OGH vom 10.10.2002, 6Ob152/02z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu FN ***** eingetragenen Ö***** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in*****, über den Revisionsrekurs des Geschäftsführers DI Manfred P*****, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 27/02a, 4 R 28/02y-6, womit die Beschlüsse des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen als Handelsgerichtes Graz vom , GZ 27 Fr 11040/01w, 27 Fr 11041/01x-3, bestätigt wurden, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Rekurswerber ist seit Geschäftsführer der Gesellschaft mbH, deren Stichtag für den Jahresabschluss der 28. 2. ist. Am wurde über das Vermögen der Gesellschaft der Konkurs eröffnet. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss vom wurde der Konkurs nach rechtskräftiger Bestätigung des am angenommenen Zwangsausgleichs gemäß § 157 KO aufgehoben und ausgesprochen, dass alle die freie Verfügung der Gemeinschuldnerin beschränkenden Maßnahmen aufgehoben und der Masseverwalter seines Amtes enthoben werden.
Mit Beschlüssen vom forderte das Firmenbuchgericht den Geschäftsführer auf, binnen zwei Wochen den Jahresabschluss zum Stichtag für das Geschäftsjahr 1997/98 und zum Stichtag für das Geschäftsjahr 1998/99 gemäß §§ 277 ff HGB offen zu legen oder aber darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe. Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es die Verhängung von Zwangsstrafen bis zu je 10.000 ATS an. Diese Beschlüsse wurden dem Geschäftsführer am zugestellt.
Nach fruchtlosem Verstreichen der gesetzten Frist verhängte das Firmenbuchgericht über den Geschäftsführer die angedrohten Zwangsstrafen von jeweils 580 EUR und forderte ihn unter Androhung weiterer Zwangsstrafen von je bis zu 3.600 EUR sowie der Veröffentlichung in den Bekanntmachungsblättern auf, innerhalb von zwei Monaten nach Rechtskraft dem Auftrag zur Urkundenvorlage zu entsprechen.
Das Rekursgericht gab den Rekursen des Geschäftsführers nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Da die Organstellung des Geschäftsführers durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft unberührt geblieben sei, treffe ihn nach Aufhebung des Konkurses gemäß § 157 KO die Offenlegungspflicht. Nach bestätigtem Zwangsausgleich sei nämlich eine Fortsetzung der Gesellschaft möglich. Auch im Liquidationsfall sei Rechnung zu legen. Die Pflicht der Geschäftsführer zur Erstellung der Jahresabschlüsse sei mittels Zwangsstrafen durchsetzbar. Das Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung genüge. Die vom Rekurswerber ins Treffen geführten finanziellen Probleme könnten an seiner Rechnungslegungs- bzw Offenlegungspflicht ebensowenig ändern wie die Untätigkeit des Mehrheitsgesellschafters. Die Unmöglichkeit der Rechnungslegung sei nicht behauptet worden.
Mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Geschäftsführer die ersatzlose Behebung der Beschlüsse der Vorinstanzen.
Rechtliche Beurteilung
Sein Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, aber nicht berechtigt.
Der Revisionsrekurswerber steht auf dem Standpunkt, ihn treffe keine Pflicht, Jahresabschlüsse für vor der Konkurseröffnung liegende Geschäftsjahre "abzugeben", weil die Gesellschaft infolge der Konkurseröffnung als aufgelöst gelte, die Gesellschaft nicht fortgesetzt worden sei und auch nicht fortgesetzt werde. Außerdem habe er schon in seinen Rekursen geltend gemacht, dass weder er noch die Gesellschaft finanziell in der Lage seien, den Rechnungslegungsbzw Offenlegungspflichten nachzukommen.
Mit letzterem Einwand findet der Revisionsrekurswerber allerdings kein Gehör. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gilt die Neuerungserlaubnis des § 10 AußStrG im Zwangsstrafenverfahren nicht für Vorbringen, das im Verfahren erster Instanz bereits möglich war (6 Ob 295/01b; 6 Ob 275/00k; 6 Ob 225/98a ua; RIS-Justiz RS0006810). Im vorliegenden Fall hätte der Revisionsrekurswerber schon im erstinstanzlichen Verfahren vorbringen können, ihm und der Gesellschaft sei die abgeforderte Offenlegung aus finanziellen Gründen nicht möglich, war er ja doch mit den Strafandrohungsbeschlüssen nicht nur zur Offenlegung, sondern auch aufgefordert worden, darzutun, dass diese Verpflichtung nicht bestehe. Der Frage, ob der Einwand überhaupt beachtlich ist, braucht daher nicht nachgegangen zu werden.
