden Fassung BGBl I 2016/53) ist, kann zur Frage, wann eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft „dauerhaft“ ist, auch auf die zu § 2 KBGG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.

2.2 Die Voraussetzung des Vorliegens eines „gemeinsamen Haushalts“ der Kinderbetreuungsgeld beziehenden Person mit dem Kind war bereits in der Stammfassung des § 2 Abs 1 Z 2 KBGG (BGBl I 2001/103) enthalten. In den Gesetzesmaterialien wurde darauf verwiesen, dass sich diese Voraussetzung „im Normalfall aus den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe“ ergibt und aus Gründen der Rechtssicherheit auch im KBGG festgelegt wird (ErläutRV 620 BlgNR 21. GP 58; 10 ObS 69/14s, SSVNF 28/46 mH auf § 2 Abs 2 und Abs 5 FLAG).

2.3 Der mit der Novelle BGBl I 2009/116 geschaffene § 2 Abs 6 KBGG normierte, dass ein gemeinsamer Haushalt nur dann vorliegt, wenn der Elternteil und das Kind an derselben Adresse auch „hauptwohnsitzlich“ gemeldet sind (10 ObS 69/14s, SSVNF 28/46). Der gemeinsame Haushalt gilt bei mehr als dreimonatiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls als aufgelöst. Als gemeinsamer Haushalt wurde in der Rechtsprechung zu § 2 Abs 6 KBGG eine auf längere Zeit gerichtete Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft angesehen (10 ObS 57/13z, SSVNF 27/37; RS0129675).

2.4 Für das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 6 KBGG müssen daher seit der Novelle BGBl I 2009/116 zwei Elemente erfüllt sein: Es muss eine auf längere Zeit gerichtete Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft des beziehenden Elternteils und des Kindes an derselben Wohnadresse bestehen und beide müssen an dieser Adresse auch „hauptwohnsitzlich“ gemeldet sein (jüngst ausführlich 10 ObS 17/19a mwH).

2.5 Mit der Novelle BGBl I 2016/53, mit der auch das FamZeitbG geschaffen wurde, erhielt § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG wiederum eine neue Gestalt. Ein gemeinsamer Haushalt lag danach nur dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Unschädlich war nach § 2 Abs 6 Satz 2 KBGG eine höchstens bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse. Anstelle der Frist von 3 Monaten sollte nunmehr gemäß § 2 Abs 6 Satz 3 KBGG der gemeinsame Haushalt bei mehr als 91tägiger tatsächlicher oder voraussichtlicher Dauer einer Abwesenheit des Elternteils oder des Kindes jedenfalls aufgelöst sein.

2.6 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Fehlen einer ziffernmäßigen Eingrenzung des Begriffs „dauerhaft“ nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers im Sinn einer planwidrigen Unvollständigkeit zurückzuführen ist. Vielmehr handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, dessen Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist (10 ObS 17/19a). Dies gilt im Hinblick auf den mit § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG idF BGBl I 2016/53 identen Wortlaut des § 2 Abs 3 FamZeitbG auch für den Anwendungsbereich des FamZeitbG.

2.7 Zum Anwendungsbereich des § 2 Abs 6 KBGG idF BGBl I 2016/53 bejahte der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer „dauerhaften“ Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft von nur zweimonatiger Dauer in der Entscheidung 10 ObS 17/19a. Dies gilt allerdings nur für den damals zu behandelnden Fall, in dem sich getrennt lebende Elternteile für die Inanspruchnahme der Bezugsvariante 12 + 2 entschieden hatten, für den Verlängerungszeitraum, wenn das Kind anschließend wieder in den Haushalt der Mutter zurückkehrt, weil andernfalls getrennt lebende Eltern von dieser Bezugsvariante ausgeschlossen wären.

