OGH 22.08.2023, 10ObS136/22f

OGH 22.08.2023, 10ObS136/22f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Mag. Schober sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Lena Steiger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl SchmidWilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. S*, vertreten durch Hon.Prof. Dr. Sonja Fragner, Rechtsanwältin in Krems an der Donau, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 33/22i12, mit dem das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cgs 151/21f6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei anlässlich der Geburt des Kindes V* am den Familienzeitbonus für den Zeitraum von bis in der Höhe von 22,60 EUR täglich zu gewähren und die bereits fälligen Beträge binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,78 EUR (darin 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger und seine Lebensgefährtin sind die Eltern des am geborenen V*.

[2] Gegenstand des Verfahrens sind der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Familienzeitbonus aus Anlass der Geburt seines Sohnes für die Zeit von bis sowie die Fragen, ob eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG auch dann vorliegt, wenn sie nur für eine beschränkte Dauer besteht, und ob eine politische Funktion auf Gemeindeebene als anspruchsschädliche Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 4 FamZeitbG zu qualifizieren ist.

[3] Die Lebensgefährtin des Klägers lebt und arbeitet in der Steiermark und ist dort hauptwohnsitzlich gemeldet. Der Kläger ist in Niederösterreich unselbständig beschäftigt und seit 2019 Stadtrat für Kultur in W*. Seit Beginn der Lebensgemeinschaft Mitte 2019 verbringen der Kläger und seine Lebensgefährtin immer wieder Tage zusammen in W* und in der Steiermark.

[4] Bis war der Kläger in W* hauptwohnsitzlich gemeldet. In der Zeit von bis wohnte der Kläger bei seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn und war dort hauptwohnsitzlich gemeldet. Am meldete er seinen Hauptwohnsitz wieder in W* an.

[5] Dass der Kläger die Absicht hatte, ab dauerhaft in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Mutter und dem Kind zu leben, konnte nicht festgestellt werden.

[6] Der Kläger unterbrach zwar seine (in den letzten 182 Tagen) vor dem beantragten Bezugsbeginn ausgeübte Erwerbstätigkeit (unstrittig). Sein Gemeinderatsmandat und seine Funktion als Stadtrat legte er für den Anspruchszeitraum aber nicht zurück, weil dies mit einem endgültigen Mandatsverlust verbunden gewesen wäre. Er nahm in dieser Zeit an einer Sitzung des Kulturausschusses und einer Stadtratssitzung teil; Gemeinderatssitzungen fanden nicht statt. Weitere, mit seinen politischen Funktionen verbundene Tätigkeiten übte er im Anspruchszeitraum nicht aus. Die für seine politische Tätigkeit zustehende Aufwandsentschädigung von (rund) 1.050 EUR bezog er weiter. Er wurde auch nicht von der Sozialversicherung (Kranken- und Unfallversicherung) abgemeldet.

[7] Am beantragte der Kläger bei der beklagten Österreichischen Gesundheitskasse die Gewährung von Familienzeitbonus für die Dauer von 31 Tagen mit einem Bezugsbeginn ab .

[8] Mit vom wies die Beklagte den Antrag mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 3 iVm Abs 4 FamZeitbG ab.

[9] Mit seiner Klage begehrt der , ihm für den beantragten Zeitraum den Familienzeitbonus im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Sämtliche Anspruchsvoraussetzungen seien erfüllt, weil er seine Erwerbstätigkeit unterbrochen habe und von seinem Dienstgeber auch von der Sozialversicherung ab- und wieder angemeldet worden sei. Sein Gemeinderats- und Stadtratsmandat habe er zwar nicht zurückgelegt. Bei dieser Tätigkeit handle es sich aber um keine Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 und Abs 4 FamZeitbG, weil sie nicht der Pensionsversicherungspflicht unterliege und die dafür erhaltene Aufwandsentschädigung den relevanten Grenzbetrag des § 91 Abs 1a Z 4 ASVG nicht überschritten habe. Er sei durch seine politische Tätigkeit auch nicht in der Wahrnehmung seiner väterlichen Pflichten behindert worden.

[10] Die hielt dem entgegen, dass für den Bezug des Familienzeitbonus jegliche und nicht bloß kranken- und pensionsversicherungspflichtigte Tätigkeiten unterlassen werden müssten, was auch außenwirksam zu dokumentieren sei. Alles das sei hier nicht der Fall. Zudem habe auch kein gemeinsamer Haushalt bestanden, weil sich der Kläger nur deswegen in der Steiermark hauptwohnsitzlich gemeldet habe, um den Familienzeitbonus zu erhalten.

