Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.04.2020, RV/1100223/2018

ImmoESt nach Aberkennung der Hauptwohnsitzbefreiung - Vorschreibung der bf. Veräußerin im Wege der Veranlagung oder entsprechende Haftungsinanspruchnahme des Parteienvertreters?

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. W in der Beschwerdesache der Bf., Gde X, T-Straße-xx/Top-y, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Y, GDe Y, L-Straße-yy, vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2016 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
 

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom erwarb die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) eine sich im Rohbau befindliche Wohnung im Mehrfamilienhaus, Gde X, F-Straße-zz, konkret ab/cdef Anteile B-LNR-x, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnungseigentumseinheit W XY, an der efg m2 großen Liegenschaft EZ rst Grundbuch abcde X, bestehend aus dem GSt. xyz/k. Nach Fertigstellung im Sommer 2001 diente diese Eigentumswohnung der Bf. vom bis als Hauptwohnsitz (vgl. entsprechende Abfrage im Zentralen Melderegister). Ab wurde die gegenständliche Wohnung vermietet (ihren Hauptwohnsitz hat die Bf. nach T verlegt) und schließlich mit Kaufvertrag vom verkauft. Der diesbezügliche Kaufpreis betrug insgesamt pauschal 245.000,00 €. Nach Pkt. 5.4 dieses Kaufvertrages fällt bei der Veräußerung der vertragsgegenständlichen Liegenschaft keine Immobilienertragssteuer (in der Folge kurz: ImmoESt) an, da die Verkäuferin (die Bf.) die Liegenschaftsanteile seit dem Kauf und Bezugsfertigstellung mindestens zwei Jahre selbst bewohnt und als Hauptwohnsitz benutzt habe; die Verkäuferin bestätigt mit Unterfertigung des Vertrages die Richtigkeit der Angaben zur Ermittlung der ImmoESt.

Im Rahmen eines abgabenbehördlichen Vorhalteverfahrens (vgl. das Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom , wonach die Bf. ersucht wurde, den Sachverhalt im Hinblick auf die in Anspruch genommene Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 zu erläutern) erklärte die Bf. mit Schreiben vom ua., dass ihr die Wohnung im Zeitraum ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient habe (August 2001 bis August 2010) und auch die Toleranzfrist von einem Jahr, was die Begründung des Hauptwohnsitzes für die Befreiung nach der Zweijahresregelung anbelange, erfüllt sei.

Das Finanzamt veranlagte in der Folge die Bf. mit Bescheid vom zur Einkommensteuer für das Jahr 2016 und bezog dabei eine Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen in die Einkommensteuerberechnung ein; dabei ermittelte es die Bemessungsgrundlage (den Veräußerungsgewinn) für die Versteuerung des gegenständlichen Liegenschaftsanteilsverkaufes gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 - unter Zugrundelegung eines Veräußerungserlöses iHv 245.000,00 € und von Anschaffungskosten in Höhe 86% dieses Veräußerungserlöses im Betrage von 210.700,00 € - mit 34.300,00 € und folgedessen die vorgeschriebene Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen - bei einem besonderen Steuersatz von 30% - mit 10.290,00 €. Zur Begründung führte es aus, dass gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 die Wohnung ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben müsse. Nachdem die Bf. ihren Hauptwohnsitz vom bis in der F-Straße-zz/Top-x gehabt habe und die Wohnung im Dezember 2016 veräußert worden sei, habe sie ihren Hauptwohnsitz nicht durchgehend von der Anschaffung bis zur Veräußerung in der F-Straße-zz/Top-x gehabt und stünde ihr sohin die Hauptwohnsitzbefreiung nicht zu.

Ua. gegen diesen Einkommensteuerbescheid 2016 vom wurde von der Bf. mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben. Sie brachte dabei Nachstehendes begründend vor:

"Mit Kaufvertrag vom habe ich die gegenständliche Wohnung in X, F-Straße-zz Top XY, verkauft. Diese Wohnung - damals noch im Rohbau - habe ich mit Kaufvertrag vom erworben. Sofort nach Fertigstellung des Neubaus im Sommer 2001 bin ich eingezogen und habe diese in der Zeit vom bis als Hauptwohnsitz verwendet. Mit habe ich die Wohnung dann vermietet und meinen Hauptwohnsitz nach T verlegt.

Der Kaufvertrag vom wurde vom Rechtsanwalt im Auftrag der XYZ GmbH erstellt. Eine Kontaktaufnahme mit mir als Verkäuferin durch den Rechtsanwalt erfolgte NICHT. Die Unterfertigung (Beglaubigung) erfolgte beim Notar. In diesem Kaufvertrag beantragte der Rechtsanwalt die Hauptwohnsitzbefreiung ohne mit mir darüber vorab gesprochen zu haben. Leider habe ich dies zum Zeitpunkt der Unterfertigung des Kaufvertrages nicht bemerkt. Es fand auch keine Besprechung oder Erläuterung dazu, wie vorab erwähnt, statt.

Als Treuhänder hat er den Kaufpreis bis zur Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch verwaltet, die Immobilienertragsteuer war zu diesem Zeitpunkt in seiner Verfügungsmacht.

