Richtlinie des BMF vom 04.12.2017, BMF-010216/0002-IV/6/2017

8 Haftungsfragen

8.1 Zur Vertretung von Vereinen

793Vereine sind juristische Personen. Sie können daher nur durch ihre Organe handeln. Vereine werden durch jene Personen vertreten, die in den Statuten als Vertretungsbefugte genannt sind.

Wer den Verein nach außen vertritt, muss nach § 3 Abs. 2 Z 7 Vereinsgesetz 2002 den Statuten zu entnehmen sein.

Nach § 158 Abs. 4 BAO sind die Abgabenbehörden für Zwecke der Abgabenerhebung berechtigt, auf automationsunterstütztem Weg Einsicht in das automationsunterstützt geführte zentrale Vereinsregister zu nehmen.

794Vereinsbehörde ist die jeweils nach dem in den Statuten angegebenen Vereinssitz zuständige Bezirksverwaltungsbehörde bzw. Bundespolizeidirektion (vgl. § 9 Vereinsgesetz 2002).

795Die zur Vertretung des Vereins berufenen Personen haben nach § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

796Weitere derartige Pflichten betreffen etwa

  • die Führung von Büchern und Aufzeichnungen,

  • die Erfassung der Bareinnahmen mit einer Registrierkasse ( § 131b BAO),

  • die Belegerteilungspflicht ( § 132a BAO),

  • die Aufbewahrung von Unterlagen im Sinn des § 132 Abs. 1 BAO,

  • die (zeitgerechte) Einreichung von Abgabenerklärungen,

  • die Beantwortung von Bedenkenvorhalten und von Ergänzungsaufträgen.

797Die Vertreter sind befugt, die den Vertretenen zustehenden Rechte wahrzunehmen ( § 80 Abs. 1 BAO). Dazu gehört zB das Recht zur Einbringung von Beschwerden gegen an den Verein gerichtete Bescheide, das Recht auf Akteneinsicht ( § 90 BAO) und auf Parteiengehör (insbesondere nach § 115 Abs. 2 BAO).

798Bei der Zustellung von Bescheiden an Vereine ist zu beachten, dass der Verein im Spruch (bzw. im Adressfeld) mit seiner richtigen Bezeichnung genannt wird; der Name des Vereines muss den Statuten zu entnehmen sein (nach § 3 Abs. 2 Z 1 Vereinsgesetz 2002). Es steht der Abgabenbehörde frei, den nach den Statuten zur Vertretung Befugten als Empfänger zu bezeichnen (zB durch "zu Handen" Vermerk). Notwendig ist dies jedoch nicht. Wird eine bestimmte Person als Empfänger bezeichnet, so hat die Zustellung grundsätzlich nur an diese Person zu erfolgen. Wird lediglich der Verein selbst als Empfänger bezeichnet, so ist es Sache des Zustellers, die Sendung einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen (vgl. § 13 Abs. 3 ZustG).

8.2 Haftung gemäß § 9 BAO

8.2.1 Allgemeines

799Die Vertreterhaftung nach § 9 BAO besteht für die den vertretenen Abgabepflichtigen treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Diese Pflicht trifft auch Vertreter von Vereinen. Sie trifft jene Personen, die nach den Statuten zur Vertretung nach außen berufen sind (vgl. zB ; ). Maßgebend ist nicht, wer tatsächlich die Geschäfte des Vereines führt (wer etwa tatsächlich die Vereinsaufzeichnungen führt), sondern wer dazu nach den Statuten berufen ist. Zur Haftung bei (bloß) tatsächlicher Einflussnahme siehe § 9a BAO (Abschnitt 8.2a).

800Die Haftung des § 9 BAO setzt voraus:

  • Stellung als Vertreter,

  • Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen,

  • Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung (Rz 801 ff),

  • Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter (Rz 807 ff),

  • Verschulden des Vertreters (Rz 820 ff) und

  • Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit (Rz 827).

8.2.2 Uneinbringlichkeit

801Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung (zB ; ; ; RV/2100447/2014). Sie setzt die objektive Uneinbringlichkeit von Abgabenschuldigkeiten im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftungspflichtigen voraus (zB ; ).

802Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Einbringungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären (vgl. zB ; ; ; RV/5101247/2014).

Aus der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (über das Vermögen des Vereines) allein ergibt sich noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit (vgl. zB ; ; ).

803Uneinbringlichkeit ist im Insolvenzverfahren erst dann anzunehmen, wenn feststeht, dass die Abgabenforderung nicht befriedigt werden kann (zB ). Dies gilt unabhängig davon, ob die Abgabenforderung teilweise oder gänzlich uneinbringlich ist. Bei teilweiser Uneinbringlichkeit darf die Haftungsinanspruchnahme nur für den uneinbringlichen Teilbetrag erfolgen. Ergibt sich nachträglich, dass ein weiterer Teilbeitrag uneinbringlich geworden ist, so kann ein weiterer (diesen neuen Betrag umfassender) Haftungsbescheid erlassen werden. Dies setzt keine Abänderung des bisherigen Haftungsbescheides voraus.

804Eine Haftungsinanspruchnahme, die den gesamten offenen Abgabenbetrag umfasst, obwohl nur ein Teil objektiv uneinbringlich ist, ist gesetzwidrig (vgl. zB ). Die Überlegung, eine Minderung der Inanspruchnahme sei im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid möglich, rechtfertigt eine solche Vorgangsweise nicht. Ebenso wenig gestattet die Vermutung, während des Beschwerdeverfahrens würden weitere Teilbeträge voraussichtlich uneinbringlich werden, eine derartige rechtswidrige Vorgangsweise.

805Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens ist - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte - anzunehmen, dass der in der Insolvenzquote nicht mehr Deckung findende Teil der Abgabenforderung uneinbringlich sein wird (). Die Abgabenbehörde muss aber das Ende des Insolvenzverfahrens nicht abwarten (vgl. zB ; ).

806Aus der Abweisung eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens (nach § 71b IO) ergibt sich zweifelsfrei eine solche Uneinbringlichkeit (vgl. zB ). Auch die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Verteilung des Massevermögens spricht für die Uneinbringlichkeit der nicht entrichteten Beträge (vgl. ; ). Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens ( § 123a IO) spricht für die Uneinbringlichkeit (vgl. ; RV/7101162/2013).

8.2.3 Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten

8.2.3.1 Pflichten, maßgebender Zeitpunkt

807Haftungsrelevant ist nur, wenn sich die Uneinbringlichkeit aus der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten ergibt (vgl. zB , 91/13/0038; ). Die Verletzung anderer Pflichten ist für § 9 BAO nicht haftungsrelevant.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten zählen weder die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen (vgl. zB ; ), noch die Pflicht, die Entstehung von Abgabenforderungen beim Vertretenen etwa durch Betriebseinstellung zu vermeiden (zB ).

808Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören insbesondere

  • die Abgabenentrichtung aus den Mitteln, die der Vertreter verwaltet,

  • die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen (zB ),

  • die Erfüllung der Registrierkassen- und Belegerteilungspflicht ( §§ 131b und 132a BAO),

  • die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen (zB ; ).

809Eine Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten liegt weiters etwa vor, wenn der Vertreter Zahlungserleichterungen (§ 212 BAO) mit der wahrheitswidrigen Behauptung erwirkt, die Einbringlichkeit der Abgabe werde durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet ().

Die Pflicht des Vertreters, die vom Vertretenen (als Eigenschuldner oder als Haftungspflichtiger) geschuldeten Abgaben zu entrichten, besteht nur insoweit, als hiefür liquide Mittel vorhanden sind (vgl. zB ; ).

