OGH vom 28.11.2007, 9ObA157/07i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Stefan L*****, vertreten durch Mag. Ralph Kilches, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Ploil, Krepp & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, Anfechtung und Zahlung von EUR 15.867,71 brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 53/07h-62, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach völlig einhelliger Auffassung muss der Arbeitnehmer, um sich auf die in § 104a ArbVG normierten Rechte (Beratung mit dem Betriebsrat bei einvernehmlichen Lösungen) stützen zu können, gegenüber dem Betriebsinhaber die Beratung mit dem Betriebsrat „verlangen" (Reissner, ZellKomm, § 104a ArbVG Rz 6 f; vgl ferner die bereits vom Berufungsgericht zitierten Belegstellen). Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass er ein derartiges Verlangen nicht gestellt hat, meint aber, die Auflösungsvereinbarung sei dennoch unwirksam, weil der Arbeitgeber verpflichtet gewesen wäre, ihn über die Möglichkeit eines solchen Verlangens aufzuklären, dieser Verpflichtung jedoch nicht entsprochen habe. Eine derartige Verpflichtung des Arbeitgebers ist aber dem insoweit völlig eindeutigen Gesetzestext nicht zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat mit der zitierten Bestimmung eine Beschränkung der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien normiert (Cerny in Cerny/Gahleithner/Preiss/Schneller, ArbVG3 291), die er von bestimmten Voraussetzungen - primär von einem entsprechenden Verlangen des Arbeitnehmers - abhängig gemacht hat. Hätte er die angeordneten Rechtswirkungen - insbesondere die in § 104a Abs 2 ArbVG normierte Unwirksamkeit der Auflösungsvereinbarung - auch für den Fall des Unterbleibens einer Aufklärung über das Beratungsrecht eintreten lassen wollen, hätte er dies im Gesetz zum Ausdruck gebracht, wie er das in anderen Fällen, in denen er wegen der besonderen Schutzwürdigkeit der Betroffenen deren Aufklärung sicherstellen wollte, getan hat (vgl etwa die §§ 10 Abs 7 MuttSchG, 6 Abs 7 APSG sowie 15 Abs 5 BAG, mit denen die Wirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung von Arbeitsverhältnissen der jeweils geschützten Personen vom Nachweis der Belehrung über den für sie geltenden Kündigungsschutz abhängig gemacht wird). Auch der Hinweis auf § 1157 ABGB ändert an diesem Ergebnis nichts, weil aus dieser Bestimmung eine allgemeine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Aufklärung des Arbeitnehmers über Arbeitnehmerrechte nicht abgeleitet werden kann.
Auch der Vorwurf, das Berufungsgericht sei mit seinen Ausführungen zur Anfechtung der Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses von der herrschenden Rechtsprechung abgegangen, trifft nicht zu. Eine Drohung mit einem Übel, durch dessen an sich erlaubte Zufügung der Drohende seine Interessen wahrt, ist keine ungerechte. Die Drohung ist aber widerrechtlich, wenn durch die Zufügung eines an sich erlaubten Mittels nicht die eigenen Interessen gewahrt werden, sondern in Wahrheit bloß mit einem Übel gedroht wird, um den anderen Teil in seinen Interessen zu verletzen (RIS-Justiz RS0014873; 9 ObA 271/01w uva). Die Ankündigung des Arbeitgebers, er werde, falls es zu keiner Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Arbeitnehmerkündigung oder einvernehmliche Auflösung komme, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen, ist für sich nicht unerlaubt, weil der Arbeitgeber jederzeit und ohne Begründung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beenden kann. Aus eben diesem Grund sind die vom Revisionswerber zitierten Entscheidungen in Fällen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit Entlassung bedrohte, mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht vergleichbar. Ebenso wenig kann gesagt werden, dass die Beklagte, die auf Grund der in einem Interview getätigten Äußerungen des Klägers an dessen Motivation zweifelte, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur ankündigte, um den Interessen des Klägers zu schaden. Dass der Arbeitgeber aus solchen Überlegungen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ankündigt, stellt auch keinen unzulässigen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar.
Da der Arbeitgeber für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses keinen Grund braucht, sind im Übrigen die vom Revisionswerber geforderten Feststellungen darüber, ob und wie weit ihm die in seinem Interview getätigten Aussagen vom Interviewer „in den Mund gelegt" wurden, für die Entscheidung nicht relevant.
Die Ausführungen des Revisionswerbers zur Streitwertbemängelung betreffen den Kostenpunkt; die Bekämpfung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen ist in dritter Instanz aber nicht mehr möglich. Die Behauptung des Revisionswerbers, durch die von ihm behauptete Überbewertung des Streitwerts sei ihm auch in der Hauptsache der Zugang zum Recht verwehrt worden, ist schon deshalb unzutreffend, weil er sich ja in jedem Stadium des Verfahrens an diesem beteiligt hat.