OGH vom 15.12.1988, 12Os95/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zeh als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hans Gerd W*** wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 18 a Vr 1375/87-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Angeklagten Hans Gerd W*** und des Verteidigers Dr. Brandl zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hans Gerd W*** von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im Zeitraum März 1985 bis Oktober 1986 in Salzburg als Geschäftsführer der Zweigniederlassung Salzburg der W*** GesmbH & Co KG vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des UmsatzsteuerG 1972 entsprechenden Voranmeldungen durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum Jänner 1985 bis August 1986 wissentlich eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer von insgesamt 5,563.303 S bewirkt, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Nach den für den Freispruch maßgebenden Gründen hat der Angeklagte Hans Gerd W*** seine Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UmsatzsteuerG 1972 entsprechenden Voranmeldungen für den Zeitraum Jänner 1985 bis August 1986 durch Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen verletzt und dadurch eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von insgesamt 5,563.303 S bewirkt. Ob der Angeklagte dabei vorsätzlich und in Ansehung des Verkürzungserfolges wissentlich oder fahrlässig gehandelt hat, ließ der Schöffensenat offen (AS 141, 143; 147, 149), weil er davon ausging, daß der Angeklagte strafbefreiende Selbstanzeige erstattet und die geschuldeten Beträge rechtzeitig entrichtet hat. Insoweit konstatierte das Erstgericht, daß es am in den Räumen des Zollamtes Salzburg zwischen dem Angeklagten und Beamten des Finanzamtes Salzburg-Stadt auf Grund eines - "vorgewiesenen" (AS 18: Dem Buchhalter Herbert H*** in Durchschrift übergebenen) - Nachschauauftrages gemäß dem § 144 Abs. 1 BAO "zu einem Gespräch" kam, an dessen Beginn der Steuerberater Herbert H*** Selbstanzeige betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen für den Zeitraum 1/85 bis 8/86 erstattete, worüber ein Protokoll (AS 19: eine Niederschrift) aufgenommen wurde. Bei der Erstattung der Selbstanzeige konnte keine ziffernmäßige Darstellung der verkürzten Abgaben gegeben werden. Der Steuerberater Herbert H*** ersuchte um eine Frist von 14 Tagen, binnen derer diese ziffernmäßige Darstellung nachgereicht würde. Weiters wurde in diesem Protokoll festgehalten, daß die Nachschau in den Räumlichkeiten der Steuerberatungskanzlei H*** in Salzburg durchgeführt werde. Die Buchhaltungsunterlagen über die Jahre 1980 bis 1983 würden sich bereits dort befinden und könnten unverzüglich geprüft werden. Die Unterlagen über die restlichen Zeiträume würden nachbeschafft und könnten nach Vollerstattung der Selbstanzeige geprüft werden.
Der Angeklagte machte sich auch erbötig, diese fehlenden Unterlagen sofort aus Ainring zu holen. Dazu kam es jedoch nicht, weil die Beamten des Finanzamtes Salzburg-Stadt den Angeklagten aufforderten, die Unterlagen bei seinem Steuerberater zu hinterlegen und weil die erbetene 14-tägige Frist zumindest de facto gewährt wurde.
Innerhalb der erbetenen Frist (AS 7: am ) reichte die W*** GesmbH & Co KG durch ihren Steuerberater Herbert H*** eine Umsatzsteuererklärung 1985 sowie eine Aufstellung der Bemessungsgrundlagen Jänner bis August 1986 nach, die insgesamt eine Nachforderung an Umsatzsteuer in der Höhe von 5,695.886 S (mit späterer Korrektur auf 5,563.303 S) erbrachte. Dieser Betrag wurde am zur Gänze entrichtet (AS 145, 147). Bei dieser Sachlage nahm der Schöffensenat an, daß eine rechtzeitige und vollständige, sohin strafaufhebende Selbstanzeige erstattet worden sei. Da der Gesetzgeber im § 29 Abs. 2 FinStrG in Ansehung der Offenlegungspflicht nicht (wie früher) das Wort "dabei", sondern die Worte "ohne Verzug" gewählt hat, sei nunmehr eine gewisse Zeitspanne zwischen Erstattung der Selbstanzeige und der Offenlegung möglich, ohne daß dadurch die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige verloren gehe. Im gegenständlichen Fall - so führt das Erstgericht aus - sei die erforderliche Offenlegung ohne Verzug erfolgt, weil der Angeklagte bzw. seine Angestellten neben der laufenden Arbeit die notwendigen Berechnungen durchgeführt und die Umsatzsteuererklärung 1985 sowie die Aufstellung der Bemessungsgrundlagen Jänner bis August 1986 vor Ablauf der de facto gewährten 14 Tagefrist nachgereicht haben. Diese Auslegung des Gesetzes, insbesondere der Worte "ohne Verzug" widerspreche auch nicht der ratio legis, weil die Selbstanzeige dem Staat ein langes und aufwendiges Abgabeverfahren ersparen und dem Fiskus schnell die zu Unrecht vorenthaltenen Abgaben zuführen (AS 151, 153) solle.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend weist demgegenüber das Finanzamt Salzburg-Stadt in seiner auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde darauf hin, daß dem Erstgericht bei Auslegung der Worte "ohne Verzug" des § 29 Abs. 2 FinStrG ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Denn ohne Verzug (= unverzüglich = sofort) heißt zugleich mit der Selbstanzeige (Dorazil-Harbich, Finanzstrafrecht, Anm. 5 zu § 29; Fellner, FinanzstrafG, 4. Aufl., Anm. 11, 12 zu § 29; Sommergruber, Das Finanzstrafgesetz, Band 4, Anm. b zu § 29 Abs. 1; LSK 1978/193; Zahl 84/14/0072, vom , Zahl 85/16/0049, vom , Zahl 83/13/0033 ua).
