Keine rückwirkende Haftung des faktischen Geschäftsführers, kein Abgabenrückstand zufolge Aufhebung des Widerrufs der Löschung
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze | |
RV/0761-W/13-RS1 | Eine Rückwirkung auf Pflichtverletzungen faktischer Machthaber vor dem ist mangels gesetzlicher Normierung von Pflichten vom § 9a BAO nicht erfasst. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Haftung gemäß § 9a BAO entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum_1 wurde der über das Vermögen der K-GmbH beantragte Konkurs abgewiesen. Am Datum_2 erfolgte die amtswegige Löschung im Firmenbuch wegen Vermögenslosigkeit.
Mit Bescheid vom wurde die am durchgeführte Löschung von Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Höhe von € 40.980,12 widerrufen.
In der Folge wurde mit Haftungsbescheid vom der Berufungswerber (Bw.) als Haftungspflichtiger für aushaftende Abgaben der GmbH in Höhe von € 40.541,12 in Anspruch genommen. Dagegen sowie gegen den Bescheid betreffend Widerruf der Löschung richteten sich die Berufungen des Bw. vom .
Da in der Zwischenzeit der Berufung betreffend Widerruf der Löschung mit Berufungsentscheidung vom stattgegeben wurde (UFS RV/0241-W/12), hob der Unabhängige Finanzsenat mit Berufungsentscheidung vom den Haftungsbescheid mangels aushaftenden Rückstandes ebenfalls auf (UFS RV/0448-W/12).
Daraufhin wurde mit Bescheid vom die am durchgeführte Löschung von Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft in Höhe von € 40.980,12 erneut widerrufen. Begründend wurde diesmal vorgebracht, dass durch die Aufnahme des § 9a in die Bundesabgabenordnung per nunmehr die Möglichkeit bestehe, auf den im Zivilprozess (Bezirksgericht Innere Stadt, GZ. XY) genannten faktischen Geschäftsführer zuzugreifen.
Des Weiteren wurde der Bw. mit Bescheid vom gemäß § 9a BAO als faktischer Geschäftsführer der K-GmbH für Abgaben in der Höhe von € 40.541,12, nämlich
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabe | Betrag |
Umsatzsteuer 2007 | 20.559,09 |
Umsatzsteuer 2008 | 17.637,92 |
Säumniszuschläge 2008 und 2009 | 2.344,11 |
zur Haftung herangezogen, da diese infolge seiner Einflussnahme auf die Erfüllung der Pflichten des handelsrechtlichen Geschäftsführers nicht hätten eingebracht werden können. Wie im Gerichtsverfahren zur Zahl XY bekannt geworden wäre, hätte der Bw. als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft fungiert und wäre daher gemäß § 18 GmbHG zu deren Vertretung berufen gewesen.
In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wandte der Bw. ein, dass für die haftungsgegenständlichen Abgaben alleine der handelsrechtliche Geschäftsführer der GmbH XY hafte.
Ein Gerichtsverfahren zur Zahl XY wäre ihm nicht bekannt. Auch von welchem Gericht ein Verfahren mit dieser Nummer geführt (worden) wäre, werde ihm nicht mitgeteilt. Weiters müsste er davon Kenntnis erlangt haben, dass er in einem Gerichtsverfahren als Geschäftsführer der Gesellschaft genannt worden wäre.
Der Unabhängige Finanzsenat hätte über seine Berufung vom gegen den Bescheid des Finanzamtes vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO iVm § 80 BAO zur Zahl RV/0448-W/12 seiner Berufung stattgegeben und den angefochtenen Haftungsbescheid aufgehoben. Dagegen hätte die Abgabenbehörde keine Beschwerde an den VwGH erhoben. Aus der Begründung der Berufungsentscheidung gehe hervor, dass am Abgabenkonto der Primärschuldnerin kein Rückstand aushafte, was auch neuerlich durch die Löschung von Abgabenschuldigkeiten von € 43.890,84 des Finanzamtes vom bestätigt worden wäre.
Eine Haftung als ehemaliger Liquidator für nicht entrichtete Abgaben der GmbH trete ein, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen würden, es sei denn, er weise nach, dass er die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt hätte als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten. Auf dem Bw. als Vertreter laste auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote und des Betrages, der bei anteiliger Befriedigung der Forderungen der Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (). Da ihm mangels Mittel und Vermögen der GmbH keine Mittel zur Entrichtung von Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft zur Verfügung gestanden wären, hätte auch keine anteilige Befriedigung der Abgabenschuldigkeiten erfolgen können.
Abschließend beantragte der Bw. die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
Über die Berufung wurde erwogen:
Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff. BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss gemäß § 9a Abs. 1 BAO dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.
Die in Abs. 1 bezeichneten Personen haften gemäß § 9a Abs. 2 BAO für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können.
Aus der Aktenlage ist zunächst festzustellen, dass der mit Bescheid vom zum Zwecke der Haftungsinanspruchnahme des Bw. erfolgte Widerruf der Löschung mit Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0750-W/13, aufgehoben wurde, sodass die am durchgeführte Löschung des Abgabenrückstandes der K-GmbH rechtswirksam ist.
Auf dem Abgabenkonto der Primärschuldnerin haftet daher nunmehr kein Rückstand aus.
Die Geltendmachung einer Haftung setzt aber unter anderem voraus, dass eine Abgabenschuld entstanden und noch nicht erloschen ist (). Durch die Löschung nach § 235 BAO iVm § 294 BAO erlischt der Abgabenanspruch. Für gelöschte Abgabenansprüche kann keine Haftung geltend gemacht werden ().
Da somit im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung kein Abgabenanspruch gegen die Primärschuldnerin besteht, eine neue Tatsache, auf die gemäß § 280 BAO im Berufungsverfahren Bedacht zu nehmen ist, erweist sich die Haftungsinanspruchnahme des Bw. schon aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung als rechtswidrig.
Obwohl daher weitere Ausführungen zum Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen nach § 9a BAO unterbleiben können, wird lediglich informativ darauf hingewiesen, dass eine abgabenrechtliche Pflicht im Sinne des § 9a BAO erst mit in Kraft trat und daher auch erst ab diesem Zeitpunkt eine entsprechende Pflichtverletzung durch Erlassung eines Haftungsbescheides nach § 9a BAO geahndet werden kann. Eine Rückwirkung auf Pflichtverletzungen faktischer Machthaber (Einfluss nehmender Personen) vor dem ist vom § 9a BAO nicht erfasst, daher auch nicht für die im gegenständlichen Fall betroffenen Abgaben aus den Jahren 2007 bis 2009.
Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung, im Vorlageantrag oder in der Beitrittserklärung beantragt wird.
Zum Antrag des Bw. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass der Bw. durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () zwar in seinem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, 70) wurde jedoch in Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass der Unabhängige Finanzsenat bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 9a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | UFSjournal 5/2013, 183 StExp 2013/278 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at