810Das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung hat nicht die Abgabenbehörde nachzuweisen; vielmehr hat der Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel nachzuweisen (zB ; ; ; ; ). Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht entbindet die Abgabenbehörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht. Die Behörde hat bei entsprechenden Behauptungen und diesbezüglichem Beweisanbot die zur Entlastung des Vertreters angebotenen Beweise aufzunehmen und erforderlichenfalls Präzisierungen abzufordern, jedenfalls aber konkrete Feststellungen über die angebotenen Entlastungsbehauptungen zu treffen (zB ; ). Ergeben sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel, ist die Abgabenbehörde nicht von ihrer Ermittlungspflicht entbunden (). Ergebnisse derartiger (zB im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung durchgeführter) Ermittlungen sind bei der Entscheidung über die Haftungsinanspruchnahme (auch) von Amts wegen zu berücksichtigen.

Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Verein die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der Abgabenvorschriften zu entrichten gewesen wären (zB ; ; ).

811Bei Selbstbemessungsabgaben (zB Umsatzsteuervorauszahlungen, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag) ist maßgebend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären (zB ; ; ; ). Maßgebend ist somit der Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Abgabe, unabhängig davon, wann sie bescheidmäßig festgesetzt wird (vgl. zB ; ).

Bei Abgaben, bei denen sich die Fälligkeit aus § 210 Abs. 1 BAO (1 Monat ab Zustellung des Abgabenbescheides) ergibt, wie zB bei der veranlagten Körperschaftsteuer, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der sich aus dem erstmaligen Abgabenbescheid ergebenden Fälligkeit maßgebend (vgl. ).

8.2.3.2 Gleichbehandlungsgrundsatz

812Reichen die Mittel des Vereines nicht aus, die offenen Schuldigkeiten zur Gänze zu entrichten, so ist der Vertreter grundsätzlich zur Befriedigung der Schulden im gleichen Verhältnis (anteilig) verpflichtet (Gleichbehandlungsgrundsatz). Er darf hierbei Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (zB ; ). Er ist jedoch nicht verpflichtet, den Abgabengläubiger besser als die übrigen Gläubiger zu behandeln (zB ). Die Betrachtung der Gläubigergleichbehandlungen hat zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu erfolgen (zB ; ).

813Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz bestehen für Abfuhrabgaben, nämlich für

814Reichen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht aus, hat er die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten (§ 78 Abs. 3 EStG 1988). In solchen Fällen dürfen Löhne somit nicht in voller Höhe ausgezahlt werden und sie sind (wie auch andere Schuldigkeiten) anteilig zu kürzen; die auf den gekürzten Lohnbetrag entfallende Lohnsteuer ist zur Gänze zu entrichten (vgl. zB ).

815Die Pflicht zur vorrangigen Entrichtung von Abgaben gilt nur für Abfuhrabgaben, nicht jedoch zB für Umsatzsteuer (vgl. zB , 91/13/0038; ; ), für Dienstgeberbeiträge () und für veranlagte Körperschaftsteuer.

816Eine Verletzung der Gleichbehandlung von Gläubigern kann sich nicht nur bei Abzahlung bereits bestehender Verbindlichkeiten ergeben, sondern auch bei Barzahlung neuer Materialien () oder laufender Ausgaben, wie zB für Miete () und Strom (). Auch eine vorrangige Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen verletzt die Pflicht zur Gleichbehandlung aller Gläubiger ().

817Eine Pflichtverletzung liegt auch in einem Mantelzessionsvertrag, durch den das Kreditinstitut begünstigt und andere andrängende Gläubiger (zB Abgabengläubiger) benachteiligt werden. Der Abschluss eines solchen Zessionsvertrages ist dann eine haftungsrelevante Pflichtverletzung, wenn der Vertreter zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses damit rechnen musste, durch die Zession der Forderungen dem Vertretenen seine liquiden Mittel zur Berichtigung von Abgabenschulden zu entziehen (zB ). Ein solcher Vertrag ist dem Vertreter dann vorzuwerfen, wenn er es unterlassen hat - insbesondere durch eine entsprechende Vertragsgestaltung - vorzusorgen, dass auch im Fall einer Änderung der Verhältnisse, wenn diese bei Aufwendung entsprechender Sorgfalt als nicht unvorhersehbar zu werten ist, die Bedienung der anderen Schulden (insbesondere der Abgabenschulden) nicht durch diesen Vertrag beeinträchtigt ist (zB ; ; ; ).

