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VwGH vom 20.10.2022, Ra 2022/16/0045

VwGH vom 20.10.2022, Ra 2022/16/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Sonderzuständigkeiten) in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7105818/2017, betreffend Grunderwerbsteuer (mitbeteiligte Partei: Dr. H A in K, vertreten durch die KPMG Niederösterreich GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 2340 Mödling, Bahnhofplatz 1A/Stiege 1/3. Stock), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt gegenüber dem Mitbeteiligten für den zwischen ihm als Käufer (gemeinsam mit 11 anderen Personen) und einer natürlichen Person als Verkäuferin abgeschlossenen Kaufvertrag vom über ideelle Anteile an einer näher bezeichneten Liegenschaft Grunderwerbsteuer abweichend von der durchgeführten Selbstberechnung - ausgehend von einer höheren Bemessungsgrundlage aufgrund der Einbeziehung von Baukosten und Nebenkosten iZm einem Bauherrenprojekt - fest.

2Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Mitbeteiligten wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab. Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

3Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4Das Bundesfinanzgericht führte aus, der Mitbeteiligte habe gemeinsam mit 11 anderen Personen mit Kaufvertrag vom ideelle Anteile an einer näher genannten Liegenschaft erworben. Am sei die Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer durchgeführt worden.

5Am habe die belangte Behörde Einsicht in das Grundbuch betreffend die verfahrensgegenständliche Liegenschaft genommen und einen Grundbuchsauszug angefertigt. Dieser Auszug sei mit einem handschriftlichen Datumsvermerk, einem Datumsstempel sowie dem Namen des Sachbearbeiters samt Paraphe versehen und zum (Grunderwerbsteuer-)Akt des Mitbeteiligten genommen worden. Zusätzlich habe die belangte Behörde den im Jahr 2010 abgeschlossenen Kaufvertrag aus der (digitalen) Urkundensammlung abgerufen und ausgedruckt. Schließlich habe die belangte Behörde am selben Tag ein Ergänzungsersuchen an die W GmbH betreffend das auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft durchgeführte - von ihr beworbene - Bauherrenprojekt gestellt.

6In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, die Festsetzungsverjährung betreffend die Grunderwerbsteuer habe - ausgehend vom Abschluss des Kaufvertrages am  - mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen begonnen und mit Ablauf des Jahres 2015 geendet, womit der im Jahr 2016 erlassene Festsetzungsbescheid außerhalb dieser Frist ergangen sei. Somit sei zu prüfen, ob die von der belangten Behörde im Jahr 2015 gesetzten Amtshandlungen geeignet gewesen seien, die Verjährungsfrist um ein Jahr zu verlängern.

7Diese Amtshandlungen seien zwar als nach außen erkennbar anzusehen, allerdings nicht auf die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs gerichtet gewesen. Der im Akt einliegende Grundbuchsauszug lasse nicht erkennen, dass er zur Geltendmachung des Anspruches auf Grunderwerbsteuer gerichtet gewesen sei, es fehle jeglicher Hinweis darauf, in welchem Zusammenhang er erstellt worden sei. Die belangte Behörde behaupte nicht einmal selbst, er habe zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs gedient, sondern lediglich zur Feststellung des Abgabepflichtigen. Dieser sei der belangten Behörde allerdings aufgrund der Selbstberechnung bekannt.

8Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb der belangten Behörde trotz erfolgter Selbstberechnung der verwirklichte Abgabentatbestand erst durch Abruf der Kaufvertragsurkunden bekannt geworden sei. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, inwieweit die Abfrage des Grundbuchstandes und der Ausdruck des Kaufvertrages Aufschluss über das Vorliegen eines Bauherrenmodells bringen können.

9Auch das Ergänzungsersuchen an die W GmbH weise keinerlei Bezug zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruchs auf. Aus der Anführung der Abgabenkontonummer im Ergänzungsersuchen ließen sich keine Rückschlüsse auf einen bestimmten Abgabenanspruch ziehen. Dasselbe Ergänzungsersuchen sei beispielsweise auch in Zusammenhang mit der Geltendmachung eines Umsatzsteuertatbestandes oder mit „AfA“ und Liebhaberei im Bereich der Einkommensteuer denkbar.

