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OGH vom 09.05.2018, 13Os25/18b

OGH vom 09.05.2018, 13Os25/18b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Albu als Schriftführer in der Verbandsverantwortlichkeitssache der K***** GmbH wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 57/17g-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Hubmer, und des Verteidigers Dr. Grabenweger zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Der belangte Verband K***** GmbH ist gemäß § 3 Abs 1 Z 2 und Abs 2 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG für die Finanzvergehen verantwortlich, die sein Entscheidungsträger Heinz P***** nach dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 57/17g15, rechtswidrig sowie schuldhaft begangen und dadurch Pflichten verletzt hat, die den Verband treffen, indem er im Zuständigkeitsbereich des Finanzamts K***** als Geschäftsführer der K***** GmbH vorsätzlich

(1) vom bis zum unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige, Offenlegungs oder Wahrheitspflichten durch die Erstattung unrichtiger Jahressteuererklärungen für die Jahre 2007 bis 2014 Verkürzungen an Umsatzsteuer um insgesamt 79.847,21 Euro bewirkte,

(2) vom März 2015 bis zum Jänner 2016 unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen dadurch Verkürzungen an Umsatzsteuer um 8.677,10 Euro bewirkte und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt, dass er für die Voranmeldungszeiträume Jänner 2015 bis November 2015 bis zum 15. Tag des auf den jeweiligen Kalendermonat zweitfolgenden Kalendermonats weder eine Voranmeldung einreichte noch die sich im Sinn des § 20 Abs 1 und 2 UStG sowie des § 16 UStG ergebende Vorauszahlung entrichtete, sowie

(3) vom (richtig) Februar 2007 bis zum Jänner 2016 unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von § 76 EStG sowie dazu ergangener Verordnungen entsprechenden Lohnkonten dadurch Verkürzungen an Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und ab dem Jahr 2011 an Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag in der Gesamthöhe von 63.954 Euro bewirkte und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss hielt, dass er für die Monate Jänner 2007 bis Dezember 2015 Lohnbestandteile nicht im Rechenwerk der K***** GmbH erfasste und die diesbezüglichen Lohnabgaben nicht bis zum 15. Tag des jeweils nachfolgenden Kalendermonats abführte,

und hiedurch die Tatbestände der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (1), nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG (2) und nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG (3) verwirklichte.

Gemäß § 4 Abs 1 VbVG iVm §§ 28a Abs 1, 21 Abs 1 und 2 sowie 33 Abs 5 FinStrG wird hiefür über den belangten Verband eine Verbandsgeldbuße von

33.000 Euro

verhängt.

Gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 FinStrG wird ein Teil der Verbandsgeldbuße von 20.000 Euro unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 389 Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 1 VbVG wird der belangte Verband zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet.

Dem belangten Verband fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße über die K***** GmbH wegen der aus dem Spruch ersichtlichen Finanzvergehen abgewiesen.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war Heinz P***** vom Jänner 2006 bis zum Jänner 2016 alleiniger unternehmensrechtlicher Geschäftsführer des belangten Verbandes (US 4). In dieser Funktion bewirkte er die in Rede stehenden Abgabenverkürzungen (US 6) rechtswidrig und schuldhaft (US 8). Die Verantwortlichkeit des belangten Verbandes für die von seinem Entscheidungsträger (§ 2 Abs 1 Z 1 VbVG) begangenen Finanzvergehen verneinte das Erstgericht mit der Begründung, es sei nicht feststellbar, dass der belangte Verband hiedurch „(über die nicht termingerechte Abführung der hinterzogenen Abgaben hinaus) bereichert wurde, sonst einen (wirtschaftlichen) Vorteil dadurch erlangt bzw. dadurch eine Verbesserung der Wettbewerbsposition erlangt oder sich Aufwendungen erspart hat oder ersparen hätte sollen“, vielmehr nicht ausgeschlossen, dass „der belangte Verband auf Grund der Malversationen mit höherer Preisgestaltung sogar Wettbewerbsnachteile hatte“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist– wie die Generalprokuratur zutreffend darlegt – im Recht:

Vorweg ist festzuhalten, dass Heinz P***** mit Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom (unter anderem) der vom Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße (ON 4) umfassten Finanzvergehen schuldig erkannt wurde (ON 15). Gemäß § 22 Abs 1 VbVG wurde die diesbezügliche Hauptverhandlung gegen den belangten Verband und seinen Entscheidungsträger Heinz P***** gemeinsam geführt (ON 14) und das Urteil gegen den Entscheidungsträger in Anwesenheit eines Vertreters und eines Verteidigers des belangten Verbandes verkündet (ON 14 S 5 f). Da dieses Urteil unangefochten in Rechtskraft erwuchs, erstreckt sich seine Bindungswirkung somit auch auf den belangten Verband (13 Os 64/17m, ZWF 2017/74, 286; RISJustiz RS0112232 [T5]).

Wie die Beschwerde zu Recht aufzeigt, normiert § 3 Abs 1 VbVG einen alternativen Mischtatbestand, womit es unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion insoweit gleichgültig ist, welche der Tatbestandsvarianten des § 3 Abs 1 VbVG verwirklicht worden ist, das heißt, ob die Tat zugunsten des belangten Verbandes begangen worden ist (§ 3 Abs 1 Z 1 VbVG) oder durch sie Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen (§ 3 Abs 1 Z 2 VbVG).

