OGH vom 07.07.2004, 9ObA46/04m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und o. Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Alexander R*****, Angestellter, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 1.996,- sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 167/03t-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 22 Cga 306/02h-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Urteilsfällung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Berufung auf § 2a Abs 1 GlBG Schadenersatz in der Höhe von EUR 1.996,- s.A. (zwei Monatsgehälter auf Basis einer 30-Stunden-Woche nach Beschäftigungsgruppe II des Kollektivvertrages für Handelsangestellte zuzüglich einer Urlaubsersatzleistung von EUR 175,08), weil seine Bewerbung als Teilzeitkraft von der Beklagten ohne sachliche Rechtfertigung nur aufgrund seines Geschlechtes abgelehnt worden sei. Er habe sich im Frühjahr 2001 aufgrund einer Stellenausschreibung bei der Beklagten mittels e-mail um eine Teilzeitstelle beworben. Die Stellenausschreibung habe keinerlei Hinweis darauf enthalten, dass für eine Bewerbung Verkaufserfahrung erforderlich sei. Am habe der Kläger eine schriftliche Absage mit der Begründung erhalten, dass kein seinen Vorstellungen entsprechender Posten zu vergeben sei und im Übrigen bei der Beklagten die für die Einstellung männlicher Mitarbeiter erforderlichen Sanitäreinrichtungen fehlten.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Bewerbung des Klägers sei nicht wegen seines Geschlechtes, sondern ausschließlich aus fachlichen Gründen abgelehnt worden. Der Kläger habe nach seinen Angaben im Bewerbungsschreiben über keine Einzelhandelserfahrung verfügt. Daher habe er dem Anforderungsprofil für die ausgeschriebene Stelle, das spezifische Erfahrungen im Verkauf voraussetze, nicht entsprochen. Es seien der Beklagten zahlreiche Bewerbungen entsprechend qualifizierter Personen vorgelegen. Im Ablehnungsschreiben sei die Nichteinstellung vor allem damit begründet worden, dass nach den Vorstellungen und Qualifikationen des Klägers kein Arbeitsplatz angeboten werden könne. Der weitere Hinweis auf das Fehlen entsprechender sanitärer Anlagen sei irrtümlich und eigenmächtig von einer Mitarbeiterin der Beklagten aus Höflichkeitsgründen hinzugefügt worden. Ausschlaggebendes Motiv für die Nichtbegründung eines Beschäftigungsverhältnisses sei die fehlende Qualifikation des Stellenwerbers gewesen. Im Übrigen sei das Klagebegehren überhöht, weil der Kläger weder über eine abgeschlossene Lehrzeit in einem kaufmännischen Lehrberuf im Sinne der Gehaltsordnung des Kollektivvertrages für Handelsangestellte verfüge noch über eine dreijährige praktische Angestelltentätigkeit, sodass ein allfälliger Anspruch lediglich auf Basis der Beschäftigungsgruppe I lit b, Gehaltsgebiet A, zulässig sei.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Im Frühjahr 2001 suchte die Beklagte österreichweit Mitarbeiter für Stellen als "Shop assistant". Diese Tätigkeit umfasst das Bestellen und die Übernahme von Waren, Kassatätigkeit, Kundengespräche und Kundenberatung. Der Kläger, damals Student der Tontechnik, sah Ende März 2001 in der Auslage einer Filiale der Beklagten einen entsprechenden Aushang. Er erkundigte sich in der Filiale und wurde auf die Homepage der Beklagten verwiesen. Auf dieser fand er ein Inserat für Bewerbungen mit folgendem Text: "... B***** bietet neben der anspruchsvollen Tätigkeit in Österreichs beliebtester Parfümerie ein modulares Ausbildungssystem vom Lehrling bis zum Führungsmanagement. Auch Quereinsteiger sind bei B***** herzlich willkommen. Stellenausschreibung: Unterstützung und eventuell Vertretung der Filialleitung, Verkaufs- und Kassentätigkeit, Bewirtschaften der Regale; Einzelhandelserfahrung erwünscht, aber nicht Bedingung ...". Der Kläger bewarb sich auf elektronischem Weg unter Verwendung des Bewerbungsformulares für insgesamt zehn Wiener Filialen der Beklagten. Dabei gab er über seinen bisherigen beruflichen Werdegang Folgendes an: "Bisherige Tätigkeit: Call Center Agent bei R*****; Call Center Agent bei U*****AG; Administration Clerk im H*****Hotel; derzeit Studium der Tontechnik bei SAE - Technology College. Arbeitszeit: Teil-Zeit."