818Bei Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erstreckt sich die Haftung des Vertreters nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat (zB ; ; ). Allerdings obliegt dem Vertreter der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger - bezogen auf die jeweiligen Fälligkeitszeitpunkte einerseits und das Vorhandensein liquider Mittel andererseits - an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre (zB ; , 0044). Die pauschale Behauptung einer Gleichbehandlung aller Gläubiger reicht nicht ().

819Diese erhöhte Mitwirkungspflicht entbindet die Abgabenbehörde nicht von jedweder Ermittlungspflicht (zB ; ).

Gelingt ein solcher Nachweis nicht, so kann die Haftung für den gesamten uneinbringlichen Abgabenbetrag geltend gemacht werden (zB ; ).

8.2.4 Verschulden des Vertreters

820Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen nur dann zur Haftungsinanspruchnahme, wenn die Verletzung schuldhaft erfolgte. Eine bestimmte Schuldform ist hiefür nicht erforderlich (zB ; ). Daher reicht leichte Fahrlässigkeit (zB ; ).

821Der Vertreter hat darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge getragen, dass der Vertretene die Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf (zB ; ; ; ; ). In der Regel wird nämlich nur der Vertreter jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung des Vertretenen haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht (zB ; , AW 2009/16/0041; ). Der Vertreter hat für die Möglichkeit des Nachweises seines pflichtgemäßen Verhaltens vorzusorgen (zB ; , 0044). Ihm obliegt kein negativer Beweis, sondern die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die etwa der rechtzeitigen Abgabenentrichtung entgegenstanden (; , 2006/17/0002). Diese qualifizierte Mitwirkungspflicht entbindet die Abgabenbehörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht (zB ; ; ).

822Hat der Vertreter Dritte mit der Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen betraut, ohne sich weiter darum zu kümmern, ob diese Verpflichtungen auch erfüllt werden, liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung vor (zB ). Kontrollen haben in solchen zeitlichen Abständen zu erfolgen, die es ausschließen, dass dem Vertreter Steuerrückstände verborgen bleiben (zB ; ). Dies gilt auch, wenn ein Wirtschaftstreuhänder mit den Abgabenangelegenheiten betraut ist (zB ; ; ).

823Wird ein Vertreter an der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten gehindert, so hat er die Behinderung der Ausübung seiner Funktion abzustellen und - wenn sich dies als erfolglos erweist - sein Funktion niederzulegen. Tut er dies nicht, so ist ihm ein relevantes Verschulden anzulasten. Dies gilt auch dann, wenn sich der Vertreter schon bei der Übernahme der Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnis für einverstanden erklärt und dabei in Kauf genommen hat, dass ihm die Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen unmöglich gemacht wird (zB ; ).

824Rechtsunkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen vermag den Vertreter nicht zu exkulpieren (zB , AW 2009/16/0041); wer trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlässt, handelt zumindest fahrlässig (zB ).

825Sind bei einer Mehrheit von Vertretern die Aufgaben verteilt, bewirkt dies nicht, dass die nicht mit Abgabenangelegenheiten betrauten Vertreter sich um die Tätigkeit des damit betrauten Vertreters nicht mehr zu kümmern brauchen. Jedem Vertreter obliegt die Überwachung der anderen (vgl. zB ). Der Umfang der Überwachungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalles ab ().

Eine Geschäftsverteilung kann einen Vertreter exkulpieren, wenn er sich nach Lage des Falles auf den intern für Abgabenangelegenheiten zuständigen Vertreter verlassen durfte. Dies gilt jedoch nicht, wenn für ihn Anlass zur Annahme bestand, dass der intern zuständige Vertreter seinen Aufgaben nicht oder unvollständig nachkommt (, 81/14/0169).

826Primär ist der Vertreter zur Haftung heranzuziehen, der mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist (vgl. zB ; ). Kommen mehrere Vertreter als Haftungspflichtige in Betracht, ist die Ermessensentscheidung, wer von ihnen - allenfalls auch in welchem Ausmaß - in Anspruch genommen wird, im Haftungsbescheid entsprechend zu begründen (zB ; , AW 96/17/0316).