[11] Die wiesen das Klagebegehren ab. Zwar schade die politische Tätigkeit des Klägers nicht, weil es sich bei der Funktion als Gemeinde- und Stadtrat um ein Ehrenamt und keine Erwerbstätigkeit handle. Allerdings mangle es an einem gemeinsamen Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG, weil dieser nicht auf Dauer ausgerichtet gewesen sei.

[12] Dagegen richtet sich die des Klägers, mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[13] In der vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragte die Beklagte, die Revision zurück-, hilfsweise abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist auch berechtigt.

[15] 1. Der Anspruch auf Familienzeitbonus eines Vaters für sein Kind ist (unter anderem) an die Voraussetzung geknüpft, dass er sich im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befindet (§ 2 Abs 1 Z 3 FamZeitbG) und mit dem Kind und dem anderen Elternteil im gemeinsamen Haushalt lebt (§ 2 Abs 1 Z 4 FamZeitbG).

[16] 1.1. Als Familienzeit definiert § 2 Abs 4 FamZeitbG den Zeitraum zwischen 28 und 31 Tagen, in dem sich ein Vater aufgrund der kürzlich erfolgten Geburt seines Kindes ausschließlich seiner Familie widmet und dazu die Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG) unterbricht, keine andere Erwerbstätigkeit ausübt sowie weder Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung noch eine Entgeltfortzahlung aufgrund von oder Leistungen bei Krankheit erhält. Ein gemeinsamer Haushalt liegt nach § 2 Abs 3 FamZeitbG nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind, wobei eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet.

[17] 1.2. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zum FamZeitbG (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1) ergibt, sollen damit erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und ausschließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Das Neugeborene soll rasch eine sehr enge emotionale Bindung (auch) zum Vater aufbauen können und dieser soll seine Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings, Behördenwegen, Haushaltsarbeiten, etc bestmöglich unterstützen, um den Zusammenhalt in der Familie von Anfang an zu stärken (jüngst 10 ObS 109/22k; 10 ObS 13/22t ua).

2. Zur Erwerbstätigkeit im Bezugszeitraum

[18] 2.1. Im Verfahren ist nicht strittig, dass der Kläger seine zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG während des Anspruchszeitraums unterbrochen hat. Die Beklagte vertritt jedoch (weiterhin) die Ansicht, dass der Kläger auch seine Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderats bzw als Stadtrat (vgl § 24 Abs 1 Satz 2 NÖGemO) unterbrechen hätte müssen.

[19] 2.2. Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass mit dem Begriff „andere Erwerbstätigkeit“ in § 2 Abs 4 FamZeitbG keine Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, sondern eine andere als eine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit, wie etwa eine geringfügige Beschäftigung oder eine Beschäftigung unter der Versicherungsgrenze, gemeint ist (jüngst 10 ObS 88/23y mwN). Aus dem Umstand, dass der Kläger als Stadtrat (nur) in der Kranken- und Unfallversicherung teilversichert war, lässt sich daher weder für den Standpunkt des Klägers noch der Beklagten Entscheidendes ableiten.

[20] 2.3. Wie schon die Vorinstanzen ausgeführt haben, kommt es vielmehr darauf an, ob die Tätigkeit als Mitglied des Gemeinderats bzw als Stadtrat eine Erwerbstätigkeit darstellt. Das hat der Oberste Gerichtshof – wenn auch in einem anderen Zusammenhang – schon wiederholt verneint und betont, dass (niederösterreichische) Gemeinderatsmandatare ein Ehrenamt ausüben und die dafür bezogene Aufwandsentschädigung kein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit darstellt (vgl RISJustiz RS0086758; RS0050693). Damit setzt sich die Beklagte nicht auseinander. Sie geht auch auf die weitere Begründung der Vorinstanzen nicht ein, dass § 29 NÖGemO das Amt eines Mitglieds des Gemeinderats ausdrücklich als Ehrenamt bezeichne und darunter auch Stadträte fallen (§ 24 Abs 1 Satz 2 NÖGemO). Abgesehen vom Hinweis, dass dies zumindest ein Anhaltspunkt auch für die sozialrechtliche Einordnung dieser Tätigkeit ist, bedarf es dazu somit keiner Ausführungen. Die Beklagte zieht sich im Wesentlichen auf die Aufgaben von Stadträten (geschäftsführenden Gemeinderäten) und deren Bedeutung für die Verwaltung einer (Stadt-)Gemeinde zurück. Dieses Argument mag allenfalls auf Gemeindefunktionen in Statutarstädten zutreffen (vgl 10 ObS 261/94 SSV-NF 9/19). Warum die Funktion des Klägers damit vergleichbar sein soll, weil sie über eine ehrenamtliche Tätigkeit weit hinausgehe, zeigt die Beklagte aber nicht auf.