Der Kläger ging von einer Beschäftigung im Ausmaß von dreißig Wochenstunden aus.
In der Abteilung Personalentwicklung der Beklagten werden alle einlangenden Bewerbungen von einer Mitarbeiterin vorsortiert. Dabei wird insbesondere darauf geachtet, ob die Bewerber schon über Einzelhandelserfahrung verfügen. Bewerber mit entsprechenden Vorkenntnissen werden bevorzugt. Sollte es keine Bewerber mit Einzelhandelserfahrung geben, kommen auch andere Bewerber zum Zug. Die vorausgewählten Bewerbungen werden an die Rayonsleitung - jeweils zuständig für 15 Filialen - übermittelt, wo die endgültige Personalauswahl getroffen wird. In der Woche, in der sich der Kläger bewarb, gab es insgesamt 41 Bewerbungen für die Stelle als "Shop assistant", wobei der Kläger der einzige männliche Bewerber war. Der Kläger entsprach schon in der Vorauswahl nicht den Vorstellungen der Beklagten für einen "Shop assistant", weshalb die mit der Vorauswahl betraute Mitarbeiterin an den Kläger ein Absageschreiben unter Verwendung eines üblichen Musterbriefes richtete. Dieses lautet auszugsweise: "Bezugnehmend auf Ihre Bewerbung müssen wir Ihnen leider mitteilen, dass wir keine Position entsprechend Ihrer Vorstellungen und Qualifikationen zu vergeben haben. Außerdem verfügen wir nicht über die Einrichtungen (Sanitäranlagen), die wir laut Arbeitsinspektorat benötigen, um Mitarbeiter männlichen Geschlechts einstellen zu können." Den zuletzt zitierten Satz fügte die Mitarbeiterin ohne Rücksprache mit ihrem Vorgesetzten aus eigener Initiative hinzu. Von den damaligen Bewerberinnen wurde z.B. am Angelika L*****als "Shop assistant" für eine Filiale in Wien aufgenommen. Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau und verfügte aufgrund früherer beruflicher Tätigkeiten über Erfahrungen mit Scannerkassen und Kundenkontakt.
Bei der Beklagten sind zu 99 % Frauen und zu 1 % Männer beschäftigt. In den Filialen gibt es jeweils eine Toilette.
Der Kläger besuchte ein Gymnasium bis zur 7. Klasse, absolvierte einen Lehrgang zum Baustoffberater samt Verkaufstraining, arbeitete bei einem Marketing Programm mit und war im Rahmen von zwei Dienstverhältnissen als "Call Center Agent" für die Entgegennahme und Bearbeitung von telefonischen Kundenanrufen zuständig. Für die "Roten Nasen Clown Doktoren" hat der Kläger in Werbung und Organisation gearbeitet.
Aufgrund dieses Sachverhaltes vertrat das Erstgericht die Rechtsauffassung, dass die Beklagte durch die im Ablehnungsschreiben angeführte Begründung, es gebe keine Sanitäranlagen für männliche Angestellte, gegen § 2 Abs 1 Z 1 GlBG verstoßen habe. Dem Kläger stehe daher Schadenersatz nach § 2a Abs 2 GlBG in der Höhe von zwei Monatsgehältern zu. Aufgrund des beruflichen Werdeganges des Klägers sei er in Beschäftigungsgruppe II des Kollektivvertrages für Handelsangestellte einzustufen. Die Tätigkeit des "Shop assistant" werde offenkundig auch von der Beklagten selbst nach dieser Beschäftigungsgruppe bewertet, was sich aus der diesbezüglichen Einstufung der eingestellten Bewerberin Angelika L***** ergebe.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil über Berufung der Beklagten im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es verneinte eine Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergebe sich, dass die Bewerbung des Klägers in der von der Abteilung Personalentwicklung der Beklagten durchgeführten Vorauswahl aus rein fachlichen Gründen nicht berücksichtigt worden sei. Der Kläger sei nicht eingestellt worden, weil er über keinerlei Einzelhandelserfahrung verfüge. Die Beklagte lege jedoch großen Wert auf die Einzelhandelserfahrung und bevorzuge solche Bewerber. Aus dem Umstand, dass die Beklagte in ihrem Inserat darauf verweise, dass Einzelhandelserfahrung zwar nicht Bedingung für eine Bewerbung, aber doch wünschenswert sei, sei zu schließen, dass Bewerber ohne entsprechende Erfahrung nur dann zum Zug kommen sollten, wenn keine Bewerber mit solchen Vorkenntnissen vorhanden seien. Der von der Mitarbeiterin der Beklagten in dem Ablehnungsschreiben beigefügte Hinweis auf das Fehlen von Sanitäranlagen sei als überschießende Begründung für die Ablehnung zu werten, die im konkreten Fall mangels Eignung des Klägers nicht herangezogen werden könne. Da die Beklagte den Kläger daher weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seines Geschlechtes diskriminiert habe, könne ihr kein Verstoß gegen § 2 Abs 1 Z 1 GlBG angelastet werden.