Im Übrigen wurde erwogen:
Durch die Eröffnung des Konkurses wird die Gesellschaft mbH aufgelöst (§ 84 Abs 1 Z 4 GmbHG). Das weitere Verfahren richtet sich jedoch nicht nach §§ 89 ff GmbHG, sondern im Rahmen des Konkurszwecks nach Konkursrecht, weil neben der Verwertung des Gesellschaftsvermögens durch den Masseverwalter für Liquidatoren und deren Aufgaben kein Platz ist (Koppensteiner, GmbHG² § 89 Rz 8; Riel/Zehetner, ZIK 2001/185 [110, 111]). Die Gesellschaft besteht als Konkursgesellschaft weiter (vgl SZ 57/112 mwN). Insbesondere bleibt ihre Organisationsstruktur während des Konkursverfahrens erhalten; die Organe nehmen weiterhin ihre Funktionen wahr, soweit diese nicht vom Masseverwalter (etwa im Rahmen einer Unternehmensfortführung) verdrängt werden oder deren Ausübung dem Zweck des Konkurses zuwiderliefe (SZ 71/176; SZ 67/168; ZIK 1995, 61). Das Konkursende bedeutet nicht das Ende der Gesellschaft mbH. Da die Auflösungsfolge des § 84 Abs 1 Z 4 GmbHG fortbesteht, besteht sie als Abwicklungsgesellschaft weiter und unterliegt damit den §§ 89 ff GmbHG (Gellis/Feil, GmbHG4 § 84 Rz 5; vgl zum Parallelfall der Aktiengesellschaft: Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, Aktiengesetz³ § 203 Rz 16). Im vorliegenden Fall endete der Konkurs durch Aufhebung nach Abschluss eines Zwangsausgleichs (§ 157 KO). Analog zu § 215 Abs 2 erster Fall AktG ist diesfalls eine Fortsetzung der aufgelösten als werbende Gesellschaft möglich (SZ 15/2; SZ 37/137; 6 Ob 131/98b; 8 Ob 277/00v; Koppensteiner, aaO § 84 Rz 29 und 30). Da es zur Fortsetzung eines Gesellschafterbeschlusses bedarf (§ 215 Abs 1 AktG analog; 1 Ob 2014/96z; Koppensteiner aaO § 84 Rz 31) und die Auflösungsfolge des § 84 Abs 1 Z 4 GmbHG mit den Aufhebungswirkungen des § 157 KO nicht entfällt, bleibt es bei der Liquidation nach §§ 89 ff GmbHG, wenn es nicht zu einem Fortsetzungsbeschluss kommt (vgl Schiemer aaO § 203 Rz 16).
§ 91 Abs 1 GmbHG regelt die Rechnungslegung während des Liquidationsverfahrens. Danach haben die Liquidatoren eine Eröffnungsbilanz und weiterhin für jedes Geschäftsjahr einen Jahresabschluss und einen Lagebericht aufzustellen. Das bisherige Geschäftsjahr der Gesellschaft kann beibehalten werden (§ 91 Abs 1 GmbHG iVm § 211 Abs 1 letzter Halbsatz AktG). Für den Jahresabschluss und den Lagebericht gelten sinngemäß die §§ 125 Abs 1, 3 bis 6 und § 127 AktG und die §§ 222, 236, 237, 277 und 281 HGB (§ 91 Abs 1 GmbHG iVm § 211 Abs 2 AktG). Zur Befolgung des § 91 Abs 1 erster Satz GmbHG sind die Liquidatoren gemäß § 125 GmbHG vom Gericht durch Zwangsstrafen anzuhalten; § 283 Abs 2 HGB ist anzuwenden. Zum dem § 91 Abs 1 GmbHG parallelen § 211 AktG vertritt Schiemer (in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG³ § 211 Rz 4) aus körperschaftssteuerlichen Erwägungen die Auffassung, dass die Abwickler den noch ausstehenden Jahresabschluss für das der Auflösung vorangegangene Wirtschaftsjahr aufzustellen haben.
Eine dem § 91 Abs 1 GmbHG vergleichbare Regelung über die Rechnungslegung der in Abwicklung befindlichen Gesellschaft mbH enthält § 71 dGmbHG. Es ist für den Rechtsbereich der Bundesrepublik Deutschland unstreitig, dass die besonderen Vorschriften des § 71 dGmbHG die Rechnungslegungspflicht für die der Auflösung vorangegangene Zeit unberührt lassen. Eine Rechnungslegung für vor der Auflösung voll abgelaufene Geschäftsjahre ist daher erforderlich, wenn für diese noch kein Abschluss vorhanden sein sollte. Insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze (Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG9 § 71 Rz 7; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG17 § 71 Rz 3; Lutter/Hommelhoff, GmbHG15 § 71 Rz 8; Hüffer in Münchner KommzAktG² § 270 Rz 7).
