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OGH vom 03.12.1974, 3Ob174/74

OGH vom 03.12.1974, 3Ob174/74

Norm

ABGB § 36;

ABGB § 880a;

Handelsgesetzbuch § 377;

Kopf

SZ 47/138

Spruch

Folgt der hiezu bevollmächtigte Zwischenhändler den von einer ausländischen Lieferfirma stammenden Garantieschein im Inland dem Kunden aus, wird ein Vertrag unter Anwesenden (nicht unter Abwesenden) geschlossen

Im echten Garantievertrag verpflichtet sich jemand für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder die Gefahr eines künftigen, noch nicht entstandenen Schadens zu übernehmen. Dieser im ABGB nicht geregelte selbständige(einseitige) Vertrag hat - auch im Zusammenhang mit Kauf- und Werkverträgen abgeschlossen - zur Voraussetzung, daß der garantierte Erfolg weiter geht als die bloß vertragsmäßige Leistung

Durch den echten Garantievertrag wird eine selbständige Schuld begrundet. Eine Rügepflicht nach § 377 HGB besteht daher nicht

(OLG Graz 5 R 51/74; LGZ Graz 7 Cg 41/71)

Text

Der Kläger kaufte am bei Ing. Josef T, Maschinen Importe, Handel und Verkauf in L, eine Soft-Eismaschine Marke G C 220 Volt, Tischmodell, zweigruppig mit Mischbatterie T 682 zum Preis von 70.000 S, die dieser im Feber 1969 von der Firma G C Etablissement in V bezogen hatte. Erzeugerin der Speiseeismaschine ist die Beklagte. Am wurde die Speiseeismaschine geliefert und von dem entsandten Monteur des Ing. Josef T im Geschäft des Klägers aufgestellt. Dieser erteilte dem Kläger auch die nötige Bedienungsanleitung und folgte ihm nach Unterfertigung und Einsetzung des Lieferdatums den Garantieschein aus, der außer der genauen Typenbezeichnung der Speiseeismaschine folgenden Wortlaut hat:

"Garantie 1 Jahr (ein Jahr) ausgehend vom Tag der Lieferung.

Die Firma G C garantiert den kostenlosen Austausch für alle Teile des Gerätes, welche durch Material- oder Produktionsfehler die einwandfreie Funktion des Gerätes beeinträchtigen. Die Kosten für Weg- und Arbeitszeit sind jedoch zu Lasten des Kunden. Die Garantie erlischt, wenn durch eine Person, die nicht durch die Firma G C dazu beauftragt ist, Reparatur- oder Adjustierarbeiten an dem Gerät vorgenommen werden. Lieferung: ."

Dieser Vorgang bei der Lieferung der Speiseeismaschine (Ausfolgung des Garantiescheins) wurde von Ing. T auch anderen Bestellern gegenüber eingehalten.

Bald nachdem sich der Zusteller (Monteur) des Ing. Josef T entfernt hatte stellte die Eismaschine die Eiserzeugung ein und erzeugte nur noch, eine wasserige Flüssigkeit. Der Kläger rügte hierauf bereits am gegenüber einer Angestellten des Ing. Josef T den aufgetretenen Mangel und verlangte dessen Behebung. Der Kläger wurde hierauf angewiesen, die Maschine so lange abzuschalten, bis jemand komme, sie zu reparieren. Als in der Folgezeit niemand erschien, um die Maschine wieder betriebsfähig zu machen, erhob der Kläger mit den Schreiben vom 31. Juli und neuerlich gegenüber Ing. Josef T Mängelrüge und forderte diesen auf, die Maschine in einen betriebsfähigen Zustand zu versetzen. Als Ing. Josef T auch auf diese Schreiben nicht reagierte, forderte ihn der damalige Rechtsvertreter des Klägers Dr. Raimund O mit Schreiben vom zur Mängelbehebung auf, setzte ihm eine Frist bis und erklärte für den Fall, als Ing. Josef T bis dahin die Mängel nicht behoben haben sollte, vom Vertrag zurückzutreten. Obwohl Ing. Josef T auch auf dieses Schreiben nicht reagierte, behielt der Kläger die Speiseeismaschine. Ing. Josef T leitete die Mängelrüge des Klägers nicht an die Beklagte weiter. Der Fehler der Speiseeismaschine liegt im Kühlaggregat, das zu hohe Temperaturen erreicht, wodurch der Temperaturwächter abschaltet und die Kühlung unterbricht. Der Mangel kann durch den Austausch des Kühlaggregates behoben werden.

Zwischen den Streitteilen bestand über den Ankauf und die Lieferung der Speiseeismaschine keine Geschäftsverbindung. Auch Ing. Josef T stand mit der Beklagten in keinerlei Rechtsbeziehungen und war insbesondere nicht deren Repräsentant in Österreich. Mit Beschluß des Landesgerichtes L vom wurde über das Vermögen des Ing. Josef T das Konkursverfahren eröffnet.

Das Erstgericht wies auf Grund dieses Sachverhaltes das auf Austausch des Kühlaggregates ("lediglich gegen Ersatz der Kosten für Weg- und Arbeitszeit, sonst jedoch unentgeltlich") gerichtete Klagebegehren ab. Es war der Ansicht, daß der Kläger im Hinblick auf die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Ing. Josef T zwar berechtigt gewesen sei, Gewährleistungsansprüche direkt gegen die Erzeugefirma der Speiseeismaschine (Beklagte) zu erheben. Zur Wahrung seiner Gewährleistungsansprüche hätte er aber nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Ing. Josef T der Beklagten gegenüber Mängelrüge erheben müssen. Dies habe jedoch der Kläger unterlassen. Die von ihm gegenüber dem Zwischenhändler erhobene Mängelrüge sei in Ansehung der Beklagten unwirksam, weil dieser weder deren Repräsentant noch deren Erfüllungsgehilfe gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 50.000 S übersteigt. Es war der Ansicht, daß ein rechtswirksamer Vertragsrücktritt des Klägers bezüglich der gekauften Speiseeismaschine nicht vorliege, weil ein solcher nach Übernahme der geschuldeten Leistung (verkauften Sache) nicht mehr möglich sei. Eine allenfalls vom Kläger vorgenommene Wandlung sei hingegen deshalb nicht wirksam, weil der Mangel der gelieferten Speiseeismaschine nicht unbehebbar sei (§ 932 ABGB). Im übrigen war auch das Berufungsgericht der Ansicht, daß der Kläger seine Gewährleistungsansprüche mangels rechtzeitiger, der Beklagten gegenüber erhobener Mängelrüge verloren habe.

Der Oberste Gerichtshof erkannte in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen nach dem Klagebegehren.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Hinblick auf die vom Revisionswerber gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge ist die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes nach allen Richtungen und nicht bloß im Rahmen der Revisionsausführungen zu überprüfen (Fasching IV, 323; JBl. 1950, 140; ZfRV 1971, 45 u. a.). Zu den von Amts wegen zu prüfenden Fragen gehört aber auch die des anzuwendenden Rechtes, wenn nach den österreichischen Bestimmungen des Internationalen Privatrechtes Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß die Sache dem ausländischen Rechte unterfallen könnte (SZ 44/177; JBl. 1971, 39; ZVR 1973/179; zuletzt 1 Ob 43/74). Solche Anhaltspunkte bestehen aber immer, wenn Gegenstand des Rechtsstreites Verträge sind, die zwischen einem im Ausland befindlichen Ausländer und einem im Inland befindlichen Inländer abgeschlossen wurden. Hier kam - wie noch hervorzuheben sein wird - der Garantievertrag, aus dem der Revisionswerber seine Rechte ableitet, im Inland durch die Ausfolgung des Garantiescheins der Beklagten durch den hiezu schlüssig bevollmächtigten Zwischenhandler (Ing. Josef T) an den Revisionswerber zustande. In einem solchen Fall liegt aber ein Vertragsabschluß unter Anwesenden vor (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 64). Es kommt daher der nur für den Vertragsabschluß unter Abwesenden (Korrespondenzvertrag) entwickelte Grundsatz, daß als Abschlußort in der Regel der Wohnort des Antragstellers zu betrachten ist (Klang[2] I/1, 239; SZ 29/22, HS 731, 2075, 5508 u. a m.) nicht zur Anwendung (HS 6531). Wenn daher die Untergerichte österreichisches Recht angewendet haben, so war dies im Hinblick auf die Bestimmung des § 36 ABGB richtig.

Zutreffend hebt das Berufungsgericht hervor, daß ein rechtswirksamer Rücktritt des Revisionswerbers vom Kaufvertrag nach § 918 ABGB nicht mehr erfolgen konnte. Wird nämlich die Leistung vorbehaltlos als Erfüllung angenommen, so können nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wegen aufgetretener Mängel nur mehr Gewährleistungsanspruche geltend gemacht werden; ein Vertragsrücktritt nach § 918 ABGB ist jedoch nicht mehr möglich (SZ 26/113, 43/152; JBl. 1964, 565; 1966, 562 u. a. m.).

Zur Wandlung nach § 932 ABGB bedarf es hingegen mangels Vorhandenseins einer Parteienübereinkunft eines gerichtlichen Erkenntnisses. Denn erst durch ein solches Erkenntnis, das die Wandlung für berechtigt erklärt, wird der Vertrag ex tunc aufgehoben (Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 540). Die bloße Androhung der Wandlung für den Fall, daß vorhandene Mängel einer Sache vom Verkäufer nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist behoben werden sollten, bewirkt daher, auch wenn dieser der Aufforderung nicht nachkommt, noch nicht eine rückwirkende Aufhebung des Vertrages. Der vom Revisionswerber in seinem Schreiben vom erklärte Vertragsrücktritt war daher nicht geeignet, die Wandlung des gegenständlichen Kaufvertrages herbeizuführen.