Die Einhebung/Abfuhr der Einkommensteuer für Grundstücksveräußerungen im privaten Bereich erfolgt wie im Grunderwerbsteuergesetz grundsätzlich durch Parteienvertreter/-innen. Zwingend ist dies in allen Fällen vorgesehen, in denen der/die Parteienvertreter/-in auch die Grunderwerbsteuer der/des Erwerbers/-in selbst berechnet. Somit war er auch verpflichtet, dem für die Erhebung der Einkommensteuer der Veräußerin zuständigen Finanzamt Mitteilung zu machen und auch die ImmoESt in Höhe von 4,2% des Veräußerungserlöses abzuführen. Für die Entrichtung der ImmoESt durch den Parteienvertreter unterliegt er einer Abfuhrhaftung.

Ich bin steuerlich nicht bewandert und habe mich auf die Angaben des Rechtsanwaltes im Kaufvertrag verlassen. Eine Besprechung bzw. Erörterung mit dem Parteienvertreter fand niemals statt. Eine Unterfertigung des Kaufvertrages erfolgte beim Notar. Erst mit Ihrem Schreiben vom (Ersuchen um Ergänzung) erlangte ich erstmals Kenntnis von der Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung.

Meines Wissens wurde der Kaufvertrag der Abgabenbehörde anlässlich der Vergebührung spätestens am 17. Jänner 2017 vorgelegt. Ihre Anfrage erfolgte am 21. Februar 2018 und somit über ein Jahr später. Im Sinne des Vertrauensschutzes musste ich nach dieser langen Zeit nicht mehr damit rechnen bzw. konnte mich auf die Angaben des steuerlich für die Abfuhr der ImmoESt haftenden Parteienvertreters verlassen.

Mit dem Veräußerungserlös habe ich eine neue Eigentumswohnung Top 13 in X, T-Straße-xx, erworben. Wäre die ImmoESt damals korrekt vom Parteienvertreter abgeführt worden - zu deren Abfuhr er auch gesetzlich verpflichtet war -, hätte ich von ihm einen um diesen Betrag verminderten Veräußerungserlös erhalten.

Im Sinne meiner Angaben ersuche ich daher um Geltendmachung der Abfuhrhaftung gegenüber dem damaligen Parteienvertreter sowie um Stattgabe meiner Berufung."

Das Finanzamt wies die gegenständliche Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab (auf die entsprechenden begründenden Ausführungen der Abgabenbehörde wird an dieser Stelle verwiesen).

Dagegen stellte die Bf. m it Anbringen vom einen Antrag auf Vorlage der gegenständlichen Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, womit diese wiederum als unerledigt galt. Dabei führte sie in Erwiderung zu den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung noch Folgendes (wörtlich) aus:

"Mit der bekämpften Beschwerdevorentscheidung wurde meine Beschwerde mit der Begründung (abgewiesen), dass nach dem Prinzip der Subsidiarität die Geltendmachung der Haftung gegenüber der Inanspruchnahme des Schuldners NACH ANSICHT DES FINANZAMTES nachrangig sein soll.

Festgehalten wurde noch, dass mit dem StabG 2012 den Parteienvertretern nicht nur umfassende Mitteilungs- und Berechnungspflichten, sondern auch eine Haftung auferlegt wurde. Berechnen sie die GrESt und in weiterer Folge die ImmoESt selbst, haften sie für die rechtzeitige Abfuhr der ImmoESt (§ 30c Abs. 3 erster Satz EStG).

Gerade dieser Hinweis impliziert aber, dass eine Haftung gegenüber einem Parteienvertreter, der die ImmoEst falsch oder überhaupt nicht berechnet, geltend zu machen ist. Lapidar wird ein Prinzip der Subsidiarität angeführt, aber nicht weiter begründet. Erstaunlich ist auch der Hinweis, dass es sich dabei um die Ansicht des Finanzamtes handelt. Worauf diese Ansicht sich gründet, findet überhaupt keine Erläuterung.

Zum Zeitpunkt der Veräußerung war der Betrag für die ImmoESt - wäre sie denn korrekt berechnet worden - noch vorhanden und hätte der Parteienvertreter bei entsprechender Sorgfalt für die Entrichtung und Abfuhr Sorge tragen können bzw. müssen.

Wie ich bereits mehrfach erklärt und worauf ich auch etliche Male hingewiesen habe, ist, dass von Seiten des mit der Erstellung des Kaufvertrages beauftragten Parteienvertreters - der von der XYZ GmbH und nicht von mir als Verkäuferin namhaft gemacht wurde - keine Gespräche (bis auf die telefonische Meldung eines Fehlers in der Adressierung meinerseits) und Abklärungen hinsichtlich der Immobilienertragssteuer stattfanden. Die Unterfertigung des Kaufvertrages erfolgte beim Notar.

Unter Berücksichtigung der besonderen Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwaltes hätte dieser mit mir als Verkäuferin die Bestimmungen der ImmoESt erläutern sollen. Stattdessen hat er ohne mein Wissen die Hauptwohnsitzbefreiung beantragt und die Berechnung und Abfuhr derselbigen unterlassen. Der Kaufpreis lag damals aber noch auf dem für den Verkauf eingerichteten Treuhandkonto und somit eindeutig in seiner Verfügungsmacht. Ich hatte keinen Zugriff darauf.

Von den gesetzlichen Bestimmungen der Immobilienertragssteuer hatte ich zum Zeitpunkt des Verkaufes und bis zum Zeitpunkt Ihres ersten Ersuchens um Ergänzung keine Ahnung. Im Sinne des Vertrauensschutzes und der an Parteienvertreter im Sinne des StabG auferlegten umfassenden Mitteilungs- und Berechnungspflichten konnte ich mich jedoch auf dessen Ausführungen verlassen. Es wäre deswegen gerade in seiner Verantwortung gelegen, die Bestimmungen mit mir zu besprechen und entsprechende Handlungen vorzunehmen. Stattdessen drängt sich mir hinterher der Verdacht auf, dass in meinem Fall ein standardisierter Kaufvertrag zum Zuge kam und die Hauptwohnsitzbefreiung einfach beantragt wurde in der Voraussicht, dass dem Parteienvertreter nichts passieren könne.

Gerade hier irrt aber die belangte Abgabenbehörde, verkennt sie doch in nicht gesetzeskonformer Weise die den Parteienvertretern expliziert auferlegte Haftung.

Die Haftung ist in § 9 der Bundesabgabenordnung geregelt und besagt, dass gerade die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit (haften), als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Als Abwickler des Verkaufsgeschäftes war der Rechtsanwalt somit Vertreter gemäß §§ 80 ff BAO.

Gerade aber diese beiden Voraussetzungen liegen im gegenständlichen zweifelsfrei vor.

Schreibt doch die belangte Abgabenbehörde im vorletzten Absatz ihrer Begründung zur Beschwerdevorentscheidung davon, dass den Parteienvertretern mit dem StabG nicht nur umfassende Mitteilungs- und Berechnungspflichten, sondern auch eine Haftung auferlegt wurden.

Durch die Beantragung der Hauptwohnsitzbefreiung durch den Parteienvertreter ohne Rücksprache mit mir als Verkäuferin ist auch die geforderte schuldhafte Pflichtverletzung durch den Vertreter gegeben.

Für die Haftung nach § 9 ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden.

Diese Pflichten wurden ausdrücklich und eindeutig dem Parteienvertreter auferlegt, eine Abwälzung der Steuerschuld (ist) in den betreffenden Gesetzesbestimmungen so nicht vorgesehen und gerade in meinem Fall existenzgefährdend, da ich den damals erhaltenen Verkaufsbetrag in die Anschaffung meiner neuen Eigentumswohnung investiert habe und den fehlenden Betrag mittels Krediten fremdfinanzieren musste. Bei ordnungsgemäßer Abfuhr der ImmoESt durch den Parteienvertreter hätte ich einen um diesen Betrag verminderten Verkaufspreis erhalten und entsprechend anders disponiert. Aber eineinhalb Jahre später mit dieser Forderung konfrontiert zu werden, verstößt einerseits gegen den Vertrauensschutz, dem ich als (jedenfalls bis zum Ergehen Ihres Ergänzungsersuchens vom ) gesetzesunkundiger Bürgerin unterliege, und andererseits den von der Behörde erwähnten, den Parteienvertretern mit dem StabG auferlegten umfassenden Pflichten."

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt - wie auch der Bf. mitgeteilt wurde - die im Spruch genannte Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Dabei erklärte die Abgabenbehörde ua. Nachstehendes:

""Entgegen den Ausführungen im Kaufvertrag kommt es zu keiner Hauptwohnsitzbefreiung. Strittig ist nun, wer die ImmoESt zu entrichten hat. Die Behörde hat der Beschwerdeführerin die ImmoESt im Wege der Veranlagung vorgeschrieben, wogegen die Beschwerdeführerin die Rechtsansicht vertritt, dass der Parteienvertreter für die ImmoESt hafte und dieser dafür aufkommen müsse.

Der Haftungstatbestand des § 30c Abs. 3 S 1 EStG enthält eine "Entrichtungshaftung" analog ua. zu derer im GrEStG. Es gelten auch die Grundprinzipien der Akzessorietät, Subsidiarität sowie des Ermessens der Abgabenbehörde. Hinzu tritt mit § 30c Abs. 3 S 3 EStG die Haftung für die "inhaltliche Richtigkeit" der berechneten ImmoESt. Diese zweite Haftung greift nur, wenn die ImmoESt "wider besseren Wissens auf der Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird".

Die Haftung für die Entrichtung der ImmoESt ist materiell akzessorisch, das heißt, sie setzt das Bestehen einer Abgabenschuld voraus. Nach Ansicht des VwGH setzt die Geltendmachung der Haftung für eine Selbstbemessungsabgabe, die kraft Gesetzes entsteht und kraft Gesetzes fällig wird, keine bescheidmäßige Festsetzung der Abgabenschuld gegenüber dem Primärschuldner voraus. Da die ImmoESt-Steuerschuld bereits mit der Verwirklichung des Tatbestandes entsteht, könnte der mit der Entrichtung säumige Parteienvertreter grundsätzlich zur Haftung herangezogen werden, ohne dass die Abgabenschuld zuerst gegenüber dem abgabepflichtigen Veräußerer bescheidmäßig festgesetzt werden müsste.