8.2.5 Kausalität

827Die Inanspruchnahme der gemäß § 9 BAO bestehenden Haftung setzt voraus, dass die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kausal für die Uneinbringlichkeit ist.

Bei schuldhafter Pflichtverletzung darf die Abgabenbehörde mangels dagegen sprechender Umstände annehmen, dass die Pflichtverletzung Ursache der Uneinbringlichkeit ist (zB ; ; ; ; ).

8.2.6 (Zeitlicher) Umfang der Haftung

828Die Vertreterhaftung besteht insbesondere für Abgaben, deren Zahlungstermin (zB Fälligkeitszeitpunkt) in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt. Sie besteht aber auch für noch offene Abgabenschuldigkeiten, deren Zahlungstermin bereits vor der Tätigkeit des betreffenden Vertreters gelegen ist (zB ; ; ).

829Die Möglichkeit der Geltendmachung der Haftung erlischt nicht dadurch, dass der Vertreter seine Tätigkeit zurücklegt. Entscheidend ist, wann der Haftungstatbestand vom Vertreter verwirklicht ist. Die Geltendmachung der Haftung kann auch nach Beendigung seiner Tätigkeit erfolgen (vgl. zB ; ).

Die Haftung kann auch nach Auflösung des Vereines geltend gemacht werden (vgl. zB ).

8.2a Haftung nach § 9a BAO

829aDie in § 9a Abs. 2 BAO normierte Haftung besteht ab . Sie kommt erstmals für ab diesem Zeitpunkt erfolgte Verletzungen der Pflichten des § 9a Abs. 1 BAO in Betracht (zB RV/3100357/2013).

829bSoweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden ( § 9a Abs. 1 BAO).

Solche Personen haften für Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge ihrer Einflussnahme nicht eingebracht werden können.

829cDie Haftungsbestimmung des § 9a Abs. 2 BAO erweitert die Vertreterhaftung ( § 9 BAO) auf Personen, die entweder faktische Geschäftsführer sind (somit die de facto an der Stelle des Vertreters die abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters bzw. die abgabenrechtlichen Pflichten des Vertretenen erfüllen bzw. verletzen) oder die den Vertreter dahingehend beeinflussen, dass abgabenrechtliche Pflichten verletzt werden.

8.3 Haftung nach § 11 BAO

830Nach § 11 BAO haften bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte, für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden.

Diese Haftung setzt eine rechtskräftige Verurteilung im finanzbehördlichen bzw. im gerichtlichen Finanzstrafverfahren voraus (vgl. ; ). Vor einer solchen Verurteilung darf die Haftung somit nicht geltend gemacht werden.

8.4 Haftung nach § 15 BAO

831Die Haftung nach § 15 BAO besteht ua. dann, wenn nach einem Wechsel in der Person desgesetzlichen Vertreters (zB der nach den Statuten zur Vertretung des Vereins befugten Person) der Vertreter erkennt, dass bereits abgegebene Erklärungen zur Festsetzung von Abgaben (zB Umsatzsteuererklärungen gemäß § 21 Abs. 4 UStG 1994) unrichtig oder unvollständig sind oder dass die Einreichung solcher Erklärungen pflichtwidrig unterlassen wurde. Die Haftung für die vorenthaltenen Abgabenbeträge besteht nur dann, wenn der Vertreter den erkannten Verstoß nicht binnen drei Monaten (vom Zeitpunkt der Kenntnis an gerechnet) dem der Abgabenbehörde erster Instanz anzeigt.

832Haftungsrelevant sind nur Erklärungen, für die eine Verpflichtung zur Einreichung bestand und die zur Festsetzung von Abgaben eingereicht wurden.

Aus § 15 BAO ergibt sich keine Verpflichtung zur Prüfung der Erklärungen. Der Nachweis für das Erkennen der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der Abgabenerklärung obliegt der Abgabenbehörde.