2.8 Ebenfalls noch zum Anwendungsbereich des § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG idF BGBl I 2016/53 hat der Oberste Gerichtshof jüngst ausgesprochen (10 ObS 65/19k), dass im Fall von Krisenpflegeeltern, die sich bereit erklären, ein Kind für einen unbestimmten Zeitraum, solange es nötig ist, in ihrem Haushalt zu betreuen, bereits mit dem ersten Tag der Übernahme ein gemeinsamer Haushalt anzunehmen ist. Eine ExpostBetrachtung würde auch der vom Gesetzgeber mit der Neuregelung in BGBl I 2019/24 angestrebten Gleichstellung von Krisenpflegeeltern als wichtige Bezugspersonen für Kinder in Notsituationen mit Pflegeeltern widersprechen.

2.9 Mit der Novelle BGBl I 2019/24 wurde § 2 Abs 6 KBGG – rückwirkend mit (§ 50 Abs 23 KBGG) geändert. Ein gemeinsamer Haushalt liegt nun nach Satz 1 dieser Bestimmung nur mehr dann vor, wenn der Elternteil und das Kind in einer „dauerhaften (mindestens 91 Tage durchgehend) Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ an derselben Wohnadresse leben und beide an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind. Das FamZeitbG wurde mit Art 3 dieser Novelle zwar ebenfalls geändert, unverändert blieb jedoch § 2 Abs 3 Satz 1 FamZeitbG. Die Gesetzesmaterialien (IA 584/A 26. GP) enthalten dazu keine Aufschlüsse.

2.10 Aus dem mit der Novelle BGBl I 2019/24 veränderten Begriff der „dauerhaften“ Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft in § 2 Abs 6 KBGG lässt sich für die Auslegung dieses Begriffs nach § 2 Abs 3 FamZeitbG nichts gewinnen. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 2 Abs 6 KBGG nunmehr für die Erfüllung des Begriffs „dauerhaft“ eine mindestens 91 Tage durchgehende Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft verlangt, während mit derselben Novelle zwar § 2 Abs 3a FamZeitbG geschaffen, § 2 Abs 3 FamZeitbG jedoch unverändert blieb. Auf die sich durch diese Novelle stellende Frage, wie der gemäß § 3 Abs 5 KBGG vorgesehene Mindestbezugsteil von 61 Tagen im Fall eines Bezugswechsels von getrennt lebenden Elternteilen (§ 2 Abs 8 KBGG) in Anspruch genommen werden kann, wenn das Kind nach 61 Tagen beispielsweise – wie in dem zu 10 ObS 17/19a entschiedenen Sachverhalt – wieder zur Mutter zurückkehrt, muss hier nicht eingegangen werden.

2.11 Weder aus § 2 Abs 6 Satz 1 KBGG idF BGBl I 2016/53 noch aus § 2 Abs 3 FamZeitbG lässt sich daher der von der Beklagten gewünschte Schluss ziehen, dass ein gemeinsamer Haushalt 91 Tage bestehen müsse, damit eine „dauerhafte“ Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG vorliegt.

3.1 Eine „dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft“ im Sinn des § 2 Abs 3 FamZeitbG erfordert daher zunächst, dass eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft in der Absicht aufgenommen wird, dass diese auf Dauer geführt wird. Dies ergibt sich deutlich aus den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien, wo von einem auf Dauer Zusammenleben die Rede ist.

3.2 Dem Begriff „dauerhaft“ kommt, worauf die Beklagte richtig hinweist, eine eigenständige Bedeutung zu. Diese liegt im Anwendungsbereich des FamZeitbG darin, dass eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft nicht nur in der Absicht aufgenommen werden darf, sie bloß vorübergehend zu führen. Es muss also eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen werden und dies muss in der Absicht geschehen, dass sie auf Dauer geführt wird. Dass eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft bereits ab dem ersten Tag vorliegen kann, zeigt nicht nur die in § 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG genannte Anspruchsvoraussetzung, wonach es darauf ankommt, dass der Vater, das Kind und der andere Elternteil „im gemeinsamen Haushalt “ (also von Beginn an), sondern auch die Möglichkeit der Sanierung der verspäteten Hauptwohnsitzmeldung innerhalb von 10 Tagen (§ 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG): Daraus ergibt sich ebenfalls, dass eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft (ungeachtet der zunächst fehlenden Meldung) bereits zuvor begründet worden sein kann.