Dieser Auffassung ist bei vergleichbarer Rechtslage auch für den
österreichischen Rechtsbereich zu folgen, weil es an einem
gesetzlichen Anhaltspunkt mangelt, der es zwingend erscheinen ließe,
aus § 91 Abs 1 GmbHG den Schluss zu ziehen, eine
Rechnungslegungspflicht für die der Auflösung vorausgegangene Zeit
entfalle. Der Senat hat in seiner Entscheidung 6 Ob 25/01x = ZIK
2001, 123 = RdW 2001, 596 = GesRZ 2001, 193 = Wbl 2002, 86
ausgeführt, dass während des Konkurses einer Gesellschaft mbH die Buchführungs- und Bilanzierungspflicht der Gesellschaft nicht den Geschäftsführer, sondern den Masseverwalter auch für den Zeitraum vor der Konkurseröffnung unabhängig davon treffe, ob das Unternehmen fortgeführt wird oder nicht. Im Grundsatz ist damit die Verpflichtung zur Aufstellung des Jahresabschlusses für Geschäftsjahre vor der Auflösung bereits bejaht worden.
Zuständig für die Aufstellung eines nicht vorhandenen Jahresabschlusses für ein vor der Auflösung voll abgelaufenes Geschäftsjahr sind während der Liquidation die Liquidatoren. Das Amt der Geschäftsführer erlischt mit der Auflösung, im Fall der Auflösung durch Konkurs mit dem Konkursende. Dadurch verlieren die Geschäftsführer auch die Zuständigkeit für die Buchführung (§ 22 Abs 1 GmbHG) und Bilanzierung (§ 222 Abs 1 HGB) (vgl RdW 1990, 343). Daher müssen die Liquidatoren den (die) ausstehenden Jahresabschluss (Jahresabschlüsse) (§§ 222 ff HGB) und den Lagebericht (§ 243 HGB) - letzteren sofern die Gesellschaft mbH nicht eine im Sinn des § 221 Abs 1 HGB kleine Gesellschaft ist (§ 243 Abs 3 HGB) - der werbenden Gesellschaft aufstellen (§ 91 Abs 1 GmbHG analog; vgl Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG9 § 71 Rz 7; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG17 § 71 Rz 2; Hüffer in Münchner KommzAktG² § 270 Rz 10; Schiemer in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG³ § 211 Rz 4).
Liquidator ist im vorliegenden Fall der Revisionsrekurswerber. Er hat sein Geschäftsführeramt durch die Konkurseröffnung nicht verloren. Gemäß § 89 Abs 2 GmbHG treten als Liquidatoren die Geschäftsführer ein, wenn - was im vorliegenden Fall nicht zutrifft - nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluss der Gesellschafter eine oder mehrere Personen dazu bestellt werden. Er hat daher die Jahresabschlüsse für vor der Auflösung liegende Geschäftsjahre, die hier Gegenstand des Zwangsstrafenverfahrens sind, aufzustellen, wenn sie noch nicht aufgestellt sind.
Die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften haben nach Maßgabe der §§ 277 ff HGB den Jahresabschluss und andere Urkunden spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht des Sitzes der Kapitalgesellschaft einzureichen (Offenlegung, § 277 Abs 1 HGB). Zur Befolgung der Offenlegungspflicht sind gemäß § 283 Abs 1 HGB die Vorstandsmitglieder (Geschäftsführer) oder die Abwickler durch Zwangsstrafen anzuhalten. Daraus erhellt, dass die Offenlegungspflicht der Rechnungspflicht folgt. Da die Gesellschaft mbH in Liquidation auch für voll abgelaufene Geschäftsjahre vor der Auflösung rechnungspflichtig ist, besteht auch die Pflicht zur Offenlegung nach §§ 277 ff HGB, zu deren Befolgung die Liquidatoren gemäß § 283 HGB mit Zwangsstrafen anzuhalten sind. Mittelbar wird mit der Erzwingung der Offenlegungspflicht auch die Aufstellung von Jahresabschluss und Lagebericht erzwingbar (Lechner in Straube, HGB II² § 283 Rz 3).
Da der Revisionsrekurswerber als nunmehriger Liquidator der Gesellschaft mbH zur Offenlegung des Jahresabschlusses der Geschäftsjahre 1997/98 und 1998/99 zuständig ist, wurde er - weil er diese Pflicht nicht befolgte - zu Recht hiezu mit Zwangsstrafen angehalten. Seinem Rechtsmittel war daher ein Erfolg zu versagen.