Auch wenn abgabenrechtliche Haftungen keine vom Subsidiaritätsprinzip beherrschte Haftungen sind und Haftungen gemäß § 7 BAO und die meisten Haftungstatbestände keine Ausfallshaftungen darstellen, entspricht das Prinzip der Subsidiarität einem allgemeinen gültigen Rechtsgrundsatz, der ua. auch bei der Ermessensausübung beachtet werden muss. Nach dem Prinzip der Subsidiarität soll die Geltendmachung der Haftung gegenüber der Inanspruchnahme des Schuldners nachrangig sein.""

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat über die Beschwerde erwogen:

Folgender entscheidungswesentlicher (unstrittiger) Sachverhalt wird festgestellt:

Mit Kaufvertrag vom erwarb die Bf. eine sich im Rohbau befindliche Wohnung im Mehrfamilienhaus, Gde X, F-Straße-zz, konkret ab/cdef Anteile B-LNR-x, verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnungseigentumseinheit W XY, an der efg m2 großen Liegenschaft EZ rst Grundbuch abcde X, bestehend aus dem GSt. xyz/k. Nach Fertigstellung im Sommer 2001 diente diese Eigentumswohnung der Bf. vom bis als Hauptwohnsitz (vgl. entsprechende Abfrage im Zentralen Melderegister).

Ab wurde die Wohnung vermietet (ihren Hauptwohnsitz hat die Bf. nach T verlegt) und schließlich mit Kaufvertrag vom an Herrn DR verkauft. Der diesbezügliche Kaufpreis betrug insgesamt pauschal 245.000,00 €.

Nach Pkt. 5.1 dieses Kaufvertrages ist eine etwaige ImmoESt von der Verkäuferin (der Bf.) zu bezahlen. In Pkt. 5.4 des Vertrages wird dazu außerdem festgehalten, dass bei der

Veräußerung der vertragsgegenständlichen Liegenschaft keine ImmoESt anfällt, da die Verkäuferin die Liegenschaftsanteile seit dem Kauf und Bezugsfertigstellung mindestens zwei Jahre selbst bewohnt und als Hauptwohnsitz benutzt hat; die Verkäuferin bestätigt mit Unterfertigung des Vertrages die Richtigkeit der Angaben zur Ermittlung der ImmoESt.

Der Parteienvertreter (Rechtsanwalt) hat für diesen Verkauf der Eigentumswohnung bzw. des gegenständlichen Liegenschaftsanteiles namens der beiden Kaufvertragsparteien die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer, der ImmoESt und der Eintragungsgebühr vorgenommen. Er hat eine Selbstberechnung der ImmoESt insofern vorgenommen, als er dem Finanzamt ua. mitgeteilt hat, dass eine Befreiung von der Selbstberechnung (Hauptwohnsitzbefreiung) anzuwenden und eine rechnerische Ermittlung der Bemessungsgrundlage der ImmoESt daher gar nicht erforderlich sei.
 

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich nun Folgendes:

Gemäß § 2 Abs. 3 iVm § 29 Z 2 EStG 1988 idF 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, unterliegen (seit dem ; § 124b Z 215 EStG 1988) Einkünfte aus privaten Grundstücksverkäufen (§ 30) und aus Spekulationsgeschäften (§ 31) als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer.

Private Grundstücksverkäufe sind gemäß § 30 Abs. 1 EStG 1988 idF AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, Veräußerungsgeschäfte (Anknüpfung an das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft) von Grundstücken, soweit sie keinem Betriebsvermögen angehören. Der Begriff des Grundstückes umfasst Grund und Boden, Gebäude und Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes unterliegen. Bei unentgeltlich erworbenen Grundstücken ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 leg. cit. sinngemäß anzuwenden.

Nach Abs. 2 leg. cit. sind von der Besteuerung ua. die Einkünfte ausgenommen:

"1. Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer

a) ab der Anschaffung oder Herstellung (Fertigstellung) bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird."

Nach § 30 Abs. 3 EStG 1988 ist als Einkünfte grundsätzlich der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen.

Soweit Grundstücke zum nicht steuerverfangen waren, sind als Einkünfte gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 und 2 EStG 1988 idF AbgÄG 2015, BGBl. I Nr. 163/2015, anzusetzen:

"1. Im Falle einer Umwidmung des Grundstückes nach dem der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 40% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten. Als Umwidmung gilt die Änderung der Widmung, die nach dem letzten entgeltlichen Erwerb stattgefunden hat und die erstmals eine Bebauung ermöglicht, die in ihrem Umfang im Wesentlichen der Widmung als Bauland oder Baufläche im Sinne der Landesgesetze auf dem Gebiet der Raumordnung entspricht. Dies gilt auch für eine in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Veräußerung stehende Umwidmung, wenn diese innerhalb von fünf Jahren nach der Veräußerung erfolgt ist, sowie für eine Kaufpreiserhöhung auf Grund einer späteren Umwidmung; eine spätere Umwidmung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung.