[21] 2.4. Als Zwischenergebnis folgt daher, dass die während des beantragten Bezugszeitraums (eingeschränkt) ausgeübte Tätigkeit als Stadtrat nicht anspruchsschädlich ist.

3. Zum gemeinsamen Haushalt

[22] 3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht eine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG (erst) dann, wenn eine solche tatsächlich aufgenommen wird und dies in der Absicht geschieht, sie auch auf Dauer zu führen (RS0133073; 10 ObS 69/20z; 10 ObS 148/19s SSVNF 34/23 ua). Dies wird aus den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2) abgeleitet, in denen von einem auf Dauer angelegten Zusammenleben die Rede ist (10 ObS 60/22d; 10 ObS 82/21p ua). Der Oberste Gerichtshof hat dazu auch klargestellt, dass kein gemeinsamer Haushalt besteht, wenn der Anspruchswerber von vornherein nicht beabsichtigt, eine solcherart dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen, sondern nur vorübergehend, etwa allein zum Zweck der Erlangung des Familienzeitbonus, mit dem anderen Elternteil und dem Kind „zusammenzieht“ (10 ObS 50/19d SSV-NF 33/68 [ErwGr 3.4.]).

[23] 3.2. In der Rechtsprechung ist jedoch bislang noch nicht geklärt, auf welchen Zeitraum eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft angelegt sein muss, damit sie als dauerhaft gilt:

[24] In den Entscheidungen zu 10 ObS 147/19v und 10 ObS 82/21p wurde lediglich betont, dass der einmal (in der entsprechenden Absicht) begründete gemeinsame Haushalt durch einen späteren unvorhersehbaren und nur vorübergehenden Krankenhausaufenthalt der Mutter (und des Kindes) nicht wieder wegfällt. Zu 10 ObS 148/19s (SSVNF 34/23), 10 ObS 69/20z und 10 ObS 60/22d war diese Frage ebenfalls nicht zu klären, weil darin nicht zu beurteilen war, auf welchen Zeitraum die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft angelegt sein muss, um sie als dauerhaft zu qualifizieren, sondern „nur“, ab welchem Zeitpunkt sie (bei bestehender Absicht, sie auf Dauer zu führen) tatsächlich vorliegt. Selbst in der Entscheidung zu 10 ObS 50/19d (SSVNF 33/68) hatte der dortige Kläger von Anfang an die Absicht, dauerhaft mit seiner Lebensgefährtin und dem Kind an derselben Adresse wohnen zu bleiben, und hat das trotz zwischenzeitiger Ummeldung auch faktisch getan, was auch die tragende Begründung für die Bestätigung der Klagestattgebung durch die Vorinstanzen war (ErwGr 4.2.).

[25] 3.3. In der Lehre wird nur auf die notwendige Absicht verwiesen, die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer zu führen (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG4 § 2 FamZeitbG Rz 21; Holzmann-Windhofer/Kuranda in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG2 [2022] § 2 FamZeitbG 343; Schrattbauer, Drei Jahre Familienzeitbonus – kritische Revision einer noch jungen Familienleistung, JAS 2020, 244 [258]), ohne auf die hier interessierende Frage einzugehen.

[26] 3.4. Geklärt ist in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs nur, dass das Fehlen einer Eingrenzung des Begriffs „dauerhaft“ in § 2 Abs 3 FamZeitbG nicht auf ein Versehen des Gesetzgebers zurückzuführen ist, sondern ein unbestimmter Gesetzesbegriff vorliegt, dessen Inhalt im Wege der Auslegung zu ermitteln ist (10 ObS 50/19d SSVNF 33/68 [ErwGr 2.6.]). Tragfähige Ergebnisse ergibt dabei nur eine teleologische Interpretation.