8.4a Haftung nach § 6a KommStG 1993

832aIm Unterschied zu § 9 BAO ist die nach § 6a Abs. 1 KommStG 1993 bestehende Vertreterhaftung keine echte, jedoch eine erweiterte Ausfallshaftung ( sowie RV/7400106/2015 zu den gleichlautenden Bestimmungen der §§ 7 Wiener Abgabenordnung und 9 Abs. 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966). Sie besteht insoweit, als Kommunalsteuer infolge schuldhafter Verletzung abgabenrechtlicher oder sonstiger Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

832bSolche Schwierigkeiten sind nach der Judikatur des VfGH () nur erhebliche Schwierigkeiten, die in ihrer Intensität so geartet sind wie die Schwierigkeiten, die sich für das Einbringen der Abgabenforderungen im Falle der Konkurseröffnung ergeben. Daher kommt die Heranziehung zur Haftung nicht bereits bei geringen Schwierigkeiten, etwa bei subjektiver Zahlungsunwilligkeit in Betracht.

832cDie Haftung nach § 6a Abs. 3 KommStG 1993 ist im Unterschied zu § 9a BAO keine echte, allerdings eine erweiterte Ausfallshaftung. Sie besteht für Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge der Einflussnahme von Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen sowie der in §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

832dIm Ermessen liegt die Inanspruchnahme persönlich Haftender auch dann, wenn mehrere Personen (zB Vertreter und tatsächlich Einfluss nehmende Personen) den Haftungstatbestand verwirklicht haben. Daher liegt es auch im (begründungspflichtigen) Ermessen, welche der Haftungspflichtigen für den gesamten Haftungsbetrag (bzw. welche Personen für welche Teilbeträge) mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Bei der Ermessensübung sind ua. der Grad des Verschuldens (der haftungspflichtigen Person) sowie ihre wirtschaftlichen Verhältnisse (somit die Einbringlichkeit der Haftungsschuld beim Haftungspflichtigen) zu berücksichtigen.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002
FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
GrStG 1955, Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149/1955
BewG 1955, Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148/1955
Werbeabgabegesetz 2000, BGBl. I Nr. 29/2000
KommStG 1993, Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993
GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 3 VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002
§ 9 VerG, Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66/2002
§ 13 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 15 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 158 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 90 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 210 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 21 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 99 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 71b IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 123a IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 21 Abs. 4 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 131b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 132a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 115 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§§ 80 ff BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 5 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966
Verweise:

























































VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 801
VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 807
VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 820
VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Rz 827






















VereinsR 2001, Vereinsrichtlinien 2001 Abschnitt 8.2a






Schlagworte:
Auslegungsbehelf - Vereine - Betriebe gewerblicher Art - Körperschaften öffentlichen Rechts - Vertretungsbefugte - Vereinsregister - Statuten - Vereinssitz - Bücher und Aufzeichnungen - Aufbewahrung - Bedenkenvorhalten - Abgabenerklärungen - Ergänzungsaufträge - Ergänzungsauftrag - Akteneinsicht - Parteiengehör - Uneinbringlichkeit - Ausfallshaftung - Einbringungsmaßnahmen - Konkurseröffnung - Insolvenzverfahren - Haftungsinanspruchnahme - Konkursverfahren - Betriebseinstellungen - Zahlungserleichterungen - Vertretenen - Mitwirkungspflichten - Selbstbemessungsabgaben - Dienstgeberbeitrag - Dienstgeberbeiträge - Umsatzsteuervorauszahlungen - Gleichbehandlungsgrundsatz - Gleichbehandlungsgrundsätze - Abfuhrabgaben - Lohnsteuer - Kapitalertragsteuer - Umsatzsteuer - Körperschaftsteuer - Sozialversicherungsbeiträge - Sozialversicherungsbeitrag - Mantelzessionsvertrag - Zessionsvertrag - Mantelzessionsverträge - Zessionsverträge - Pflichtverletzung - Ermittlungspflicht - Haftung - Ermessensentscheidung - Haftungsbescheid - Vertreterhaftung.
Stammfassung:
06 5004/10-IV/6/01

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
FAAAA-76463