2. In allen übrigen Fällen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten.

Der Unterschiedsbetrag erhöht sich um die Hälfte der in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 EStG 1988 abgesetzten Herstellungsaufwendungen, soweit sie innerhalb von fünfzehn Jahren vor der Veräußerung vom Steuerpflichtigen selbst oder im Falle der unentgeltlichen Übertragung von seinem Rechtsvorgänger geltend gemacht wurden."

Gemäß § 30a Abs. 1 EStG 1988 idF StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, unterliegen Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken im Sinne des § 30 dem besonderen Steuersatz von 30% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen (die Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen wirken sohin nicht progressionserhöhend für das restliche Einkommen), sofern nicht eine Regelbesteuerung (Abs. 2) anzuwenden ist.

Nach § 30b Abs. 2 EStG 1988 idF AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105/2015, " gilt mit der Entrichtung der selbstberechneten Immobilienertragsteuer durch Parteienvertreter die Einkommensteuer für Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30 als abgegolten. Dies gilt jedoch nicht, wenn die der Selbstberechnung zugrunde liegenden Angaben des Steuerpflichtigen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Die Abgeltungswirkung der Immobilienertragsteuer entfällt im Falle einer späteren Umwidmung gemäß § 30 Abs. 4 Z 1 letzter Satz."

"Auf Antrag sind die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen gemäß § 30, für die eine selbstberechnete Immobilienertragsteuer entrichtet wurde, mit dem besonderen Steuersatz gemäß § 30a zu veranlagen (Veranlagungsoption). Dabei ist die Immobilienertragsteuer auf die zu erhebende Einkommensteuer anzurechnen und mit dem übersteigenden Betrag zu erstatten" ( § 30b Abs. 3 EStG 1988 ).

Der Gesetzgeber hat in § 30c Abs. 1 bis 4 EStG 1988 idF AbgÄG 2014, BGBl. I Nr. 105/2015, zur Mitteilung und Selbstberechnung der ImmoESt durch Parteienvertreter Folgendes vorgesehen:
"(1) Im Rahmen einer Abgabenerklärung gemäß § 10 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 ist mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 oder 7 erzielt werden. Die Mitteilung hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die Höhe der nach den Angaben des Steuerpflichtigen zu entrichtenden besonderen Vorauszahlung gemäß § 30b Abs. 4 zu enthalten.

(2) Parteienvertreter, die eine Selbstberechnung gemäß § 11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 vornehmen, haben gleichzeitig

1. dem für den Steuerpflichtigen zuständigen Finanzamt mitzuteilen, wenn aus dem zugrundeliegenden Erwerbsvorgang Einkünfte gemäß § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 oder 7 erzielt werden, und diesfalls

2. die Immobilienertragsteuer gemäß § 30b Abs. 1 auf Grund der Angaben des Steuerpflichtigen selbst zu berechnen. Dabei hat der Steuerpflichtige dem Parteienvertreter die für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage erforderlichen Unterlagen vorzulegen und deren Richtigkeit und Vollständigkeit schriftlich zu bestätigen.

Die Mitteilung gemäß Z 1 hat die am Veräußerungsgeschäft beteiligten Parteien unter Angabe ihrer Steuernummer und die für die Selbstberechnung der Steuer notwendigen Daten zu enthalten.

(3) Die Parteienvertreter haben die selbstberechnete Immobilienertragsteuer gemäß § 30b Abs. 1 zu entrichten und haften für deren Entrichtung. Ist die Fälligkeit noch nicht eingetreten, erlischt die Verpflichtung zur Entrichtung nach einem Jahr ab Vornahme der Mitteilung nach Abs. 2 Z 1. Zusätzlich haften die Parteienvertreter für die Richtigkeit der Immobilienertragsteuer nur, wenn diese wider besseren Wissens auf Grundlage der Angaben des Steuerpflichtigen berechnet wird.

(4) Die Selbstberechnung der Immobilienertragsteuer gemäß Abs. 2 Z 2 kann auch bei Vornahme einer Selbstberechnung gemäß § 11 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 unterbleiben, soweit

- die Einkünfte aus dem Veräußerungsgeschäft nach § 30 Abs. 2 oder § 21 Abs. 3 Z 4 in Verbindung mit Abs. 2 KStG 1988 befreit sind oder

- der Zufluss voraussichtlich später als ein Jahr nach dem Veräußerungsgeschäft erfolgt oder

- bei der Veräußerung von Grundstücken des Betriebsvermögens, die stillen Reserven gemäß § 12 übertragen oder einer Übertragungsrücklage zugeführt werden oder

- der Veräußerungserlös in Form einer Rente geleistet wird, oder

- das Grundstück im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 133 ff der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896 (Zwangsversteigerung), veräußert wird.

In diesem Fall ist in der Mitteilung gemäß Abs. 2 Z 1 anzugeben, warum die Selbstberechnung unterbleibt."