Die Revision sei nicht zuzulassen, da der Frage der Interpretation eines Ablehnungsschreibens keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes durch die erstgerichtlichen Feststellungen, die überdies in einem wesentlichen Punkt trotz Anfechtung nicht überprüft wurden, nicht gedeckt ist. Sie ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch berechtigt.
Der Revisionswerber macht zu Recht als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, dass sich das Berufungsgericht mit seiner Beweisrüge nicht auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0042993, RS0043150, RS0043371). Er hat in seiner Berufungsbeantwortung die erstgerichtliche Feststellung gerügt, wonach die Beklagte Bewerber mit Einzelhandelserfahrung bevorzugt. Diese Feststellung ist insofern wesentlich, als sie vom Berufungsgericht als wesentliches Argument für die Verneinung einer Diskriminierung herangezogen wurde. Dessen ungeachtet lassen die Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht erkennen, dass es sich mit der diese Feststellung betreffenden Beweisrüge in irgend einer Weise auseinandergesetzt hat. Dies ist aber - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - letztlich nicht entscheidend, weil die erstgerichtlichen Feststellungen zu einer abschließenden Beurteilung ohnedies nicht ausreichen und die Rechtssache daher an das Erstgericht zurückverwiesen werden muss:
Der Kläger stützt seinen Anspruch auf die §§ 2 und 2a GlBG. Gemäß § 2 Abs 1 GlBG darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand aufgrund des Geschlechtes unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Dies gilt nach Z 1 der zitierten Bestimmung insbesondere auch bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses. Diskriminierung ist jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird (§ 2 Abs 1 letzter Satz GlBG). Nach § 2a Abs 1 GlBG ist der Arbeitgeber gegenüber dem Stellenwerber zum Schadenersatz im Ausmaß von bis zu zwei Monatsgehältern verpflichtet, wenn das Arbeitsverhältnis wegen einer vom Arbeitgeber zu vertretenden Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes des § 2 Abs 1 Z 1 GlBG nicht begründet wurde.
Nach § 2a Abs 9 GlBG hat der Arbeitnehmer oder Stellenwerber, soweit er sich im Streitfall auf einen Diskriminierungstatbestand iS des § 2 Abs 1 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen; die Klage ist abzuweisen, wenn bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes vom Arbeitgeber glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder das andere Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.
Der dazu vom Revisionswerber ins Treffen geführte Artikel 4 Abs 1 der Richtline 97/80/EG des Rates vom über die Beweislast bei Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes ("Beweislastrichtlinie") schreibt den Mitgliedstaaten die Schaffung von Regelungen vor, nach denen dann, wenn Personen, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert erachten, Tatsachen glaubhaft machen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, es dem Beklagten obliegt zu beweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgelegen hat. Die Richtlinie richtet sich allerdings an die Mitgliedstaaten und ist grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar. Innerstaatliche Behörden haben aber inhaltlich von der Richtlinie berührte nationale Normen soweit wie möglich im Einklang mit der Richtlinie auszulegen. (vgl RIS-Justiz RS0060319 mwN).