10Für die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches könne nicht ausreichend sein, dass sich eine Amtshandlung ex post betrachtet „auch“ für den von der belangten Behörde letztlich mit Bescheid geltend gemachten Abgabenanspruch als geeignet erweise. Eine derartige Sichtweise würde dazu führen, dass von der Abgabenbehörde quasi auf „Vorrat“ erstellte, aber zunächst keinen Bezug zur Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches aufweisende Grundbuchsauszüge, Firmenbuchauszüge oder Sozialversicherungsdatenauszüge sich je nach Bedarf ex post als Verlängerungshandlung für alle denkbaren Abgabenansprüche heranziehen ließen.

11Da somit der belangten Behörde bereits aufgrund der erfolgten Selbstberechnung die Erfüllung des Abgabentatbestandes und der Abgabepflichtige bekannt gewesen seien, lassen weder die Grundbuchsabfragen noch das an die W GmbH gerichtete Ergänzungsersuchen die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches erkennen und konnten auch nicht der Feststellung des Abgabepflichtigen dienen. Aufgrund dieser Amtshandlungen sei es daher zu keiner Verlängerung der Verjährungsfrist gekommen. Somit sei die Festsetzungsverjährung hinsichtlich der entstandenen Grunderwerbsteuerschuld mit Ablauf des Jahres 2015 eingetreten und der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid außerhalb der fünfjährigen Festsetzungsverjährungsfrist erlassen worden.

12Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Einleitung eines Vorverfahrens, in dem vom Mitbeteiligten eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

13Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von - näher genannter - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesfinanzgericht die im Jahr 2015 gesetzten Amtshandlungen nicht gemäß § 209 Abs. 1 BAO als zur Verlängerung der Verjährungsfrist geeignet angesehen habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass Grundbuchsabfragen zwecks Feststellung des Abgabenschuldners die Verjährung verlängerten, sowie, dass selbst nicht notwendige oder unzweckmäßige Amtshandlungen Verlängerungswirkung entfalteten. Bei an Dritte gerichtete Auskunftsersuchen sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine ausdrückliche Bezugnahme auf die betreffende Abgabe nicht notwendig.

14Die Revision erweist sich aus den dargelegten Gründen als zulässig und berechtigt.

15Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass auch jedermann gestattete Tätigkeiten, wie etwa die Einsichtnahme in öffentliche Register wie das Firmenbuch (bzw. früher das Handelsregister) oder das Grundbuch (vgl. ; , 2006/16/0041; , 2000/15/0150; , 99/17/0312; , 86/14/0134), Verlängerungshandlungen (bzw. früher Unterbrechungshandlungen) iSd § 209 Abs. 1 BAO darstellen, wenn sie derGeltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches oder der Feststellung des Abgabepflichtigen dienen (vgl. ; , 2010/16/0176). Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob diese Amtshandlungen im Hinblick auf den angestrebten Erfolg, nämlich die Geltendmachung des Abgabenanspruchs zu erreichen, konkret geeignet (vgl. ; , 2009/16/0185) oder notwendig sind (vgl. nochmals ; , 2004/13/0080). Nach dieser Rechtsprechung stellen Grundbuchsabfragen Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO dar, wenn sie zur Feststellung des Abgabepflichtigen dienen (vgl. erneut ; , 99/17/0312).

16Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes steht eine Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer, die sich naturgemäß auch als unrichtig erweisen kann, weiteren, auf die Feststellung des - tatsächlichen - Abgabepflichtigen (gemäß § 9 GrEStG) oder die Geltendmachung des Grunderwerbsteueranspruches - in materiell-rechtlich korrekter Höhe - gerichteten, Amtshandlungen der Abgabenbehörde nicht entgegen. Derartige Amtshandlungen können daher auch eine Verlängerungswirkung iSd § 209 Abs. 1 BAO entfalten. Es ist somit nicht von Relevanz, dass der Abgabenbehörde aufgrund der Anmeldung der Selbstberechnung sowohl die Verwirklichung eines Grunderwerbsteuertatbestandes als auch der - vermeintliche - Abgabepflichtige bekannt waren. Ebenso wenig relevant ist, ob die Abgabenbehörde die Möglichkeit gehabt hätte, bereits zu einem früheren Zeitpunkt oder auf andere Art und Weise Überprüfungshandlungen vorzunehmen (siehe nochmals , wonach die Möglichkeit alternativer Vorgangsweisen seitens der Behörde bedeutungslos ist).