Mit Blick auf den Verantwortlichkeitstatbestand des § 3 Abs 1 Z 2 VbVG interessiert hier die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten. Diese treffen gemäß § 77 Abs 1 BAO denjenigen, der nach den Abgabenvorschriften als Abgabenschuldner in Betracht kommt. Dies ist bezüglich der Umsatzsteuer der Unternehmer (hier § 1 Abs 1 Z 1 UStG iVm § 2 Abs 1 UStG), hinsichtlich der in Rede stehenden Lohnabgaben der Arbeitgeber (§ 79 Abs 1 EStG,§ 43 Abs 2 FLAG), in Bezug auf alle hier gegenständlichen Abgabenarten somit der belangte Verband.

Da Heinz P***** nach den Urteilskonstatierungen unternehmensrechtlicher Geschäftsführer des belangten Verbandes war, handelte er als dessen Entscheidungsträger im Sinn des § 2 Abs 1 Z 1 VbVG. Zumal er die vom Antrag auf Verhängung einer Verbandsgeldbuße umfassten Finanzvergehen rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (US 6 und 8, siehe auch ON 15), ist somit der Verantwortlichkeitstatbestand des § 3 Abs 1 Z 2 VbVG (iVm § 3 Abs 2 VbVG) erfüllt, womit die Überlegungen des Erstgerichts zum alternativen Tatbestand des § 3 Abs 1 Z 1 VbVG aus dem Blickwinkel rechtsrichtiger Subsumtion irrelevant sind.

Von (die Verbandsverantwortlichkeit ausschließenden) sogenannten Exzesstaten wäre im gegebenen Zusammenhang nur dann auszugehen, wenn der Entscheidungsträger die zu beurteilenden Taten ohne jeden Bezug zu seiner Stellung im Verband oder zumindest nicht in seiner Funktion als Leitungsperson des Verbandes begangen hätte (Hilf/Zeder in WK² VbVG § 3 Rz 29 mwN), was nach den Urteilsfeststellungen – wie dargelegt – hier gerade nicht der Fall war.

Der Oberste Gerichtshof gab dem belangten Verband Gelegenheit, gegen die Konstatierungen der Tatrichter Einwände im Sinn des § 281 Abs 1 Z 2 bis 5a StPO zu erheben. Das hierauf erstattete Vorbringen des belangten Verbandes, die angefochtene Entscheidung sei in Bezug auf allfällige tatbedingte Nachteile für den belangten Verband undeutlich (Z 5 erster Fall), kann mit Blick auf das bisher Ausgeführte mangels Subsumtionsrelevanz auf sich beruhen.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur die angefochtene Entscheidung aufzuheben und auf der Basis der Feststellungen des Erstgerichts wie aus dem Spruch ersichtlich in der Sache selbst zu erkennen (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO iVm § 14 Abs 1 VbVG).

Der Bemessung der Verbandsgeldbuße ist voranzustellen, dass § 5 VbVG die Bemessung der „Anzahl der Tagessätze“ regelt und daher auf Verbandsgeldbußen nach dem FinStrG nicht unmittelbar anwendbar ist. Da die subsidiär anzuwendende (§ 28a Abs 1 zweiter Satz FinStrG) Norm des § 23 Abs 2 FinStrG hinsichtlich der besonderen Erschwerungs und Milderungsgründe auf §§ 33 und 34 StGB verweist und diese Bestimmungen bloß demonstrative Aufzählungen enthalten (Ebner in WK² StGB § 33 Rz 1 und § 34 Rz 1), steht aber einer Heranziehung der in § 5 Abs 2 und 3 VbVG genannten Erschwerungs und Milderungsgründe bei der Bemessung (auch) einer nach dem FinStrG zu bestimmenden Verbandsgeldbuße nichts entgegen (13 Os 10/16v, JBl 2017, 203).

Fallbezogen war kein Umstand erschwerend, mildernd die Umstände, dass der Verband nach den Taten erheblich zur Wahrheitsfindung beigetragen (§ 5 Abs 3 Z 3 VbVG) und die Folgen der Taten gutgemacht (§ 5 Abs 3 Z 4 VbVG) hat und dass die Taten bereits gewichtige Nachteile für den Verband oder seine Eigentümer nach sich gezogen haben (§ 5 Abs 3 Z 6 VbVG).

Hievon ausgehend war die Verbandsgeldbuße unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG auf der Basis der Strafdrohung des § 33 Abs 5 FinStrG (§ 28a Abs 1 erster Satz FinStrG) bei einem strafbestimmenden Wertbetrag (§ 53 Abs 1 FinStrG) von 152.478,31 Euro und solcherart bei einem bis zu 304.956,62 Euro reichenden Bußgeldrahmen mit 33.000 Euro zu bemessen.

Zumal dem weder spezialpräventive noch generalpräventive Erwägungen entgegenstehen, war gemäß § 7 VbVG iVm § 28a Abs 1 erster Satz FinStrG ein Bußteil von 20.000 Euro unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen.

Da der Oberste Gerichtshof in der gegenständlichen Strafsache nach gänzlichem Freispruch in erster Instanz erstmals einen Schuldspruch fällte, hatte er die grundsätzliche Kostenersatzpflicht im Sinn des § 389 Abs 1 StPO auszusprechen (RISJustiz RS0101464; Lendl, WKStPO § 390a Rz 3).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 1 VbVG.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0130OS00025.18B.0509.000

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