Ein Vergleich des § 2a Abs 9 GlBG mit der in Art 4 Abs 1 vorgesehenen Regelung zeigt, dass - wie auch in den Erläut zur RV zum jüngst beschlossenen GlBG 2004 (307 BlgNR 22. GP 19) hervorgehoben wird - die nationale Regelung (jedenfalls bei richtlinienkonformer Auslegung) dem Regelungsmodell der Richtlinie entspricht. Unter Bezugnahme auf den Text der Richtlinie und die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des EuGH, die zur Interpretation der Richtlinie heranzuziehen ist, zeigt sich, dass auch vom Gemeinschaftsrecht keine Umkehr der Beweislast im technischen Sinn, sondern eine angemessene Beweislastverlagerung gefordert wird (Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz, 189; Eichinger, Rechtsfragen zum Gleichbehandlungsgesetz: Mittelbare Diskriminierung - sexuelle Belästigung - Beweislastverteilung, 122 ff). Der Grund für die Notwendigkeit der hier interessierenden Beweislastregelungen liegt zum einen in der mangelnden Nähe der Stellenbewerber (der Stellenbewerberinnen) zum Beweis, denen in der Regel die notwendigen Informationen über die Auswahl- und Beurteilungskriterien des Arbeitgebers fehlen. Zum anderen ist es zumeist unmöglich, Motive lückenlos zu beweisen. Sowohl das nationale Recht als auch die Richtlinie tragen dem in durchaus vergleichbarer Weise Rechnung. Sowohl nach nationalem Recht als auch nach Gemeinschaftsrecht hat der Kläger diejenigen Tatsachen, die eine Diskriminierung vermuten lassen, glaubhaft zu machen. Ist dem Kläger die Glaubhaftmachung von Umständen, die einen Zusammenhang zwischen Ablehnung der Bewerbung und dem Geschlecht des Bewerbers indizieren, gelungen, verlagert sich die Beweislast in Bezug auf die rechtfertigenden Kriterien auf den Arbeitgeber. Richtig ist lediglich, dass das Modell der Richtlinie insofern von einem dem Arbeitgeber obliegenden Beweis spricht, während § 2a Abs 9 GlBG nach seinem Wortlaut nur eine Glaubhaftmachung verlangt, die aber - wie sich aus der Natur der Sache ergibt - zwangsläufig über jene Intensität hinausgehen muss, die bei der zunächst vom Arbeitnehmer geforderten Glaubhaftmachung erforderlich ist. Jedenfalls bei richtlinienkonformer Interpretation ist daher auch § 2a Abs 9 GlBG dahin zu verstehen, dass es - sofern dem Kläger die Glaubhaftmachung eines Diskriminierungstatbestandes gelingt - am Arbeitgeber liegt, zu beweisen, dass er tatsächlich nicht diskriminiert hat. Dabei ist aber zu bedenken, dass die eben aufgezeigten Regeln zur Verteilung der Beweislast nur dann zur Anwendung kommen, wenn ein Beweis für strittige, entscheidungswesentliche Tatsachen nicht erbracht werden kann, wenn also das Beweisverfahren ohne subsumtionsfähiges Sachverhaltsergebnis geblieben ist. Sie bieten allerdings keine Richtlinien dafür, zu wessen Gunsten das Gericht Beweise zu würdigen hat, oder ob ein Beweis als erbracht anzusehen ist (RIS-Justiz RS0039875; Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsgesetz 188).
Im hier zu beurteilenden Fall ist das Berufungsgericht aufgrund der Feststellungen über die übliche Vorgangsweise der Beklagten bei der Personalauswahl und der mangelnden Einzelhandelserfahrung des Klägers davon ausgegangen, dass die Bewerbung von der Beklagten aus rein sachlichen Gründen nicht berücksichtigt worden ist. Tatsächlich sind die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang zitierten Feststellungen (selbst wenn man davon absieht, dass die gegen einen Teil dieser Feststellung erhobene Beweisrüge nicht erledigt wurde) nicht geeignet, die daraus gezogenen Schlüsse zu rechtfertigen. Aus den Feststellungen geht nämlich in Wahrheit nur hervor, dass der Kläger schon in der Vorauswahl nicht den Vorstellungen der Beklagten für einen "Shop assistant" entsprach. Ob dies seine Ursache im Geschlecht des Klägers oder in dessen fachlichen Voraussetzungen fand, ist damit nicht gesagt. Auch die (trotz Bekämpfung nicht überprüfte) Feststellung, dass Bewerber mit Einzelhandelserfahren bevorzugt werden, vermag die Argumentation des Berufungsgerichtes nicht zu stützen, weil damit nur die übliche Vorgangsweise der Beklagten beschrieben, aber nicht ausgeschlossen wird, dass die Mitarbeiterin der Beklagten entgegen der sonst (bei meist weiblichen Stellensuchenden) üblichen Vorgehensweise ihre konkrete Auswahlentscheidung nach dem Geschlecht des Klägers getroffen hat, ohne sich überhaupt mit seiner fachlichen Eignung auseinanderzusetzen. Auch aus der Feststellung, dass eine Bewerberin mit Einzelhandelserfahrung aufgenommen wurde, ist insofern schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sich der Kläger um 10 freie Stellen beworben hat und völlig ungeklärt ist, ob auch die für die anderen Filialen aufgenommenen Bewerber Einzelhandelserfahrung hatten. Die Annahme des Berufungsgerichtes, er sei nicht eingestellt worden, weil er über keinerlei Einzelhandelserfahrung verfüge, findet in den erstgerichtlichen Feststellungen daher keine Deckung.