[27] Vor dem Hintergrund des § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG scheidet der Bezug des Familienzeitbonus für getrennt lebende Eltern de lege lata aus (vgl I. Faber, DRdA 2022, 18 [20]). Das ist angesichts der dargestellten Intention des Familienzeitbonus, den raschen Aufbau einer Beziehung zwischen Vater und Kind zu fördern und eine Unterstützung der Mutter kurz nach der Entbindung zu gewährleisten, auch konsequent. Um dieses Ziel zu erreichen, muss der gemeinsame Haushalt aber nicht „auf ewige Zeiten“ angelegt sein, was im Übrigen auch nicht der Lebensrealität eines großen Teiles der Bevölkerung entspricht. Ebenso wenig lässt sich aus dem Leistungszweck des Familienzeitbonus ableiten, dass nur Väter Familienzeit mit Mutter und Kind verbringen sollen, die bereits in einem gemeinsamen Haushalt mit ihnen leben oder einen solchen „auf Dauer“ aufnehmen wollen. Dafür bieten weder die Gesetzesmaterialien noch das Gesetz Hinweise. Im Gegenteil spricht das erklärte Ziel des Gesetzgebers, durch finanzielle Anreize eine vermehrte Beteiligung der Väter an den vor allem in der Frühphase nach der Geburt typischerweise von den Müttern übernommenen Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu erreichen, dafür, dass auch von der Mutter ansonsten getrennt lebende Väter zur Inanspruchnahme von Familienzeit motiviert werden sollen. Diesem Ziel würde eine extensive Auslegung des Begriffs „dauerhaft“ zuwiderlaufen. Eine solche wäre auch gerade in den nicht seltenen Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Lebensgemeinschaft zwischen den Eltern besteht und unterschiedliche private und berufliche Mittelpunkte ihrem Lebensmodell entsprechen, sogar kontraproduktiv, weil sie die Inanspruchnahme von Familienzeit durch Väter, die sich um ihre Familie kümmern wollen, nicht attraktiver macht, sondern erschwert. Es ist auch kein aus dem Leistungszweck ableitbarer Grund erkennbar, den (ohnehin nur für kurze Zeit gewährten) Familienzeitbonus an eine bestimmte „dauerhafte“ Art des partnerschaftlichen Zusammenlebens der Eltern zu knüpfen.

[28] 3.5. Die teleologische Auslegung ergibt daher, dass es für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ ausreicht, wenn sie auf eine längere Zeit angelegt ist. Das ist bei einem Vater, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht und für rund fünfeinhalb Monate zu Mutter und Kind zieht, zweifellos der Fall. Da dieses Ergebnis schon aus § 2 Abs 3 FamZeitbG gewonnen werden kann, bedarf es keines Rückgriffs auf die Vorgaben der (bis umzusetzenden) RL (EU) 2019/1158 (vgl insb deren ErwGr 11 und 19). Ob sich das Erfordernis einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft überhaupt mit der Richtlinie vereinbaren lässt, muss im Anlassfall daher nicht untersucht werden.

[29] 4. Als Ergebnis folgt daher, dass der Kläger neben den sonstigen (unstrittigen) Anspruchsvoraussetzungen auch jene des § 2 Abs 1 Z 3 und 4 FamZeitbG erfüllt. Dem steht die getroffene (Negativ)Feststellung zur fehlenden Absicht des Klägers, mit Mutter und Kind in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu leben, nicht entgegen. Wie sich aus den Ausführungen (im Rahmen der Beweiswürdigung) erkennbar ergibt, wollte das Erstgericht damit nämlich bloß zum Ausdruck bringen, dass der Kläger nicht beabsichtigte, eine solche über deren tatsächliche Dauer (bis ) hinaus aufrecht zu halten.

[30] 5. Der Revision ist daher Folge zu geben und dem Begehren auf Zuerkennung des Familienzeitbonus für die Dauer von bis in der gesetzlich vorgesehenen Höhe (§ 3 Abs 1 iVm § 3 Abs 1a, § 12 Abs 5 FamZeitbG) stattzugeben.

[31] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a iVm Abs 2 ASGG. Beim Familienzeitbonus handelt es sich um eine wiederkehrende Leistung iSd § 77 Abs 2 ASGG (RS0085788 [T3]); im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren wurden keine Kosten verzeichnet.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2023:010OBS00136.22F.0822.000

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