OGH vom 17.10.1985, 13Os150/85
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Richard A wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom , GZ. 6 a Vr 998/85-20, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Schuldspruch 2 und im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Der derzeit beschäftigungslose Handelsvertreter Richard A wurde des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1 und 13 FinStrG. schuldig erkannt. Darnach hat er durch Nichtabgabe von Umsatzsteuer-, Einkommensteuer- und Gewerbesteuererklärungen vorsätzlich und fortgesetzt eine Verkürzung der entsprechenden Steuern
1. vom bis für die Jahre 1977 bis einschließlich 1981 in der Höhe von insgesamt 1,528.878 S bewirkt, und 2. am für das Jahr 1982 in der Höhe von insgesamt 308.321 S zu bewirken getrachtet.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen war der Angeklagte als Handelsvertreter ursprünglich beim Finanzamt für den 21. und 22. Bezirk steuerlich erfaßt, trug sich aber in der Haushaltsliste vom als arbeitslos und als Inhaber einer Lohnsteuerkarte ein und beantwortete eine Anfrage der Amtsbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts vom unrichtig dahin, beim Finanzamt für den 6., 7. und 15. Bezirk steuerlich erfaßt zu sein. Auf Grund dieser bewußt unrichtigen Angaben des Angeklagten, dessen Vorsatz darauf gerichtet war, sich durch sein Verhalten der Abgabenvorschreibung überhaupt zu entziehen, wurde die Steuernummer des Angeklagten beim Finanzamt für den 21. und 22. Bezirk gelöscht.
Infolge einer Kontrollmitteilung über den Empfang von Subprovisionen wurde dem Angeklagten vom Finanzamt für den 21. und 22. Bezirk seine derzeit gültige Steuernummer zugeteilt und bei ihm eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei ergab sich, daß der Angeklagte in den Jahren 1977 bis 1982, für welche er keine Abgabenerklärungen vorgelegt hatte, laufend als Handelsvertreter tätig gewesen war und aus dieser Tätigkeit Provisionen bezogen hatte, die zur Gänze unversteuert geblieben waren. Die Betriebsprüfung führte daher zur Erlassung von Abgabenbescheiden, aus denen die im Urteilsspruch angeführten Verkürzungsbeträge hervorgehen. Diese Bescheide sind in Rechtskraft erwachsen. In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß hinsichtlich der Jahr 1977 bis 1981 Deliktsvollendung vorliege, weil bei zeitgerechter Vorlage der Abgabenerklärungen dem Angeklagten im Zeitpunkt der Entdeckung seines steuerunehrlichen Verhaltens die Abgaben für die Jahre 1977 bis 1981 bereits vorgeschrieben gewesen wären. Für 1982 sei Versuch anzunehmen, weil die Abgabenvorschreibung im Hinblick auf die Zeit der Betriebsprüfung, die schon am beendet war, nicht mehr zu erwarten war.
Der Schuldspruch wird vom Angeklagten mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a und 9 lit. b StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich die Mängelrüge zunächst dagegen wendet, daß das Finanzamt die Abgabenschuldigkeit im Weg der Schätzung ermittelt habe, übergeht sie, daß das Gericht vom Bestehen der sich aus dem Spruch eines gegen den Beschuldigten ergangenen rechtskräftigen Bescheids über die endgültige Abgabenfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach ergebenden Abgabenschuld als Tatsache auszugehen hat, wobei es für die Bindungsfrage unerheblich ist, ob das Finanzamt zu dem verkürzten Abgabenbetrag auf Grund eines weitwendigen Feststellungsverfahrens oder einer vom Beschwerdeführer nicht widersprochenen Schätzung gelangt ist (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm. zum FinStrG., § 55 E. 11 und E. 12).
Ebenso geht der zum Teil auch auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützte Einwand fehl, das Gericht habe nicht berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer eine 'derartige' (gemeint: dem Ausmaß der festgestellten Verkürzungssummen entsprechende) Abgabenverkürzung nicht einmal bedingt gewollt habe und es seien deshalb ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite unterlassen worden. Damit übergeht der Rechtsmittelwerber die bezüglichen Entscheidungsgründe. Das Landesgericht hat sich mit der subjektiven Tatseite ausreichend auseinandergesetzt und seine den Vorsatz des Angeklagten betreffenden Feststellungen mängelfrei auf dessen Geständnis (S. 75) gestützt. Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt: Der für den Tatbestand des § 33 Abs. 1 FinStrG. erforderliche Verkürzungsvorsatz muß sich nicht auf die konkrete Höhe des (außerhalb des Tatbestands gelegenen) strafbestimmenden Wertbetrags erstrecken, der als Voraussetzung gerichtlicher Strafbarkeit (§ 53 FinStrG.) und als Faktor der Strafrahmenobergrenze für die angedrohte Geldstrafe objektiv determiniert ist (LSK. 1983/117). Schließlich vermag der insoweit den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. geltendmachende Beschwerdeführer auch nicht gesetzmäßig darzutun, daß es im Zusammenhang mit der von ihm erstatteten Selbstanzeige (S. 9) notwendig gewesen wäre, Feststellungen über seine allfällige Straffreiheit gemäß § 29 FinStrG. zu treffen. Kommt doch eine solche nach Lage des Falls nicht in Betracht, weil es der Angeklagte zugegebenermaßen (S. 76, Urteilsgrundlage S. 83) unterlassen hat, der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzungen bedeutsamen Umstände offenzulegen und die geschuldeten Beträge zu entrichten (§ 29 Abs. 2 FinStrG.).
Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit zu, als darin (gleichfalls unter Z. 9 lit. b) in bezug auf den Schuldspruch 2 (Versuch der Abgabenhinterziehung) Feststellungen reklamiert werden, daß sich der Angeklagte mit der erwähnten Selbstanzeige zwar nicht den Strafaufhebungsgrund des § 29 FinStrG., wohl aber denjenigen des § 14 FinStrG. zugute gebracht habe. Da der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung (der Sache nach) behauptet hat (S. 76), die Selbstanzeige über Anraten eines Steuerberaters erstattet zu haben, bevor er von gegen ihn gesetzten Verfolgungshandlungen Kenntnis erlangt hatte (§ 14 Abs. 2 FinStrG.), war es erforderlich, durch entsprechende Konstatierungen klarzustellen, inwieweit diese Behauptung zutrifft oder nicht.
Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei der nichtöffentlichen Beratung teilweise Folge zu geben (§ 285 e StPO.), das angefochtene Urteil im Schuldspruch 2 und im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Prozeßgericht rückzuverweisen. Im übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO., teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. im Zusammenhalt mit § 285 a Z. 2 StPO. in der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen.