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OGH vom 20.03.2013, 6Ob23/13w

OGH vom 20.03.2013, 6Ob23/13w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ. Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH mit dem Sitz in R*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Mag. Gerd Pichler, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 130/12k 9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Im Firmenbuch des Erstgerichts ist (seit ) zu FN ***** die B***** GmbH mit dem Sitz in R*****, der Geschäftsanschrift *****, dem Gesellschaftsvertrag vom , einer Stammeinlage in Höhe von insgesamt 35.000 EUR sowie den jeweils selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführern DI K***** K***** und P***** S***** eingetragen; als Gesellschafter sind Erstere (im Folgenden: Minderheitsgesellschafterin) mit einer (seit ) voll einbezahlten Stammeinlage in Höhe von 10.500 EUR und Zweiterer (im Folgenden: Mehrheitsgesellschafter) mit einer zur Hälfte geleisteten Stammeinlage in Höhe von 24.500 EUR erfasst.

Am fand eine Generalversammlung der Gesellschaft statt, an der beide Gesellschafter und Rechtsanwalt Mag. G***** P***** als Vertreter der Minderheitsgesellschafterin teilnahmen und in der der Mehrheitsgesellschafter (wirksam) zum Vorsitzenden bestimmt wurde.

Einziger Tagesordnungspunkt der Generalversammlung war die Einforderung der restlichen Stammeinlage in Höhe von 12.250 EUR vom Mehrheitsgesellschafter.

Der Rechtsfreund der Minderheitsgesellschafterin brachte vor Beschlussfassung seine Ansicht zum Ausdruck, dass der Mehrheitsgesellschafter bei der Abstimmung über den Tagesordnungspunkt nicht stimmberechtigt sei.

Nach Antragstellung der Minderheitsgesellschafterin stimmte diese gegen den Mehrheitsgesellschafter für die Einforderung der vom Mehrheitsgesellschafter noch nicht geleisteten Stammeinlage.

Nach dem festgehaltenen Abstimmungserfordernis findet sich in der Niederschrift durch Fettdruck hervorgehoben folgenden Passage:

„Beschluss auf Einforderung der restlichen Stammeinlage in Höhe von 12.250 EUR vom Gesellschafter P ***** S*****.

Die Protokollierung dieses Satzes erfolgte nicht über Veranlassung des Vorsitzenden der Generalversammlung.“

Die Gesellschaft begehrte beim Erstgericht die Eintragung.

Mit dem am beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz beantragt die Gesellschaft die Eintragung

1. der Löschung des Mehrheitsgesellschafters als Geschäftsführer und Gesellschafter,

2. zweier weiterer Personen als jeweils selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführer und Gesellschafter mit einer jeweils voll einbezahlten Stammeinlage von 12.250 EUR,

3. der Sitzverlegung nach *****,

4. der Änderung der Geschäftsanschrift auf*****, und

5. der Änderung des Punktes III. des Gesellschaftsvertrags.

Hiezu brachte die Antragstellerin vor, bei der außergewöhnlichen Generalversammlung der Gesellschaft am sei der rechtswirksame Beschluss gefasst worden, vom Mehrheitsgesellschafter die restlich aushaftende Stammeinlage in Höhe von 12.250 EUR einzufordern. Dieser sei unter Fristsetzung mit Einschreiben vom und im Weiteren unter Nachfristsetzung und Androhung des Ausschlusses (als Gesellschafter) mit Einschreiben vom vergeblich aufgefordert worden, die restlich ausständige Stammeinlage in Höhe von 12.250 EUR zu leisten. Hierauf sei er mit Einschreiben vom aus der Gesellschaft gemäß § 66 Abs 2 GmbHG ausgeschlossen worden.

Das Erstgericht wies sämtliche Anträge der Gesellschaft ab.

Die Einforderung der Stammeinlage sei am nicht wirksam beschlossen worden, sodass es dem nachfolgenden Kaduzierungsverfahren an einer Grundlage mangle.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Beschlussergebnis sei nicht vom Vorsitzenden festgestellt worden, sodass schon aus diesem Grund dem Beschluss keine vorläufige Verbindlichkeit zukomme. Vielmehr käme nur eine Feststellungsklage zur Klärung der Frage, was nun eigentlich beschlossen wurde, in Betracht. Im Übrigen zeige das festgehaltene Abstimmungsergebnis, dass kein Beschluss im Sinne des Antrags der Minderheitsgesellschafterin zustande gekommen sei, weil der Mehrheitsgesellschafter keinem Stimmrechtsausschluss unterlegen sei. Die Einforderung von Einzahlungen auf die Stammeinlagen unterliege nämlich nicht dem Stimmverbot nach § 39 Abs 4 GmbHG.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG gemeinten Intensität zu lösen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Der Revisionsrekurs wendet sich nicht mehr gegen die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichts über die das Erstgericht treffende Prüfungspflicht. Im Rahmen der allseitigen Prüfungskompetenz des Firmenbuchgerichts ist erforderlichenfalls auch die Gesellschafterstellung zu überprüfen. In diesem Sinne besteht auch hinsichtlich eines Abtretungsvertrags eine materielle Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer , FBG § 15 Rz 22, 31, 36).

2. Der Revisionsrekurs wendet sich vielmehr gegen die Auffassung des Rekursgerichts, dem Mehrheitsgesellschafter sei ein Stimmrecht zugekommen.