Die ImmoESt (eine besondere Erhebungsform der Einkommensteuer für private Grundstücksveräußerungen) wird vom Parteienvertreter (Notar, Rechtsanwalt) für den Steuerpflichtigen als Steuerschuldner (Veräußerer; in dessen Sphäre hat sich der steuerauslösende Tatbestand, der Veräußerungsvorgang, verwirklicht) in dessen Namen und auf Grund dessen Angaben und Unterlagen berechnet und an das Finanzamt abgeführt. Dieser Weg steht jedoch nur dann offen, wenn der Parteienvertreter die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer für die betreffende Grundstücksübertragung (freiwillig) vornimmt. Übt der Parteienvertreter das Wahlrecht des § 11 Abs. 1 GrEStG 1987, die Grunderwerbsteuer selbst zu berechnen, aus, muss er (ab ) die Mitteilung, Berechnung und Abfuhr der ImmoESt zwingend vornehmen. Wird die ImmoESt durch den Parteienvertreter korrekt berechnet und entrichtet, ist damit die Einkommensteuer für die Einkünfte aus privater Grundstücksveräußerung abgegolten (§ 30b Abs. 2 EStG 1988; siehe dazu auch die ErlRV zum 1. StabG 2012, 1680 BlgNR 24. GP, 13)

Im konkreten Fall hat der Parteienvertreter für den Verkauf der gegenständlichen Eigentumswohnung bzw. des in Rede stehenden Liegenschaftsanteiles namens der beiden Kaufvertragsparteien die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer, der ImmoESt und der Eintragungsgebühr vorgenommen. Die Selbstberechnung der ImmoESt hat er insofern vorgenommen, als er dem Finanzamt ua. gemäß § 30c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 (iVm Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 letzter Satz) mitgeteilt hat, dass eine Befreiung von der Selbstberechnung (Hauptwohnsitzbefreiung) anzuwenden und eine rechnerische Ermittlung der Bemessungsgrundlage der ImmoESt daher gar nicht erforderlich sei.

Unstrittig ist nunmehr, dass die beiden oben angeführten Hauptwohnsitzbefreiungstatbestände iSd § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 im konkreten Fall nicht zur Anwendung gelangen. Es wird in diesem Zusammenhang auf die diesbezüglichen nach Ansicht des erkennenden Richters richtigen Ausführungen der Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass den entsprechenden Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung - wie der VwGH mehrfach betont hat - Vorhaltswirkung zukommt, sodass diese unbedenklich der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden können. Es wäre Aufgabe der Bf. gewesen, diese bis dato unwidersprochenen Feststellungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung zu entkräften.

Angesichts der oben dargestellten Rechtslage ist bei (Privat-)Grundstücken, die vor dem angeschafft wurden und die nicht (mehr) am gemäß § 30 EStG 1988 alter Fassung steuerverfangen waren ("Altvermögen"), grundsätzlich eine reduzierte Besteuerung auf Basis einer (vereinfachten) pauschalen Einkünfteermittlung vorgesehen. Dabei ergeben sich die Einkünfte aus dem Saldo von Veräußerungserlös (tatsächlicher Erlös inklusive übernommener Verbindlichkeiten) und fiktiven Anschaffungskosten (abgesehen von bestimmten Herstellungsaufwendungen ist

ein Abzug weiterer Aufwendungen bei der pauschalen Einkünfteermittlung nicht zulässig). Je nachdem, ob bei Grundstücken nach dem eine Umwidmung von Grünland in Bauland erfolgte oder nicht, sind die pauschalen Anschaffungskosten mit 40% oder mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzen. Die pauschal ermittelten (fiktiven) Einkünfte betragen damit 14% (effektive Steuerbelastung: 4,2%) bzw. im Umwidmungsfall 60% (effektive Steuerbelastung: 18%) des Veräußerungserlöses. Diese Regelung soll einerseits Schwierigkeiten bei der Anschaffungskostenermittlung von Altvermögen vorbeugen und andererseits die rückwirkende Einbeziehung der im Altvermögen enthaltenen stillen Reserven in die neue Grundstücksbesteuerung abmildern. Die höhere Besteuerung in Umwidmungsfällen soll der höheren Wertsteigerung eines Grundstücks durch eine Umwidmung Rechnung tragen (vgl. dazu auch Bodis/Hammerl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG 17, § 30 Tzen 261 ff; Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2017, § 30 Rz 71; Papst in SWK 19/2012, 870; Hammerl/Mayr in RdW 2012/181).

Bezogen auf den konkreten Fall war nun davon auszugehen, dass die in Rede stehende veräußerte (entgeltlich übertragene) Eigentumswohnung (Liegenschaftsanteil) vor dem angeschafft wurde und am nicht gemäß § 30 EStG 1988 alter Fassung steuerverhangen war. Es lag somit Altvermögen vor, für das bei der Einkünfteermittlung bzw. Ermittlung des Veräußerungsgewinnes pauschale (fiktive) Anschaffungskosten gemäß § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 iHv 86% des Veräußerungserlöses zu berücksichtigen waren (zur allgemeinen Einkünfteermittlung wurde im Übrigen nicht optiert). In diesem Sinne wurde die Bemessungsgrundlage (der Veräußerungsgewinn) für die Versteuerung des gegenständlichen Liegenschaftsanteilsverkaufes - unter Zugrundelegung eines Veräußerungserlöses iHv 245.000,00 € und von Anschaffungskosten in Höhe 86% dieses Veräußerungserlöses im Betrage von 210.700,00 € - zu Recht mit 34.300,00 € und folglich die vorzuschreibende Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen - bei einem besonderen Steuersatz von 30% - mit 10.290,00 € ermittelt.

