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Richtlinie des BMF vom 05.12.2022, 2022-0.860.124
2. Unternehmer, Unternehmen (§ 2 UStG 1994)
2.1. Begriff des Unternehmers

2.1.6. Gewerbliche oder berufliche Tätigkeit

2.1.6.1. Allgemeines

186Der Begriff der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Sinne des UStG 1994 geht über den Begriff des Gewerbebetriebes nach dem EStG 1988 hinaus. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit setzt voraus, dass Leistungen im wirtschaftlichen Sinne ausgeführt werden. Betätigungen, die sich nur als Leistungen im Rechtssinne, nicht aber zugleich als Leistungen im wirtschaftlichen Sinne darstellen, werden von der Umsatzsteuer nicht erfasst (BFH , V - 94/65, BStBl II 1969, 637). Die bloße Kapitalhingabe durch Private ist daher keine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit. Insbesondere vermitteln Geldeinlagen auf Bankkonten oder Sparbüchern dem Inhaber nicht die Unternehmereigenschaft (; BFH , V R 2/70, BStBl II 1973, 172). Dies gilt auch für den Erwerb und das Halten von Beteiligungen, den Erwerb von Wertpapieren, und für die Hingabe von Darlehen oder Krediten. Auch der EuGH verneint die Unternehmereigenschaft des bloßen Kapitalanlegers, wenn er zum Ausdruck bringt, dass die bloße Ausübung des Eigentums, wie sie in der Verwaltung des eigenen Vermögens zum Ausdruck kommt, nicht als wirtschaftliche (= unternehmerische) Tätigkeit anzusehen ist (Wellcome Trust und Harnas & Helm). Eine unternehmerische Betätigung kann aber dann vorliegen, wenn jemand durch geschäftsmäßigen An- und Verkauf von Kapital- oder Gesellschaftsbeteiligungen wie ein Händler auftritt und damit eine nachhaltige, auf Einnahmenerzielung gerichtete Tätigkeit entfaltet (BFH , V R 3/77, BStBl II 1987, 512).

Bei der Überlassung der Nutzung eines Wohnhauses bzw. einer Wohnung durch eine Gesellschaft an den Gesellschafter muss zunächst geprüft werden, ob überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt. Für diese Beurteilung ist ein Vergleich der Umstände vorzunehmen, unter denen die Immobilie tatsächlich genutzt wird, sowie jener Umstände, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit gewöhnlich ausgeübt wird (vgl. ; , Enkler). Ausschlaggebend ist die Berücksichtigung aller Gegebenheiten, die für einen Einzelfall charakteristisch sind (vgl. ). Zu prüfen ist die Fremdüblichkeit des Mietentgeltes, wobei ein moderates Abweichen vom fremdüblichen Entgelt die Unternehmereigenschaft nicht ausschließt (vgl. , ). Zusätzlich sind sämtliche Aspekte der Vertragsbeziehung in diese Prüfung miteinzubeziehen (zB Kündigungsmodalitäten, Vorhandensein bzw. Nichtanwendung von Indexklauseln, fremdunübliche Ausgestaltung des Mietvertrages, usw.). Eine nichtunternehmerische Vermietung liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Immobilie an den Anteilsinhaber nicht zum Erzielen von Einnahmen überlassen wird, sondern um diesem einen Vorteil zuzuwenden (vgl. ). Davon ist bei Zugehörigkeit einer Luxusimmobilie zur außerbetrieblichen Sphäre einer Körperschaft auszugehen. Erfolgt die Überlassung der Immobilien durch eine Privatstiftung an den Stifter oder an andere Begünstigte im Rahmen der Erfüllung ihrer satzungsmäßigen Zwecke, liegt im Lichte der Rechtsprechung keine unternehmerische Tätigkeit vor (vgl. ).

Bei Vermietung und Verpachtung in der "Unternehmerkette" ist die Fremdüblichkeit - auch bei Nahebeziehungen zwischen den Parteien - für die Frage des Vorliegens einer wirtschaftlichen Tätigkeit unerheblich, sofern kein offensichtlicher Bezug zur Sphäre der privaten Lebensführung eines der Beteiligten vorliegt (vgl. mVa ; zur Anwendung des Normalwerts siehe Rz 682).

