12. Sachhaftungen (§ 225 BAO)
1300Eine Sachhaftung (sachliche Haftung) liegt vor, wenn eine Sache grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wer die Sache im Zeitpunkt der Geltendmachung der Haftung innehat (zB als Eigentümer oder Besitzer), für bestimmte Abgabenschulden in Anspruch genommen werden kann.
1301Wesentliches Merkmal der Sachhaftung ist, dass sie dem Abgabengläubiger hinsichtlich einer bestimmten Sache eine Rechtsstellung verleiht, die allen Rechten an der Sache, auch dem Eigentum, vorgeht, weil das höherstehende Gemeinschaftsinteresse diesen Eingriff in die Rechtssphäre des Einzelnen ermöglicht ().
1302Haftungen an beweglichen Sachen sind mit Beschlagnahmebescheid geltend zu machen. Die Erlassung solcher Bescheide liegt im Ermessen.
12.1. Geltendmachung der Sachhaftung (§ 225 Abs. 1 BAO)
1303Die Geltendmachung der Sachhaftung an beweglichen körperlichen Gegenständen erfolgt durch Erlassung eines die Beschlagnahme der haftenden Sache aussprechenden Bescheides. Die Ausfolgung des beschlagnahmten Gegenstandes kann durch Verhängung einer Zwangsstrafe (§ 111 BAO) erzwungen, könnte aber auch durch Anwendung unmittelbaren Zwanges (§ 86b AbgEO) durchgesetzt werden. Eine allfällige Verwertung beschlagnahmter Sachen hat gemäß § 87 AbgEO zu erfolgen. Dingliche Rechte (zB Pfandrechte) dritter Personen an den beschlagnahmten Gegenständen stehen der Verwertung zugunsten der Abgabenansprüche nicht entgegen. Im Fall der Anfechtung des Beschlagnahmebescheides (Verfügungsverbotes) empfiehlt es sich, mit der Verwertung der beschlagnahmten Sachen bis zur Rechtskraft des Bescheides zuzuwarten.
12.2. Sachhaftung unbeweglicher Sachen ( § 225 Abs. 2 BAO)
1304Die Geltendmachung einer Sachhaftung ist keine Maßnahme der Abgabenfestsetzung, sondern ein Schritt der Abgabeneinhebung. Für die Erlassung eines Bescheides nach § 225 Abs. 1 BAO kommt es dabei nicht darauf an, ob die Abgabe dem Abgabenschuldner - der mit dem Adressaten des Sachhaftungsbescheides keineswegs ident sein muss - bereits vorgeschrieben ist oder ob ein erlassener Abgabenbescheid in Rechtskraft erwachsen ist ().
Der Haftungspflichtige kann innerhalb der Beschwerdefrist gegen den Beschlagnahmebescheid auch den Bescheid über den Abgabenanspruch anfechten ( § 248 BAO). Daraus ergibt sich, dass dem Haftungspflichtigen anlässlich der Erlassung des Beschlagnahmebescheides Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Anspruch zu verschaffen ist. Die Bescheidbeschwerde kann bei der Abgabenbehörde eingebracht werden, die den Beschlagnahmebescheid erlassen hat ( § 249 Abs. 2 BAO). Eine auf Grund eines Rechtsmittels des Haftungspflichtigen über den Abgabenanspruch ergehendes Erkenntnis wirkt auch gegen den Erstschuldner ( § 281 Abs. 2 BAO), selbst wenn der Abgabenbescheid diesem gegenüber bereits formell rechtskräftig war. Dies setzt allerdings voraus, dass das Erkenntnis auch an den Erstschuldner gerichtet und ihm bekannt gegeben (zugestellt) wird. Im Übrigen wird auf Rz 1214 bis 1234 verwiesen.
12.2. Sachliche Haftung unbeweglicher Sachen (§ 225 Abs. 2 BAO)
1305Gemäß § 11 GrStG haftet für die Grundsteuer ein gesetzliches Pfandrecht auf dem Steuergegenstand. Wenn auch die Grundsteuer selbst ausschließlich von den Gemeindebehörden eingehoben wird, so hat diese Gesetzesbestimmung dennoch auf Grund des § 6 Bodenwertabgabegesetz und des § 5 des BG über eine Abgabe von land- und forstswirtschaftlichen Betrieben für die Abgabenbehörden des Bundes mittelbar Bedeutung. Ferner sind die Bestimmungen des GrStG dem § 44 Abs. 2 FLAG 1967 zufolge bei der Erhebung des Beitrages von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben sinngemäß anzuwenden.
1306Sachhaftungen an Liegenschaften sind auf Grund der Bestimmungen der (gerichtlichen) Exekutionsordnung (Pfandrechtsvormerkung, zwangsweise Pfandrechtsbegründung, Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung) geltend zu machen.
Randzahlen 1307 bis 1329: derzeit frei
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zusatzinformationen | |
---|---|
Gültig ab: | |
Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
Betroffene Normen: | BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 225 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 225 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 111 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 86b AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 87 AbgEO, Abgabenexekutionsordnung, BGBl. Nr. 104/1949 § 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 249 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 11 GrStG 1955, Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149/1955 |
Verweise: | § 225 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 BWAG, Bodenwertabgabegesetz, BGBl. Nr. 285/1960 § 5 AbglufBG, Abgabe von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, BGBl. Nr. 166/1960 GrStG 1955, Grundsteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 149/1955 § 44 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 281 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1214 RAE, Richtlinien Abgabeneinhebung Rz 1234 |
Schlagworte: | Abgabeneinhebung - Bindungswirkung - Sachhaftung - sachliche Haftung - Besitzer - Beschlagnahmebescheid - Ermessen - Eigentum - Geltendmachung - Geltendmachung der Sachhaftung - Beschlagnahme - Zwangsstrafe - Pfandrechte - Verfügungsverbot - Abgabeneinhebung - Sachhaftungsbescheid - Berufungsfrist - Abgabenanspruch - Abgabenansprüche - Berufung - sachliche Haftung unbeweglicher Sachen - Liegenschaften - Exekution - Pfandrechtsvormerkung - zwangsweise Pfandrechtsbegründung - Zwangsversteigerung - Zwangsverwaltung |
Stammfassung: | 05 2202/1-IV/5/03 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
EAAAA-76459