Beizupflichten ist auch den Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß die in dem Garantieschein enthaltene Garantiezusage der Beklagten nicht an den Zwischenhändler, sondern an den Letztverbraucher gerichtet ist. Dies ergibt sich ganz eindeutig schon aus dem Umstand, daß die Beklagte mit der Ware den hinsichtlich des Lieferdatums nicht ausgefüllten Garantieschein an den jeweiligen Zwischenhändler übersandte, der diesen bei der Lieferung des Gerätes zu unterfertigen und dem Käufer auszufolgen hatte. Auch der Inhalt der Garantie, die sich auf den Austausch aller Teile des Gerätes (Eismaschine) erstreckt, welche durch Material- oder Produktionsfehler dessen einwandfreies Funktionieren beeinträchtigen, spricht eindeutig dafür, daß diese dem Letztverbraucher gewährt wird. Derartige Funktionsstörungen treten nämlich in der Regel nur mit dem dauernden Gebrauch des Gerätes auf, der durch den Letztverbraucher erfolgt. Auch nach dem Wortlaut der Garantieerklärung (Garantie ein Jahr, ausgehend vom Tag der Lieferung) kann es keinem Zweifel unterliegen, daß diese für den Letztverbraucher bestimmt ist.

Die Annahme des Garantieversprechens der Beklagten durch den Revisionswerber erfolgte, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, durch die Übernahme des Garantiescheins im Zusammenhang mit der gleichzeitig gelieferten Eismaschine. Damit kam es aber zwischen den Streitteilen zum Abschluß eines echten Garantievertrages, der auch konkludent vereinbart werden kann (Godin in RGR-Komm. z. HGB [2] III, 211). Zum Abschluß eines solchen Vertrages wurde der Zwischenhändler insofern stillschweigend bevollmächtigt, als ihm die Beklagte den jeweiligen Garantieschein mit der gelieferten Maschine übermittelte, der ihn auszufüllen und an den Letztverbraucher auszufolgen hatte.

In einem echten Garantievertrag verpflichtet sich jemand für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen oder die Gefahr eines künftigen noch nicht entstandenen Schadens zu übernehmen (Schlegelberger,HGB[4],1604; Baumbach - Duden HGB[21], 611; Klang[2] VI, 203; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechtes[3] I, 229). Hiebei handelt es sich um einen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch nicht geregelten selbständigen (einseitigen) Vertrag, der auch im Zusammenhang mit Kauf- und Werkverträgen abgeschlossen werden kann und zur Voraussetzung hat, daß der garantierte Erfolg weiter geht als die bloß vertragsgemäße Leistung (Schlegelberger[4], 1604; RGZ 90/415, 146/120; NJW 1958/1483). Dies ist aber hier der Fall, weil die Beklagte dafür garantierte, daß innerhalb der Garantiefrist an der gelieferten Speiseeismaschine Funktionsstörungen nicht eintreten werden und sich damit verpflichtete, für einen bestimmten Erfolg einzustehen.

Mit Recht bekämpft hingegen der Revisionswerber die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß er nach § 377 HGB verpflichtet gewesen wäre, auch der Beklagten gegenüber Mängelrüge zu erheben, sobald für ihn festgestanden sei, daß er von Ing. Josef T die Erfüllung seiner Gewährleistungsansprüche nicht mehr erwarten könne. Das Berufungsgericht verwechselt den zwischen den Streitteilen konkludent abgeschlossenen (echten) Garantievertrag mit einem in Verbindung mit Kauf- und Werkverträgen häufig vorkommenden unechten Garantievertrag - auch Garantiezusage genannt -, der einen Bestandteil des Hauptvertrages bildet und daher nach den für diesen geltenden Regeln zu beurteilen ist (Schlegelberger, 1605; Godin in RGR Komm. z. HGB[2] III, 209; Klang [2] VI, 203, RGZ 146/120). Der echte Garantievertrag hingegen bewirkt die Begründung einer selbständigen Schuld, die von der Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldners unabhängig ist(Schlegelberger, 1604; Baumbach - Duden, 611; Klang [2] VI, 203; RGZ 90/415). Der Gläubiger eines solchen Schuldverhältnisses ist daher nicht verpflichtet, dem Garantieübernehmer gegenüber Mängelrüge nach § 377 HGB zu erheben, weil ihm ein im Garantievertrag wurzelnder Anspruch zusteht, der mit einem Gewährleistungsanspruch nicht identisch ist, sondern über diesen in der Regel hinausgeht (Schlegelberger, 1605, Godin in RGR-Komm. z. HGB[2] III, 211; Brüggemann - Würdinger, Großkomm. z. HGB[3] IV, 534; RGZ 146/120). Auch im vorliegenden Fall ist daher die Beklagte verpflichtet, den Revisionswerber im Hinblick auf das Ausbleiben des garantierten Erfolges so zu stellen als ob dieser eingetreten wäre (NJW 1958/1483; vgl. auch 1 Ob 22/73, 7 Ob 170/73). Der Klagsanspruch erweist sich somit als berechtigt.