Streit besteht nun allein (noch) darüber, ob diese (richtig ermittelte) Steuer - wie die Abgabenbehörde glaubt - zu Recht (vorrangig) im Wege der Veranlagung der Bf. oder - wie die Bf. vertritt - (zunächst) dem Parteienvertreter aufgrund seiner Haftung vorzuschreiben ist.

Der erkennende Richter des Finanzgerichtes schließt sich der Einschätzung der Abgabenbehörde an, wonach nach dem Prinzip der Subsidiarität die Geltendmachung der abgabenrechtlichen Haftung beim Parteienvertreter gegenüber der Inanspruchnahme des Schuldners nachrangig sei, und verweist auf die diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes im (von Seiten der Bf. unkommentiert gebliebenen) Vorlagebericht vom . Abgesehen davon, dass die Haftungsbestimmung grundsätzlich der Besicherung der Abgabenschuld dient, woraus sich bereits die Nachrangigkeit der Haftung im Verhältnis zur Inanspruchnahme des steuerpflichtigen Veräußerers (der Bf.) ergibt, liegt die Haftinanspruchnahme grundsätzlich im Ermessen der Abgabenbehörde und ist

zentrales Ermessenskriterium jenes der Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftung; der Haftende wird idR nur dann in Anspruch genommen, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner (Erstschuldner, Primärschuldner) gefährdet oder wesentlich erschwert wäre, wovon aber im konkreten Fall - gerade in Anbetracht der neu angeschafften Eigentumswohnung und angesichts des laufenden Einkommens der Bf. (nichtselbständige Einkünfte aus ihrer Beschäftigung bei der Marktgemeinde X) - nicht auszugehen war; eine Inanspruchnahme der Bf. war gegenständlich gerade auch deshalb geboten, als sie den Verkaufspreis bereits erhalten hat (vgl. dazu Ritz, BAO6, § 7 Tzen 5 f und § 224 Tz 2; Loser in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar § 30b und § 30c Tzen 28 und 30; Urtz in Urtz, Immobiliensteuer Update 2013, Seiten 381 und 390; Grill, ÖStZ 2013/702].

Die gegenständliche Beschwerde war aber auch aus folgenden Überlegungen abschlägig zu beurteilen:

Bei der Haftung des Parteienvertreters iSd § 30c Abs. 3 Satz 1 EStG 1988 handelt es sich um eine reine Abfuhrhaftung, die jener Haftung in § 13 Abs. 4 GrEStG 1987 entspricht. Der Parteienvertreter haftet daher grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden nicht für die ImmoESt in objektiv richtiger Höhe, sondern nur für die (mangelnde) Entrichtung der selbstberechneten ImmoESt. Bei einer vom Parteienvertreter selbstberechneten ImmoESt in Höhe von null (bei Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung) ergibt sich im Beschwerdefall keine diesbezügliche Abfuhrhaftung (vgl. dazu ErlRV zum 1. StabG 2012, 1680 BlgNR 24. GP, 13 f).

Neben diesem Grundfall der (Abfuhr)Haftung haftet der Parteienvertreter nach § 30c Abs. 3 Satz 3 EStG 1988 (eingeschränkt) allerdings auch für die ImmoESt in objektiv richtiger Höhe, wenn er "wider besseres Wissen" auf Basis der vom Veräußerer vorgelegten Unterlagen und gemachten Angaben die ImmoESt selbstberechnet. Im Schrifttum wird dazu angesichts der gesetzlichen Formulierung überwiegend die Rechtsansicht vertreten, dass diese inhaltliche Haftung ein Verschulden voraussetzt, das der strafrechtlichen Vorsatzform der Wissentlichkeit entspricht. Diese strengere Haftung soll immer dann zum Tragen kommen, wenn der Parteienvertreter Unterlagen und Angaben des Veräußerers der Berechnung der ImmoESt zugrunde legt, von denen er offenkundig Kenntnis hat, dass sie nicht den Tatsachen entsprechen [vgl. Urtz in Urtz, Immobiliensteuer Update 2013, Seite 383, wonach ua. auch eine (vertretbare) unrichtige rechtliche Beurteilung von einem richtigen Sachverhalt durch einen Parteienvertreter nicht zur Haftung führe; Loser in Hofstätter/Reichel, EStG Kommentar § 30b und § 30c Tz 29; Grill, ÖStZ 2013/702; siehe dazu auch ErlRV zum 1. StabG 2012, 1680 BlgNR 24. GP, 14]. Für ein derartig qualifiziertes Verschulden auf Seiten des Parteienvertreters bestanden im konkreten Fall keine Anhaltspunkte und wurde ein solches im Übrigen auch von der Bf. nicht behauptet. Der Parteienvertreter musste daher für die in Rede stehende (fremde) Steuerschuld nicht einstehen.