3.3 Für die Beurteilung der Frage, ob eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft vorliegt, kommt es entgegen der Rechtsansicht der Beklagten nicht auf eine Ex-postBetrachtung an, weil nachträgliche Ereignisse vielfach nichts daran ändern, dass eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft ursprünglich auf Dauer aufgenommen wurde (beispielsweise der Tod, Krankheit mit Spitalsaufenthalt, Trennung der Eltern aus nicht vorhersehbaren Gründen etc). Maßgeblich ist daher die bei Aufnahme bestehende Absicht, eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer führen zu wollen. Davon ist die im Einzelfall zu beurteilende Frage zu trennen, ob sich aus einem nachträglichen Ereignis ergibt, dass die Absicht, eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen, bereits ursprünglich fehlte.

3.4 Auf die Dauer einer Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft kommt es im Anwendungsbereich des § 2 Abs 3 FamZeitbG nur insofern an, als diese nach der bereits dargestellten Rechtsprechung zumindest des Bezugs des Familienzeitbonus bestehen muss (10 ObS 109/18d ua; RS0132377). Daraus lässt sich aber, wie bereits ausgeführt, nicht auf eine am Bezugszeitraum orientierte „Mindestdauer“ für die Begründung einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft schließen. Denn wenn die Absicht fehlt, eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen, so kann ein bloß vorübergehendes „Zusammenziehen“ des Anspruchswerbers mit dem anderen Elternteil und dem Kind (etwa allein zum Zweck der Erlangung des Familienzeitbonus) die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG nicht erfüllen. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Grundlage für die Annahme eines über den Anspruchszeitraum hinausreichenden „Mindestzeitraums“ des tatsächlichen Zusammenlebens zur Begründung einer dauerhaften Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinn dieser Bestimmungen.

3.5 : Eine „dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft“ liegt – als Teil der Definition des gemeinsamen Haushalts gemäß § 2 Abs 3 FamZeitbG – vor, wenn eine Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auf Dauer zu führen.

4.1 Für den konkreten Fall folgt daraus, dass die Vorinstanzen zutreffend vom Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts ausgegangen sind. Denn der Kläger hatte die Absicht, dauerhaft mit seiner Lebensgefährtin und dem Sohn (beiden Kindern) zusammenzuleben und er begründete am auch einen gemeinsamen Haushalt im Sinn des § 2 Abs 1 Z 4 iVm § 2 Abs 3 FamZeitbG durch die Meldung an der gemeinsamen Familienadresse, an der er schon seit Juni 2017 und auch weiterhin tatsächlich wohnte.

4.2 Der Umstand, dass sich der Kläger entgegen den melderechtlichen Vorschriften am von der gemeinsamen Familienwohnadresse abmeldete (obwohl er weiterhin dort lebte), ändert nach den dargestellten Grundsätzen am bereits zuvor begründeten und auch während des gesamten Bezugszeitraums unstrittig aufrecht bestehenden gemeinsamen Haushalt nichts mehr. Entscheidend ist der bindend festgestellte Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Anmeldung die Absicht hatte, an der Familienwohnadresse einen gemeinsamen Haushalt zu begründen. Das Argument der Beklagten, der Kläger solle sich nicht durch unrichtige Angaben gegenüber der Meldebehörde einen „Vorteil“ beim Familienbonus verschaffen, beachtet diese Feststellung nicht: Insbesondere ergibt sich aus dem Sachverhalt kein Hinweis, dass der Kläger bereits bei Begründung des gemeinsamen Haushalts keine Absicht gehabt hätte, eine dauerhafte Wohn und Wirtschaftsgemeinschaft an der gemeinsamen Familienwohnadresse zu begründen.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00050.19D.1119.000

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