2.1. Von dieser Frage hängt aber wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht ab: Im vorliegenden Fall wurde nämlich von der Generalversammlung ein Vorsitzender gewählt. Aufgabe des Vorsitzenden der Generalversammlung ist aber mangels anderer Regelung in der Satzung den Ablauf der Generalversammlung festzulegen, die Abstimmungen durchzuführen sowie gegebenenfalls die Verhandlungs und Abstimmungsergebnisse festzustellen (6 Ob 99/11v).

2.2. Dabei hat der Oberste Gerichtshof auch bereits ausgesprochen, dass bei der Wahl des Vorsitzenden alle Gesellschafter stimmberechtigt sind, insbesondere auch solche, die bei einem der angesetzten Tagesordnungspunkte gemäß § 39 Abs 4 GmbHG vom Stimmrecht ausgeschlossen sind (6 Ob 99/11v).

2.3. Das Beschlussergebnis wurde im vorliegenden Fall aber gerade nicht vom Vorsitzenden festgestellt. Schon aus diesem Grund kam wie gleichfalls das Rekursgericht zutreffend erkannt hat dem Beschluss der Generalversammlung keine vorläufige Verbindlichkeit zu. Die Minderheitsgesellschafterin wäre vielmehr auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschlussfeststellungsklage zu verweisen (vgl dazu 7 Ob 300/05a SZ 2006/7; 6 Ob 203/97i; 6 Ob 139/06v SZ 2006/149; 6 Ob 49/09p).

3.1. Entgegen der Rechtsansicht des Revisionsrekurses steht die Entscheidung des Rekursgerichts auch nicht in Widerspruch zu den Entscheidungen 6 Ob 49/09p und 6 Ob 139/06v. Beide Entscheidungen behandeln primär das Stimmrecht bei der Beschlussfassung über eine Sonderprüfung. Soweit dort § 39 Abs 4 GmbHG auch auf Beschlüsse über die Kaduzierung oder Ausschließung eines Gesellschafters bezogen wird, betrifft dies wie sich aus dem Verweis auf Koppensteiner , GmbHG 2 § 39 Rz 39 46 nunmehr: Koppensteiner/Rüffler , GmbHG 3 § 39 Rz 46 iVm mit Anh § 71 Rz 10 ff) ergibt nicht die Einleitung eines alle Gesellschafter in gleicher Weise betreffenden Kaduzierungsverfahrens iSd § 66 GmbHG, sondern die Ausschließung eines einzelnen Gesellschafters.

3.2. Bei verbandsrechtlichen Beschlüssen greift hingegen das Stimmverbot des § 39 Abs 4 GmbHG nach ganz einhelliger Auffassung nicht ein ( Enzinger in Straube , Wiener Kommentar GmbHG § 39 Rz 76). Dazu gehören auch Beschlüsse über die Einforderung von Einlagen ( Enzinger aaO; Koppensteiner/Rüffler GmbHG 3 § 39 Rz 43). Diese Auffassung entspricht worauf gleichfalls schon das Rekursgericht zutreffend hingewiesen hat der herrschenden Ansicht zum deutschen Recht (vgl Goerdeler in Hachenburg , GmbHG 7 § 20 Rz 7; Schmidt in Scholz , GmbHG § 46 Rz 45 und § 47 Rz 112, 131 mwN).

3.3. Dass im vorliegenden Fall die Einforderung der Stammeinlage nur mehr bei einem Gesellschafter in Betracht kam, vermag an der Gültigkeit der angeführten Grundsätze nichts zu ändern. Andernfalls würde im vorliegenden Fall das Ergebnis unterschiedlich ausfallen je nachdem, ob die Minderheitsgesellschafterin ihre Einlage bereits geleistet hat oder nicht. Im ersteren Fall wäre der Mehrheitsgesellschafter jedenfalls stimmberechtigt und könnte damit die Einforderung der Stammeinlage gegenüber allen Gesellschaftern verhindern. Warum der Fall anders zu beurteilen sein soll, wenn nur mehr die restliche Stammeinlage des Mehrheitsgesellschafters ausständig ist, ist nicht zu sehen, zumal dessen Interesse an der Verhinderung einer Einforderung der Stammeinlage in beiden Fällen gleich ist. Grenzen für die Stimmrechtsausübung eines Gesellschafters ergeben sich in diesem Fall nur wie sonst auch aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.

3.4. Im Übrigen besteht entgegen der Rechtsansicht des Revisionsrekurses auch im Kaduzierungsverfahren Raum für eine Beschlussfassung der Gesellschafter. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Satzung den Gesellschaftern eine entsprechende Beschlussfassung vorbehält (vgl Koppensteiner/Rüffler , GmbHG 3 § 66 Rz 5). Weiters gilt dies nach Koppensteiner/Rüffler (aaO) dann, wenn kein Einforderungsbeschluss der Gesellschafter vorliegt. Dies leiten Koppensteiner/Rüffler daraus ab, dass die Entscheidung zwischen Nichtgeltendmachung des Anspruchs, Prozessführung gegen den Gesellschafter oder Kaduzierung außergewöhnlicher Natur sei. Auf diese Frage ist im vorliegenden Fall jedoch nicht abschließend einzugehen.

4. Im vorliegenden Fall scheitert jedenfalls das Eintragungsbegehren der Gesellschaft an der Feststellung eines entsprechenden Beschlusses auf Einforderung der Stammeinlage. In der Auffassung des Rekursgerichts, dass im Hinblick darauf auch das folgende Kaduzierungsverfahren der gesetzlichen Grundlage entbehre, ist keine vom Obersten Gerichtshof im Sinne der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken.

5. Damit bringt die Revisionsrekurswerberin aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.