17Anders als das Bundesfinanzgericht offenbar vertritt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der Voraussetzung der Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches nur dann Genüge getan wird, wenn eine konkrete gesetzliche Bestimmung angeführt wird (vgl. etwa , wonach Erhebungen hinsichtlich der Höhe des Gewinnes aus Gewerbebetrieb sowohl die Körperschaftsteuer- als auch die Gewerbesteuerschuld betreffen können). Dies ergibt sich auch nicht aus dem vom Bundesfinanzgericht angeführten - schon wegen der sachverhaltsbezogenen Besonderheiten des damaligen Falles vereinzelt gebliebenen - Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2000/16/0602.

18Vor diesem Hintergrund ist im vorliegenden Revisionsfall nicht zweifelhaft, dass die Abgabenbehörde - die im Übrigen im Zeitpunkt, zu dem die verfahrensgegenständlichen Amtshandlungen gesetzt wurden, für die Erhebung der Grunderwerbsteuer, nicht jedoch der Umsatz- oder Einkommensteuer des Mitbeteiligten zuständig war - mit der Anfertigung eines Grundbuchsauszuges der betreffenden Liegenschaft und Beifügung dieses Auszuges zum Grunderwerbsteuerakt des Mitbeteiligten auf die Feststellung des Abgabepflichtigen abgezielt hat. Ebenfalls nicht zweifelhaft ist, dass die aus der Urkundensammlung ausgedruckte Kaufvertragsurkunde - die ebenso wie der Grundbuchsauszug dem Grunderwerbsteuerakt des Mitbeteiligten beigefügt wurde - der Geltendmachung des Grunderwerbsteueranspruches gedient hat: Wie die Revision darlegt - Gegenteiliges wurde vom Bundesfinanzgericht nicht festgestellt - , wurde die Kaufvertragsurkunde weder im Zuge der Selbstberechnung der Grunderwerbsteuer übermittelt, noch der Abgabenbehörde in digitaler Form (durch Angabe eines Codes für den Zugriff auf ein elektronisches Urkundenarchiv) zur Verfügung gestellt. Mit diesen beiden Amtshandlungen wurde somit dem Bestimmtheitsgebot des § 209 Abs. 1 BAO entsprochen.

19Wenn das Bundesfinanzgericht weiters ausführt, es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit der Grundbuchsstand und die Kaufvertragsurkunde Aufschluss über das Vorliegen eines Bauherrenmodells bringen könnten, nimmt es im Ergebnis eine Zweckmäßigkeitsprüfung der Amtshandlungen der Abgabenbehörde vor. Dem ist allerdings die bereits angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entgegenzuhalten, wonach auch nicht zweckmäßige oder nicht notwendige Amtshandlungen Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO darstellen können (vgl. erneut , mwN). Im Übrigen ist anzumerken, dass nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Vertragsausgestaltung bei der Beurteilung der grunderwerbsteuerlichen Bauherreneigenschaft durchaus Relevanz hat (vgl. zur Einbindung der Grundstückskäufer in ein „Vertragsgeflecht“ etwa ; , 2007/16/0223, jeweils mwN).

20Zur Frage der Eignung der dritten Amtshandlung der Abgabenbehörde, dem Auskunftsersuchen an die W GmbH, die das betreffende Bauprojekt im Internet beworben hatte, als Verlängerungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO ist schließlich festzuhalten, dass - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei an Dritte gerichteten Anfragen eine erkennbare Konkretisierung des betroffenen Abgabenanspruches - schon vor dem Hintergrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht - nicht notwendig ist (vgl. erneut ).

21Da nach dem Gesagten die im Jahr 2015 gesetzten Amtshandlungen der Abgabenbehörde als Verlängerungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO anzusehen waren, ist das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022160045.L00

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