Die sprachlichen Änderungen des § 29 Abs. 1 FinStrG aF durch die FinStrG-Novelle 1975 erfolgte - was das Erstgericht verkennt - "im Hinblick auf die unterschiedlichen Anforderungen an die Selbstanzeige je nach Deliktstypus" (EBRV-Novelle 1975, 1130 Blg NR 13. GP, 57). Den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage der Novelle 1975 ist aaO aber auch zu entnehmen, daß "die nunmehr geforderte Darlegung der Verfehlungen allgemein eine so präzise Beschreibung dieser Verfehlung zu enthalten haben wird, daß der Finanzbehörde eine rasche und richtige Entscheidung in der Sache selbst ermöglicht wird. Erfordert die Beseitigung des Einnahmeausfalls eine behördliche Festsetzung der entgangenen Einnahmen, so soll die Darlegung der Verfehlung durch den Anzeiger auch eine entsprechende Offenlegung der für die Festsetzung bedeutsamen Umstände umfassen". Demnach ist insoweit ("ohne Verzug" heißt ebenso wie "dabei" zugleich mit der Selbstanzeige) durch die Finanzstrafgesetznovelle 1975 keine Änderung der Rechtslage eingetreten, sodaß auch die vom Erstgericht abgelehnte, vor der Finanzstrafgesetznovelle 1975 ergangene Judikatur weiterhin anwendbar ist. Behält sich der Selbstanzeiger - wie im vorliegenden Fall - die Offenlegung der für die Feststellung der entgangenen Einnahmen bedeutsamen Umstände für später vor, bleibt er auch nunmehr strafbar (9 Os 70/68). Daran vermag auch nichts zu ändern, daß dem Angeklagten von Beamten des Finanzamtes Salzburg-Stadt für die "ziffernmäßige Darstellung" der Verfehlungen eine im Gesetz nicht vorgesehene Frist von 14 Tagen "zumindest de facto" gewährt wurde, weil Mängel der Aufzeichnungen, die eine sofortige und vollständige wahrheitsgemäße Offenlegung unmöglich machen, zu Lasten des Täters gehen (EvBl. 1977/107).
Da das Erstgericht infolge des unterlaufenen Rechtsirrtums nicht festgestellt hat, ob der Angeklagte die in Rede stehende Abgabenverkürzung vorsätzlich und in Ansehung des Verkürzungserfolges wissentlich oder bloß fahrlässig begangen hat (AS 149), eine Beurteilung der Frage, ob der Angeklagte das ihm zur Last liegende Vergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG zu verantworten hat, ohne derartige Feststellungen aber nicht möglich erscheint, kann derzeit eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst nicht Platz greifen.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes Salzburg-Stadt Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO an das Landesgericht Salzburg zu neuer Verhandlung und Entscheidung zu verweisen. Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß das Finanzamt Salzburg-Stadt auch mit dem weiteren Beschwerdeeinwand im Recht ist, wonach die Aushändigung des Nachschauauftrages über eine gemäß dem § 144 Abs. 1 BAO angeordnete Nachschau an den Abgabepflichtigen und dessen Aufforderung, "die Unterlagen bei seinem Steuerberater zu hinterlegen" (AS 145) den Beginn der Amtshandlung (Nachschau) darstellen (vgl. 11 Os 144/87; 95/61 - Sammlung NF 2975). Dieser Frage kommt aber nach Lage des Falles keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil nach den unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen und der Aktenlage (vgl. die Niederschrift des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom , AS 19) nicht zweifelhaft sein kann, daß die Selbstanzeigen vom "anläßlich einer finanzbehördlichen Nachschau bei Beginn der Amtshandlung" (§ 29 Abs. 3 lit. c FinStrG), sohin insoweit rechtzeitig, erstattet wurde. Mangels präziser Beschreibung der Verfehlung und Offenlegung der für die Festsetzung der Abgabenverkürzung bedeutsamen Umstände (§ 29 Abs. 2 FinStrG) konnte sie allerdings keine Straffreiheit bewirken.