Ist von einer unternehmerischen Vermietung einer Immobilie durch die Körperschaft auszugehen, muss in einem zweiten Schritt beurteilt werden, ob dieser Vorgang nach ertragsteuerlichen Grundsätzen eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt und daher ein Vorsteuerausschluss gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 zum Tragen kommen kann (siehe dazu Rz 1929 mVa ).

Zur Unternehmereigenschaft des Betreibers einer Photovoltaikanlage siehe den , BMF-010219/0488-VI/4/2013, BMF-AV Nr. 8/2014.

187Nicht maßgebend ist, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, strafbar ist oder den guten Sitten widerspricht (§ 23 Abs. 2 BAO). Auch der der 6. MWSt-RL zugrunde liegende Gedanke der Wettbewerbsneutralität der Mehrwertsteuer verbietet eine allgemeine Differenzierung zwischen erlaubten und nicht erlaubten Geschäften ( "Lange"; , Kommission gegen Italien; , "Fischer"), ausgenommen Fälle, in denen auf Grund besonderer Vorschriften jeder Wettbewerb zwischen einem legalen und einem illegalen Wirtschaftssektor ausgeschlossen ist (, "Happy Family" betreffend Importe von Drogen; , "Witzemann" betreffend Falschgeldimporte).

2.1.6.2. Nachhaltigkeit

2.1.6.2.1. Allgemeines

188Nachhaltigkeit liegt vor,

  • bei wiederholter Tätigkeit unter Ausnützung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses (; );

  • bei einmaliger Tätigkeit, wenn aus den objektiven Umständen des Falles auf Wiederholungsabsicht geschlossen werden kann ( mit Hinweisen auf Vorjudikatur; );

  • wenn durch einmaligen Vertragsabschluss ein Dauerzustand zwecks Einnahmenerzielung geschaffen wird ( betreffend Vermietung; betreffend Lizenzvergabe);

  • wenn eine einmalige Leistung erbracht wird, die längere Zeit in Anspruch nimmt ( betreffend Werklieferung einer Arbeitsgemeinschaft).

189Verkäufe von Privatvermögen erfüllen das Kriterium der Nachhaltigkeit nicht, wenn sie nur gelegentlich erfolgen und es an einem inneren Zusammenhang fehlt (). Keine Nachhaltigkeit ist daher gegeben, wenn aus Veranlagungsgründen angesammelte Sachwerte nach Maßgabe eines auftretenden Geldbedarfes verkauft werden (). Von Bedeutung ist auch, ob die Verkäufe aus eigener Initiative erfolgen oder nur auf Drängen eines Interessenten ().

Es reicht für die Annahme einer unternehmerischen Tätigkeit nicht aus, mit dem bloßen Hinweis auf den Umstand wiederholter Verkäufe eine nachhaltige Tätigkeit zu bejahen. Vielmehr ist auf das Gesamtbild des Marktauftritts der verkaufenden Person abzustellen, wobei etwa Dauer und Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Erlöse, die Beteiligung am Markt durch Werbung, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden oder das Unterhalten eines Geschäftslokals zu würdigen sind ( mVa BFH , V R 21/09).

2.1.6.2.2. Einzelfälle (ABC)

190Archäologische Fundgegenstände: Keine Unternehmereigenschaft bei einem Volksschullehrer, der zirka zehn Jahre lang mit einem Metalldetektor nach archäologischen Gegenständen gesucht hat und diese dann - auf Drängen der Museumsdirektoren - in drei Etappen an ein Museum veräußert hat ( - Grenzfall!).

Ausgleichsfinanzierung in einem einzigen Fall: bei Tätigkeit über mehrere Jahre und einer Fülle von Einzelleistungen ist Nachhaltigkeit gegeben ().

Bauauftrag: Keine Nachhaltigkeit bei Vermittlung eines einzigen Bauauftrages ohne Wiederholungsabsicht ().

Berufskartenspieler: Nachhaltige Tätigkeit eines Berufskartenspielers, der sich täglich bis zu 14 Stunden in einem Spielsalon aufhält (BFH , VR 20/91).