Wenn sich die Bf. in diesem Zusammenhang im Vorlageantrag auf die Haftungsinanspruchnahme von in den §§ 80 ff bezeichneten Vertretern nach § 9 Abs. 1 BAO stützt , so ist diesem Vorbringen zu entgegnen, dass eine derartige Haftung auch die objektive Uneinbringlichkeit (dh. entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen waren erfolglos oder wären voraussichtlich erfolglos) der betreffenden Abgabe im Zeitpunkt der Haftinanspruchnahme voraussetzen würde und Notare, Rechtsanwälte und Wirtschaftstreuhänder wegen Handlungen, die sie in Ausübung ihres Berufes bei der Beratung in Abgabensachen vorgenommen haben, nach Abs. 2 leg. cit. nur dann haften, wenn sie Berufspflichten verletzt haben (eine derartige “schuldhafte“ Pflichtverletzung wäre von der Disziplinarbehörde in einem selbständigen Verfahren zu prüfen bzw. festzustellen; vgl. dazu Ritz, BAO6, § 9 Tz 29).

Abgesehen davon, dass die ImmoESt wohl eher als Selbstbemessungsabgabe (statt als Abfuhrabgabe) einzustufen ist (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 30c Tzen 48 ff; Ritz, ÖStZ 2015, 19; Baldauf, SWK 32/2014, 1353) und diese daher gegenüber dem Abgaben(eigen)schuldner (somit der bf. Veräußerin) festgesetzt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnissen vom , Ro 2015/15/0005, bzw. vom , Ro 2019/15/0016, auch ausdrücklich ausgeführt, dass für eine Korrektur der selbstberechneten ImmoESt nur die Veranlagung zum besonderen Steuersatz gemäß § 30b Abs. 3 EStG 1988 ("Veranlagungsoption") zur Verfügung stehe, da die Einkommen- und Körperschaftsteuer grundsätzlich im Wege der Veranlagung des Jahreseinkommens erhoben werde und gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 auch Umstände, die andere Einkünfte des Jahreseinkommens betreffen würden, bei der Bemessungsgrundlage der privaten Grundstücksveräußerungen zu berücksichtigen seien. Nach dem Höchstgericht entspreche es daher "dem Konzept des Gesetzgebers, dass - anders als im Bereich der Grunderwerbsteuer, die keine Jahresveranlagung kennt - die Korrektur des vom Parteienvertreter selbstberechneten Betrages an ImmoESt im Wege der Veranlagung zu erfolgen hat" (vgl. dazu auch Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 30c Tz 53; Jakom/Kaduth-Kristen EStG, 2017, § 30b Rz 1; Zorn, VwGH Keine ImmoESt-Vorschreibung an KG, RdW 2019, 710; siehe auch ).

Gemäß § 41 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 (erstmals ab der Veranlagung 2012 anzuwenden; § 124b Z 215) ist der Steuerpflichtige zu veranlagen (Pflichtveranlagungstatbestand), wenn Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen im Sinne des § 30 EStG 1988 erzielt wurden, für die keine ImmoESt gemäß § 30c Abs. 2 EStG 1988 entrichtet wurde, oder wenn keine Abgeltung gemäß § 30b Abs. 2 EStG 1988 gegeben ist. Dementsprechend sieht § 42 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 für diesen Fall Erklärungspflicht vor. Eine Abgeltungswirkung durch Einbehalt der ImmoESt tritt in diesen Fällen entweder faktisch oder rechtlich nicht ein, sodass die Einkünfte in der Veranlagung (mit dem besonderen Steuersatz oder tarifmäßig) zu besteuern sind (vgl. Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, § 41 Tz 26).

Im konkreten Fall hat die Bf. jedenfalls Einkünfte aus einer privaten Grundstücksveräußerung im Sinne des § 30 EStG 1988 erzielt, für die keine ImmoESt entrichtet wurde und auch keine Abgeltung gegeben ist [ nur die Entrichtung der selbstberechneten ImmoESt entfaltet Abgeltungswirkung; bei einer selbstberechneten ImmoESt in Höhe von null (zB bei Anwendung von Befreiungen) oder bei negativen Einkünften (Verlust) kann mangels Entrichtung keine Abgeltungswirkung eintreten; vgl. zB Jakom/Kaduth-Kristen EStG, 2017, § 30b Rz 6 ] . Die Bf. war daher jedenfalls zur Einkommensteuer 2016 zu veranlagen.

Entsprechend diesen Überlegungen war der Vorgehensweise der Abgabenbehörde nicht entgegen zu treten und war die Beschwerde sohin als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Für die im gegenständlichen Beschwerdefall zu lösenden Rechtsfragen (Haftung des Parteienvertreters für die ImmoESt, Nachrangigkeit der Haftungsinanspruchnahme), liegt keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Diesen Rechtsfragen kommt grundsätzliche Bedeutung zu und ist folgedessen eine ordentliche Revision an Verwaltungsgerichtshof zulässig.
 

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 29 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 30c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 11 Abs. 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 13 Abs. 4 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100223.2018

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