Aber auch die Ansicht des Klägers, schon auf Grund der bisherigen Feststellungen sei von einer Diskriminierung auszugehen, ist unzutreffend. Der Hinweis auf das Fehlen von Sanitäranlagen für männliche Mitarbeiter wurde selbst im Ablehnungsschreiben der Beklagten nur - nach dem primären Hinweis auf das Fehlen von der Qualifikation und den Vorstellungen des Klägers entsprechenden Stellen - als weitere Begründung angeführt. Nach dem Vorbringen der Beklagten kam diesem Umstand bei der Entscheidung überhaupt keine Bedeutung zu. Auch das kann nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, weil sich die erstgerichtlichen Feststellungen - trotz entsprechender Prozessbehauptungen beider Seiten - in Wahrheit als lückenhaft und deshalb ungeeignet erweisen, die Frage des Motivs der Beklagten für die Nichtberücksichtigung des Klägers umfassend zu beurteilen.
Damit erweist sich die Sache als noch nicht spruchreif. Im Sinne der dargestellten Überlegungen wird das Erstgericht das Verfahren (etwa zur Frage der Qualifikation der anderen aufgenommenen Bewerberinnen) zu ergänzen und klare Feststellungen darüber zu treffen haben, ob die Ablehnung der Bewerbung des Klägers schon wegen seines Geschlechtes erfolgte bzw welche anderen Motive für die Ablehnung maßgeblich waren.
Sollte auf der Grundlage der ergänzten Feststellungen davon auszugehen sein, dass der Kläger wegen seines Geschlechtes abgelehnt und damit diskriminiert wurde, wird im Übrigen zu beachten sein, dass dies noch nicht zwangsläufig bedeutet, dass er bei einer diskriminierungsfreien Auswahlentscheidung einen der angestrebten Posten erhalten hätte (vgl dazu 9 ObA 264/98h bzw die daran geäußerte Kritik von Smutny, Geschlechtsbezogene Diskriminierung bei der Einstellung von ArbeitnehmerInnen, DRdA 2000, 122 sowie von Hopf/Smutny, Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses - Schadenersatz trotz fehlender "Bestqualifikation", DRdA 2002, 99). Insofern hat aber die Beklagte, die bisher jegliche Diskriminierung bestritten hat, keinerlei Vorbringen erstattet.
Eine Diskriminierung durch intransparente (und damit der Rechtsprechung des EuGH widersprechende) Gestaltung des Aufnahmesystems hat der Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht, sodass dazu nicht Stellung zu nehmen ist.
Sollte sich der Anspruch des Klägers letztlich dem Grunde nach als berechtigt erweisen, ist die Sache auch der Höhe nach nicht spruchreif. Der Kläger stützt seine Forderung auf § 2a Abs 1 GlBG, der einen Schadenersatzanspruch des diskriminierten Stellenwerbers "im Ausmaß von bis zu zwei Monatsentgelten" normiert. Nach den Ausführungen der Regierungsvorlage (735 BlgNR GP XVIII S 33f) soll durch diese Bestimmung der durch die Diskriminierung entstandene materielle und durch die Verletzung der Würde der Person entstandene immaterielle Schaden in angemessener Weise finanziell ausgeglichen werden, wobei bei der Bemessung des Schadenersatzes vor allem der durch die Diskriminierung entgangene Verdienst zu berücksichtigen ist. Wie weit der vom Gesetz eröffnete Bemessungsspielraum ausgeschöpft wird, hängt daher neben anderen Faktoren vom durch die Diskriminierung entgangenen Verdienst und damit davon ab, wann der Stellenwerber einen anderen Arbeitsplatz gefunden hat. Die Berechnungsgrundlage für das Monatsentgelt ist das Entgelt, das der Stellenwerber in den ersten zwei Monaten ab Arbeitsantritt hätte erzielen können (vgl 9 ObA 264/98h). Entscheidend ist, wie der Kläger im Entlohnungsschema des Kollektivvertrages für Handelsangestellte eingestuft worden wäre und für wie viele Wochenstunden das Arbeitsverhältnis begründet worden wäre. Insofern enthält die Ausschreibung der Stellen keine Hinweise; auf die Erwartungshaltung des Klägers kann es dabei nicht ankommen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.