Briefmarkensammlung: Nachhaltigkeit bei zahlreichen Einzelverkäufen während eines Zeitraumes von fünf Jahren ().

Erben: Nachhaltigkeit, wenn die Erbengemeinschaft nach einem Maler einem Galerieunternehmer 130 Bilder aus dem Nachlass zum Verkauf überlässt (), oder wenn geerbte Zahngoldvorräte durch einen Zahntechniker über mehrere Jahre Gewinn bringend verwertet werden ().

Gewerberechtlicher Geschäftsführer: Nachhaltig ist die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers für eine einzige GmbH ().

Goldmünzen: Nachhaltigkeit, wenn en bloc gekaufte Goldmünzen in mehreren Einzelverkäufen wieder veräußert werden; keine Nachhaltigkeit, wenn die Münzen "angespart" wurden ().

Jahreswagen: Keine Nachhaltigkeit bei Verkauf von "Jahreswagen" durch Angehörige von Automobilfabriken (BFH , VR 86/87).

2.1.7. Erzielung von Einnahmen

191Unternehmerisch sind nur (nachhaltige) Tätigkeiten zur Erzielung von Einnahmen.

Das Kriterium der Einnahmenerzielung bedeutet, dass

  • nachhaltige Tätigkeiten, die nicht auf Einnahmenerzielung gerichtet sind, keine Unternehmereigenschaft begründen und

  • Unternehmereigenschaft auch vorliegt, wenn keine Gewinnerzielungsabsicht gegeben ist.

Keine Tätigkeit zur Einnahmenerzielung liegt vor, wenn nur im eigenen Bereich Ausgaben gespart werden oder Dritten ermöglicht werden soll, Ausgaben zu sparen; Tätigkeiten, die nur der Selbstversorgung dienen, begründen daher nicht die Unternehmereigenschaft.

192Gewinnerzielungsabsicht ist nach § 2 Abs. 1 UStG 1994 nicht erforderlich. Dies entspricht der MwSt-RL 2006/112/EG, nach der es nicht darauf ankommt, zu welchem Zweck der Steuerpflichtige seine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Selbst wenn das Entgelt für eine Leistung nur in der Weiterverrechnung von Kosten besteht, unterliegt es der Umsatzsteuer (). Die Einnahmenerzielung muss nicht die primäre Motivation der Tätigkeit sein; auch ideelle, karitative und gemeinnützige Tätigkeiten können unternehmerisch sein (). Hinsichtlich der Abgrenzung zur Liebhaberei siehe LRL 2012 Rz 159 ff.


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Zusatzinformationen
Gültig ab:
Materie:
Steuer
Betroffene Normen:
Verweise:
EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 23 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
BFH , V - 94/65, BStBl II 1969, 637
BFH , V R 2/70, BStBl II 1973, 172
BFH , V R 3/77, BStBl II 1987, 512























BFH , V R 20/91
BFH , V R 86/87
, Wellcome Trust
, Harnas & Helm


LRL 2012, Liebhabereirichtlinien 2012 Rz 159 ff
RL 2006/112/EG, ABl. Nr. L 347 vom S. 1
BMF-010219/0488-VI/4/2013
, Enkler



UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 682
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
UStR 2000, Umsatzsteuerrichtlinien 2000 Rz 1929

BFH , V - 94/65
BFH , V R 2/70
BFH , V R 3/77


BFH , V R 21/09
Schlagworte:
Umsatzsteuer - Unternehmereigenschaft - unternehmerische Tätigkeit - gewerbliche Tätigkeit - berufliche Tätigkeit - Nachhaltigkeit - Einnahmeerzielungsabsicht - Gewinnerzielungsabsicht - Kapitalanlage - karitative Tätigkeiten - Leistungen - Kapitalhingabe - Beteiligungen - Erwerb von Wertpapieren - Hingabe von Darlehen - unternehmerische Betätigung - Verkäufe von Privatvermögen - archäologische Fundgegenstände - Bauauftrag - Bauaufträge - Erben - Erbengemeinschaft - Gebäudeerrichtung - gewerberechtlicher Geschäftsführer - gemeinnützige Tätigkeiten
Stammfassung:
09 4501/58-IV/9/00

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
VAAAA-76462